yogabuch / faq
In der FAQ werden viele häufig gestellte Fragen geklärt. Dazu gibt es einen „Erste-Hilfe-Baukasten“ für den Nacken und einen für den unteren Rücken.
Fragen: nach Bezug/Körperteill
Arm/Hand/Ellbogen . Schulter . Rücken . Hüftgelenk . Knie . Bein . allgemein . Becken . Fuß . Hand
Arm/Hand/Ellbogen
º Schmerzen in der Ellbogenaussenseite
º Schmerzen in den Handgelenkoberseiten (dorsal)
º In Drehhaltungen u.a.: Finger oder Handfläche aufsetzen?
º Mauselöcher (hochkommende Fingergrundgelenke) – oder: Ein Beispiel für fundamentale und Scheinlösungen
º Schmerzen in Unterarm/Hand (Golferellbogen, Tennisellbogen, Sehnenscheidenentzündung, RSI-Syndrom, Karpaltunnelsyndrom)
Schulter
º Krampf im Deltoideus
º Verkrampfung im Nacken / Trapezius – ERSTE-HILFE-BAUKASTEN-NACKENVERSPANNUNG
º Warum beugen mir, auch wenn ich versuche es zu verhindern, in allen möglichen Haltungen die Arme ?
º Ich habe steife Schultern
Rücken
º Unterer Rücken in Hund Kopf nach oben
º Vorwärtsbeugen nach Rückbeugen
º In Partnerübungen: Wo auf das Kreuzbein drücken?
º Veränderte Krümmung der Wirbelsäule
º Skoliose
º Hohlkreuz
º Hexenschuss (Lumbago)
º Schmerzen / Spannung im unteren Rücken – ERSTE HILFE BAUKASTEN UNTERER Rücken
º LWS-Buckel in Vorwärtsbeugen
º Ich habe einen Buckel! Wie werde ich den los?
º Schwacher Rücken
º Bandscheiben-Probleme und schlechte Vorwärtsbeuge (steife Ischiocrurale Gruppe)
º Wenn ich den Oberkörper kräftig drehe, geht mir die Streckung der WS verloren, woher kommt das?
º Welche Haltungen kann ich bei Bandscheibenschäden machen, welche muss ich meiden?
º Warum macht ihr uttanasana nicht mit gebeugten Knien wie einige in Medium XY ?
Hüftgelenk
º Krampf in der Pobacke in parsvakonasana
º Krampf in der Hüfte in der Hundestellung
º Spannung im Leistenbereich (Pectineus)
Knie
º Knie-Schmerzen in Haltungen mit Lotus-Bein oder baddha konasana ähnlichen Haltungen
º Knie-Probleme allgemein
º Knie: Arthroskopie – JA oder NEIN??
º Knieschmerz in viparita karani
º Schmerzen im Knie in uttanasana oder anderen Stehhaltungen mit einem gestrecktem Bein
º Fußmittellinien parallel oder Knie richtungsparallel? Das ist doch nicht das gleiche – die Frage der Schlussrotation.
º Schmerzen im Knie in upavista konasana
º Unfähigkeit Knie durchzustrecken auch bei gestreckter Hüfte / Spannungsempfinden in der Beinrückseite bei Kniestrecken nach Schneidersitz oder supta virasana
º Der Entengang – war der nicht schädlich ??
Bein
º Achsengerechte Beinbewegung beim Laufen
º Reizung des Muskelansatzes am Sitzbein (PHT)
º Schmerzen in der inneren Knierückseite
º Schmerzen in der Achillessehne in trikonasana
º Schienbeinkantensyndrom
º Ischias
º Unfähigkeit zu Kniebeugen / utkatasana wegen steifer Wadenmuskulatur (Gastrocnemius, Soleus)
º Reizung des n. ischiadicus
º Schlechtes Kippen des Beckens nach vorn (Verkürzung der Beinrückseite)
º Gestreckte Füße – aufgestellte Füße
º Warum soll ich in Stehhaltungen die Zehen nicht benutzen?
º Das Herunterdrücken des Großzehengrundgelenks
º Umgang mit Beinlängendifferenzen in den Haltungen
allgemein
º Wacklig in Stehhaltungen
º Was ist eine Surrogatbewegung? Ist sie schlimm?
º Hilfestellungen anstrengender als die Haltungen?
º Herauskommen aus einer Haltung
º Übungen, die man nicht (mehr) üben darf
º Sehen „Yoga-Muskeln“ anders aus
º Philosophische Literatur über Yoga
º Geeignete und ungeeignete Vorwärtsbeugen
º Kommutativität (Reihenfolgevertauschbarkeit) einzelner Bewegungen
º Sport macht steif?
º Muss ich mich krumm oder gerade fühlen nach Korrektur?
º Partnerübungen: ich habe Angst so kräftig zu drücken
º Knie und Ellbogen ganz durchstrecken?
º Muskelkater
º „Tiefenmuskulatur“
º Soll ich nur auf dem Rücken schlafen? Und wie mache ich das?
º Knackende Gelenke
º Statisches und dynamisches Üben
º Wohin den Kopf drehen? Ihr macht das anders als ..
º Kannst Du mir eine gute Schule in XY empfehlen?
º Seitendifferenzen, vor allem in der Beweglichkeit und Dysbalancen in Beinen/Hüften
º Kannst du mir nicht ein Programm erstellen, was ich regelmäßig allein üben kann?
º Assoziierte Bewegungen
º Dehnen und Asanas: vor oder nach dem Sport ?
Becken
Fuß
Hand
Achsengerechte Beinbewegung beim Laufen
Frage:
Ich habe gehört / in der Videoanalyse gesehen, daß ich die Beine beim Laufen nicht achsengerecht bewege. Kann ich das positiv beeinflussen ?
Antwort:
Eine gar nicht so einfache, aber spannende Frage. Grundsätzlich ist Laufen ein hochkomplexer Vorgang, und es gibt viele Parameter, die von dem Ideal abweichen können.
Um mit einem Beispiel anzufangen: in seinem 9.58 Sekunden 100 m- Weltrekord-Lauf ist bei Usein Bolt in der Slow Motion klar zu sehen, daß seine Beine gerade zu Beginn alles andere als achsengerecht bewegen. Im Gegenteil, er zieht die Knie bei der Bewegung des Beins nach vorn nach innen, was einer Kombination aus Adduktion und Endorotation des Oberschenkels im Hüftgelenk entspricht. Bis zum Aufsetzen des Fußes dreht dann der Oberschenkel aber ein wenig aus und abduziert ein wenig, so daß der Fuß tatsächlich in einer Position aufgesetzt wird, die einem leicht ausgedrehten und etwas abduzierten Bein entspricht. Dies erlaubt ihm, den im gesammten Rennverlauf vermutlich wichtigsten Muskel, den Gluteus maximus als Haupt-Kraftextensor des Hüftgelenks und maßgeblich für den Vortrieb verantwortlichen Muskel in einem etwas größeren ROM einzusetzen als bei völlig achsengerechter Bewegung.
Gerade in der Beschleunigungsphase muß dieser Muskel für den angestrebten Geschwindigkeitszugewinn eine immense Leistung (Arbeit pro Zeit) entfalten. Darüber hinaus ist dieses Verfahren günstig, um die Schwerpunktveränderungen in der Transversalebene so günstig wie möglich für maximale Drehmomententfaltung in den Hüftgelenken zu halten. Mit dieser Achsenabweichung ist er nicht der einzige. Zumindest ein Teil dieser sehr auffälligen Achsenabweichung ist dabei seiner großen Körperlänge zuzuschreiben, viele Grundsätze bleiben aber auch bei kleineren Sprintern gleich. Im Verlauf des Rennens begradigt sich sich dann die Bewegung der Beine. Alles andere wäre bei einer Geschwindigkeit von bis zu 12,19 m / s und einer Schrittfrequenz von 270 / min auch kaum darstellbar. Zudem brauchen die Hüftgelenke nicht mehr das immense Drehmoment für die Beschleunigung beim Start aufzubringen, sondern „nur“ noch das zum Erhalt der Geschwindigkeit.
Damit sollte klar sein, daß einerseits eine achsengerechte Führung der Beine nicht in allen Situationen optimal sein muß, andererseits auf Weltklasseniveau auch nicht regelmäßig erfolgt. Nach diesem kleinen Exkurs wieder zurück zum durchschnittlichen Freizeitsportler, der vor allem seinen Bewegungsapparat auf gesunde und möglichst nebenwirkungsfreie Weise benutzen möchte, während er eine der schönsten Formen von Psychohygiene betreibt und gleich noch dazu eine der besten Weisen kardiopulmonalen Trainings mit Präventiveffekten gegen viele wichtige schwere Erkrankungen. Der Freizeitsportler wird in seinem Langlauf anstreben die Beine so achsengerecht wie möglich zu bewegen, und dafür gibt es gute Gründe.
Eine regelmäßige Exorotation der Beine vor dem Aufsetzen des Fußes etwa führt zu einer Hypersupination im Verlauf der Abrollphase, was für verschiedene Gelenke alles andere als förderlich ist und zudem die Gefahr eines Supinationstraumas erhöht. Ein eingedreht aufgesetztes Bein etwa würde dementsprechend zur Hyperpronation führen, was ebenfalls mindestens genauso üble Konsequenzen hat, zumal der Bewegungsspielraum in Richtung Pronation beim Menschen ungleich kleiner ist als in Richtung Supination. Genauso ist bei einer bzgl. Ober- und Unterschenkel achsengerechten Führung des Beins ein zu stark supiniert oder zu stark proniert aufgesetzter Fuß alles andere als unkritisch, die Hyperpronation ist als Folge der Tibialis Posterior-Dysfunktion für ihre Folgeschäden bekannt, und auch selbst Risikofaktor für viele Störungen. Häufig ist Hyperpronation ein Euphemismus für einen oder eine Verschleierung eines Senk-Knickfußes, welcher seinerseits zu weiteren Störungen wie etwa dem Spreizfuß, der Metatarsalgie, dem Morton-Neurom und dem Hallux valgus disponiert.
Erfolgt hingegen eine Exorotation des Unterschenkels im Kniegelenk, wird wegen des lateralisierten Ansatzes des Ligamentum patellae die Patella in der Frontalebene gedreht, kaudal nach lateral und lateral nach dorsal gezogen, wodurch ihre physiologische Führung auf mehrfache Weise gestört ist und meist ein PFPS (Chondropathia patellae) entsteht. Durch die ständige Rotation des Unterschenkels in beide Richtungen erhöht es auch die Reibung des Tractus Iliotibialis am lateralen Femurcondylus und disponiert zu einem Runners Knee.
Bei der Suche nach Ursachen muß man sich (abgesehen vom Popliteus als Aufheber der Schlußrotation) an der einzigen Muskulatur orientieren, die den Unterschenkel im Kniegelenk dreht: der Ischiocruralen Gruppe. Der außen das Kniegelenk überziehende Biceps femoris ist dabei der einzige Exorotator im Kniegelenk, die beiden innen liegenden Semimembranosus und Semitendinosus verursachen zusammen mit dem nicht zur Ischiocruralen Gruppe gehörigen Gracilis die Endorotation des Unterschenkels. In ähnlicher Weise wie der Supinator des FußgelenksTibialis posterior und seine diesbezüglichen AntagonistenFibularis brevis und Fibularis longus ein Zügelsystem für den Fuß bilden, welches ihn je nach Zug neutral hält, proniert oder supiniert, zieht eine höhere Spannung der inneren Muskeln der Ischiocruralen Gruppe den Unterschenkel in die Endorotation, eine höhere Spannung des Biceps femoris in die Exorotation. Nur ein Gleichgewicht hält den Unterschenkel neutral.
Um eine gestörte Balance der Muskeln wiederherzustellen, kann an beiden Seiten, medial und lateral, angesetzt werden und dies je mit Tonuserhöhung oder Verminderung. Es gibt also durchaus einige Interventionsmöglichkeiten. Findet sich eine relative Überspannung des Biceps femoris, kann diese vor allem durch
- 3. Hüftöffnung mit weniger gebeugtem vorderen Bein
- Hüftoeffnung am Mattenrand mit mit weniger gebeugten Kniegelenken
herabgesetzt werden. In Haltungen, die die Ischiocrurale Gruppe intensiv dehnen, ist oft wahrzunehmen, daß eine Klasse der Haltungen deren innere Muskeln intensiver dehnt als den äußeren Biceps femoris und die andere Klasse den Biceps femoris intensiver als die inneren. Diese beiden Klassen lassen sich über die Abduktion des Beins identifizieren, in dem die Ischiocrurale Gruppe gedehnt wird:
- befindet es sich in weiter exorotierterAbduktion wie in trikonasana, ardha chandrasanavasisthasana und vergleichbaren Haltungen, wird die innere Ischiocruralen Gruppe intensiver gedehnt
- bei abduktionsfreier weiter Flexion des Hüftgelenks wird der Biceps femoris intensiver gedehnt, so etwa in parivrtta trikonasana, parivrtta ardha chandrasana, 3. Kriegerstellung und parsvottanasana
Diese Beobachtung kann ebenfalls zur Intervention genutzt werden, und das gleich auf zweifache Weise: einerseits erwartungsgemäß zur Dehnung und Tonusreduktion auf der hypertonen Seite. Andererseits kann die schwächere, tonusärmere Seite auch mit Hilfe dieser Unterscheidung gekräftigt werden, nur müssen die entsprechenden Haltungen dazu modifiziert werden. Soll vor allem der Biceps femoris gekräftigt werden, so wird nur das Einnehmen der relevanten Haltungen in einem reduzierten ROM geübt und das, falls möglich, mit externem Gewicht, also etwa das Einnehmen der parivrtta trikonasana mit einer kleinen Kurzhantel in der (zum vorderen Bein) kontralateralen Hand und reduziertem ROM von senkrechtem bis zu 45° flektiertem Hüftgelenken. Die Winkelangabe ist dabei selbstverständlich relativ: ein sehr beweglicher Mensch kann bis zu einem etwas größeren Winkel flektieren, während ein weniger beweglicher Mensch die 45° vielleicht gar nicht erreicht.
In der Praxis tritt die Exorotation des Unterschenkels eher mit einer Endorotation des Oberschenkels im Hüftgelenk zusammen auf, da dabei der Schwerpunktverlauf der Beine weniger gestört ist bzw. gar nicht gestört sein muß. Eine Exorotation des Oberschenkels im Hüftgelenk, die über die Linie des Fußes hinausgeht, ist nicht zu erwarten, einerseits würde der dadurch verursachte Valgusstreß in den Kniegelenk bereits nach kurzer Zeit Knieschmerzen hervorrufen. Andererseits würde ein achsenrecht exorotiertes Bein die Einsatzmöglichkeit sowohl der Hüftbeuger als auch des Gluteus maximus schmälern, so daß diese Methode „intuitiv“ verworfen würde.
Das Gegenteil des oben Geschilderten, also eine Exorotation des Oberschenkels mit Endorotation des Unterschenkels im Kniegelenk, dürfte ebenfalls in der Praxis selten vorkommen. Einerseits mindert wieder die Exorotation der Oberschenkel den Krafteinsatz des Gluteus maximus, andererseits ist die Endorotationsfähigkeit im gebeugten Kniegelenk wesentlich geringer als die Exorotationsfähigkeit, was eher zum Erreichen der Grenze und dort auftretender pathogener Effekte und Schmerzen führen würde.
Krampf im Deltoideus
Frage:
Ich habe in einigen Stellungen, z.B. der Hundestellung Kopf nach unten, dem Handstand und der erhöhten Rückenausstreckung, häufiger ein krampfendes und brennendes Gefühl in der Schulter.
Antwort:
Das liegt an der Art der Arbeit dieser Muskeln in diesen Stellungen. Sie leisten in kurzen Sarkomerlängen, also im Bereich etwa maximaler konzentrischer Kontraktion (nach Länge, nicht nach Kraft), also genau an der Grenze ihrer Möglichkeit. Hier entwickeln sie keine Kraft mehr für weitere Kontraktion sondern, gehen also in die aktive Insuffizienz, weil die Aktin- und Myosinfäden bereits vollständig ineinander gegriffen haben. Dabei haben fast alle Muskeln des Bewegungsapparates tendenziell eine Krampfneigung. Am meisten trifft das auf biartikuläre und polyartikuläre Muskeln zu. Auch wenn der Deltoideus nicht dazu gehört, zeigt er diesen Effekt tendenziell auch. Je besser der Trainingszustand der Muskeln ist, das heißt ihre Beweglichkeit, Geübtheit und Kraft bei kleinstmöglichem Ruhetonus, desto mehr schwindet dieses Phänomen, ohne jedoch als Möglichkeit völlig aus der Welt zu sein. Hier geht es um den wichtigsten Schultermuskel, den Deltoideus, und seine Eigenschaft, in den Überkopfbewegungen, die für Haltungen wie Hundestellung Kopf nach unten, Handstand und dergleichen charakteristisch sind, gerne zu krampfen oder durch häufigeres Üben dieser Haltungen einen unangenehm hohen Tonus bis hin zu einem Reizzustand anzunehmen, der Ausführung dieser Bewegungen schmerzhaft macht. Dieser Reizzustand ist nicht untypisch für ambitioniert übende Anfänger und leicht Fortgeschrittene in der Disziplin asana, deswegen wird er auch bei Teilnehmern von Yogalehrerausbildungen beobachtet, wenn dort keine Vorsorge dagegen getroffen wird.
Da die Überkopfhaltung der Arme auf verschiedene Weise eingenommen werden kann, was je nach einzunehmender Haltung variiert, muss hier differenziert werden: Wird eine Hundestellung Kopf nach unten aus der Hundestellung Kopf nach oben eingenommen, wird das Maß der frontalen Abduktion (auch Anteversion) bis an die Grenze der Beweglichkeit gesteigert. Das gleiche gilt für die Brücke, nur dass dabei mehr Arbeit gegen die Schwerkraft geleistet werden muss, dem Körper also (auch aus Kraft der Schultern) in nennenswertem Maße potentielle Energie zugefügt werden muss. Im Gegensatz dazu wird eine urdhva hastasana aus tadasana in der Regel über eine laterale Abduktion (je nach Literatur auch nur Abduktion) eingenommen.
In beiden Fällen sind die Oberarme in den Schultergelenken zu jedem Zeitpunkt maximal exorotiert (ausgedreht), so dass diesbezüglich kein Unterschied besteht. Der erreichbare Grenzwert ist im Wesentlichen der gleiche. „im Wesentlichen“ deshalb, weil sich die Haltungen im mathematischen Sinne unstetig verhalten, also der Grenzwert von verschiedenen Seiten nicht genau der gleiche sein muss. Dies begründet auch, warum die Krampfneigung nicht gleich groß sein muss, wenn man urdhva hastasana über die Frontalabduktion einnimmt statt wie üblich über die seitliche. Im Fall der lateralen Abduktion kommt noch ein weiterer Unterschied dazu: bis zu etwa 90° Abduktion wird der Arm nach Konstruktion des Schultergelenks vor allem vom Supraspinatus angehoben, bevor der Deltoideus seine Kraft tatsächlich entfalten kann. Unterhalb von 90° kontrahiert der Deltoideus zwar, überträgt aber kaum Kraft, so dass eine kraftvolle muskuläre Arbeit im Sinne von sichtbaren Bewegungen des Körpers sowohl exzentrisch als auch konzentrisch dort nur eingeschränkt ist, was die Neigung zur Erhöhung des Tonus begünstigt.
Unabhängig davon über welche Abduktion (lateral und frontal) die Überkopfhaltung eingenommen wurde, besteht bei beweglichkeitseingeschränkten Schultern die Notwendigkeit andauernder intensiver Kontraktion in Richtung medial und dorsal, damit der Fehlwinkel gegenüber dem Soll der Haltung möglichst klein gehalten wird. Die durch die verkürzten Adduktoren des Schultergelenks bewirkten Ausweichmomente müssen also vom Deltoideus kontinuierlich neutralisiert werden. Zur Erinnerung: das Schultergelenk besitzt drei Bewegungsdimensionen:
- Endorotation und Exorotation
- laterale Abduktion und Adduktion
- frontale Abduktion und Adduktion und in Fortführung der Bewegung auch Retroversion
Die Ausweichbewegungen bei Beweglichkeitseinschränkungen betreffen grundsätzlich alle drei Dimensionen, ihre konkrete Ausprägung hängt aber davon ab, wo und wie intensiv dagegen gearbeitet wird. Es gilt an dieser Stelle, ein verbreitetes Missverständnis auszuräumen: es ist nicht nur der Trizeps, der in der Hundestellung Kopf nach unten und anderen Haltungen mit vollständiger Frontalabduktion und (meist auf dem Boden) fixierten Händen die Arme durchstreckt, sondern der Deltoideus trägt mit seinem pars clavicularis und dessen Bewegung des Arm nach medial mit dazu bei, was ihn in einem Kontraktionsgrad nahe der aktiven Insuffizienz besonders krampfanfällig macht. Der beschriebene Reizzustand manifestiert sich vor allem im Bereich des Ursprungs des Deltoideus pars clavicularis am Schlüsselbein und des pars acromialis an der Akromion (Schulterhöhe). Er tritt meist bei jedem Üben recht schnell wieder auf, lässt sich durch längere Übungsabstinenz vermindern, kehrt aber schnell wieder auf das ursprünglich Niveau zurück, ganz ähnlich einem Schienbeinkantensyndrom oder einer Reizung des Ursprungs der Ischiocruralen Gruppe (Proximal Hamstring Tendinopathy, PHT).
Was kann man nun tun, um das in den Griff zu kriegen? Grundsätzlich ist eine gesteigerte muskuläre „Resilienz“ von Vorteil, kräftigendes Training verschiedener Art, am besten nicht schwunghaft, kann helfen. Es sollte allerdings nicht überwiegend in Überkopfposition geschehen. Ganz im Gegenteil, der gesamte Winkelbereich weit unterhalb von 180° Abduktion sollte bevorzugt geübt werden, je kleiner der Abduktionswinkel und je kraftvoller die Arbeit, desto hilfreicher. Für unsere Unterrichts- und Ausbildungspraxis heißt das z.B. dass der Übergang von der Hundestellung Kopf nach unten zur Hundestellung Kopf nach oben und zurück in seiner intensivsten Form ein fester, regelmäßiger Bestandteil der Praxis ist und dazu angehalten wird, die Übergänge zurück zur Hundestellung Kopf nach unten hauptsächlich aus Schulterkraft, und nicht etwa kraftsparender Weise aus Kraft der Hüftbeuger zu bewerkstelligen. Genauso sollte der Übergang zur Hundestellung Kopf nach oben aus kraftvollem Einsatz der Hüftextensoren gegen die maximal mögliche Arbeit der Schultermuskulatur erfolgen, die den Körper nach hinten drückt.
Diese beiden Übergänge zusammengenommen dürften eine Alleinstellung besitzen, indem sie
- beliebiges Potential zur Kräftigung bieten, da die Hüftextensoren immer kräftiger sein werden als ein beliebiger Muskel der oberen Extremität
- konzentrische und exzentrische Kontraktion in ständigem Wechsel üben, was einer Tonusakkumulation entgegenwirkt
- über den gesamten Winkelbereich von etwa Anatomisch Null bis in maximale frontale Abduktion kräftigen
Neben diesem genialen Übergang bieten Haltungen mit Retroversion wie etwa
- purvottasana
- namaste auf dem Rücken
- gomukhasana mit dem Arm unten, in dem das Krampfen auftritt (könnte bei in der Schulter sehr beweglichen Menschen evtl. zu diesem Zweck nicht mehr wirken),
- prasarita padottanasana, mit Armen hinter dem Körper,
- uttanasana, mit Armen hinter dem Körper,
gute Möglichkeiten, die Schultern in weit kleineren (hier genau entgegengesetzten) Winkeln arbeiten zu lassen, was Hypertonus und Reizzustand entgegenwirkt, sowohl präventiv als auch kurativ. Eine weitere wichtige Maßnahme stellt natürlich die Förderung der Beweglichkeit dar, die die Widerstände gegen die Frontalabduktion reduzieren und damit die nötige Kontraktionskraft, die die betroffene Schultermuskulatur aufbringen muss. Dazu bietet sich ein ganzer Kanon von Haltungen an, hier nur eine kleine Auswahl:
Grundsätzlich sind auch die „Dips“-Varianten verschiedener Haltungen einen Versuch wert.
Schmerzen in der Ellbogenaussenseite
Frage:
Mir schmerzen in der Hundestellung Kopf nach unten, aber auch im Handstand, öfter die Außenseiten der Ellbogengelenke, etwa dort, wo die Knochen aufeinanderstoßen. Ich glaube, das kommt vom Überstrecken“ der Arme.
Antwort:
{Aufgrund des Umfangs und der Relevanz gibt es den Artikel über das Überstrecken der Kniegelenk und Ellbogengelenke auch als PDF}
Natürlich, das Überstrecken neigt dazu, Schmerzen zu produzieren. Es handelt sich genau genommen und entgegen vielfach geäußerten Meinungen nicht um „ungesunde Winkel“ im Ellbogengelenk, sondern um ungesunde Druckverhältnisse (durch entsprechende Momente ausgelöst) in dem Gelenk, welche bei diesen Winkeln immer dann auftreten, wenn der oder die Ausführende die Kräfte im Gelenk nicht beherrscht, also bei so gut wie allen Anfängern mit Fähigkeit, in den Armen zu überstrecken, je deutlicher die Neigung zu überstrecken, desto mehr.
Die Lösung des Problems liegt strukturell in der Benutzung der Muskeln, die das Ellbogengelenk aus der Überstreckung herausholen können, also des M. biceps brachii, des Arm-Bizeps und seiner Synergisten. Etwa durch kräftiges Zueinanderschieben der Hände in der Hundestellung Kopf nach unten oder im Handstand wird der Bizeps aktiv und reduziert den Druck in der Außenseite des Gelenks. Dies ist eine nicht unanstrengende, aber lohnenswerte Geschichte, die früher oder später nicht nur zur erhöhten Kraft im Bizeps, sondern auch zu völliger Kontrolle des Gelenks in jeder Haltung führt.
Eine weitere Möglichkeit, das Problem zu meistern, ohne die Hände zueinander zu schieben, ist die Benutzung des Bizeps und seiner Synergisten gegen die Kraft des Trizeps. Genauso, wie die Bodybuilder beim Posen mit maximaler Kraft Muskeln gegen deren Antagonisten arbeiten lassen und dadurch das Anspannen und Anschwellen der Muskeln bewirken, ist es auch hier möglich, den einen Muskel (Bizeps) gegen seinen Antagonisten (den Trizeps) arbeiten zu lassen, und aus deren Kraft-Balance die Druckverhältnisse im Gelenk zu kontrollieren.
Gegenüber der ersten Möglichkeit erfordert die zweite jedoch wesentlich mehr Körperbewusstsein und Kontrolle, die der typische Anfänger zumeist nicht hat. Die willentliche Kontrolle des Gelenks kann als i.w. erreicht gelten, wenn der/die Ausführende in der Lage ist, von der Beugung der Arme zur Überstreckung überzugehen (und umgekehrt), ohne dass die Muskelspannung zwischendurch nennenswert geringer wird oder gar abbricht. Um zu lernen, den Bizeps in jeder Haltung des Arms anzuspannen, hilft folgende Vorübung:
- sitze bequem und strecke den rechten Arm mit nach oben zeigendem Innenellbogen und Bizeps durch
- beuge den Arm auf 90° im Ellbogengelenk und spanne dabei den Bizeps sehr kräftig an, wie es etwa Bodybuilder beim Posen tun. Selbstverständlich arbeiten bei einer festen Winkelstellung Bizeps und Trizeps als Agonist und Antagonist gleichermaßen, sonst würde eine Bewegung im Ellbogengelenk resultieren. Die Spannung in beiden Muskelgruppen sollte gut zu fühlen sein.
- strecke den Arm langsam durch ohne die Spannung des Bizeps zu verlieren. Je weiter der Arm gestreckt wird, desto schwieriger dürfte die Anspannung des Bizeps aufrechtzuerhalten sein
- drehe den Unterarm in die Pronation (Handfläche nach unten), wiederum ohne die Anspannung des Bizeps zu verlieren. Auch dieser Schritt erfordert viel Aufmerksamkeit und Krafteinsatz. Es ist für die meisten Menschen völlig ungewohnt, den Bizeps bei gestrecktem Ellbogengelenk angespannt zu haben, insbesondere dann, wenn der Unterarm proniert ist.
- lasse schlagartig die Spannung des Bizeps los und stelle sie blitzartig wieder her, unterbrich sie also für einen möglichst kleinen Sekundenbruchteil. Wiederhole das mehrfach und verlängere dabei die Zeiten nicht angespannten Bizeps sukzessive
- Verbleibe beim Loslassen und Anspannen des Bizeps bei gestrecktem Ellbogengelenk und proniertem Unterarm und nimm dabei die Arme langsam in die Überkopfhaltung. Übe dies erst einmal mit jedem Arm separat, bevor Du es mit beiden Armen gleichzeitig übst.
Zum Thema Überstrecken der Arme siehe auch diesen Eintrag in der FAQ.
Reizung des Muskelansatzes am Sitzbein (PHT)
Frage:
Bei Vorwärtsbeugen wie uttanasana, parsvottanasana und auch prasarita padottanasana habe ich seit einiger Zeit Schmerzen im oberen Teil der Beinrückseite unter den Sitzbeinhöckern. Das wird durch Vorwärtsbeugen auch nicht besser.
Antwort:
Hier handelt es sich möglicherweise einfach um eine Reizerscheinungen (Insertionstendopathie) am Muskelursprung der Ischiocruralen Gruppe an den Sitzbeinhöckern (Tuber ischiadicum), die durch Üben von Vorwärtsbeugen auf bestimmte Weise auftreten kann. Im Sport und Fitnesstraining ist dieses Problem auch und vor allem vom Sprinten und von Ausfallschritten bekannt. Dies ist im englischen Sprachgebrauch auch als PHT (Proximal Hamstring Tendinopathy) bekannt. Vorsicht: im deutschen Sprachgebrauch steht die Abkürzung oft für andere Dinge wie Pulmonale Hypertonie, Pulmonale Hypertension, Plötzlicher Herztod. Meist tritt dieses Phänomen bei in Vorwärtsbeugen noch nicht sehr Geübten und auch nicht sehr beweglichen Menschen auf. Es handelt sich um das Resultat einer ungünstigen Verhältnismäßigkeit zwischen der Beweglichkeit der Ischiocruralen Gruppe und der Belastbarkeit der Muskelursprünge an den Sitzbeinhöckern, die vor allem – aber nicht ausschließlich – zum Tragen kommt, wenn nur selten Vorwärtsbeugen aus gebeugten Kniegelenken heraus geübt werden. Die Tatsache, daß es vor allem weniger bewegliche Anfänger betrifft, begründet sich nicht nur in der möglicherweise geringeren Belastbarkeit der Sehnen der Muskeln der Ischiocruralen Gruppe, sondern auch in der günstigen Schwerkraftwirkung, die das Teilkörpergewicht aus Kopf, Armen und Oberkörper (vorausgesetzt das betroffene Bein ist ein Standbein) bei weniger Beweglichen hat: wenn das Becken noch nicht in die Waagerechte kippt, kann der Schwerpunkt durchaus noch etwa auf einer Höhe mit dem Drehzentrum des Hüftgelenks liegen, was im Idealfall eine 100%ige Schwerkraftwirkung entsprechend dem Maximum der Cosinusfunktion des Winkels der Verbindungslinie (Drehzentrum-Schwerpunkt) zur Schwerkraftrichtung (Senkrechte) ausmacht. Kippen die Hüftgelenke beispielsweise 150°, so ist die Schwerkraftwirkung dieses Teilkörpergewicht entsprechend dem Cosinus von 60°, also dem Wert 0,5 , gerade noch halb so groß.
Die PHT gehört zu den Insertionstendopathien, also zu den Reizphänomenen an sehnigen Ursrpüngen und Ansätzen von Muskeln, ob diese eine entzündliche Komponente besitzen oder nicht. Ebenfalls dazu gehören so bekannte Erscheinungen wie der Golferellbogen, der Tennisellbogen oder das Springerknie/Patellaspitzensyndrom, die alle als überanspruchungsassoziiert angesehen werden müssen. Das Läuferknie/(ITBS) und das Schienbeinkantensyndrom hingegen sind keine Insertionstendopathien, verhalten sich jedoch nicht unähnlich: auch sie verlangen auch sehr ähnliche Weise Schonung und strukturelle Verbesserung.
Die schmerzauslösende „Überbeanspruchung“ eines bereits bestehenden PHT ist kleiner als die Einwirkungen, die zum Entstehen des Phänomens geführt haben. Anders formuliert, ist hier einmal durch Überbeanspruchung eine Schwachstelle geschaffen worden, zeigt sich diese später schon bei vergleichsweise niederschwelligen Reizen. Dieser Reiz hängt dabei sowohl von der einwirkenden Kraft ab als auch von der Sarkomerlänge der Ischiocruralen Gruppe, wobei letztere der überwiegende Faktor ist. Die Sarkomerlänge nimmt mit der Flexion im Hüftgelenk zu und mit der Flexion im Kniegelenk ab, wobei die Flexion im Hüftgelenk größeren Einfluß hat als die Flexion im Kniegelenk, da ihr der Hebelarm größer ist als der der letzteren.
Bei moderater Ausprägung tritt das Schmerzphänomen in uttanasana mit gestreckten Kniegelenk meist auf den letzten Winkelgrad möglicher Hüftflexion auf. Wird für die Flexion eine zusätzliche externe Kraft eingesetzt (Supporter, externe Gewichte) kann der Schmerz bereits in geringeren Winkeln ausgelöst werden.
Mit diesen Erklärungen ist auch schon ein Schlüssel gegeben, um dieses Phänomen loszuwerden. Wenn es nicht sehr ausgeprägt ist, kann es ausreichen, eine gewisse Zeit lang Vorwärtsbeugen sanfter und anders, nämlich aus beugenden Kniegelenk heraus (wie etwa Hundestellung Kopf nach unten, uttanasana, prasarita padottanasana) zu üben und nur selten und nur in völlig (muskulär) warmem Zustand normale Vorwärtsbeugen, unter der Maßgabe, dass der beschriebene Schmerz nicht auftritt. Überhaupt gibt es kein erkennbares Maß dieser spezifischen Schmerzempfindung, welches noch als tolerabel gelten könnte. Im Gegensatz machen wir recht regelmäßig die Erfahrung, dass jegliche Duldung einer Belastung, die diesen Schmerz auslöst, dazu geeignet ist, den Reizzustand zu erhalten, also strikte Vermeidung der Auslösung geboten ist. Auch andere Haltungen wie trikonasana und ardha chandrasana können entsprechend modifiziert werden.
Ein anderer Schlüssel liegt in der Stärkung der Muskulatur mit ihren Sehnen. Abhängig von der Art des Trainings kommt es vor, daß Sehnen nicht so schnell robuster werden wie ihre Muskeln an Kraft zunehmen. Das ist eine der möglichen Nebenwirkungen raschen Muskel- oder Kraftzuwachses. Ein moderateres oder abwechslungsreicheres Trainingsprogramm, welches auch genügend viele submaximale Trainingsreize enthält, ist ungefährlicher. Im Übrigen reiht sich das PHT in eine ganze Reihe anderer Phänomene dieser Art ein wie auch ein trainingsbedingtes Kompartment-Syndrom oder ein knöcherner Sehnenausriß (Avulsion).
Bei einigen der Auslöser sind noch weitere Spezifika charakteristisch: die Ausfallschritte etwa bringen bei hinreichendem externen Gewicht die Ischiocrurale Gruppe in einer exzentrischen Kontraktion an die absolute Grenze ihrer Muskelleistungsfähigkeit, wenn das fallende Becken mit einer maximalen exzentrischen Kontraktion der Hüftextensoren des vorderen Beins abgefangen wird. Bekannterweise wird exzentrisch eine größere Sehnenkraft erreicht als konzentrisch, also ist dabei auch die Belastung der Sehne und ihres knöchernen Ansatzes höher. Die Geschwindigkeit, aus der das fallende Becken abgefangen wird, geht dabei überproportional ein, da die benötigte Muskelleistung über den Faktor Zeit hyperbolisch ansteigt. Erschwerend kommt hier eine weite Flexion im Hüftgelenk hinzu. Der Grad der Hüftflexion und vor allem die Inanspruchnahme der maximalen Muskelleistungsfähigkeit ist auch verantwortlich für das Entstehen beim Sprinter, der die Umkehr des nach vorn beschleunigten Beins u.a. aus der Ischiocruralen Gruppe betreibt. Auch hier ist der Faktor Zeit sehr wichtig. Die Schrittlängen von Profisportlern der obersten Leistungsklasse liegen bei etwa 1,6 m (Marathonläufer) bis hin zu 2,5 m (Sprinter). Die weltbesten Sprinter tun also auf 10 Meter in 10 Sekunden nur gut 40 Schritte, das heißt aber immerhin 4 pro Sekunde, was angesichts der Schrittlänge eine enorme Geschwindkeit und erst recht Umkehrgeschwindkeit der Beine ergibt. Daraus resultiert eine entsprechende Sehnenbelastung, zumal die Sehne zudem in ihrer Elastizität kinetische Energie speichert.
Natürlich sind die meisten sportlichen Tätigkeiten, die diese Muskulatur stärken, in ähnlichem Maße wie sie stärken auch dazu geeignet, die Muskulatur zu verkürzen, so dass dieser Effekt wiederum auf die Vorwärtsbeugen nachteiligen Einfluss hat. Trotzdem kann und wird ein Plus an Robustheit den Nachteil der möglicherweise sich verringernden Beweglichkeit aufwiegen, insbesondere dann, wenn intelligent geübt wird und der Bewegungsspielraum bis direkt vor den Bereich ausgenutzt wird, an dem der Schmerz auftritt. Wie bereits erwähnt, hängt die Schmerzauslösung vor allem von der Sarkomerlänge der Ischiocruralen Gruppe ab, was die Stellung des Hüftgelenks in Relation zu der des Kniegelenk setzt, wobei wegen des größeren Hebelarms im Hüftgelenk dessen Stellung größeren Einfluß hat. Nachrangig ist die Schmerzauslösung aber auch von der einwirkenden Kraft, genau gesehen, der anliegenden Sehnenkraft der Ischiocruralen Gruppe abhängig.
Neben verschiedenen Haltungen, die die Ischiocrurale Gruppe als Extensoren des Hüftgelenks in mindestens mittlerer Sarkomerlänge stärken wie
- utkatasana
- rechtwinklige uttanasana
- rechtwinkliger Schulterstand
- rechtwinkliger Kopfstand
- Kriegerstellung 3
- Kriegerstellung 1
und anderen vergleichbaren Haltungen, bei denen sämtlich darauf geachtet werden muss, daß der Schmerz nicht ausgelöst wird, bieten sich natürlich auch die Haltungen an, in denen wegen kurzer Sarkomerlänge eine Schmerzauslösung unwahrscheinlich ist. Dazu zählen etwa
- purvottanasana in allen Varianten, vor allem denen mit gestreckten Beinen oder mit einem gehobenen Bein, in dem darauf geachtet werden muß, den Schmerz nicht auszulösen
- setu bandha sarvangasana
- eka pada setu bandha sarvangasana unteres Bein. Vorsicht beim gehobenen Bein!
- urdhva dhanurasana
- eka pada urdhva dhanurasana unteres Bein. Vorsicht beim gehobenen Bein!
- salabhasana
Auch korrekt ausgeführte kräftigende Haltungen aus dem Sport wie
- Kniebeugen mit und ohne Gewicht
- Kreuzheben, auch hier wieder: nur bis vor die Schmerzauslösung; zur Vereinfachung können die Kniegelenke ein wenig gebeugt werden
- Hyperextensions, auch nur bis vor die Schmerzauslösung
- Beinbizeps-Curls an der Maschine
Sind die Strukturen einmal deutlich gekräftigt, und ist die Schmerz verursachende Reizung ausgeheilt, kann die verlorengegangene Beweglichkeit umso sicherer wieder aufgearbeitet werden. Eine weitere unterstützende Maßnahme sind Tätigkeiten wie strammes Gehen, vorzugsweise bergauf und Treppensteigen, immer vorausgesetzt, sie lösen den Schmerz nicht aus, bzw. so modifiziert oder paratetrisiert, daß sie ihn nicht auslösen. Natürlich versteifen sie die Beinrückseite, aber sie fördern das Abheilen und kräftigen die Strukturen. Laufen mit schnelleren Passagen dürfte auch einen positiven Einfluss haben. Alle ruckartigen Bewegungen sollten jedoch eher gemieden werden, genauso alle Tätigkeiten, die den Schmerz auslösen, auch intensive Dehnungen!
Schmerzen in der inneren Knierückseite
Frage:
In trikonasana aber auch in ardha chandrasana, manchmal auch in upavista konasana, auch als Vorwärtsbeuge ausgeführt, habe ich immer Schmerzen in der inneren Knierückseite; das wird intensiver je länger ich darin stehe.
Antwort:
Das ist aller Wahrscheinlichkeit nach der m. gracilis, der die für ihn ungewohnte Dehnung nicht mitmachen will. Hier handelt es sich um eine normale Reaktion und es wird regelmäßig beobachtet, dass die Erscheinung verschwindet, wenn man einige Monate recht regelmäßig trikonasana übt. Hier gilt zu bedenken, dass der m. gracilis insofern der interessanteste Muskel in der ganzen Adduktorengruppe ist, als er der einzige biartikuläre ist. Das heißt natürlich, je weiter in Richtung Fuß ich mich am Unterschenkel abstütze, desto mehr und je mehr ich mein Becken in die Hüftflexion bringe, desto mehr merke ich den m. gracilis. Letzteres ist schön in der Ausführung von trikonasana als Partnerübung zu sehen, in der der Supporter den Hüftknochen gegen die Wand drückt. Hier hilft nur um- und nachsichtiges regelmäßiges Üben, das heißt etwas sanfter beginnen, aber länger die Stellung halten.
Wacklig in Stehhaltungen
Frage:
In einigen Stehhaltungen, z.B. parsvottanasana, etwas weniger in trikonasana und der Kriegerstellung 2, dann aber wieder deutlich in parivrtta trikonasana aber vor allem in der Kriegerstellung 3 bin ich total wackelig.
Antwort:
Das ist anfänglich normal, bis man entdeckt hat, wozu die Wadenmuskeln (u.a.) da sind. Unter den genannten Stellungen gibt es zwei Gruppen, je nachdem ob man nach vorn und hinten oder zur Seite schwankt. Es neigen zum Schwanken nach
- vorn/hinten: z.B. trikonasana, Kriegerstellung 2
- seitlich: z.B. parsvottanasana, parivrtta trikonasana, Kriegerstellung 3
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: in der Gruppe
- handelt es sich um seitwärtige Hüftöffnungen mit maximaler Abduktion, d.h. die Beine sind so weit als möglich gegrätscht, und das Becken nebst Rumpf befindet sich nahezu mittig dazwischen. Da ein Fuß um 90 ° ausgedreht ist, bleibt als Stützbasis nur noch ein schmales Dreieck, in dem das Schwerelot eingefangen werden muss. Das ist natürlich nicht ganz einfach, zumal auf der schmalen Seite das Hauptgewicht meistens auf der schmalen und runden Ferse liegt. Dadurch kommt es in diesem Fuß zu (oft fast periodischen) Gewichtsverlagerung zwischen Innen- und Außenfuß, also eine Art Rotation um die Fußlängsachse. Dieses Wackeln überträgt sich über das Becken bis in den anderen Fuß, der wegen seiner für diese Balancearbeit größeren Breite (im Sinne des oben beschriebenen Dreiecks: das ist i.w. seine Länge) natürlich viel besser mit umgehen kann. Hier liegt auch der Schlüssel zur Lösung: man benutze die Wadenmuskulatur auf der Seite des ausgedrehten Beins stärker, um die Fußballen (die ja mindestens doppelt so viel Aufstandsbreite haben wie die Ferse) kräftig in die Balancearbeit mit einzubeziehen und die Rotation um die Fußlängsachse zu unterbinden.
- handelt es sich um stehende Vorwärtsbeugen, die ein ähnliches Problem schmaler Stützbasis bergen, jetzt aber in Längsrichtung des Körpers mit der Folge des seitlichen Wackelns. Hier kommt erschwerend hinzu, dass etwa im Falle der beidbeinig stehenden Haltungen parsvottanasana und parivrtta trikonasana der hintere Fuß weiter zum anderen (vorderen) gedreht ist, damit die zugehörige Hüfte genügend weit vorn bleiben kann, was die Stützbasis schmaler werden lässt als in Gruppe 1. Weiter erschwerend ist, dass nicht, wie in Gruppe 1, die kräftigsten Muskelgruppen (plantare und dorsale Flexoren) des Unterschenkels die Balancearbeit im dazu (wegen des nicht 90° gedrehten Fußes) geeigneteren Bein primär in die notwendige Richtung leisten können, sondern diese Arbeit ausgewogen in Kombination mit schwächeren und zumeist nicht so fein kontrollierbaren Muskeln vorgenommen werden muss.
Beide Phänomene reflektieren eindeutig irgendwelche chitta-vrtti, beispielsweise der Art, dass der Mensch, nachdem er die Stellung gerade eingenommen und zum ersten Mal kurz das Gefühl hat, stabil zu stehen, halbbewusst entscheidet, er könne die Arbeit in den Wadenmuskeln (v.a. des 90° gedrehten Beins) nun reduzieren, um sich Anstrengung zu ersparen, was unmittelbar eine beginnende Gewichtsverlagerung in Richtung des Außenfußes bewirkt, die sich über das Becken bis in das andere Bein fortsetzt, wo der Mensch – endlich wach geworden – nun deutlich reagieren kann, um nicht umzufallen. Natürlich erzeugt diese Ausgleichsmaßnahme wiederum eine Bewegung, die sich über das Becken bis hin zum ersten Bein fortsetzt, wo jetzt erneut Handlungsbedarf aufkommt… Dieses Wechselspiel kann zu etwa periodischem Gewichtsverlagern und Ausgleichen führen oder aber zu der Erkenntnis und deren Umsetzung, dass nur durch beständige Arbeit (v.a. in dem ersten Bein) eine gewisse Sicherheit des Stehens und insbesondere die einer Yoga-Haltung adäquate Ruhe realisiert werden kann. An dieser Stelle zeigt sich gut,
- dass eine kurzfristige Sichtweise dem Yoga nicht gerecht wird und
- wie die chitta-vritti eindeutig und unmittelbar in den Körper hineinwirken.
Schmerzen in der Achillessehne in trikonasana
Frage:
In trikonasana habe ich manchmal Probleme im Achillesbereich.
Antwort:
Verkleinere den Abstand der Füße zueinander bis sich das Problem bis zur Erträglichkeit reduziert hat. Zuweilen treten Wechselwirkungen zwischen Agonisten und Antagonisten auf, also hier zwischen den nicht nachgeben wollenden Dorsalflexoren des Fußgelenks und den diese Bewegung herbeiführenden und am Rand ihres möglichen Winkelbereiches konzentrisch kontrahierendenPlantarflexoren. Hier muss i.A. nicht die Intensität der Arbeit der Plantarflexoren gemindert, sondern nur ihr Arbeitswinkel im Gelenk ein klein wenig günstiger angesetzt oder der Vorfuß auf eine Erhöhung wie eine Schulterstandplatte gesetzt werden.
Schmerzen in den Handgelenkoberseiten (dorsal)
Frage:
Ich habe jedes Mal, wenn ich länger oder öfter Handstand mache, Schmerzen in den Handgelenkoberseiten (dorsal: Handrücken-seitig).
Antwort:
Das kommt häufiger vor, ist i.A. harmlos und zumeist die Folge
- mangelhafter Dehnung der Palmarflexoren der Hand oder
- mangelnder Kraft oder Benutzung derselben.
Erklärung: Das mangelnde Herunterdrücken der Fingergrundgelenke der Hand bringt mit sich, dass die Last, die größtenteils aktiv von den Muskeln der Unterarme (eben diesen Palmarflexoren) getragen werden soll, in Ermangelung deren Arbeit passiv in den Handgelenken drückt. Das ist ein häufig zu beobachtendes Prinzip, welches einen wichtigen Grundsatz der Yogahaltungen reflektiert:
- die Muskeln sollen die Arbeit leisten und die Gelenke schonen.
- Damit die Muskeln die Arbeit möglichst ermüdungsfrei leisten können, müssen sie nicht nur eine gewisse Beständigkeit in der Kraftentfaltung aufweisen, sondern sie (und ihre Antagonisten) müssen beweglich sein, um eine möglichst anstrengungsarm erreichte optimale Ausrichtung der Gelenke zu erreichen.
Anders herum formuliert:
- je weniger die Muskeln arbeiten, desto mehr Last liegt auf den Gelenken, was ihnen sicherlich kurz- oder langfristig nicht sehr zugute kommt (kurzfristig kommt es häufiger zu Befindlichkeitsstörungen, „Schmerzen“ genannt, langfristig eher zu degenerativen oder verschleißhaften Schädigungen der Gelenke)
- je unbeweglicher die beteiligten Muskeln sind, desto mehr Mühe kostet es, die Gelenke in die optimale Position zu bringen, wo sie weniger arbeiten müssten. Schönes Beispiel ist der Handstand: bin ich nicht in der Lage, die Arme zu strecken, müssen sie gebeugt bleiben und der Armstrecker Trizeps muss dafür hart arbeiten, das Gewicht des Körpers zu halten. Zusätzlich muss er auch noch dafür arbeiten, dass der Winkel nicht noch ungünstiger wird (was die Schwerkraft bewirken will), was ihn noch mehr Kraft kosten würde. Optimale Ausrichtung der Gelenke würde bedeuten, dass die Schultern über den Ellbogen und diese beiden Gruppen über den Handgelenken stehen, womit die Schwerkraft anstrengungsarm ohne viel muskuläre Arbeit zum Boden abgeleitet werden kann (und Raum für interessantere Details frei wird).
In vielen Fällen sind Yoga-Anfänger mit einer gewissen Unbeweglichkeit gesegnet, was sie längere Zeit mit der Notwendigkeit eher groberer muskulärer Arbeit konfrontiert und meist eine stabile, belastbare Muskelausstattung herbeiführt. Zur Förderung der Beweglichkeit der Unterarme dienen v.a. :
- Unterarmdehnung dorsal
- Unterarmdehnung palmar
- Unterarmdehnung palmar in upavista konasana
Krampf in der Pobacke in parsvakonasana
Frage:
In parsvakonasana krampfen mir manchmal die Pomuskeln auf der Seite des beugenden Beins, wenn ich versuche, das Knie nach hinten gegen den Arm zu drücken.
Antwort:
Das ist eine nicht ungewöhnliche Erscheinung und verschwindet meist nach ca. 20 – 30s wieder. Wie viele solcher Effekte hat es mit Ungeübtheit und extremen Verhältnissen zu tun. Die Pomuskeln bewirken hier das Bewegen des Beins nach hinten. Sie haben gegen die begrenzte Beweglichkeit der Adduktoren zu arbeiten und befinden sich dabei im Winkelbereich maximaler Kontraktion, haben daher natürlich eine Krampfneigung. Meist geht diese vorüber, wenn die Muskeln sich nach 20-30s auf einen guten Arbeitsmodus eingestellt haben und richtig kräftig ziehen dürfen.
Unterer Rücken in Hund Kopf nach oben
Frage:
In der Hundestellung Kopf nach oben habe ich öfter, insbesondere bei längerer Ausführung, Schmerzen im unteren Rücken.
Antwort:
Das ist für Anfänger durchaus normal. Die Muskeln des unteren Rückens, der in dieser Haltung stark konkav wird, helfen bei der Rückbeuge des Rückens mit und befinden sich dabei im Winkelbereich ihrer maximalen konzentrischen Kontraktion, damit in sekr kurzer Sarkomerlänge und nahe aktiver Insuffizienz (wieder ein solcher Fall, vgl. dazu auch: Krampf in der Pobacke in parsvakonasana und Krampf im Deltoideus) und da haben sie bevorzugt Krampfneigung. Dieses Empfinden sollte sich nach einer oder zwei Hundestellung(en) Kopf nach unten legen, spätestens aber nach einer 1. Hüftöffnung.
Vorwärtsbeugen nach Rückbeugen
Frage:
Ich habe gehört, man soll nach intensiven Rückbeugen auf keinen Fall sofort geradlinige Vorwärtsbeugen machen. Stimmt das ? Und warum ist das so ?
Antwort:
Das ist auf jeden Fall bis auf weiteres (dazu später mehr) richtig. Diese Anweisung resultiert daraus, dass die Rückbeugen die Rückenmuskulatur stark tonisieren (in höhere Grundspannung versetzen). Führt man unmittelbar danach Vorwärtsbeugen aus, so ist nun diese Rückenmuskulatur nicht sofort in der Lage, sich entsprechend zu dehnen, um der angestrebten Krümmung der Wirbelsäule zu entsprechen. Die Nachgiebigkeit der Muskeln würde frühstens nach einigen Minuten erreicht. Die Folge ist, dass die bei der Biegung der Wirbelsäule auftretenden Biegemomente an anderer Stelle wirken: auf der Vorderseite der Wirbelsäule, die dadurch zusammengedrückt wird. Der hier liegende Bereich der Bandscheiben, bekommt jetzt umso mehr Druck ab, da der Rücken weniger nachgiebig ist, als wenn vorher keine Rückbeugen geübt worden wären.
Man nehme zur besseren Vorstellung des Geschehens ein starres Plastikrohr, etwa wie es in der Elektromontage verwendet wird und beginne es zu biegen, so dass es von oben gesehen konvex wird. Als Folge der Biegekräfte zeigen sich auf der Oberseite (die jetzt konvex wird) bald erste Oberflächenrisse. Diese Risse entsprechen dem reißenden Gefühl in den Rückenmuskeln, was auftreten würde, wenn man nach intensiven Rückbeugen sofort intensive Vorwärtsbeugen ausführen würde. Zurück zum Rohr: da diese Montagerohre aber doch recht stabil sind, wird sich bei zunehmendem Biegen ein anderer Effekt einstellen: die Unterseite beginnt sich zu falten, als Folge des zunehmenden Drucks, mit dem sie zusammengequetscht wird.
Ähnliches tritt bei der menschlichen Wirbelsäule auf: als schwächstes Glied in der Wirbelsäule werden die Bandscheiben auf der Vorderseite der Wirbelsäule maximal zusammengedrückt. Das halten sie sicher viele Male aus, wenn sie jung und gesund sind. Wenn sie aber als Folge von einseitigen Dauerbelastungen bereits geschädigt (deformiert, der Mediziner spricht dann auch von erkennbarer Vorwölbung der Bandscheibe) und in Folge chronischen Bewegungsmangels in schlechtem Zustand sind, dann können diese Drücke das Fass zum Überlaufen bringen und dazu führen, dass die im inneren der Bandscheibe befindliche gallertartige Masse nach außen gequetscht wird. Trifft sie dabei auf den Ischiasnerv, so haben wir den klassischen Bandscheibenvorfall, der in einigen Fällen nur operativ zu behandeln ist.
Im unteren Rücken ist ein anderer noch schwerwiegender Pathomechanismus denkbar, der darauf beruht, dass die Lendenwirbelsäule eine natürliche Lordose aufweist. Ist diese Lordose genügend ausgeprägt, wird sie durch eine Vorwärtsbeuge bei stark tonisierter oder verkürzter lokaler Rückenmuskulatur noch verstärkt, d.h. die Lendenwirbelsäule wird durch die Vorwärtsbeuge nicht in eine (von hinten gesehen) konvexe oder zumindest weniger deutlich konkave Haltung gebracht, sondern die Lordose wird verstärkt. Da aber die natürliche Lordose bei schlechter Haltung i.A. den ganzen Tag über Druck auf die Rückseite der Bandscheibe bringt, haben wir durch die Vorwärtsbeuge mit erhöht tonisierter Muskulatur einen zusätzlichen und vermeidbaren Risikofaktor. Aus diesem Grunde werden intensive Vorbeugen direkt nach intensiven Rückbeugen von Anfängern und weniger Beweglichen unbedingt gemieden. Es gibt jedoch eine Art kleine Ausnahme: solche asymmetrischen Vorbeugen, in denen sich die Wirbelsäule zusätzlich seitlich krümmen kann, sind zugelassen und werden häufig eingesetzt, um den Tonus der Rückenmuskeln herabzusetzen. Typischer Vertreter ist hier die parsva uttanasana. Hier
- wird die Wirbelsäule nicht genau an der üblichen Stelle belastet,
- geht ein Teil der vorwärtigen Biegekräfte in eine Seitneigebewegung ein und
- wird durch die asymmetrische Ausführung jeweils eine Hälfte der Rückenstrecker wesentlich schneller gedehnt als in symmetrischen Vorbeugen.
Es gibt außerdem (mindestens) einen Weg von Rückbeugen zu Vorwärtsbeugen, in dem über verschiedene Umkehrhaltungen der Tonus der Rückenmuskulatur sukzessive reduziert wird, ganz vorn sarvangasana.
Krampf in der Hüfte in der Hundestellung
Frage:
In einigen Stellungen, in der die Hüfte gebeugt und das Bein gestreckt ist, neige ich zum Krampf in der Hüfte, z.B. in der Hundestellung Kopf nach unten. Woran liegt das ?
Antwort:
Das ist dann wohl der Krampf im Rectus femoris, einem der vier Teile des Quadrizeps, der Gruppe von Muskeln (drei monoartikuläre und ein biartikulärer), die i.W. das Knie streckt. Einer unter diesen vieren, nämlich besagter Rectus femoris, läuft zusätzlich über die Hüfte und beugt dort. Die Krampfneigung tritt auf, weil dieser Muskel in der Hundestellung Kopf nach unten schon maximal zusammengezogen ist. Er ist in beiden Gelenken, über die er läuft, „am Limit“, kann also nicht weiter strecken (im Kniegelenk, da es bereits voll gestreckt ist) bzw. beugen (im Hüftgelenk, da die (Un-)Beweglichkeit der Ischiocruralen Gruppe dieser Bewegung eine Grenze setzt) und ist damit maximal kurz, anatomisch gesprochen in sehr kurzer Sarkomerlänge. Was hilft, ist diese Muskel zu stärken, weiter ihn und seine Antagonisten zu dehnen, damit ihr Ruhetonus sinkt.
Schienbeinkantensyndrom
Frage:
Immer nach längerem Rennen oder wenn ich versucht habe zu joggen, schmerzen mir die Unterschenkel, etwa zwischen innerer Wadenmuskulatur und Schienbein. Das wird nach häufigerem Joggen (ich bin Anfänger) auch scheinbar nicht besser, eher schlimmer. Kann mir Yoga da helfen?
Antwort:
Das sieht nach Schienbeinkantensyndrom aus, einer Reizung basierend auf Schwäche der inneren Wadenmuskeln, die dazu führt, dass Joggen vorübergehend unmöglich wird. Nach jedem neuen Versuch scheint der Schmerz stärker zu werden, so dass es schließlich aufgegeben werden muss. Hier stehen wir vor der Aufgabe, die Wadenmuskulatur in die Lage zu versetzen, den starken stoßartigen Belastungen des Laufens standzuhalten. Das heißt: Stehhaltungen und nochmal: Stehhaltungen (und außerdem: Stehhaltungen). Erforderlich ist häufiges Üben vor allem all der Stehhaltungen, in denen das Herunterdrücken der Fußballen die Sicherheit im Stand erst ermöglicht, da diese Arbeit aus den Wadenmuskeln kommt. Dazu zählen v.a. Kriegerstellung 2, Kriegerstellung 1, Kriegerstellung 3, parsvottanasana, parivrtta trikonasana, eka pada prasatita uttanasana, ardha chandrasana und parivrtta ardha chandrasana und eka pada uttanasana. Zumeist steht man ja in diesen Haltungen zu sehr auf dem Außenfuß und wird daher wackelig, also ist kräftige Arbeit der inneren Wadenmuskeln gefragt, um den Innenfuß herunterzudrücken. Es handelt sich da natürlich vor allem um asymmetrische Stehhaltungen, da
- die symmetrischen die Problematik Innenfuß/Außenfuß weniger aufwerfen und
- eine einseitige Kräftigung meist stärker ist als eine beidseitige (siehe z.B. caturkonasana versus Kriegerstellung 2)
da hier
- mehr Konzentration auf einen einzigen Muskel (und evtl. seine Synergisten, aber eben nur in einer Extremität) möglich ist und
- die andere Hälfte (heißt hier: das andere Bein) dazu benutzt werden kann, die Stärkung der ersten zu forcieren.
Bei aller Kräftigung muss jedoch auch in vielen Fällen die Beweglichkeit der Wadenmuskeln verbessert werden, wozu sich die Hundestellung Kopf nach unten sowohl in der normalen Ausführung, als auch in der mit den Fersen am Boden (zumindest dem Fokus auf Herunterdrücken der Fersen) gut eignet. Hier muss, wie auch in den Stehhaltungen darauf geachtet werden, dass die Innenfersen genauso in die Bewegung gebracht werden wie die Außenfersen, empfehlenswert ist sogar längere Zeit die Überbetonung der Innenferse.
„Ischias“
Frage:
Ich „habe Ischias“, was nun?
Antwort:
der Ischiasnerv“ ist eine gebräuchliche, aber inkorrekte Bezeichnung für den dem Plexus lumbosacralis (gespeist von den ventralen Spinalnerven der Segmente L4 S3) entspringenden gemeinsamen Nervenverlauf von n. tibialis und n. fibularis (peroneus) communis, die sich oberhalb des Knies aufspalten. Mit „Ischias“ oder der „Reizung des Ischias“ , also des n. ischiadicus können zweierlei Dinge bezeichnet werden:
- die oft mit einem positiven Lasegue-Test einhergehende Neuralgie (Nervenschmerzen), d.h. Beugung in der Hüfte bei gestrecktem Bein verursacht Nervenschmerzen, was i.d.R. auf Geschehen wie Ischialgie, Bandscheibengeschehen, Meningitis oder Subarachnoidalblutung hinweist. In verschiedenen Fällen reicht auch eine Vorwärts- oder Rückbeuge (Extension oder Flexion) in der LWS, um entsprechende Schmerzen auszulösen
- eine meist durch Kälte oder Druck bedingte Reizung des Nervs, die teils (aber nicht nur) bewegungsabhängige, eher feine, ausstrahlende Nervenschmerzen verursacht
- ein sogenanntes Piriformis-Syndrom, korrekt: „Deep Gluteal Pain-Syndrom (DGS)“
Dem zweiten Fall liegen meist weit weniger schwere Geschehen zugrunde. Ursache ist oft eine Kälteexposition des äußeren-hinteren-oberen Oberschenkelbereichs, wie beim Sitzen auf kalten Untergründen, Sitzen in oder Tragen von nasser Kleidung, im Beinbereich leicht bekleidetes Rad- oder Motorradfahren im Kühlen oder ähnliches. Auslösend kann auch längere Druckexposition sein, wie z.B. längeres Sitzen auf minder gutem oder durchgesessenem Gestühl oder auf einem harten Gegenstand, so dass die Physiologie des Sitzens verletzt ist, die vorsieht, dass der Großteil des zu tragenden Teilkörpergewichts über die Sitzbeinhöcker abgegeben wird. Bei diesem Auslöser lässt sich die Ischiadicusreizung nur durch ihr Verhalten und die Modalitäten von einem Piriformis-Syndrom abgrenzen. Bei einer klassischen kälte- oder druckbedingten Reizung tritt der Schmerz unter nicht genau zu klärenden Bedingungen immer mal wieder auf: unter Druck, bei Bewegung, unter weiterer Druck- oder Kälteexposition. In der Regel heilt dieses Schmerzphänomen spontan aus, wenn auch meist nicht unbedingt innerhalb weniger Tage. In der Tat taucht der Schmerz über Wochen immer mal wieder auf. Die Vermeidung von Vorwärtsbeugen wird oft als angenehm empfunden, dürfte aber nicht unbedingt ursächlich zur Heilung beitragen. Warmhalten, Vermeiden von Druck- und Kältereizen inklusive „ungeeignetem“ Sitzen tragen maßgeblich zum Ausheilen bei. Werden sitzende Haltungen geübt, muss dafür gesorgt werden, dass der Untergrund nicht kalt ist, wobei das subjektive Kälteempfinden oft kein hinreichendes Kriterium ist (!) sondern eher defensiv gehandelt werden muss. Im Falle eines Piriformis-Syndroms helfen meist Dehnungen der Glutealmuskulatur und Vermeidung von den Tonus heraufsetzenden Anstrengungen wie etwa Arbeit in vornübergebeugter Haltung.
Der erste Fall hingegen braucht je nach Ursache mindestens ärztliche Abklärung, wenn nicht sogar sofortige (!) intensivmedizinische Versorgung: falls es sich nämlich um ein cauda equina-Syndrom handelt, ist dies ein neurologischer Notfall. Dieser ist nicht wie ein klassischer Notfall unmittelbar lebensbedrohend, jedoch können bestimmte Teile des Nervensystems binnen kurzer Frist absterben, was nicht heilbar ist und mit deutlicher Wahrscheinlichkeit zu Organschäden führt, die dann wiederum lebensbedrohend werden können! Meist wird eine cauda equina-Syndrom durch die sogenannte Reithosenanästhesie auffällig, bei der beide Oberschenkelinnenseiten taub werden, nicht selten auch durch Ausfall von Funktionen wie Miktion, Defäkation und Erektion.
Wenn es sich (glücklicherweise und wahrscheinlicherweise) nicht um ein cauda equina-Syndrom handelt, muss weiter unterschieden werden. Hier sollen nur drei der häufigsten Fälle übersichtshalber unterschieden diskutiert werden, eine vollständige Betrachtung würde den Rahmen sprengen und die Abklärung erfolgt i.d.R. durch den Orthopäden mit Hilfe des Radiologen (meist per MRT):
- Bandscheibengeschehen, auch „Diskushernie“, Bandscheibenvorfall/Bandscheibenvorwölbung (Prolaps/Protrusion). Hierbei wird eine Bandscheibe nach dorsolateral (hinten-außen) gegen einen der dort aus dem Rückenmark ausgetretenen Spinalnerven gedrückt, was eine sogenannte neuroradikuläre Symptomatik (ein Nervenwurzel-Kompressions-Syndrom) hervorruft, bei dem Schmerzausstrahlung ins Versorgungsgebiet des betroffenen Nerven charakteristisch ist. Anhand des Gebiets und seines Dermatoms (Haut-Areal) und ggf. betroffener Innervationen von Muskeln (die betroffenen Muskeln sind das Myotom) kann das betroffene Wirbelsäulensegment bestimmt werden. Betroffen sein können sowohl Wahrnehmung (Taubheit, Kribbeln, verminderte Empfindung) als auch Einschränkung oder Störung der Motorik wie z.B. Ausfall des Fersen- oder Fußballenstandes. Wenn es sich um ein „normalen“ Bandscheibenschaden ohne längere unbeherrschbare Schmerzen handelt, kann und sollte die Therapie in der Regel konservativ geschehen. Der proaktive Patient, der sich seine Genesung zu erarbeiten bereit ist, hat weitaus bessere Langzeitprognosen als der konsumptiv orientierte Patient, der sich eine Pille gegen sein Symptom wünscht, nachrangig, falls es diese nicht gibt, wenigstens eine Spritze und zur Not eine Operation, solange es nur ohne längeres eigenes Zutun, Verhaltensänderung und relativ rasch geschehen kann und aktiver Mitarbeit an der Genesung in bestenfalls geringem Rahmen nötig ist. Bei der konservativen Therapie des proaktiven Patienten wird für eine längere Zeit unter anderem auf Vorwärtsbeugen der betroffenen Wirbelsäulenregion verzichtet. Heben geschieht rückengerecht mit geradem kraftvollem Rücken aus Streckung in den Hüftgelenken und aus kraftvollem Strecken der Kniegelenk. Recht regelmäßig beobachtet man, dass jede Art von konvexer Krümmung der betroffenen Wirbelsäulenregion geeignet ist, den Schmerz hervorzurufen oder in Zusammenhang mit dessen Wiederaufflammen steht, weshalb es in Sport, Therapie und Alltag vermieden wird. Hingegen verschaffen rückbeugende Bewegungen in der Regel Entlastung und sind meist (!) problemlos. Entsprechendes Verhalten wird in der Rehabilitation gelehrt, geübt und die muskuläre Kompetenz gefördert. Die Langzeitprognose ist bei gutem bewusstem Verhalten des Patienten durchaus gut. Später können vorbeugende Bewegungen ohne große Last, wie sie in Yogahaltungen vorkommen, oft wieder gut vertragen werden.
- Spondylolisthesis (Wirbelgleiten): ein Teil der Wirbelsäule „gleitet“ gegenüber dem darunter befindlichen Teil nach vorn/hinten, obwohl die Wirbelsäule eigentlich hinreichend mit Bandstruktur und Muskulatur dagegen gesichert sein sollte. Dies tritt vor allem durch Extensionsbewegung der Wirbelsäule (Rückbeugen) hervor und verschlechtert sich auch dadurch. Rückbeugen werden daher gemieden, schon die Hundestellung Kopf nach oben kann bestenfalls unter Vorbehalt geübt werden. Vorwärtsbeugen schaffen in der Regel Entlastung und können problemlos geübt werden. Je nach Schwere und Häufigkeit der Auslösung kann eine Arthrodese (Versteifung des betroffenen Wirbelsäulen-Segments) dauerhaft Ruhe schaffen.
- Spinalkanalstenosen (Verengung des Rückenmarkskanals). Dies hört sich nicht nur unangenehm an. Bewegungen haben meist einen moderateren Einfluss als bei den anderen beiden, oft bessern aber Vorwärtsbeugen und gerade oder rückgebeugte Haltung verschlechtert. Damit ähnelt sie in ihrem Verhalten eher der Spondylolisthesis als der Diskushernie. Ursache kann z.B. Verschleiß der Bandscheiben oder eine Spondylarthrose mit Osteophytenbildung sein.
- Facettensyndrom
Durch Anamnese und funktionale Tests mit verschiedenen Haltungen kann der „Ischias“ in den meisten Fällen hinreichend deutlich von Dehnungsschmerzen oder Schmerzen bei Verletzung der Ischiocruralen Gruppe unterschieden werden. Wenn in den obigen Ausführungen von Bandscheibengeschehen die Rede war, so gibt es diese natürlich auch in den Bereichen BWS und HWS, jedoch werden sie in der Regel nicht unbedingt das Bild von „Ischiasbeschwerden“ auslösen, weshalb diese Fälle ausgeklammert sind.
Knie-Schmerzen in Haltungen mit Lotus-Bein oder baddha konasana ähnlichen Haltungen
Frage:
Ich habe in Lotus-ähnlichen Haltungen oft Schmerzen im Innenknie, auch in baddha konasana und ähnlichen Haltungen. Was kann ich dagegen tun?
Antwort:
Meist stehen die angesprochenen Schmerzen mit dem Innenmeniskus in Zusammenhang. Für eine umfassende und ursächliche Diskussion, siehe die Frage zu allgemeinen Knieproblemen weiter unten. Die Haltungen, die mit dieser Frage angesprochen werden sind:
- baddha konasana und mehr noch deren Vorwärtsbeuge
- supta baddha konasana
- adho mukha supta baddha konasana
- padmasana und deren Vorwärtsbeuge
- ardha padmasana und deren Vorwärtsbeuge
- supta padmasana
- adho mukha supta padmasana
- ardha baddha padma pascimottanasana
- janu sirsasana
- gomukhasana (die volle Haltung mit unterer Hälfte!)
sowie alle Umkehrhaltungen mit entsprechenden Beinpositionen. Die angesprochenen Knieschmerzen können, müssen aber nicht unter geradliniger weiter Beugung der Kniegelenk wie z.B. in
- virasana
- supta virasana
- krouncasana
- supta krouncasana
- ardha supta krouncasana
- tryangamukhaikapada_pascimottanasana
- maricyasana 1
- maricyasana 3
ebenfalls auftreten. Sämtliche Haltungen, die diese Art von Knieschmerz hervorrufen, haben eins gemeinsam: eine große Exorotationsanforderung des Oberschenkels im Hüftgelenk bei gleichzeitig maximaler Beugung. In den meisten ist dabei der Fuß des betroffenen Beins am Boden fixiert. Dabei befindet sich der Unterschenkel gegenüber dem Oberschenkel aufgrund mangelnder Exorotationsfähigkeit des Hüftgelenks in einer leichten Endorotation im Kniegelenk und zusätzlich in einem leichten Valgusstress. Dies ist oft hinreichend, um bei einem mehr oder weniger vorgeschädigten Knie Schmerzen hervorzurufen. Der Schmerz dieser Art ist dabei i.d.R. sehr gut dosierbar über die Bewegung des Knies zum Boden hin und damit auch in weitere Exorotation im Hüftgelenk und Endorotation im Kniegelenk und weiteren Valgusstress. Demgegenüber sind letztgenannten Haltungen (idealisiert) reine Beugungen des Kniegelenk ohne Rotation des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel und ohne Valgusstress. Es gibt aber einige Tricks, mit denen die oben genannten Haltungen wieder ausführbar werden können:
- Begrenzen der Bewegung des Knies zum Boden, z.B. durch einen unter den Oberschenkel gelegten Klotz, ggf. in Verbindung mit einer Weichheit vermittelnden mehrfach gefalteten Decke dazwischen
- händisches Ausdrehen des Oberschenkels der betroffenen Seite, einmalig bei Einnehmen der Haltung
- händisches Ausdrehen des Oberschenkels der betroffenen Seite, andauernd während der Haltung
- Zug eines Gürtels am Oberschenkel (knienah) mit Exorotationsmoment, d.h. das freie Ende des Gürtels ist oben und zeigt nach außen (lateral), ein Supporter zieht dann dauerhaft hinreichend kräftig am Gürtel. Möglich ist auch eine Ausführung auf einem Tisch mit herabhängendem Gewicht.
- Unterstützung der Ferse des betroffenen Beins, damit die Endorotation des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel vermindert oder aufgehoben wird.
- Verkleinerung des Beugewinkels (es wird nicht vollständig gebeugt)
- Ansetzen des zweiten Oberschenkels zu weit medial, so daß er an der Ferse des ersten Fußs vorbeirutschen muß und dabei ausgedreht wird
- Drehung des Beins dadurch, daß der Oberschenkel auf der Ferse aufgesetzt wird und an dieser entlang nach lateral gleitet.
Mit Hilfe dieser Tricks ist es uns bislang in so gut wie allen Fällen dieses Typs von Kniebeschwerden durch „landläufigen“ Meniskusverschleiß verschiedenen Grades gelungen, die Haltungen wieder ausführbar zu machen, auch wenn der Aufwand für den Ausführenden oder einen Supporter nicht immer ganz gering ist. Selbstverständlich entziehen sich Schmerzphänomene, die durch Unfall oder Operation entstehen, insbesondere solche mit Verbleib von Schrauben im Körper oder operativ veränderten Gelenken (z.B. Bandplastik), möglicherweise diesem Vorrat an Umgehensweisen. In diesen Fällen muss individuell neu gelernt werden, wie ein Gelenk sich benutzen lässt, und wie es in allen Fällen reagiert.
Knie-Probleme allgemein
Frage:
Ich habe Knie-Probleme. Wie gehe ich vor?
Antwort:
{Aufgrund des Umfangs und der Relevanz gibt es diesen Artikel auch als PDF}
Knieprobleme unterschiedlicher Art sind recht verbreitet und werden oft vom Patienten hingenommen und gar nicht erst diagnostiziert. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl verschiedener Störungen:
- Meniskusschäden traumatischer Art: werden meist von stoßartigen Belastungen in unphysiologischen Bewegungen verursacht, teils mit Drehung im Kniegelenk während der Beugung, wie sie bei Stürzen und Gegnerkontakt im Sport gehäuft auftreten. Die Menisken selbst sind nicht schmerzhaft, aber im Falle ihrer Veränderungen können sie auf druckempfindliche Strukturen wie die Kapsel drücken und Schmerz verursachen
- Meniskusschäden degenerativer Art: sind meist eine Folge intensiver Benutzung des Knies in Verbindung mit fortschreitendem Lebensalter. Grundsätzlich hat ein gewisses Maß an physiologischen, am besten nicht stoßartigen Bewegungen protektive Wirkung auf die Menisken, aber bei vielen Menschen überwiegen die Schadeinflüsse. Auch hier entsteht der Schmerz durch Druck des veränderten Meniskus auf eine benachbarte Struktur
- Arthrotische Veränderung: degenerative Veränderungen des Kniegelenk, die über die Menisken hinausgehen und den hyalinen Knorpel der Tibia und der Fibula betreffen oder auch der Patella. Häufig fangen die Menisken Fehlbelastungen über lange Jahre auf, bevor sie an den ersten Stellen so dünn geworden sind, dass immer ausgeprägterer Kontakt von Tibia und Fibula den Knorpelüberzug der Knochen beschädigt, die darauf mit Bildung von Faserknorpel als Ersatz reagieren. Da dieser aber grober ist, beschleunigt er die Zerstörung der weicheren Menisken. Schlussendlich kann es auch noch zum (teilweisen) Verlust des Faserknorpels mit konsekutiver Beschädigung des Knochens selbst kommen; dann ist das Vollbild der Gonarthrose erreicht.
- Arthritiden (Gelenksentzündungen) verschiedener Art, die meist mit Schwellung und Überwärmung des Knie einhergehen. Zu den Arthritiden gehören nicht nur infektiöse, auch rheumatoforme und die rheumatische Arthritis („echtes“ Rheuma)
- Dislokationen / Subluxationen des Knie, also Fehlstände der Fibula gegenüber der Tibia, die durch Instabilitäten des Kniegelenk wie Veränderungen der Bänder oder Schäden an den Menisken ermöglicht werden. Sie äußern sich oft dadurch, das das Gelenk bei Bewegung knacken kann und sich der Zustand davor oder der danach spannungsärmer in der das Gelenk überziehenden Muskulatur anfühlt. Grundsätzlich sollte versucht werden, das Gelenk zu stabilisieren, da Instabilitäten die Bildung einer Arthrose fördert.
- Bandschäden der im Knie verlaufenden Kreuzbänder, die im Falle eines Abrisses das Schubladenphänomen verursachen oder im Falle von Abrissen eines der Außenbänder eine abnorme Beweglichkeit des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel nach außen oder innen (varus oder valgus), die physiologisch bei gestrecktem Kniegelenk nicht gegeben ist. Der Abriss sollte ein deutlich vernehmbares knallendes oder peitschendes Geräusch verursacht haben und ist meistens traumatisch bedingt durch größere äußere Krafteinwirkung. Ist keines der Bänder abgerissen, können sie dennoch überdehnt worden sein, meist auch dies mit traumatischer Ursache. In allen Fällen resultiert eine mehr oder weniger gut wahrnehmbare Instabilität des Kniegelenk und es muss diagnostiziert und versorgt werden!
- erlittene Gelenktraumata, die ggf. auch noch nach vielen Wochen oder Monaten Schmerzen im Gelenk verursachen
- Baker-Zysten erzeugen ein Spannungs- oder Fremdkörpergefühl, siehe den entsprechenden Eintrag der FAQ.
- das Plica-Syndrom entsteht durch schmerzhafte Einklemmung einer übermäßig ausgeprägten bei der Entwicklung des Kniegelenk angelegten Hautfalte
- weitere Schäden am Knie
Der therapeutische Umgang mit Knieproblemen ist nicht immer ganz einfach und eine restitutio ad integrum (Wiederherstellung zur Gänze), also eine Heilung ohne Verbleib jeglicher Symptomatik ist nach derzeitigem Stand der medizinischen Versorgung nicht immer zu erreichen. Wie weiter oben ausgeführt, muss die Diagnosestellung b.a.w. durch Anamnese, klinische Untersuchung und MRT erfolgen und nicht etwa nebenwirkungs- und risikobehaftet durch eine Arthroskopie.
In den meisten Fällen ist es ratsam und hilfreich, die Bedingungen für das Funktionieren des Gelenks Knie auf ein bestmögliches Niveau zu heben, das heißt alle Schadeinflüsse zu eliminieren, die im eigenen Einfluss liegen. Dazu gehört neben der Beseitigung etwaiger Subluxationen im Kniegelenk selbst oder Subluxationen oder anderen Schäden in Nachbargelenken die Verbesserung der muskulären Situation. Ein gesundes ausgewogen balanciertes Muskelsystem, in dem kein Muskel ein Übermaß an Spannung oder einen Mangel an Kraft hat, und alle am Gelenk und den benachbarten Gelenken beteiligten Muskeln bzgl. dieser Kriterien in einem guten Verhältnis zueinander stehen, ist Voraussetzung dafür, die Symptome abzustellen oder auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Dies erfordert in aller Regel einen guten Orthopäden, einen guten Physiotherapeuten und ein deutliches Maß an eigenem Engagement, insbesondere in der ersten Zeit, nachdem klar geworden ist, welche Defizite am Muskelsystem aufgearbeitet werden müssen. Generell sollten Schadeinflüsse wie hohe Anforderungen bei Kälte, Nässe oder unaufgewärmter Muskulatur, stoßartige Belastungen (damit ist nicht unbedingt das Laufen gemeint), bekanntermaßen kniegefährdende Sportarten wie Sportarten auf Hallenboden, insbes. mit Gegnerkontakt, Tennis, Badminton, Squash, Ski, Snowboarden.., unphysiologische Haltungen oder Belastungen gemieden werden. Auf der To-Do-Seite stehen in aller Regel Dehnungen aller beteiligten Muskeln und Kraft (insbesondere Kraftausdauer) steigernde Übungen, allem voran verschiedene Stehhaltungen, insbesondere die mit gebeugtem Bein, die v.a. aber nicht nur den Quadrizeps kräftigen wie:
Es gibt durchaus aber auch andere Haltungen als die Stehhaltungen, die die Muskulatur der Beine nachhaltig kräftigen wie:
Viele dieser Haltungen kräftigen nicht nur den Quadrizeps sondern auch den Adduktions- und Abduktionsapparat. Stehen die Quadrizeps, insbes. der Rectus femoris oder andere Hüftbeuger unter zu hoher Spannung, muss auch hier die Lage verbessert werden. Vermutlich werden nicht alle der im Folgenden genannten Haltungen ohne Anpassung schmerzfrei funktionieren, dies ist Aufgabe des erfahrenden Yogalehrers:
Ein übermäßiges Hohlkreuz in dieser Haltung weist auf verkürzte Hüftbeuger hin. Zu den Risiken des Hohlkreuzes siehe in der FAQ hier:
Bei gegebener Rückengesundheit kommen dazu:
sowie weitere Rückbeugen mit Extension im Hüftgelenk. Möglich ist auch ein in Becken- und Pomuskulatur, sowie den Adduktoren verursachter zu starker Rotationszug im Hüftgelenk, dann könnten helfen – für die Pomuskeln und Exorotatoren:
- halber Lotus Vorwärtsbeuge
- Hüftöffnung am Mattenrand
- Hüftöffnung 3
- parivrtta trikonasana
- parivrtta ardha chandrasana
Falls die Adduktoren Rotations- oder Adduktionsmomente verursachen:
für den Sonderfall des biartikulärenGracilis:
bei zu starkem Zug in Richtung Knieflexion oder Hüftextension:
- uttanasana
- prasarita padottanasana sehr ähnlich wie uttanasana
- parsvottanasana als über die uttanasana hinausgehende Dehnung
- pascimottanasana
- janu sirsasana
- tryangamukhaikapada pascimottanasana
- Hund Kopf nach unten ebenfalls gute Dehnung für die Ischiocrurale Gruppe
- Hüftöffnung 5 sehr wirksame, über die uttanasana hinausgehende Dehnung der Ischiocruralen Gruppe
- Kriegerstellung 3
- trikonasana
- parivrtta trikonasana
Auch die direkt benachbarten Gelenke, hier also Fußgelenk und Hüftgelenk müssen in die Aufarbeitung mit einbezogen werden. Im Fall, dass Deformitäten des Fußes oder andere Schäden des Fußes oder Fußgelenks vorliegen, wie z.B. Instabilitäten des Fußgelenks infolge Supinationstrauma, sollten auch diese Faktoren angegangen werden. Schlussendlich muss herausgefunden werden, welcher Sport in welchem Ausmaß im individuellen Fall fördernd und stabilisierend wirkt. Radfahren gehört wegen der ausbleibenden Stoßbelastungen in den Gelenken in aller Regel dazu.
Dazu kann aber trotz der wiederholten stoßartigen Belastungen durchaus auch das Laufen gehören, insbes. wenn es sich nicht um gemütliches Joggen handelt, dessen muskelkräftigende Wirkungen v.a. im Unterschenkelapparat liegen dürften sondern um Dauerlauf in zügigen Tempi, gern auch als Intervalltraining, um den gesamten Bewegungsapparat der unteren Extremität bis ins Becken und darüber hinaus zu stärken. Ggf. auftretende versteifende Wirkungen des Sports oder Laufens können in aller Regel problemlos durch Yoga ausgeglichen werden. Für das Bewegungs- und Sportverhalten gelten folgende einfache Regeln:
- Gut aufgewärmt und möglichst nicht bei Kälte und Nässe belasten
- Bewegungen besser mit Kraft als mit Schwung ausführen
- Bewegungen besser langsam, kontrolliert und kraftvoll als schnell ausführen (das gilt natürlich nicht fürs Laufen, s.o.)
- Bewegungen physiologisch korrekt ausführen, Rotation des Unterschenkels während Beugung und unter Last vermeiden, Varus- und Valgusstreß vermeiden.
- Lasten vermeiden, die so groß sind, dass sie die Kontrolle über die Bewegung gefährden
- Kniegelenk unter deutlicher Last nicht zu tief beugen
- Regelmäßig trainieren, besser erst einmal mit leichterer Belastung und dafür häufiger/länger als schwerer
- Auf das Gelenk „hören“ und die gemachten Erfahrungen verwerten
Falls Übergewicht vorhanden sein sollte, sollte auch dieser Faktor langfristig und nachhaltig angegangen werden. In vielen Fällen ist mit all diesen Maßnahmen eine deutliche – manchmal dauerhafte oder auch zwischendurch schon mal etwas einbrechende – Verbesserung der Symptomatik oder gar Beschwerdefreiheit erreichbar. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen eine operative Intervention erforderlich ist, z.B. wenn abgequetsche Anteile des Meniskus schmerzhafte Blockierungen des Gelenks auslösen oder in Fällen von Kreuzbandrissen. Wenn aber keine strenge OP-Indikation besteht, und es sich um „einfache“ Meniskus- oder Knorpelverschleiße handelt, sollte mit oben genannten Möglichkeiten versucht werden, die Notwendigkeit operativer Eingriffe zu verschieben auf die Zeit, da regenerative Verfahren zur Verfügung stehen werden, die Meniskus- und Knorpelgewebe nachzuzüchten in der Lage sind, wie sie derzeit in Erforschung sind.
Knie: Arthroskopie – JA oder NEIN??
Frage:
Ich habe immer wieder Knieschmerzen. Mein Arzt hat den Verdacht auf einen degenerativen Knieschaden und will arthroskopieren. Soll ich das zulassen?
Antwort:
Grundsätzlich können immer, auch bei korrekter Ausführung von Yogahaltungen, bekannte oder unbekannte pathologische Veränderungen des Kniegelenk Schmerzen hervorrufen, schließlich reizen wir den gesamten Spielraum aller Gelenke unter verschiedenartiger Last aus. Liegt also ein Schaden vor, ist es wahrscheinlich, dass er durch irgendeine Haltung offenbar wird. Dauern die Schmerzen während der Haltung an und lassen sich immer wieder reproduzieren, lassen sich die Beschwerden mit allen uns bekannten Tricks nicht abstellen, machen die Kniegelenk sich in weiteren Haltungen, in Alltagsverrichtungen oder im Sport bemerkbar, ist dies eine Aufforderung, dies ärztlich abklären zu lassen. Die Diagnosestellung erfolgt i.d.R. aufgrund der Symptome, der körperlichen Untersuchung und falls nötig, dreidimensional bildgebend per MRT.
Eine Arthroskopie zur Erstellung einer Diagnose ist nicht mehr Stand der Kunst und sollte b.a.w. vom Patienten nicht akzeptiert werden! Überflüssige Arthroskopien sollten unbedingt vermieden werden, sie stellen nicht zuletzt ein Infektionsrisiko für einen extrem immunschwachen Bereich des Körpers dar. Zudem berichten sehr viele Patienten von langfristigen Verschlechterungen nach anfänglichen Verbesserungen, wenn ihnen ein Teil des Meniskus entfernt wurde. Auch die früher noch zulässigen rein diagnostischen Arthroskopien ohne Intervention führten häufig zu Zustandsverschlechterungen. Auch wenn eine Arthroskopie wirtschaftlich viel einträglicher ist als ein MRT zuzüglich Anamnese, körperlicher Untersuchung inkl. Tests und Beratung, sollte dies keinen Arzt, egal ob niedergelassen oder in einer Klinik angestellt, verführen gegen das Wohl des Patienten zu handeln!
Sehr häufig ist hier die konservative Therapie die langfristig überlegene. Des Weiteren schreitet die Medizin fort und niemand sollte sich ohne Not zukünftige überlegene Therapieoptionen wie Stammzelltherapie zur Nachzüchtung von Knorpel oder Menisken durch übereilte oder unüberlegte Intervention unzugänglich machen. Aus unserer Sicht sollte man besser versuchen, mit Bewegungs- und Sporttherapie, Yoga, Osteopathie und anderen konservativen Verfahren eine stabile und belastbare Zustandsverbesserung zu erreichen, auch wenn dies mehr Arbeit und Aufwand verschiedener Art bedeutet. In der Regel sind die körpereigenen Strukturen hochoptimal und durch kein technisches Gut ohne Nachteile zu ersetzen.
Selbstverständlich gibt es auch Zustände, die einer Intervention bedürfen, dazu gehört etwa der Wurzelriss des Meniskus. Dieser bedarf b.a.w. arthroskopischer Versorgung, um die abgerissenen oder angerissenen Meniskuswurzeln wieder anzunähen, da sonst immer wieder Schmerzen und vor allem eine Arthrose des Kniegelenk droht. Siehe dazu auch in der Pathologie: Meniskusschaeden Der „einfache“ gering- bis mittelgradige degenerative Verschleiß des Meniskus wird hingegen meist am besten konservativ bewegungstherapeutisch versorgt. Anders kann es bei Bandabrissen aussehen, gerissene Kreuzbänder werden je nach Fall, Alter, Beruf und sportlicher Erwartung oft besser operativ versorgt. Daneben sind weitere Zustände denkbar, die eine operative Intervention erfordern. Der Patient sollte sich einen kompetenten und gewissenhaften, konservativ orientierten Orthopäden suchen und im Zweifelsfall mindestens eine Zweitmeinung einholen, bevor er irreversible operative Veränderungen vornehmen lässt.
Was ist eine Surrogatbewegung? Ist sie schlimm?
Frage:
Was ist eine Surrogatbewegung? Ist sie schlimm?
Antwort:
Eine Surrogatbewegung ist eine statt einer vorgesehenen Bewegung ausgeführte andere Bewegung, die sich auf eine Weise ähnlich anfühlen mag, aber dem Sinn der Haltung widerspricht und darüber hinweg täuscht, dass die eigentlich auszuführende Bewegung unterbleibt. Klassische Beispiele für Surrogatbewegungen sind:
- In der 2. Kriegerstellung wird nicht das Becken, welches ausweichend nach vorn-unten gekippt ist, aufgerichtet, sondern statt dessen, was ungleich leichter ist, der Oberkörper rückgebeugt, also die Brustwirbelsäule mit der Schulterpartie und dem Kopf nach hinten bewegt. Bei mangelndem Körperbewusstsein oder mangelndem Verständnis der Haltung kommt es nicht selten zur dieser Surrogatbewegung. „Schlimm“ ist das insofern als dass erstens die korrekte Bewegung, die die Beweglichkeit v.a. der Adduktoren fördert, unterbleibt und zweitens durch die unkontrollierte Rückbeuge des Oberkörpers ohne Extension in den Hüftgelenken ein größeres Hohlkreuz entsteht als ohne die Surrogatbewegung. Sinn der korrekten Bewegung ist jedoch, das Hohlkreuz gegenüber der nicht korrigierten Haltung sogar zu vermindern! In diesem Sinne ist also nicht nur das Falsche nicht korrigiert, sondern eine vermeintliche Korrektur verschärft das falsche sogar.
- Was hier für die 2. Kriegerstellung beschrieben wurde, gilt umso mehr für die 1. Kriegerstellung. Hier ist es – vermutlich sowohl subjektiv als auch objektiv – noch schwerer, das Becken aufzurichten, da die Gegenspieler, die das verhindern, nicht die bzgl. der Flexion nur moderat agierenden Adduktoren sind, sondern die extrem kräftigen Hüftbeuger, die hauptsächlich und mit großer Kraft die Flexion im Hüftgelenk ausführen.
- Ein weiterer Klassiker ist die übermäßige Bewegung des oberen Arms nach hinten in der trikonasana. Die gefragte Bewegung ist die maximale Drehung des Oberkörpers von dem Bein weg, zu dessen Seite der Oberkörper bewegt. Durch die Rumpfmuskulatur – und über das Becken auch durch die Adduktoren – ist diese Bewegung notwendiger Weise begrenzt. Statt weiterer Drehung – oder des Versuchs derselben – wird häufig der obere Arm nach hinten bewegt, es erfolgt also eine Retroversion über die Rückenebene hinaus, was zwar bis zu einem gewissen Maß sehr leicht ist, aber mit der gewünschten konstruktiven Bewegung nichts zu tun hat, außer der Arm könnte so weit bewegt werden, dass dessen Hebel eine weitere Drehung bewirkt. Selbst dann aber kommt die Bewegung nicht aus der dafür vorgesehene Muskulatur, also v.a. der autochthonen Rückenmuskulatur und den schrägen Bauchmuskeln sondern wird „passiv“, also durch Schwerkraftwirkung induziert. Dieser Fall ist also minder „schlimm“, weil er in der Regel wenig Nebenwirkungen hat im Vergleich zum Hohlkreuz in den beiden zuvor beschriebenen Haltungen.
- Eine weitere, nicht „schlimme“ Surrogatbewegung wäre etwa das Anheben des Unterschenkels bei gleichzeitigem Beugen des Kniegelenk statt des Abhebens des Oberschenkels im Sinne der Verminderung der Flexion im Hüftgelenk (bzw. sogar einer Extension im Hüftgelenk) des gehobenen Beins in der 3. Kriegerstellung: Hier tritt durch die Surrogatbewegung i.w. keine Nebenwirkung auf, es unterbleibt aber die nutzbringende Wirkung beim Abheben des Oberschenkels im Hüftgelenk, also die kräftigende Arbeit der Extensoren (hauptsächlich Ischiocrurale Gruppe und Gluteus maximus), die (bei gleichzeitiger Arbeit gegen die Schwerkraft des Beins nur moderat) dehnend auf die Hüftbeuger einwirken.
Die Surrogatbewegung ist also keine Ausweichbewegung sondern einer statt einer korrekten Bewegung oder einer Korrekturbewegung ausgeführte inkorrekte, nutzlose und ggf. mit teils deutlichen Nebenwirkungen behaftete „Ersatzbewegung“.
In Partnerübungen: Wo auf das Kreuzbein drücken?
Frage:
Ich kann mir nicht merken, wann ich in Haltungen oder Partnerübungen auf welches Ende des Kreuzbeins drücken soll!
Antwort:
Ganz einfach: in Vorwärtsbeugen auf das „obere“, also kraniale oder Rückenseitige Ende des Kreuzbeins – Beispiel: rechtwinkliger Handstand, uttanasana, prasarita padottanasana – und in Rückbeugen auf das „untere“, kaudale, beinseitige Ende!
Hilfestellungen anstrengender als die Haltungen?
Frage:
Ich finde manche Hilfestellungen anstrengender als die Haltungen, ist das richtig?
Antwort:
Ja, das kommt nicht selten vor. Wenn Du kannst, betrachte das als willkommene Kräftigung!
Knieschmerz in viparita karani
Frage:
In viparita karani habe ich Schmerzen im Kniegelenk, in savasana aber nie, was kann ich tun?
Antwort:
Das deutet darauf hin, dass die Kniegelenk in viparita karaniüberstrecken, siehe dazu auf den entsprechenden Eintrag in der FAQ oder den Artikel über das Überstrecken der Kniegelenk und Ellbogengelenke als PDF. Das Überstrecken sollte von der Seite sichtbar sein. Nach Konstruktion von savasana fällt die Fähigkeit die Kniegelenk zu überstrecken, dort nicht ins Gewicht. In viparita karani sieht das ganz anders aus. Üblicherweise halten wir den Po etwa 30 cm von der Wand entfernt, das sorgt i.d.R. dafür, dass die Beine mühelos gestreckt sein können (was evtl. bei kleinerem Abstand, abhängig von der Beweglichkeit der Ischiocruralen Gruppe nicht der Fall wäre) und andererseits ein kleiner Zug der Pomuskulatur und der Ischiocruralen Gruppe noch vorhanden ist, der das Becken nicht ins Hohlkreuz fallen lässt, was bei größerem Abstand meist nicht mehr der Fall ist. Können die Kniegelenküberstrecken, werden sie das in viparita karani mit 30 cm Abstand i.d.R. auch tun. Abhilfe schafft eine Verkleinerung des Abstands, so dass die Beugeneigung in den Kniegelenk die Überstreckneigung knapp aufwiegt oder bei guter Beweglichkeit der Ischiocruralen Gruppe folgender Trick: bringe den Po so weit an die Wand heran, dass die Überstreckneigung noch auftritt, Du aber mit den Kniekehlen bei minimal gebeugten Kniegelenk eine zusammengerollte Decke völlig anstrengungsfrei festhältst.
Herauskommen aus einer Haltung
Frage:
Warum ist es „schlimm“, wenn ich unsauber aus einer Haltung herauskomme, in der ich lange gestanden habe?
Antwort:
Das Einnehmen einer Haltung verrät oft schon, wie man stehen wird; viel mehr noch zeigt das Herauskommen meist, wie man gestanden hat. Wenn eine Haltung eingenommen wird, verändert sich das Schwerelot und interne und externe Momente verändern sich ebenfalls. Der Mensch muss das möglichst genau wahrnehmen und ausgleichen, indem er kraft seiner Körpererfahrung und Wahrnehmung (Propriozeption) und deren kognitiver Bewertung Entscheidungen zu (Veränderung oder Einleitung) muskulärer Aktivität trifft und umsetzt. Das hört sich kompliziert an und ist es im Detail auch; wenn aber eine Übung zum x-hundertsten Male ausgeführt wird, haben sich viele notwendige Aktionen und Reaktionen weitgehend verselbständigt, das heißt, sie laufen „automatisch“ ab, ohne bewusste Kontrolle oder Konzentration zu erfordern. Wenn nun bei einem weniger geübten Menschen eine Übung unsauber und wackelig eingenommen wird, so spricht das dafür, dass
- die Körperwahrnehmung (Propriozeption) ungenügend ausgebildet ist oder
- die kognitive Verarbeitung fehlerhaft (selten aufgrund von Unfähigkeit des Gehirns, meist aufgrund mangelnder Erfahrung/Übung) ist oder
- die Fähigkeit zu großer aber fein dosierter muskulärer Kraftentfaltung mangelhaft ist bzw. die Fähigkeit von Muskeln gewisse Winkel in Gelenken zuzulassen (Dehnung) oder
- citta-vrtti diese Faktoren stören.
Diese Faktoren liegen natürlich nicht zufällig vor, sondern sind in gewissem Sinne ein struktureller Mangel, der dazu führen wird, dass die Stellung selbst nicht gut gelingt. Das heißt, sie kann zwar von außen für ungeübte Augen gut aussehen, der erfahrene Unterrichtende erkennt möglicherweise trotzdem die Mängel. Vielmehr noch spielen sich im Körper nicht oder in unzureichendem Maß die richtigen Dinge ab. Nichts spricht dafür, dass sich strukturelle Mängel in 30 Sekunden bis 2 Minuten abstellen lassen, also wird der beschriebene Zustand zumeist die gesamte Übung andauern und je nach Art des Mangels auch die nächsten Haltungen betreffen.
Andererseits zeigen Schwächen beim Verlassen einer Übung eben die nur scheinbar gute Ausführung einer Haltung an. Indem das in der Übung vorhandene Gleichgewicht beim Verlassen gestört wird, sind die oben genannten zu entwickelnden Faktoren wie Körperwahrnehmung, kognitive Verarbeitung, Fähigkeit zu fein dosierter Kraftentfaltung wieder am Zuge, um einen neuen Gleichgewichtszustand (z.B. tadasana nach einer Übung), vor allem aber den geordneten Übergang dahin sicherzustellen. Deshalb heißt „schlimm“ hier so viel wie: „ertappt“.
Ein schönes Beispiel ist etwa das Einnehmen einer Haltung wie parivrtta trikonasana oder parsvottanasana. Beugt der Übende das Becken und den Oberkörper nach vorn mit der Einstellung „das Erreichen des Bodens mit der Hand ist meine Rettung – dann kann ich nicht mehr umfallen“ so kann ausgesagt werden, dass er vermutlich nicht stabil stehen wird. Insbesondere wird er nicht in der Lage sein, kurzfristig die Hand vom Boden zu lösen, ohne umzufallen oder zumindest sehr deutlich zu wackeln. Das kurzfristige Wegnehmen der Hand vom Boden kann von daher als ein guter Test gewertet werden.
Übungen, die man nicht (mehr) üben darf
Frage:
Ich habe gehört, dass man die Übungen, in denen „nichts mehr passiert“ nicht üben darf.
Antwort:
Für alle Yoga-Haltungen gilt: ist keine Wirkung (mehr) zu spüren und ist keine neue Herausforderung in Sicht oder möglich, so soll die Übung nicht (mehr) geübt werden, höchstens von Zeit zu Zeit, um den Status zu testen. Der Grund ist folgender: ist in einer Übung keine Dehnung oder Kräftigung (meistens erstes) mehr wahrnehmbar, so geschieht auch nichts Positives. Höchstens leiert die Gelenkstruktur (evtl. Knorpel, meist Bänder) aus, wie etwa bei überstreckendenEllbogengelenken. Das soll unbedingt vermieden werden. Bänder dehnen sich um ein vielfaches langsamer als Muskeln. Im Gegensatz zu Muskeln haben sie nicht die Eigenschaft, nach der Dehnung wieder zu kontrahieren, so dass sich Dehnung der Bänder im Wesentlichen rein summatorisch verhält (heute ein wenig plus morgen ein wenig plus übermorgen plus … macht letzten Endes ein instabiles Gelenk), also kaum reversibel ist. Muskeln verhalten sich anders: nach intensiver Dehnung ist am nächsten Tag erst einmal die Dehnung des am Vortag betroffenen Muskels schlechter, bis der Übende nach einigen Minuten des Übens wieder den Status des Vortags hergestellt hat.
Muskeln verkürzen sich durch jede Art von Benutzung in entsprechendem Maß! Durch große Kraftanstrengung und häufig wiederholte Bewegung stärker, durch intensive Dehnung (die nach Yoga-Art nie völlig passiv ist, in dem Sinne, dass der Muskel bei der Dehnung keine Kraft auszuüben hätte) relativ wenig aber nicht gar nicht. Ein weiterer Grund ist die Notwendigkeit des Erhalts der Tonus-Balance in den Gelenken. Durch fortgesetztes Dehnen ohne wahrnehmbare Wirkung würde der Tonus des Muskels fast beliebig weit herabgesetzt. Mit fortgesetztem Herabsetzen des Tonus treten in den betroffenen Gelenken unausgewogene Druckverhältnisse auf, bis hin zur Instabilität, wie sie sich beispielsweise in einer seitlich herausrutschenden Kniescheibe äußert.
Sehen „Yoga-Muskeln“ anders aus
Frage:
- Stimmt es, dass nach Yoga-Art geübte Muskeln anders aussehen als andere Muskeln?
- Gibt es noch weitere Unterschiede?
Antwort:
- Ja, in dem Sinne, dass sie einen geringen Ruhetonus und möglicherweise eine größere Länge in Ruhe haben und erst bei Beanspruchung und genau in dem Maß der Beanspruchung an Tonus zunehmen. Im allgemeinen wird ein nach Yoga-Art geübter Muskel im Ruhezustand lang und flach sein, also genau das Gegenteil eines nach Bodybuilding-Art geübten Muskels.
- Ein wichtiger Vorteil existiert für die Yogis: der Muskel hat wesentlich größere Berührungsfläche mit benachbarten Knochen, was für die „Ernährung“ der Knochen durch den Druck der Muskeln entscheidend ist. Weiter ist der Stoffwechsel des Menschen weniger gefordert, da weniger Energie für das Aufrechterhalten des Grundtonus der Muskulatur aufgebracht werden muss, was – so steht zu vermuten – den Körper weniger belastet.
- Das „Interpolationstheorem“ sagt: ist ein monoartikulärer Muskel in der Lage, ein Gelenk in zwei Winkeln x und y in den drei Arten der Kontraktion (exzentrischer, isometrische und konzentrischer) zu beherrschen und dabei ein Moment M in dem Gelenk auszuüben, so auch in allen zwischen x und y liegenden Winkeln. Etwaige zwischen den beiden Winkeln auftretenden Beschwerden sind in aller Regel auf das überzogene Gelenk zurückzuführen. Da der Hatha-Yoga die Eigenschaft hat, alle Muskeln auch in den „unmöglichsten“ Winkeln, will sagen in minimalen und maximalen Sarkomerlängen (im Winkelbereich minimaler und maximaler Kontraktion, nach Länge, nicht nach Kraft) in dem oder den beteiligten Gelenken zu schulen, geht alles in normalen Winkeln umso besser. Unsere Übungspraxis trägt darüber hinaus, dass der Muskel sich „longitudinal adaptiert“, das heißt durch intensive Arbeit in großen Sarkomerlängen wird er dazu angeregt, die Anzahl der seriellen (hintereinander liegenden) Sarkomere zu vergrößern (!). Dies bringt eine leicht gesteigerte Muskelleistungsfähigkeit, also einen Zuwachs an maximaler Kraftentfaltung und maximaler (unbelasteter) Kontraktionsgeschwindigkeit mit sich, ebenso wie ein vermindertes Verletzungsrisiko.
Verkrampfung im Nacken / Trapezius – ERSTE-HILFE-BAUKASTEN-NACKENVERSPANNUNG
Frage:
Ich bin anfällig für Verspannungen oder Verkrampfungen a) zwischen Nacken und Schultern und b) im Nacken selbst.
Antwort:
- Hier verhält es sich ähnlich wie vor. Allerdings können wir den Trapezius hier etwas leichter zum Arbeiten bringen. Da es sich hier um Haltemuskulatur (des Kopfes und der Schulterblätter) handelt, bedarf sie längerer Bearbeitung durch asanas, will sagen, diese müssen länger gehalten werden. Weiter können wir nicht unbedingt sofort mit Dehnen beginnen, je nach dem, wie verhärtet die Muskulatur ist. Es ist dann besser, die Muskeln erst einmal gut arbeiten zu lassen, was ihre Bereitschaft steigert, sich dehnen zu lassen. Hervorragend geeignet für das längere „Aufwärmen“ ist natürlich der Kopfstand, da er lange gehalten werden kann. Wir sind in der Lage, über den genauen Punkt, auf dem wir stehen, den Winkelbereich der Arbeit des Muskels etwas zu variieren. Generell sollte man bei verspanntem Nacken auf keinen Fall zu weit in Richtung Stirn stehen, da wir damit eine Krampfneigung des Nackens fördern würden, sondern eher noch ein wenig hinter den üblichen Punkt zurück gehen. Nach längerem Kopfstand können wir beginnen, den Muskel zu dehnen. Dazu eignet sich der Schulterstand mit seinen Verwandten: supta konasana, halasana, karnapidasana (in Reihenfolge zunehmender Wirksamkeit auf die Nackenmuskulatur)
- Das ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Trapezius. Dieser ist nicht gerade leicht zu „behandeln“, da sich kaum eine effektive Möglichkeit zu seiner Dehnung bietet, was insbesondere den mittleren Anteil betrifft. Eine solche würde daraus bestehen, z.B. den Schulterkopf vom Nacken wegzubewegen. Das ist anatomisch nicht möglich. Ersatzweise kann man versuchen, den Nacken von den Schultern wegzubewegen, was auch einseitig zumindest für den Bereich des oberen Nackens funktioniert. Für die weiter unten liegenden horizontalen Bereiche kann man auf diese Weise nichts tun. Aber dann gibt es da noch einen Trick: dehne nicht durch eine Bewegung des Körpers, sondern – ähnlich einem Masseur – durch physikalische Druckeinwirkung quer zur Richtung der Muskelfasern. Das bedeutet hier, von oben auf den Trapezius zu drücken. Bei diesem Muskel handelt es sich mehr um Haltemuskulatur, daher braucht er deutlich längere Zeit, um sich zu dehnen, so lange mag wohl kaum ein Mensch von oben auf diesen Muskel drücken. Daher legen wir die betroffene Person einfach in karnapidasana auf zwei zusammengerollte Matten, die quer zum Trapezius und damit parallel zur Wirbelsäule direkt neben dem Nacken auf dem Boden liegen. Das ist ein anfangs etwas ungewohnter Druck, kann aber generell lange gehalten werden und verspricht meist schon nach dem ersten 3-5-minütigen Durchgang ein wenig Linderung.
Dies ist ein Erste-Hilfe-Baukasten, in dem sich für die meisten Fälle etwas Hilfreiches finden dürfte:
- karnapidasana
- karnapidasana auf divergierenden Rollen
- garudasana obere Hälfte der Haltung mit nach vorn geneigtem und ggf. leicht seitlich gekipptem Kopf
- gomukhasana obere Hälfte der Haltung mit nach vorn geneigtem und ggf. leicht seitlich gekipptem Kopf
- Drehsitz ggf. mit nach vorn geneigtem Kopf
- maricyasana 1 auch hier ggf. mit nach vorn geneigtem und ggf. leicht seitlich gekipptem Kopf
- maricyasana 3 auch hier ggf. mit nach vorn geneigtem und ggf. leicht seitlich gekipptem Kopf
- Kopfstand mit kürzerer Dauer beginnen und die Wirkung wahrnehmen
- Schulterstand wenn nötig mit Unterstützung der Schulter
- Kopfseitneigen mit oder ohne ziehende Hand
- Kopf auf den Boden drücken
- Kurzhantel-Spaziergang mit adäquatem Gewicht, so lange bis die Fingerbeuger eine Grenze setzen
- passive Sakapuladepression mit Kurzhantel
- Kopf auf den Boden drücken
- Kopf auf die Wand drücken
- Stirn auf den Boden drücken
- Stirn gegen die Wand drücken
- Kopfrotation im Liegen
Philosophische Literatur über Yoga
Frage:
Welche Literatur lohnt es sich zu lesen, wenn man interessiert ist, was „hinter Yoga steckt“?
Antwort:
- die „Bhagavad Gita“
- die „Yoga-Sutren (Sutras) des Patanjali“ in verschiedenen Übersetzungen und Kommentaren, z.B. von A. A. Bailey, B.K.S. Iyengar, Deshpande
- Des Weiteren können einige neuere Werke über Yoga guten Aufschluss liefern: z.B: „Über Yoga“, Mircea Eliade
Geeignete und ungeeignete Vorwärtsbeugen
Frage:
Ich habe gehört, bestimmte Vorwärtsbeugen seien für Anfänger nicht so geeignet.
Antwort:
Richtig ist, dass die originale Ausführung von z.B. pascimottanasana, ardha baddha padma pascimottanasana, tryangamukhaikapada pascimottanasana und janu sirsasana für sehr unbewegliche Anfänger keinen Sinn machen, da die Schwerkraftwirkung des Oberkörpers eine ganz andere ist als bei beweglicheren Menschen. Bei in den Beinrückseiten unbeweglichen Menschen kommt das Becken oft nicht in die Senkrechte, sondern steht schräg nach hinten-oben. Das führt dazu, dass der Oberkörper nach hinten zieht. Daher ergibt sich erst einmal ein wenig aussichtsreicher Kampf um das Aufrichten des Beckens, bevor das Gewicht des Oberkörpers zur Dehnung der Beine genutzt werden kann.
Bei beweglichen Menschen kippt das Becken mühelos nach vorn und der Oberkörper kann umso mehr nach vorn(-unten) bewegen. Die Fähigkeit, ohne Hilfe der Hände das Becken senkrecht halten zu können, kann als eine Voraussetzung für sitzende Vorwärtsbeugen gelten, aber selbst dann ist es oft noch ein sehr langer Weg. Eine Möglichkeit, dennoch zu vernünftiger Arbeit in sitzenden Vorwärtsbeugen zu kommen, ist der Zug an einem Gürtel, der, um die Fußsohlen laufend, die Möglichkeit zu kräftiger Dehnung der Beinrückseite gibt.
Die Schwerkraftwirkung des Oberkörpers kann in stehenden Vorwärtsbeugen wesentlich günstiger eingesetzt werden, so wäre bei geradem Becken (und für diese Überlegung: geradem Rücken) das Gewicht des Oberkörpers zu 100% nutzbar, bei Runden des Rückens und weiterer oder geringerer Vorbeuge entsprechend weniger. Genauer: je näher der Winkel der Verbindungslinie zwischen Schwerpunkt des Oberkörpers und Drehzentrum der Flexion im Hüftgelenk an der Waagerechten liegt, desto mehr wirkt das Gewicht als Streckung in der Beinrückseite. Optimal sind daher anfangs uttanasana, prasarita padottanasana und besonders wegen der einseitig kräftigeren Wirkung parsvottanasana. Ebenfalls geeignet: die 3. Kriegerstellung.
Kommutativität (Reihenfolgevertauschbarkeit) einzelner Bewegungen
Frage:
Kann es sein, dass es manchmal nicht egal ist, in welcher Reihenfolge ich einzelne Bewegungen ausführe, aus denen sich eine Haltung zusammenbaut?
Antwort:
Das ist ganz richtig beobachtet. Die Bewegungen, aus denen sich eine Haltung aufbaut, sind in mehrfacher Hinsicht nicht kommutativ (reihenfolgevertauschbar):
- das Ergebnis im Sinne der eingenommenen Haltung ist nicht notwendigerweise das gleiche, das heißt, dass beispielsweise die erste von zwei voneinander abhängigen Bewegungen vollständig ausführbar ist und die zweite nur noch eingeschränkt ausführbar. Ein Beispiel ist das Kippen des Beckens (Flexion in den Hüftgelenken) und das Senken der Fersen in der Hundestellung Kopf nach unten: wird das Senken zuerst ausgeführt, kann das Becken nicht soweit gekippt werden, als wenn es zuerst gekippt würde.
- die in diesem Buch angegebenen Reihenfolgen zum Einnehmen einer Haltung vermeiden weitestmöglich unerwünschte oder pathogene Effekte wie z.B. „totes“ Gewicht in Gelenken oder destruktiv wirkende Momente. Als Beispiel sei der Übergang von der Hundestellung Kopf nach unten zum Hund Kopf nach oben genannt: dadurch, dass bereits vor dem Übergang der Körper maximal nach hinten gedrückt wird und dieses im Übergang beibehalten wird, gibt es keinen Moment, in dem „totes“ Gewicht in den Handgelenken auftreten würde, im Gegensatz zur Reihenfolge: erst der Übergang, dann das nach hinten Drücken.
- die bis zur fertig eingenommenen Haltung geleistete muskuläre Arbeit kann je nach Reihenfolge unterschiedlich oder zumindest unterschiedlich stark sein.
Schmerzen im Knie in uttanasana oder anderen Stehhaltungen mit einem gestrecktem Bein
Frage:
In uttanasana, aber auch in parsvottanasana, trikonasana, ardha chandrasana habe ich Schmerzen im Knie.
Antwort:
Vor allem durch Überstrecken des Kniegelenk, aber auch durch eine Baker-Zyste kann es auch bei korrekter Ausführung zu Schmerzen im Knie kommen; die beiden Fälle müssen unterschieden werden: Schmerzen der Baker-Zyste sind auf der Rückseite des Knies lokalisiert, meist ziemlich zentral, die durch das Überstrecken bedingten können sowohl auf der Rückseite als auch auf der Vorderseite, zumeist unter der Patella auftreten.
- Die Bakerzyste ist eine auf Kniebinnenschäden wie z.B. Meniskusschäden basierende Erscheinung (keine eigene Entität), bei der Synovia (Gelenkflüssigkeit) aus dem Kniegelenk in einen der Schleimbeutel auf der Knierückseite entweicht; Ursächlich ist dabei i.d.R. eine erhöhte Produktion der Flüssigkeit (Synovia) als Reaktion auf einen Meniskusschaden. Meist wird hier Druck in der Kniekehle empfunden. Wenn auch die Baker-Zyste als Symptom weniger übel ist als die Ursache, können grundsätzlich in eher seltenen Fällen Komplikationen auftreten, vor allem eine Thrombose durch eine Einschränkung des venösen Rückstroms. Für die Haltungen bedeutet das viel mehr einen unangenehmen Druck als ein Risiko.
- Als Überstrecken bezeichnen wir einen Winkel von mehr als 180° in den Mittelgelenken der Extremitäten, also Ellbogengelenk oder Kniegelenk, siehe dazu auch den Artikel über das Überstrecken der Gelenke, den es aufgrund des Umfangs und der Relevanz auch als PDF gibt. Sowohl in Ellbogengelenk als auch Kniegelenk ist das Überstrecken ein durchaus verbreitetes Phänomen. Es tritt in unterschiedlich deutlicher Ausprägung auf und betrifft deutlich häufiger das weibliche Geschlecht. Nicht jeder, der die Kniegelenküberstrecken kann, empfindet dabei Schmerzen und das (Winkel-)Maß des überstreckens ist kein Hinweis darauf, ob dabei Schmerz empfunden werden kann oder nicht, wenn auch die Wahrscheinlichkeit mit größeren Winkeln steigt. In den Kniegelenk ist das Überstrecken nicht selten eine Folge der Kombination einer angeborenen Fähigkeit, die Kniegelenküberstrecken zu können in Verbindung mit einer Neigung, dies zu verstärken, die durch eine Schwäche der Muskulatur in der Oberschenkelvorder- und rückseite die Stellung des Beckens und der Kniegelenk kontrolliert und verändert, rückseitig also der Ischiocruralen Gruppe und vorderseitig des Quadrizeps. Sowohl die Schwäche der einen als auch der anderen neigen dazu, ein vorhandenes Überstrecken zu verstärken als auch ein Hohlkreuz auszuprägen (Hyperlordosierung der LWS). Die auftretenden Schmerzen können sowohl die Knierückseite als auch die Vorderseite betreffen, dann sind sie meist unterhalb (kaudal) der Kniescheibe zu finden. Der beim Überstrecken empfundene Schmerz ist kein muskulärer Dehnungsschmerz und weist nicht auf ein physiologisches Phänomen hin, weshalb er vermieden werden sollte. Das heißt, die Kniegelenk sind nur soweit zu strecken, dass dieser Schmerz nicht auftritt. Eine Möglichkeit ist die vollständige muskuläre Kontrolle über das Gelenk, so dass aus einer Kraft-Balance der Vorder- und Rückseite der Beinmuskulatur ein Gleichgewicht der Kräfte in einem schmerzfreien Winkel im Kniegelenk hergestellt und gehalten werden kann. Diese Möglichkeit ist sicherlich die schwierigere. Schon beim dazu analogen Phänomen der Überstreckung des Ellbogengelenks ist es vielen erst einmal nicht möglich, den Arm-Bizeps dazu einzusetzen, ein Gleichgewicht der Kräfte aufzubauen und zu halten. Das Bein ist grobmotorischer als der Arm und i.d.R. herrscht hier eher weniger Körperbewusstsein, weshalb eine andere Möglichkeit oft die erfolgreichere ist, die sich allerdings nicht auf alle Haltungen gleichermaßen erfolgreich übertragen lässt: Beuge in uttanasana die Kniegelenk weit und presse den Oberkörper auf die Oberschenkel. Strecke danach die Kniegelenk weiter durch ohne den Druck des Oberkörpers auf die Oberschenkel verloren gehen zu lassen (idealerweise würde er nicht einmal geringer), bis das Maximum der zumutbaren Dehnungsempfindung der Ischiocruralen Gruppe erreicht ist. In der Regel reicht die Dehnfähigkeit der Ischiocruralen Gruppe nicht hin um mit diesem Verfahren noch ein schmerzhaftes Überstrecken zu erreichen.
Zum Thema Überstrecken siehe auch den FAQ-Eintrag zur Durchstrecken der Gelenke
Unfähigkeit zu Kniebeugen / utkatasana wegen steifer Wadenmuskulatur (Soleus)
Frage:
Ich scheine wegen steifer Wadenmuskulatur keine Kniebeugen / utkatasana machen zu können. Ab einer gewissen Beugung des Kniegelenk falle ich immer nach hinten!
Antwort:
Das gibt es tatsächlich. Die Kniebeuge / utkatasana ist, je nachdem wie sie gemacht wird, eine Haltung mit halbwegs breiter, aber nicht besonders tiefer (Strecke zwischen „vorn“ und „hinten“) physikalischer Stützbasis (das ist mathematisch gesehen die konvexe Hülle der lasttragenden Punkte auf dem Boden). Das bedeutet, grundsätzlich ist die Balance nach vorn/hinten ein gewisses Thema, umso mehr als häufig jede Menge Gewicht auf den Schultern (oder sonst wo) lastet. Für eine in statischer Betrachtung, also für wenigstens einen Moment innegehaltene Haltung muss das Schwerelot in der physikalischen Stützbasis liegen, für gute Stabilität sogar halbwegs mittig (bezüglich Länge UND Breite der physikalischen Stützbasis) darin (Weitere Erwägungen und Faktoren verfeinern diese Aussage noch!).
Damit die Kniebeuge nicht übermäßig anstrengend für die Wadenmuskulatur wird, muss das Schwerelot ein wenig von vorn nach hinten in Richtung der Ferse verschoben sein, keinesfalls aber zu viel, da sonst zu wenig Spielraum für das Balancieren gegen Umkippen nach hinten besteht. Wie der Name der Haltung „Kniebeuge“ besagt, geht es darum, die Kniegelenk (meistens relativ weit) zu beugen. Dabei muss sich die Last des Oberkörpers und des zusätzlichen Gewichts irgendwo senkrecht über derphysikalischen Stützbasisbefinden. Wird nun begonnen, die Kniegelenk zu beugen, kommen sowohl die Oberschenkel als auch die Unterschenkel nach vorn, der Winkel in den Kniegelenk von ursprünglich 180° wird deutlich kleiner und die Kniegelenk kommen je weiter gebeugt wird, desto weiter nach vorn. Dabei muss sich der Unterschenkel mit zunehmender Beugung der Knie immer weiter gegen den Boden neigen.
Aus den ursprünglichen ca. 90°, also einer ungefähren Senkrechten werden dann leicht 60° und noch wesentlich kleiner, je nachdem wie weit die Kniegelenkgebeugt werden. Beugen die Kniegelenk 90°, stehen die Unterschenkel rechnerisch schon ca. 45° gegen den Boden geneigt. Damit die Unterschenkel in solche Winkel kommen können, muss die Wadenmuskulatur auf der Rückseite des Unterschenkels, namentlich hauptsächlich (die nachrangigen plantaren Flexoren lasse ich hier der Einfachheit halber weg) m. soleus und m. gastrocnemius eine entsprechende Beweglichkeit aufweisen.
Beide Muskeln kann man relativ gut testen: der m. soleus ist eingelenkig, d.h. er überspannt nur die Sprunggelenke, weil er – am proximalen dorsalen Unterschenkel ansetzend – über die Achillessehne am Fersenbein (Kalkaneus) den Fuß in die plantare Flexion zieht. Ihn kann man ganz einfach bei aufgesetztem Fuß und deutlich gebeugtem Kniegelenk testen, in dem man versucht, den Unterschenkel maximal nach vorn gegen den Boden zu neigen wobei die Ferse nicht an Gewicht verlieren geschweige denn abheben darf.
Der m. gastrocnemius hingegen ist zweigelenkig, er setzt vom distalen dorsalen Femur und ebenfalls über die Achillessehne am Fersenbein an. Aufgrund seiner Lage und der Fähigkeit von Muskeln, sich nur zusammenziehen, nicht aber sich aktiv (in die Länge) ausdehnen zu können, kann man sofort schließen, dass er neben der plantaren Flexion im Fußgelenk auch eine Beugung des Kniegelenk macht. Um seine Beweglichkeit zu testen, muss man das Kniegelenk strecken und den Unterschenkel nach vorn gegen den Boden neigen und ebenfalls ohne das Gewicht der Ferse zu verringern. Kommt man dann zum gleichen Ergebnis – was nicht ebsonders wahrscheinlich ist – ist nur die Aussage möglich, dass er bei gestrecktem Kniegelenk mindestens so beweglich ist, wie der m. soleus.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird aber bei gestrecktem Kniegelenk der Unterschenkel (deutlich) weniger weit nach vorn kippen können. Welcher von beiden auch immer in der Praxis der Kniebeuge die größere Einschränkung setzt, in der Kniebeuge sind Winkel erforderlich, die mit einer deutlich verkürzten Wadenmuskulatur nicht vereinbar sind. Zwar könnte man die Ferse hochkommen lassen – was man sich aber mit einem eklatanten Mangel an Stabilität und einem ungleichen Mehr an Arbeit (nicht Dehnung, sondern Anstrengung, sprich Kraftaufbietung) der Wadenmuskulatur erkaufen würde – oder um diese beiden Faktoren auszuschließen, könnte man die Ferse auf eine entsprechende Erhöhung setzen, was wiederum die Möglichkeit von Verkrampfung der Schienbeinmuskulatur erhöht.
Mit echten, sauberen Kniebeugen hat beides sicher nichts zu tun. Um nun die Beweglichkeit der Wadenmuskeln zu verbessern, müssen entsprechende Dehnübungen her. Hier eignen sich z.B. für den m. gastrocnemius: uttanasana mit Fußballen auf Klotz, Kriegerstellung 1, Hundestellung Kopf nach unten, vor allen in den Varianten einbeinig und mit einem gehobenen Bein, sowie parivrtta trikonasana. Ist der Soleus stärker betroffen, helfen z.B. dieHundestellung Kopf nach unten: aus beugenden Knien strecken, am besten aber Hund Kopf nach unten in den Varianten einbeinig oder mit einem gehobenen Bein sowie die Kriegerstellung 1 bei der das hintere Bein gebeugt wird.
Um nun zu der Ausgangsfrage zurückzukehren, ja, ab einem gewissen Winkel der Beugung im Kniegelenk kann in dem geschilderten Fall der Unterschenkel nicht weiter nach vorn kippen. Wird das Kniegelenk trotzdem weiter gebeugt, beschreibt das Hüftgelenk einen Bogen nach hinten-unten und das Schwerelot läuft nach hinten über die Ferse hinaus aus der physikalischen Stützbasis heraus: man kippt nach hinten um!
Sport macht steif?
Frage:
Ich mache seit einiger Zeit Yoga und habe gehört/gemerkt, dass Sport steif macht, sollte ich damit aufhören und nur noch Yoga machen?
Antwort:
Richtig ist, dass die meisten Sportarten durch ungezählte wiederholte Bewegungen, insbesondere solche mit kleinem Bewegungsradius (ROM), den Körper versteifen können und das in der Praxis auch tun. Darüber hinaus sind einige Sportarten nicht eben gut für die Gelenke, insbes. solche mit Gegnerkontakt, der unausweichlich auch zu unphysiologischen Bewegungen und nicht selten daraus resultierend Verletzungen der Muskulatur oder der Gelenke führt.
Auf der anderen Seite ist Ausdauersport nach heutigem Kenntnisstand die beste Prävention gegen Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Arteriosklerose, vaskuläre Demenz, Diabetes und weitere in der Statistik weniger weit oben stehende Erkrankungen. Auf diese Wirkung verzichten zu wollen, ist nicht unbedingt angeraten. Wer seine Beweglichkeit mit Yoga fördern will, wird natürlich langsamere Fortschritte erzielen, wenn er gleichzeitig Sport treibt und einige spannende Wechselwirkungen kennenlernen, grundsätzlich sind aber beide Dinge miteinander vereinbar.
Veränderte Krümmung der Wirbelsäule
Frage:
Bei mir liegt eine Veränderung der Krümmung der Wirbelsäule vor (selbst beobachtet oder gestellte Diagnose). Ist das schlimm? muss ich etwas dagegen tun? Und was?
Antwort:
Die Wirbelsäule wird unterteilt in fünf Abschnitte, von oben nach unten:
- HWS: Halswirbelsäule mit 7 Wirbeln, der Kopf ruht auf dem ersten Halswirbel (dem „Atlas“), physiologischer Weise lordotisch (von vorn konvex)
- BWS: Brustwirbelsäule mit 12 Wirbeln, an denen die Rippen befestigt sind, die vorne mit dem Brustbein verbunden sind und den „Brustkorb“ bilden; physiologischer Weise kyphotisch (von hinten konvex)
- LWS: Lendenwirbelsäule mit 5 Wirbeln, physiologischer Weise lordotisch
- Kreuzbein: 5 zusammengewachsene (entwicklungsgeschichtlich) ehemalige Wirbel
- Steißbein: 3 zusammengewachsene (entwicklungsgeschichtlich) ehemalige Wirbel
Die Anzahl der Wirbel schwankt ein wenig, manche Menschen haben Varietäten insbes. im Bereich des Kreuzbeins und der LWS und bis zu zwei Wirbel (echte oder Teile des Kreuzbeins) mehr. Kreuzbein und Steißbein besitzen in sich je keine Flexibilität und stellen einen zusammenhängenden Knochen dar. Abgesehen und vermutlich weitgehend unabhängig von der Anzahl der Wirbel sind in der Praxis viele Abweichungen der physiologischen Form der WS schon allein in der Sagittalebene zu beobachten :
- Hyperlordose der LWS
- Hypolordose der LWS (Hypolordose, Steilstellung oder Kyphose)
- Hyperkyphose der BWS
- Hypokyphose der BWS (Hypolordose, Steilstellung oder Kyphose)
- Hyperlordose der HWS
- Hypolordose der HWS (Hypolordose, Steilstellung oder Kyphose)
Zumeist treten Deformitäten der Wirbelsäule nicht isoliert auf. Beim Übergang zum aufrechten Gang hat sich die Wirbelsäule von der Einfach-C-Form zu einer Doppel-S-Form angepasst, um den veränderten Lastverhältnissen Rechnung zu tragen, dabei eine Pufferfunktion für den Schädel zu implementieren und den Lungen genug Raum zur leichten Füllung und den Vorhöfen des Herzens ebenfalls hinreichend geringe Umgebungsdrücke für eine leichte Füllung zu verschaffen.
Jegliche Abweichung von dieser Form ist grundsätzlich potentiell pathogen, zuallererst für den Bewegungsapparat selbst, darüber hinaus aber auch für Organe und das Nervensystem. Häufig geht eine Veränderung zeitlich voran und stellt eine Reaktion auf eine ungesunde Haltung oder eine muskuläre Schwäche dar. Weitere sekundäre Veränderungen folgen oft mit Zeitverzögerung. In der Regel treten aber mit Beginn der ersten Veränderung Symptome auf, die Alarmsignal sind und zu Diagnose und Intervention veranlassen sollten. So kann beispielsweise eine Schwäche der Quadrizeps oder der Ischiocruralen Gruppe ursächlich für eine chronische Hohlkreuzneigung sein, die konsekutiv die BWS hyperkyphosiert und die HWS hyperlordosiert.
Folge sind oft nach Jahren Bandscheibengeschehen v.a. in LWS und HWS sowie eine möglicherweise ausgeprägte Neigung zu Rückenbeschwerden und Spannungskopfschmerz, nach Einsetzen des Bandscheibengeschehens auch neurologische Ausfälle oder neuroradikuläre Schmerzen. Wird die Hyperkyphose zu ausgeprägt, können auch die Lungen sich nicht mehr richtig entfalten, deren Gefäßwiderstand erhöht sich, und konsekutiv kann das Herz betroffen werden und über die Zeit hypertrophieren und insuffizient werden. In Fällen der Veränderung der Form der Wirbelsäule haben sich die sie begleitenden Muskeln so gut als möglich kompensatorisch der Haltung angepasst – meist aber nicht ohne selbst Symptome zu verursachen – und müssen im Laufe der Zeit wieder zur Befähigung und mehr noch zur Unterstützung einer gesunden Haltung umtrainiert werden.
Im Falle einer hyperlordosierten LWS beispielsweise liegt zumeist eine deutliche Verkürzung der Hüftbeuger vor, die mit hüftextendierenden Haltungen Hund Kopf nach oben, Hüftöffnungen 1, Hüftöffnungen 2, Hüftöffnungen 3, verschiedene Rückbeugen, Kriegerstellung 1) rückgebaut werden muss. Eine Hyperkyphose der HWS würde die Wiederherstellung der Fähigkeit der WS zum Aufrichten gebieten, was ggf. Dehnung des Rectus abdominis (und möglicherweise auch der schrägen obliqui abdomini) und der Interkostalmuskulatur bedeutet:
- Hund Kopf nach oben
- verschiedene Rückbeugen
- Liegen auf einer Rolle quer zur Wirbelsäule
und die Kräftigung der Erector spinae erfordert:
- Kriegerstellung 3
- uttanasana-Variante „Tisch“
- uttanasana-Variante „rechtwinklig“
- Handstand-Variante eka pada
- Handstand-Variante dvi pada
- Kopfstand
- Schulterstand
- halasana
- salabhasana
Der Umbau in Richtung einer gesunden Haltung wird Zeit und Einsatz erfordern und verläuft nicht notwendigerweise geradlinig und völlig frei von Begleitsymptomen. Sowohl zu schwache Quadrizeps als auch zu schwache Ischiocrurale können letztlich die Form der WS nachteilig beeinflussen, indem sie zu einer Hyperlordosierung der LWS führen, das aber auf verschiedene Weise:
- Ist die Ischiocrurale Gruppe als Hüftextensor zu schwach und werden die im/am Becken angesiedelten Extensoren nicht benutzt (u.a. die Pomuskulatur), so wird das Becken nicht hinreichend aufgerichtet, die Folge ist ein Hohlkreuz. Da sie andererseits zu wenig Zug auf der Rückseite des Kniegelenk ausüben, wird dieses dazu neigen zu überstrecken und der Halt des Kniegelenk in Richtung Extension bleibt Bändern und Kapseln überlassen.
- Sind die Quadrizeps zu schwach, wird der Betreffende versuchen, deren Benutzung zu vermeiden. Ist eine gewisse Überstreckung (Hyperextension) im Kniegelenk möglich, versucht er, in dieser zu verweilen, damit der Bandapparat des Knies anstatt der Muskulatur die Position des Knies aufrecht erhält. Der Betroffene versucht also eine Benutzung des Quadrizeps im Stand möglichst ganz zu vermeiden, die normale wäre, wenn bei ganz leicht gebeugtem Kniegelenk das Schwerelot hinter dem Kniegelenk läge. Um eine gewisse Stabilität des aufrechten Standes ohne Nutzung des Quadrizeps herzustellen, wird das Becken dabei ein wenig nach vorn gekippt, wodurch sich das Schwerelot leicht vor das Kniegelenk verlagert und das Kniegelenk in subjektiv und objektiv stabiler Hyperextension einrastet und Bänder und Kapsel anstelle des Quadrizeps die Last tragen. Die Möglichkeit zur Überstreckung des Knies kann sich durch dies Verhalten weiter ausprägen.
Auch für den Fall zu schwacher oder deutlich verkürzter Muskulatur im Hüftgelenk ergeben sich verbreitet vorzufindende Pathomechanismen:
- Ein anderer Pathomechanismus ist vergleichsweise häufig bei jungen Angehörigen des weiblichen Geschlechts zu finden: der Versuch, die Rückenmuskulatur der LWS und die Extensoren des Hüftgelenks (u.a. Pomuskulatur) im Stehen dadurch zu entlasten, dass das Becken in der maximalen Extension eingerastet wird, wodurch sich eine Hypolordose oder Steilstellung der LWS ergibt. Als außerordentlich kräftige Muskelgruppe halten die Hüftbeuger oder auch das lig. iliofemurale Becken und Oberkörper leicht in der Position ohne dadurch nennenswert gedehnt zu werden. Auch diese Veränderung wird sich nach kopfwärts fortpflanzen und kann, da das Schwerelot des Oberkörpers hinter die Hüftgelenke wandert zu einer kompensatorischen Hyperkyphosierung führen, damit der Schwerpunkt noch im Rahmen bleibt. Selbstverständlich ist auch das pathogen.
- Verkürzungen der Hüftbeuger führen zu einer vermehrten Flexion in den Hüftgelenken und damit direkt zu einer Hyperlordosierung der LWS, damit das Schwerelot nicht zu weit nach vorn wandert. Konsekutiv werden sich die Kyphose der BWS und die Lordose der HWS ebenfalls übermäßig ausprägen.
Auch ein verkürzter Gastrocnemius kann letztlich Veränderungen der WS verursachen
- um trotz der daraus resultierenden Spitzfußneigung im Fußgelenk eine aufrechte Haltung zu erreichen, werden die Kniegelenk gebeugt und das Becken für einen angemessenen Schwerpunkt nach vorn gekippt. In der Praxis ist allerdings der Soleus deutlich wahrscheinlicher derjenige, der eine Spitzfußneigung bewirkt; dieser reagiert nicht auf Beugen des Kniegelenk.
Für die Betrachtung des muskulären Systems des Menschen gibt es verschiedene Kriterien: die Kraftausdauerfähigkeit, die Schwerkraftfähigkeit, die Schnellkraftfähigkeit, die Flexibilität (Dehnfähigkeit), der Grundtonus. Wenn oben vereinfachend von schwachen Quadrizeps die Rede ist, so ist ein zu geringer Tonus, eine zu geringe Kraftausdauer in Relation zu den Gegenkräften gemeint. Der Muskel ist also im „eingebauten“ Zustand oft nicht sinnvoll ohne seine Synergisten und Antagonisten zu betrachten. Einige der oben beschrieben veränderten Muskelspannungen können, wenn sie nur einseitig ausgeprägt sind, zu einem Beckenschiefstand und damit einer Skoliose führen. Für diese sind aber auch einseitige Verkürzungen der Adduktoren und Abduktoren des Hüftgelenks verantwortlich
Skoliose
Frage:
Bei mir wurde eine Skoliose diagnostiziert / beobachtet. Was kann ich tun?
Antwort:
Da das Kapitel Therapie der Skoliose zu komplex ist für eine Darstellung in diesem Rahmen, zumindest so viel an dieser Stelle: Skoliosen können verschiedene Ursachen haben, diese gilt es zuerst einmal aufzuklären und dann abzustellen, hier nur einige Beispiele, die den gesamten Bereich der schwereren Erkrankungen des Bewegungsapparates ausklammern, bei dem sekundäre Skoliosen auftreten wie Traumata, rheumatische und chronisch-degenerative Erkrankungen:
- chronische Subluxationen in einem Gelenk der unteren Extremität: Hüftgelenk, Kniegelenk, (oberes) Sprunggelenk
- einseitige Verkürzung der Hüftbeuger, verursacht eine Beckenverwringung und möglicherweise auch einen Schaukelgang; die Mikulicz-Linien neigen sich gegen die Senkrechte zur Seite
- einseitige Verkürzungen der Abduktoren oder der Adduktoren
- einseitige Schwäche der Abduktoren: führt bei sehr geringer Kraft zum Trendelenburg-Zeichen (nicht vermeidbares Abkippen des Beckens nach kontralateral der geschwächten Seite), bei nur moderat geschwächter Kraft zum Duchenne-Zeichen (Watschelgang: Verlagerung des Schwerpunkts nach lateral beim Gehen zur Entlastung der Abduktoren ipsilateral der geschwächten Abduktoren)
- Einseitige Belastungen
Dabei können Skoliosen von unten nach oben entstehen (die ersten vier Ursachen beschreiben Skoliosen, die „von unten nach oben“ entstehen, die letzte entsteht häufig in umgekehrter Wirkung von oben nach unten, dazu gehört etwa das in vorigen Jahrzehnten verbreitete häufige oder lange Tragen einer Last an einem Arm wie z.B. die Schultasche, die Schäden am kindlichen bzw. jugendlichen Bewegungsapparat verursacht genauso wie berufliche Bedingungen, die dazu veranlassen, eine Last ungezählte Male mit dem dominanten Arm zu halten oder zu bewegen. Skoliosen neigen dazu Wirbel nicht nur in der Transversalebene zu verschieben sondern auch (u.a. wegen der Muskeln zwischen Transversal- und Dornfortsätzen) auch zu verdrehen. Dies zeigt sich dann in gegenüber der kontralateralen Seite nach vorn oder hinten verschobenen Körperbereichen, meist erkennbar im Bereich des Thorax. Daher sind Skoliosen nicht selten auch von vorn erkennbar statt nur bei direktem Blick auf Rücken oder Wirbelsäule von hinten. Ist die Ätiologie aufgeklärt und die zugrundeliegenden Ursachen so gut als möglich abgestellt, kann mit Yogahaltungen entsprechend interveniert werden, ggf. muss verkürzte Muskulatur gedehnt und zu schwache gekräftigt werden, vor allem aber wirken kräftigende Haltungen für die autochthone Rückenmuskulatur positiv, siehe dazu auch die Empfehlungen im Eintrag schwacher Rücken.
Reizung des N. ischiadicus
Frage:
Ich habe manchmal in Vorwärtsbeugen, auch sonst schon mal Schmerzen im Po oder äußerem oberen Oberschenkel, fühlt sich nicht wie eine Dehnung an.
Antwort:
Wenn es sich nicht wie Dehnung anfühlt und klar mit entsprechenden Bewegungen, hauptsächlich der Flexion in den Hüftgelenken assoziiert ist, kann es sich gut um eine Reizung des n. ischiadicus handeln. Einwirkung von Kälte, Zug, längerer Feuchtigkeit oder auch Druck, wenn z.B. längere Zeit auf zu weichen Sitzgelegenheiten gesessen wird, auf denen nicht das überwiegende Körpergewicht über die Sitzbeinhöcker fließt. Klassische Auslöser im Bereich Kälte und Feuchtigkeit sind etwa Sitzen auf kalten Flächen (z.B. Steinen, Metall), tragen feuchter Kleidung an Beinen oder Gesäß sowie Radfahren mit dünner Beinkleidung. Die Anfälligkeit dafür ist sehr individuell und hängt nicht zuletzt von der Menge an schützendem Fettgewebe ab. Meist ist der Schmerz fein nerval, intermittierend, und Auslöser sind nur schwer auszumachen. Kälte und Druck verschlechtern, Wärme tut gut.
Prognosen, wann die Reizung ausheilt, sind schwierig und hängen sehr von der Meidung der reizenden Faktoren ab. Selbstverständlich muss man differentialdiagnostisch auch an ein Nervenwurzelkompressionssyndrom denken, was dann meist Folge eines Bandscheibengeschehens wäre, nachrangig auch etwa einer Spondylolisthesis (Wirbelgleiten), eines Facettensyndrom, oder einer Spinalkanalstenose. In diesen Fällen bessern Vorwärtsbeugen aber oft, statt Schmerz auszulösen.
Siehe dazu auf den Übersichtsartikel zum Thema „Ich habe Ischias..“ mit einer groben Differentialdiagnose.
Schlechtes Kippen des Beckens nach vorn (Verkürzung der Beinrückseite)
Frage:
Mein Becken kippt so unsäglich wenig nach vorn, woran liegt das? Was kann ich tun?
Antwort:
Sollte in einer vorwärtsbeugenden (im Sinne der Flexion in den Hüftgelenken) Haltung das Becken nicht weit in den Hüftgelenken nach vorn kippen können, sind vermutlich hauptsächlich die Hüftextensoren der Beinrückseite, die auch gleichzeitig Kniebeuger sind, dafür verantwortlich, nachrangig ggf. auch noch die Hüftextensoren im/am Becken (z.B. die Pomuskeln). Tritt deutliche Dehnungsempfindung in den Beinrückseiten auf, ist die Ischiocrurale Gruppe als limitierend identifiziert. Erhärtend wäre, wenn die Dehnung unter leichtem Beugen der Kniegelenk deutlich nachlässt. Tritt sie nicht oder sehr moderat auf, ist zu klären, ob Schwerkraftwirkung des Oberkörpers und Einsatz der Hüftbeuger zusammen das Becken noch nicht genug zu kippen vermögen oder ob – was seltener der Fall ist – tatsächlich die Hüftextensoren im/am Becken (u.a. die Pomuskeln) der limitierende Faktor sind. Letzteres lässt sich oft mit Haltungen wie halber Lotus Vorwärtsbeuge gut feststellen, da dort die Ischiocrurale Gruppe wegen der gebeugtenKniegelenk weitestgehend keine Rolle spielen.
Bei ersterem, der fehlenden Kraft zum Kippen des Beckens hilft der Einsatz eines Supporters um dies nachzuweisen, indem dieser mit zunehmendem Krafteinsatz das Becken am Kreuzbein weiter in die Flexion zu kippen versucht, was zu vermehrter Dehnungsempfindung in der Beinrückseite führen muss. Häufiges langes Sitzen und Sportarten mit kräftigen Laufbewegungen können Verkürzungen der Ischiocruralen Gruppe begünstigen. Standard-Herangehensweise sind dann regelmäßige stehende Vorwärtsbeugen, sitzende sollten b.a.w. nicht ausgeführt werden, siehe hier. Begleitend muss mit Haltungen zur Förderung der Hüftextension (Hund Kopf nach oben, Hüftöffnung 1 und 2, 1. Kriegerstellung, verschiedene Rückbeugen) sichergestellt werden, dass durch die Vorwärtsbeugen die Hüftbeuger nicht verkürzen!
Liegt zusätzlich ein Bandscheibenleiden vor, so können keine Haltungen geübt werden, bei denen die LWS konvex wird. Sehr hilfreich sind dann das Kreuzheben oder auch die Hundestellung Kopf nach unten mit einem gehobenen Bein rückwärts gegen die Wand.
Ich habe angeblich ein Hohlkreuz. Ist das denn schlimm? Muss ich etwas dagegen tun?
Frage:
Ich habe angeblich ein Hohlkreuz. Ist das denn schlimm? Muss ich etwas dagegen tun?
Antwort:
Mit „Hohlkreuz“ ist landläufig die Hyperlordosierung der Lendenwirbelsäule gemeint. Wie weiter oben erklärt, hat die LWS physiologisch ein gewisses Maß an Lordose (von vorn konvexe Biegung). Ist dieses Maß zu gering oder zu groß, schadet das auf Dauer dem Bewegungsapparat und möglicherweise gehen die Schäden später auch über den Bewegungsapparat hinaus. In einem anderen Thema dieser FAQ waren bereits die typischen Ursachen für die Entstehung eines Hohlkreuzes dargelegt. Auf jeden Fall sollte versucht werden, es zu vermindern oder zu beseitigen. Die langfristige Folge eines chronischen Hohlkreuzes ist in aller Regel, dass die Muskulatur der LWS übermäßig an Kraft und Masse (was allein nicht schlimm wäre) aber auch an Spannung zunimmt. Das wiederum führt mit den veränderten Winkeln in den Wirbelgelenken zusammen zu chronisch erhöhtem Druck in den Bandscheiben zwischen den Wirbeln. Zwar verteilen die flüssigkeitsgefüllten Bandscheiben den Druck auf ihren Kontaktflächen zu den Wirbelkörpern nach dem Pascal’schen Prinzip weitestgehend gleichmäßig, jedoch wird im Laufe jedes Tages unter der Last des Körpers Flüssigkeit aus den Bandscheiben abgepresst, das in der Nacht wieder aufgesaugt werden muss.
Generell hilft ein geregeltes Maß an Bewegung am Tage den Bandscheiben deutlich sich zwischendurch zu erholen und wieder Flüssigkeit aufzunehmen und vermindert degenerative Prozesse. Klar ist auch, dass mit steigendem Körpergewicht, insbesondere im Bereich des Oberkörpers, der Druck auf die Bandscheiben und das Risiko von Bandscheibengeschehen steigt. Stehen die Bandscheiben chronisch auch in Ruhe und des Nachts unter erhöhtem Druck, ist die Fähigkeit reduziert, in der Nacht das am Tage abgepresste Wasser wieder aufzunehmen. Dies führt zu einem sinkenden Wassergehalt in der Bandscheibe und zu nachlassender Fähigkeit, den Druck gleichmäßig zu verteilen. Hinzu kommt, dass die Fähigkeit Wasser zu binden, mit dem Altern ohnehin abnimmt.
Wenn der erhöhte Druck und das Nachlassen der Fähigkeit zur gleichmäßigen Druckverteilung ein gewisses Maß erreicht haben, beginnt die Bandscheibe abzuflachen und sich dafür über ihre vorgesehene Form in irgendeine Richtung nach außen auszudehnen. Das nennt man Vorwölbung oder Protrusion. In diesem Stadium ist die strukturelle Integrität der aus einem gelartigen Kern mit der Fähigkeit, Wasser zu binden und einem umgebenden Faserring bestehenden Bandscheibe noch gewahrt.
Trotzdem kann die deformierte Bandscheibe einen der aus dem Rückenmark austretenden Spinalnerven treffen und durch Druck auf ihn ein Nervenwurzelkompressionssyndrom auslösen. Dieses hat die klassischen ins Bein ausstrahlenden Schmerzen und ggf. auch neurologische Symptome wie Ausfälle von Sensitivität oder Motorik im Oberschenkel, Unterschenkel oder Fuß, wie sie als Ischialgie oder Lumbalgie beschrieben werden. Hält die Belastung unvermindert an oder wächst sogar noch, wird irgendwann der Faserring an einer Stelle reißen wobei zur Druckentlastung Kernmaterial nach außen abgepresst wird. Das nennt man Vorfall oder Prolaps. Von der Symptomatik sind Protrusion und Prolaps nicht unbedingt zu unterscheiden. In beiden Fällen kann Druck auf einen Nerv entsprechend ausgeprägte Symptomatik auslösen. Weitere Degenerationsstufen und Formen wie Sequestrierung mit Kontakt der Wirbelkörper und Abquetschen des überstehenden Teils der Bandscheibe sind möglich.
Tritt das Bandscheibengeschehen unter (kaudal) dem Ende des Rückenmarks auf, kann es zum cauda-equina-Syndrom kommen. Der Name rührt von den sich pferdeschwanzartig auffächernden Nerven her, die aus dem Ende des Rückenmarks austreten. Dabei kommt es zu halbwegs symmetrischen neurologischen Ausfällen an den Oberschenkelinnenseiten (Reithosenanästhesie), aber auch zu Betreff von Nerven, die Organe des Beckens versorgen. Dies ist ein neurologischer Notfall, der schnellstens im Krankenhaus versorgt werden muss, ehe irreversible Druckatrophien (Absterben eines Nerven nach zu langem Druck) auftreten und dabei die Innervation von Organen zugrunde geht. Ggf. muss operativ druckentlastet werden.
Die anderen Formen der Bandscheibenschäden werden in aller Regel am besten konservativ (ohne OP) versorgt, wobei ein deutliches Interesse des Patienten an seiner Genesung und entsprechendes proaktives Verhalten Prognose und Verlauf sehr fördern. Sehr wenig proaktive Patienten, die mitverursachende Belastungen nicht absetzen (wollen oder können) und sich nicht aktiv insbesondere mit bewegungstherapeutischen Maßnahmen an ihrer Genesung beteiligen, müssen ggf. operiert werden, wenn die Schmerzen anhaltend und unerträglich sind. Eine OP ist aber definitiv die schlechtere Wahl gegenüber der konservativen Therapie:
- es werden keine strukturellen Verbesserungen im Bewegungsapparat herbeigeführt und i.d.R. ist die Motivation des Patienten proaktiv für seine Genesung und Gesundheit zu sorgen ungleich geringer, wenn er eine „Lösung“ konsumieren kann, allein dies verschlechtert die Prognose deutlich
- bei der OP werden – wenn auch heute mikroinvasiv mit kleinstmöglichen Schnitten – Rückenmuskeln durchtrennt, die später zur Stabilisierung des Rückens und im Sinne des Schutzes der Bandscheiben erst einmal nicht zur Verfügung stehen. Das verschlechtert die Prognose nochmals.
In der Praxis zeigt sich, dass die Entscheidung für oder gegen eine proaktive konservative Therapie meist eine Richtungsentscheidung ist und der operative Weg meist eine lange Bandscheiben-„Karriere“ begründet, da die Destabilisierung des Rückens bei der OP und die nicht verbesserte strukturelle Situation Prädisposition für ein weiteres Bandscheibengeschehen sind, meist im Nachbarsegment. Eine Dauermedikation mit schmerzunterdrückenden Medikamenten kann auch nicht als Therapie der Wahl gelten, weil die Medikamente auf Dauer innere Organe schädigen.
In diesem Sinne ist das Hohlkreuz als Einstieg in eine „Bandscheiben-Karriere“ durchaus ein sehr ernstzunehmender Risikofaktor und sollte ohne größere Verzögerung in Angriff genommen werden, insbesondere wenn andere Risikofaktoren wie Alter, Übergewicht oder Bewegungsmangel hinzukommen. Die veränderlichen Risikofaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel sollten begleitend ebenfalls angegangen werden. In Bezug auf die Haltungen des Yoga sollte zur Entlastung und Dehnung der überspannten Rückenmuskulatur vorwärtsbeugende Bewegungen geübt werden, ursächlich muss zudem die Beweglichkeit der Hüftbeuger auf ein kein Risiko mehr darstellendes Maß verbessert werden, dazu eignen sich u.a.
Bei GEGEBENER Rückengesundheit kommen dazu:
sowie weitere Rückbeugen mit Extension im Hüftgelenk.
Im Falle eines bereits bestehenden Bandscheibenleidens dürfen b.a.w. nur Haltungen geübt werden, in denen die LWS gestreckt bleibt oder extendiert.
Gestreckte Füße – aufgestellte Füße
Frage:
Ich kenne die Hundestellung Kopf nach oben und auch andere Haltungen aus anderen Traditionen mit gestreckten Füßen, warum stellt ihr sie auf?
Antwort:
In der Tat gibt es mehrere Gründe dafür. Wir wollen die Haltungen so gestalten oder interpretieren, dass sie zu dem größtmöglichen Benefit führen. In der Frage der Füße gibt es mehrere Gründe. Zu erst muss unterschieden werden, ob die Füße Körpergewicht tragen oder nicht. Beginnen wir mit dem Fall, dass sie es tun. Dies muss für Haltungen mit Extension in den Hüftgelenken und Flexion in den Hüftgelenken getrennt diskutiert werden. Fangen wir mit ersterem am Beispiel des Hundes Kopf nach oben an. Zuerst einmal muss ich angeben, wohin die Hände den Körper schieben:
- schieben die Hände nach vorn, um den Körper nach hinten zu drücken, so entsteht bei gestreckten Füßen ein unangenehmer Zug auf der Haut und im Fußgelenk ein Beugemoment, welches es aus der Streckung herausholen will. Ich muss also mit der ohnehin krampfgefährdeten Muskulatur der Wade und Fußsohle auch noch gegen dieses Moment anarbeiten und erhöhe damit nochmals die Krampfneigung. Zudem fragt sich, welchen Nutzen der gestreckte Fuß in der Haltung haben soll: soll er an Dehnfähigkeit gewinnen, so bräuchte er mehr Körpergewicht, das auf ihn einwirkt, wie es etwa in virasana der Fall ist und besser ein Moment, welches das Fußgelenk weiter nach plantar beugt statt die Beugung zu reduzieren. Setze ich hingegen den Fuß auf die Ballen, so fallen die Krampfneigungen in Wade und Fußsohle weg, dafür erhalte ich die Möglichkeit, die Wade (und ein wenig die Muskulatur der Fußsohle) nach Kräften der Schulter und Unterarme zu dehnen. Statt ständig Krampfneigungen ausweichen und müssen und deshalb den Energieeinsatz einschränken zu müssen, erhalte ich die Möglichkeit, zwei schwächere Muskelgruppen an einer stärkeren zu kräftigen und wenn es gut läuft, diese dabei auch noch zu dehnen. In Abwägung gegen die unten beschriebene (bessere der beiden dortigen Möglichkeiten) wählen wir diese intelligente Konstruktion als die Standard-Variante des Hundes Kopf nach oben.
- schieben/ziehen die Hände nach hinten, um den Körper nach vorn zu ziehen, so erhalte ich im Falle der aufgestellten Füße Beugemomente, die die Zehen in den Grundgelenken noch weiter beugen und die Ferse nach vorn, also den Fuß aus der dorsalen Flexion herausziehen wollen. Setze ich hier aber die Fußrücken auf, erhalte ich im Gegensatz zu oben ein Moment im Fußgelenk, das das Fußgelenk weiter streckt und auch die Haut des Fußrückens wird nicht unangenehm gestaucht. Dafür fallen die für die Extension in den Hüftgelenken wirkenden Kräfte geringer aus. Dies ist eine sinnvolle Variante, die allerdings der obigen Lösung mit aufgestellten Füßen und nach hinten-Schieben des Körpers in Wirksamkeit, Nutzen und möglichen Nebenwirkungen nachsteht. Dies wird unsere umgedrehte-Füße-Variante, von der wir regelmäßig feststellen, dass sie zwar subjektiv noch intensiver geübt werden kann, aber in der LWS sehr regelmäßig als wesentlich unangenehmer empfunden wird.
- nichts von beidem: die am wohl wenigsten intelligente Lösung, also die am wenigsten Nutzen aus den Möglichkeiten holt
Nachdem die Richtung des Schiebens klar ist, müssen wir als nächstes angeben, wo die Handgelenke stehen.
- in unserer Standard-Variante Hund Kopf nach oben müssen die Handgelenke knapp hinter den Schultern stehen. Stünden sie davor, würde ein Teil der Möglichkeit intensiv zu arbeiten zunichte gemacht, weil die Schwerkraft des Körpers ihn (auch) nach hinten drückt. Zudem wäre die Hohlkreuzneigung größer. Sie nimmt mit dem Abstand zwischen Fersen und Handgelenken zu. Mit den Händen knapp hinter den Schultern ist der Winkel der Dorsalflexion in den Handgelenken größer als in der anderen Variante, was gute Dehnung bei gleichzeitigem Krafteinsatz fordert und erarbeitet.
- in der umgedrehte-Füße-Variante müssen die Handgelenke knapp vor den Schultern stehen, auch wieder mit dem Argument, dass die Schwerkraft des Oberkörpers uns keine Arbeit abnehmen soll. Zudem würde bei Händen hinter den Schultern die Arbeit der Arme in Richtung weiterer Vergrößerung der Dorsalflexion, was für viele schnell grenzwertig wird, und mit kräftigerer Arbeit würde sich eine auftretende Missempfindung intensivieren.
Ein weiteres Argument, welches für die aufgesetzten Füße spricht ist, dass dies gerade im Falle (eines oder beider) halbwegs waagerechter Oberschenkel gegenüber den gestreckten Füßen rein geometrisch die größere Hüftextension ermöglicht, da die Fersen höher sind.
Für die Haltungen mit Flexion in den Hüftgelenken gelten andere Überlegungen: In der Beinvorderseite (ventral) gibt es im Gegensatz zur Beinrückseite nicht in Unterschenkel UND Oberschenkel gleichzeitig knieüberspannende Muskulatur, die das Knie streckt. In der Beinrückseite überzieht der Unterschenkelmuskel Gastrocnemius als plantarer Flexor des Fußgelenks zusätzlich das Kniegelenk als Beuger. Daraus entsteht die Situationen in Haltungen mit gestrecktem Kniegelenk, dass eine Flexion in den Hüftgelenken eine Verminderung der Dorsalflexion im Fußgelenk zur Folge haben kann oder umgekehrt. Dazu gibt es auf der Vorderseite des Unterschenkels keine Analogie, es fehlt ein Unterschenkelmuskel, der im Fußgelenkdorsalflektiert und gleichzeitig das Kniegelenkstreckt. Also können die Haltungen mit Flexion in den Hüftgelenken ebenfalls ein dorsalflektiertesFußgelenk haben, ohne dass eine interessante oder wichtige Möglichkeit verloren ginge.
Nach Konstruktion des menschlichen Körpers ist übrigens (in Analogie zu obigen Überlegungen) die Kombination von weitgehender Flexion in den Hüften und Plantarflexion in den Fußgelenken bei nennenswerter Schwerkraftwirkung schwierig zu realisieren (das wäre z.B. ein Zehenspitzenstand in uttanasana oder eine Hundestellung Kopf nach unten auf Fußrücken oder Zehenspitzen) oder ohne nennenswerte Schwerkraftwirkung irrelevant (gestreckte Füße in halasana oder sarvangasana).
Wenn wir uns erinnern, sind wir immer noch in der Diskussion des Falls, dass die Füße nennenswertes Gewicht tragen. In dem Fall, dass dies nicht der Fall ist, können wir uns entscheiden zwischen maximaler dorsaler Flexion oder plantarer Flexion oder einer „goldenen Mitte“, da eine nennenswerte Wirkung mangels externer Kraft nicht zu erwarten ist. Im Fall der maximalen dorsalen Flexion besteht eine geringe Möglichkeit, mit den Fußhebern, die Waden zu dehnen. Angesichts deren Kraft ist aber ein Krampf in den Fußhebern ungleich wahrscheinlicher. Wählen wir die plantare Flexion, sieht es, was die Krampfneigung betrifft, nicht viel besser aus. Zu den krampfenden Waden kommt hier noch die Muskulatur der Fußsohle, die ebenfalls zum Krampfen neigt. Die Nutzwirkung auf die Fußheber ist ebenfalls denkbar gering. Also ist in dieser Frage die „goldene Mitte“ die beste Wahl, ein Fuß wie in tadasana, also wie in Neutral Null. Zudem dehnen andere Haltungen die Fußheber viel besser bei geringerer Krampfneigung.
Muss ich mich krumm oder gerade fühlen nach Korrektur?
Frage:
Oft, wenn ich korrigiert worden bin, fühle ich mich danach eher krummer als gerader. Ist das normal?
Antwort:
Ja, vermutlich! Ganz einfach: der Mensch richtet sein Empfinden von „gerade“ nach den empfundenen Muskelspannungen aus. Diese Empfindungen sind Teil dessen, was Propriozeption genannt wird, also Eigenwahrnehmung des Körpers nur durch interne Sensorik. Bei seitenungleicher Beweglichkeit oder seitenungleichen Muskelspannungen kann das eine krumme Haltung ergeben. Wenn ich den Menschen so korrigiere, dass er von außen gerade aussieht, wird er sich demnach krumm fühlen, weil er ungleiche Spannungen in seiner Muskulatur fühlt. Die bestehenden Seitendifferenzen in der Muskulatur, die dieses Verhalten bewirken sind oft habituell, also durch Haltungsgewohnheiten erworben, dazu gehören auch Schlafgewohnheiten und berufliche Anforderungen. Steht zum Beispiel der Monitor leicht nach links oder rechts versetzt, wird dies eine Seitendifferenz ausprägen. Der Hals fühlt sich dann nur in einer leichten Rotation „gerade“ an. Hebt man Dinge auf, wird man dazu neigen, dies mit dem dominanten Arm zu tun. Bei den meisten Menschen ist das der rechte, weswegen sie „Rechtshänder“ genannt werden. Der dominante Arm führt aber oft auch zu einem dominanten Bein, da das asymmetrische Aufheben eines Gegenstandes ungleich weniger Dehnungsempfindung verursacht, wenn dazu das seitengleiche Bein nach vorn gesetzt und das Becken von diesem Bein weggedreht wird. Auf diese Weise würde sich bei Menschen, die häufiger Gegenstände aufheben und sonst keinerlei asymmetrische Tätigkeiten ausüben, unweigerlich eine Seitendifferenz ausprägen mit einem dominanten Bein seitengleich zum dominanten Arm. Menschen, die viel mit dem Auto unterwegs sind und dabei und den Wagen häufiger rückwärts bewegen, etwa aus oder in Parkboxen oder -Lücken, werden dazu neigen für eine gute Sicht den Oberkörper in Richtung des freien Innenraums nach hinten zu drehen, also in Ländern mit Linkslenkern nach rechts. Im Laufe der Zeit wird ihnen die Rotation nach rechts deutlich leichter fallen als die nach links. Bauchschläfer etwa werden dazu neigen den Kopf zu einer Seite zu drehen, mit oder ohne unterstützenden Arm. In beiden Fällen wird sich die Muskulatur der HWS daran anpassen und eine Seitendiffernz ausprägen, so dass auch für diese Menschen die objektive Mittelstellung nicht die gefühlte ist. Dies nur einige Beispiele für Ätiologien von Seitendifferenzen.
Hexenschuss (Lumbago)
Frage:
Ich habe einen Hexenschuss (Lumbago). Kann mir Yoga helfen?
Antwort:
Ja. Der Hexenschuss, auch Lumbago genannt, ist ein Schmerzphänomen im Bereich der Lendenwirbelsäule, genauer der sie begleitenden Muskulatur. Es gibt eine akute Form, die hoch schmerzhaft ist und eine chronische Form, die in variabler Stärke immer wieder aufflammen kann. Die akute Form fühlt sich scharf stechend hoch schmerzhaft an, ist relativ klar lokal begrenzt mit einer gewissen longitudinalen (wirbelsäulenparallelen) Ausstrahlung und wird von Betroffenen häufig beschrieben wie ein Messer im Rücken. Kleinste Bewegungen können maximalen Schmerz auslösen, insbesondere kleine Dreh-Kipp-Bewegungen. Vermutlich handelt es sich um eine neuromuskuläre Fehlreaktion, die einen Muskel völlig verkrampft, das betrifft insbesondere kleinere Muskeln, die unter Belastung (Bewegung oder Haltung) synergistisch größeren Rückenmuskeln zur Seite stehen, wenn diese erschöpft oder überfordert sind. In der chronischen Form ist das Verhältnis zwischen Konstitution und Belastung immer mal wieder so ungünstig, dass es aufflammt. Da es sich im Gegensatz zu Lumbalgie oder Ischialgie, die durch Nervenwurzelkompression (meist aufgrund von Bandscheibenschäden) Schmerzen verursachen, um ein rein muskuläres/neuromuskuläres Phänomen handelt, kann man relativ gut mit Dehnung der betroffenen Muskeln gegen die Verkrampfung und die damit verbunden Schmerzhaftigkeit vorgehen, auch wenn dabei jeweils der Schmerz recht deutlich hervorgerufen wird.
Grundsätzlich muß bei Hexenschuß von Bettruhe und körperlicher Inaktivität abgeraten werden. Das mögliche Bewegungspensum und -bezogen auf die einzelnen Bewegungen – Bewegungsausmaß sollte immer wieder ausgeschöpft werden. Längere auf gleiche Weise innegehaltene Positionen sollten vermieden werden. Grundsätzlich sollte der Rücken beim Sitzen möglichst in physiologischer Lordose sein, ob frei sitzend oder – wenn die Kraft erschöpft ist – angeleht. Während des Sitzens sollte die LWS immer mal wieder in beide Richtungen (Flexion und Extension) bewegt werden.
Tätigkeiten wie Laufen (Jogging, Running) können den Rücken überfordern, so daß er sich danach oder auch schon dabei noch mehr verspannt. Klar indiziert hingegen sind Gehen / Walking, je kraftvoller, desto günstiger. Die wechselnden Momente in der LWS, die aus der dreidimensionalen Oszillation des Beckes infolge des Vortriebs aus den Beinen resultieren, haben eine stoffwechselfördernde und tonusregulierende Wirkung auf die regionale Muskulatur. Dabei sollte allerdings nach größeren Anstrengungen immer ein wenig Dehnungstraining in alle Richtungen ausgeführt werden, um den Muskeltonus – der in Teilen extrem überhöht ist – zu reduzieren. Es gilt: je kräftiger der Schritt, desto günstiger.
Wenn topographisch möglich, sollte strammes Bergaufgehen Teil des rehabilitativen Trainings sein. Ebenfalls sehr hilfreich ist Treppensteigetraining. Dabei sollte (siehe Beschreibung bei der Übung) je nach Schmerzhaftigkeit und Schmerzauslösung erst eine Zeit lang mit einer Stufe pro Schritt gearbeitet werden, sobald möglich aber auf eine weitere Stufe – also zwei pro Schritt – und ggf. auf drei pro Schritt bei fortgeschrittenem Abklingen des Lumbago erhöht werden. Beachte, daß a) die Bewegung nicht schwunghaft erfolgen soll, daß b) möglichst wenig Plantarflexion im Fußgelenk erfolgt und c) möglichst viel Kraft der Hüftextensoren eingesetzt wird, damit deren Kraft in entsprechende in der LWS wirksame Momente umgesetzt wird, die in der regionären Muskulatur wirken. Das Training darf gerne intensiv und schweißtreibend werden, jedoch muß danach dafür gesort werden, daß die Muskulatur nicht auskühlt, also zu trockener Kleidung gewechselt oder eine warme Dusche/Bad genommen werden. Das körperliche Ausruhen danach sollte immer wieder von Bewegung unterbrochen werden, in den Tagen nach Auftreten des Lumbago gibt es ohnehin genug Bedarf nach förderlicher Bewegung. Dies gilt umso mehr, als nicht nur die ursprünglich betroffene Muskulatur hyperton ist, sondern auch sekundär weitere Muskeln, die zwecks Schmerzvermeidung in ungewohnt intensiver Weise benutzt und angespant wurden.
Wenn man davon ausgeht, daß das Lumbago in der Regel nicht die Spinales oder Interspinales betrifft, sondern eher das zum medialen Trakt gehörige Transversospinales System und hier etwa die Mulitifidi oder Teile des lateralen Traktes wie den kaudalen Bereich des Longissimus, dann reagiert das Schmerzphänomen nicht streng auf Flexion der Wirbelsäule mit ausgeprägtem Dehnungsschmerz verkrampfter Muskulatur oder auf Extension der Wirbelsäule mit der Empfindung krampfartiger Anstrengung, sondern noch ausgeprägter auf Flexion mit einer zusätzlichen Komponente von Rotation oder Lateralflexion, was auch die Praxis in Form der Berichte von Betroffenen zeigt. Diese beschreiben das Schmerzphänomen auch nicht als besonders superfiziell sondern moderat profund. Daher ist davon auszugehen, daß andere Muskeln als der betroffene isolierter die Extension ausführen und eine zusätzliche Bewegungskomponente oder eine anderer Grad an Beugung oder Streckung der Wirbelsäule den betroffenen Muskel besser unter all seine Synergisten anspricht. Völlig abzugrenzen wird er dabei sicher nicht sein. Als hilfreich haben sich daher die oben genannten Haltungen erwiesen, darunter Haltungen, die die LWS stark flektieren, teils mit rotatorischer oder lateralflektorischer Komponente. So hoch der Nutzen der Dehnung auch ist, Kräftigung der lokalen Muskulatur in allen Bewegungskomponenten sollte beim rehabilitativen Training des Lumbago nach Möglichkeit ebenfalls stattfinden, zumal eine strukturelle Schwäche (neben Dysbalancen) häufig mitursächlich ist. Hier ist auch klassisches Krafttraining angezeigt wie Kniebeugen oder Kreuzheben. Immerhin umfassen diese Übungen komplette Muskelketten und wirken damit auch regulierend auf evtl. durch Schmerzvermeidung überlastete oder verspannten Muskeln. Es darf aber auch gerne über die bekannten Klasiker hinausgedacht werden.
Hilfreich sind:
- janu sirsasana in der Variante „parsva“
- parsvottanasana
- parivrtta trikonasana, auch dynamisches Einnehmen und Verlassen
- karnapidasana, auch Variante „Curls“, sobald ausführbar
- parsva upavista konasana
- Hüftöffnung 1 hier wird im Gegensatz zu vorgenannten Haltungen der Schmerz nicht hervorgerufen
- malasana Vorwärtsbeuge
- parsva uttanasana
- parsva karnapidasana
- LWS im Liegen extendieren
- Fersen auf den Boden drücken
- Rücken aufrollen
- In Rückenlage die LWS wechselnd belasten
Die Haltungen werden so eingenommen, dass der Schmerz jeweils bis zu einem Maß hervorgerufen wird, das gerade noch vertretbar ist. Die Schmerzwahrnehmung verhindernde oder reduzierende Medikamante (Analgetika) sind bei diesem Therapieansatz falsch am Platz, da der Schmerz gut wahrgenommen und dosiert wirken gelassen werden muss! Wird die Haltung eine Weile gehalten, ist tendenziell ein leichtes Nachlassen des Schmerzes zu verzeichnen. Die angegebenen Haltungen sind im Akutfall meist nur schwierig und eingeschränkt einzunehmen und verursachen sehr deutlich den Hexenschuss-typischen Schmerz. Ggf. muss mit Hilfsmitteln gearbeitet werden, um eine stabile, längere Ausführung zu ermöglichen, etwa mit Abstützen mit den Armen. In der Regel kann man es erreichen, innerhalb von zwei bis drei Tagen die Schmerzhaftigkeit um 95% zu reduzieren, was allerdings regelmäßiges Üben (mehrmals am Tag) und das Aushalten der dabei auftretenden deutlichen Schmerzen erfordert. Nach einigen Tagen sollte man auf jeden Fall auch wieder Hüftextensionen üben, da die Hüftbeuger sich während der ganzen Vorwärtsbeugen zusammengezogen haben dürften, was ggf. Disposition für neue Rückengeschehen ist. Nach Ablauf etwa einer halben Woche (je nach Verlauf) beginne Hundestellung Kopf nach oben wieder mit ins Programm zu nehmen, und wenn diese relativ problemlos gelingt (auch bzgl. des Befindens danach!), übe ein oder zwei Tage später auch wieder urdhva dhanurasana (Brücke). Grundsätzlich ist die Konstitution des Rückens nicht optimal bzw. einigermaßen weit von optimal entfernt, wenn eine Disposition zu Hexenschuss besteht. Regelmäßige Kräftigung des Rückens (nicht alleine der Extensionsfunktion der WS sondern aller drei Bewegungsdimensionen) bei gleichzeitigem Aufrechterhalten oder besser Ausbau der Flexibilität insbes. der LWS sind für längere Zeit geboten, insbesondere sollte in regelmäßigen Abständen mittels segmentweisem Aufrollen des Rückens in der Rückenlage die Flexibilität der LWS-Region in Richtung Kyphose überprüft und sichergestellt werden. Ein gewisses Maß an Lateralflexionsfähigkeit (Rumpfseitbeuge) darf auch nicht unterschritten werden.
Schmerzen / Spannung im unteren Rücken – ERSTE HILFE BAUKASTEN UNTERER RÜCKEN
Frage:
Ich habe akut / öfter Schmerzen / Spannung im unteren Rücken. Was kann ich tun?
Antwort:
{Aufgrund des Umfangs und der Relevanz gibt es diesen Artikel auch als PDF}
„allgemeine“ Rückenschmerzen im Bereich der LWS sind in den meisten Fällen weniger ausgeprägt als der oben beschriebene Hexenschuss, aber dafür umso verbreiteter. Zusammen mit den Beschwerden in der HWS stellen sie den ganz überwiegenden Bereich der Beschwerden im Rücken dar. Dies liegt vermutlich nicht zuletzt an der deutlich größeren Beweglichkeit der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWS/LWS) gegenüber der Brustwirbelsäule (BWS), bei der der Brustkorb mit seinen Rippen und deren Funktionalität eine geringere Flexibilität bedingt. Trotz – oder gerade wegen – der ungleich größeren Flexibilität im Sinne der Wirbelsäule selbst ist bei vielen Menschen die Spannung der Muskulatur in LWS und HWS pathologisch erhöht durch langjährige Fehlhaltung oder Fehlbelastung und die Beweglichkeit gegenüber dem physiologischen Zustand zum Teil erheblich eingeschränkt, was über die Zeit auch die niuskulären Strukturen wie vor allem die Bandscheiben beeinträchtigen kann. Ein zum Glück eher kleinerer Teil der Beschwerden der LWS ist tatsächlich die Folge degenerativer Prozesse der den Wirbelkörpern zwischengelagerten Bandscheiben und ist nicht selten mit neurologischen Ausfällen oder Schmerzausstrahlung in die Poregion oder ins Bein vergesellschaftet. Dies stellt eine Sonderform dar und bedarf der ärztlichen Abklärung durch den Orthopäden, i.d.R. mit Bildgebung per MRT.
Selbst bei grundsätzlich erhaltener Flexibilität kann es aber zu ausgeprägten Verspannungen und Befindlichkeitsstörungen oder Schmerzzuständen kommen. Dabei sind zumeist einige Bewegungen oder Haltungen schmerzhafter als andere. Wenn angenommen werden kann, dass es sich um ein rein muskuläres Geschehen handelt, kann man versuchen, diese Verspannungen wegzudehnen, das heißt, man findet die Bewegungen oder Haltungen auf, die den Schmerz verursachen und hält sie mit einer noch erträglichen Intensität, wobei man meist ein langsames Nachlassen der Missempfindung spüren kann. In nicht wenigen Fällen kann man so mit überschaubarem Aufwand die Missempfindung auf ein erträgliches Niveau senken oder aus dem Bereich der Alltagsbewegungen und -haltungen verbannen. Nicht selten ist dieser Erfolg aber nicht von Dauer, da immer wieder die gleichen Haltungen und Belastungen verursachend auf die Rückenmuskulatur einwirken. Natürlich hilft dann am besten die gleichzeitige Verbesserung der Haltungen im Alltag und Reduzierung der Belastungen in Verbindung mit Verbesserung der muskulären Situation, wozu auch Kräftigung gehört. Hier sollen einige Haltungen genannt werden, die die Befindlichkeit des Rückens zu verbessern geeignet sind, teils eher symptomatisch, teils auch ursächlich:
Erste-Hilfe-Baukasten unterer Rücken
Dies ist ein Erste-Hilfe-Baukasten, in dem sich für die meisten Fälle etwas Hilfreiches finden dürfte. Selbstverständlich ist er nicht dazu gedacht, in Fällen, da ärztliche Abklärung erforderlich ist, diese zu ersetzen. Anzeichen für diese Erfordernis sind z.B.:
- Rückenschmerzen mit Schmerzausstrahlung in ein Bein oder beide Beine
- Ausfall oder Verminderung von Funktionen innerer Organe, insbes. des kleinen Beckens (Darm, Blase, Genital) wegen Verdacht auf Cauda-equina-Syndrom
- Ausfall der Sensitivität oder Innervation eines Teiles eines oder beider Beine
- schmerzreflektorische Hohlkreuzbildung
- plötzlich auftretende massive „harte“ Einschränkung der Flexion in den Hüftgelenken
Gegen Schmerzen in der Muskulatur, die durch überhöhte Spannung/Verkrampfung/Verspannung bedingt sind:
- parsva uttanasana
- parsva upavista konasana
- parsvottanasana
- parivrtta trikonasana
- karnapidasana
- halasana gerne im Wechsel mit karnapidasana
- Schulterstand , auch die rechtwinklige Variante
- halber Lotus Vorwärtsbeuge
- janu sirsasana
- Hund Kopf nach unten
- Rücken aufrollen
wenn verkürzte Hüftbeuger mitverursachend sein können (siehe Hüftbeugerbeweglichkeitstest):
- Hüftöffnung 1
- Hund Kopf nach oben vorsichtig ausführen und mit kurzer Dauer beginnen!
- setu bandha sarvangasana
als rein entspannende Haltungen:
nachdem die Akutphase vorbei ist, häufig aber auch schon in der Akutphase, wirken rückenkräftige Haltungen oft sehr positiv, vor allem wenn sie die Muskulatur in eher mittlerer Sarkomerlänge zum Arbeiten bringen :
- Brücke
- rechtwinklige uttanasana
- Kriegerstellung 3
- Kriegerstellung 3 rückwärts gegen die Wand
- Kreuzheben
- Becken kippen üben mit Wand
- Becken kippen üben in utkatasana
- Becken kippen üben in rechtwinkligem Handstand
- salabhasana
sowie die rechtwinkligen Varianten einiger Haltungen
Partnerübungen: ich habe Angst so kräftig zu drücken
Frage:
Ich bin mir bei Partnerübungen unsicher, wie fest ich drücken darf oder kann. Der Lehrer fordert zwar oft auf, fester zu drücken, aber ich will dem Ausführenden doch nicht weh tun ..
Antwort:
Selbstverständlich wollen wir niemanden verletzen, keiner der drei Beteiligten will das, weder der Ausführende, noch der Supporter noch der Lehrer. In Partnerübungen steigern wir den Druck oder Zug langsam und einfühlsam unter genauer Beobachtung der – verbalen und nonverbalen – Äußerungen des Ausführenden inkl. der Mimik und der Atmung. Dadurch, dass wir langsam den Krafteinsatz steigern, geben wir dem Ausführenden Zeit, die Auswirkungen unseres zunehmenden Krafteinsatzes genau zu beobachten und zu reagieren. Jeder Mensch sollte genügend Selbstschutz besitzen um adäquat darauf zu reagieren. Einige Reaktionen unterliegen auch gar nicht einmal der willentlichen Kontrolle, so dass sie aus Kalkül unterdrückt werden könnten. Wenn der Ausführende STOP sagt, bedeutet dies in der Regel, dass wir den Krafteinsatz nicht weiter steigern sollen. Nur selten meint jemand damit, dass der Druck völlig weggenommen werden soll. Normalerweise ist gemeint, den Krafteinsatz auf dem aktuellen Niveau fortzuführen. Ggf. muss nachgefragt werden. In allen Fällen, egal, ob der Ausführende direkt aus der Haltung heraus will oder die Haltung normal weitergeführt und beendet wird, muss die Kraftausübung der Hilfestellung am Ende der Haltung langsam und einfühlsam auf Null zurückgefahren werden! Ein sehr schnelles oder gar ruckartiges Beenden der Hilfestellung, also zumeist des darin enthaltenen Drucks, Zugs oder der Drehung, könnte zu reflexartigem kompensatorischem Anspannen und Verspannen von Muskulatur beim Ausführenden führen!
Generell begegnen wir bei der obigen Fragestellung einem Grundphänomen menschlicher Interaktion. Unsere eigene Körpererfahrung und ein daraus erwachsenes elementares Verständnis versetzt uns in die Lage, zu ahnen, was im Körper des Ausführenden aufgrund unseres Krafteinsatzes geschehen kann, oft handelt es sich um eine Zunahme von Dehnungsempfindung bzw. des Dehnungsschmerzes. Hier mischen sich also Empathie als die Fähigkeit, bereits selbst erlebte Dinge, die in ähnlicher Weise bei einem anderen Menschen geschehen, „nachzufühlen“ und Verantwortungsbewusstsein oder Angst, für eine Schädigung oder unangemessenen Schmerz des anderen verantwortlich zu sein. Dabei sind wir, je nach innerer Disposition eher grob, unsensibel, vorschnell und neigen dazu, den anderen zu schnell oder zu viel zu fordern oder wir sind eher übervorsichtig, ängstlich, zögerlich und geben dem anderen nicht, was ihm angemessen wäre, weil wir unsere eigenen Ängste und die Furcht vor Schmerz und Verletzung auf den anderen projizieren.
Generell handelt es sich bei dem Phänomen der Projektion um eine der großen Schwierigkeiten im Feld der menschlichen Interaktion. Dabei sind Menschen auf sehr viele Weisen sehr unterschiedlich und es gibt – in diesem Falle und in vielen anderen – kaum eine reale Basis für eine eigene Einschätzung, was dem anderen gefällt oder was ihm missfällt, ihn schmerzt oder verletzt. Dies impliziert, dass Modus und Aufgabe der Hilfestellungen sein muss, auf achtsame, einfühlsame und gut beobachtende Weise mit dem Ausführenden zusammen herauszufinden, was SEINEM System entspricht, wie viel auch immer dies unseren Erwartungen oder Einschätzungen zuwiderläuft oder entspricht. Weder das Zuwiderlaufen noch die Bestätigung erlauben eine Einschätzung, wie es sich bei einem weiteren Menschen verhalten würde. Es ist immer wieder, mit jedem Menschen neu, eine offene Fragestellung, die immer wieder neu mit gleicher Achtsamkeit angegangen werden muss. Schließlich darf niemand aufgrund unserer Unachtsamkeit geschädigt werden. Es hat aber auch niemand verdient, dass wir ihm aufgrund unserer Neigung zur Projektion nicht gerecht werden. Deswegen begegnen wir den Partnerübungen ohne in unserem Kopf generierte Grenze des anzuwendenden Krafteinsatzes und geben unserem Gegenüber die Möglichkeit, seine Realität zu erkunden und uns zu zeigen.
In Drehhaltungen u.a.: Finger oder Handfläche aufsetzen?
Frage:
In der Schule, in der ich zuerst Yoga gelernt habe, setzen wir z.B. bei Drehhaltungen am Boden die Finger auf statt der ganzen Hand. Was ist denn nun richtig?
Antwort:
Wenn man Begriff richtig / falsch mal außen vorlässt und stattdessen nach der Sinnhaftigkeit im Sinne der übertragbaren Kräfte und der möglichen Nebenwirkungen fragt, stellt sich das wie folgt dar: Wenn die Finger aufgesetzt werden, müssen wir schon genauer hinschauen: sind sie gebeugt oder gestreckt und in welchem Winkel sind sie zur Richtung der Kraftausübung ausgerichtet. Wir unterteilen mal grob in 4 Orientierungen, die durch eine 90° Drehung auseinander hervorgehen. In allen Fällen gehen wir von der Benutzung des opponierenden Daumens auf etwa 90° neben dem Zeigefinger aus. Außerdem überschlagen wir die möglicherweise einwirkende Kraft grob: Wenn man von einem männlichen Praktizierenden ausgeht, der mindestens 40 bis 60 kg Bankdrücken schaffen dürfte, entspricht das wegen des etwas schlechteren Hebelarms für den Pectoralis major (die Hand ist auf dem Boden statt auf Brusthöhe) vermutlich immer noch einem deutlich zweistelligen Wert in Kilogramm. Einschränkungen an die Kraftausübung müssen ohne entsprechend vorliegende Pathologie nicht vorgegeben werden: der Praktizierende darf b.a.w. rückhaltlos alle Kraft seiner Arme zur Drehung einsetzen. Die zu dehnende Muskulatur besteht v.a. aus den schrägen Bauchmuskeln (Mm. obliqui abdomini) und Teilen der autochthonen Rückenmuskulatur, die allesamt als durchaus kräftig und belastbar gelten dürfen. Des Weiteren gehen wir noch exemplarisch von einer sitzenden Drehhaltung aus, bei der die eine Hand am Knie zieht und die relevante Hand mit den Fingern am Boden abstützt.
- die leicht gespreizten Finger zeigen im Mittel in Richtung des Kraftvektors (Richtung und Größe der einwirkenden Kraft): dann entsteht in dem Fall, dass die 4 Finger gebeugt sind, eine massive Beugeneigung in den Fingergelenken (Grundgelenk MCP, Proximalgelenk PIP, Distalgelenk DIP), gegen die die Fingerstrecker (Extensoren) anarbeiten müssen. Da aber die Fingerextensoren deutlich schwächer sind als die Fingerbeuger (Flexoren) dürften sie bei größerer Kraftaufwendung einknicken und letztlich die Nägel über den Boden schleifen. Sind die Finger gestreckt, entsteht ein starkes Gefühl, die Haut würde „unter den Fingernägeln weggezogen“. Hieraus wird kein also Erfolgsmodell.
- Drehen wir die Konstruktion zuerst um 180°, so dass die Finger bezüglich des Kraftvektors hinten liegen und der Daumen vorn ist. Hier gilt für den Daumen umso mehr, dass er schon bei leichter Krafteinwirkung einknicken wird, weil seine Kraft zur Extension der einwirkenden Kraft nicht standhalten kann. Die opponierenden Finger stehen in einem eher ungünstigen Winkel zum Boden und würden dazu neigen, über den Boden geschliffen zu werden. Auch kein Erfolgsmodell.
- Die Variante, bei der die Finger in Richtung Becken zeigen und der Daumen vom Becken weg, scheidet wegen extremer Endorotation des Oberarms im Schulter und der Gefahr der Krampfneigung in den Rotatoren aus. Außerdem geht die Last zur Ellbogenstabilisierung zu einem großen Teil auf den Trizeps über, die kräftigere Beugergruppe aus v.a. Bizeps und Brachialis ist weitgehend entlastet. Durch die starke Endorotation ist die Kraftentfaltung der vorderen Schulter (Deltoideus) nicht besonders günstig. Auch nicht sehr erfolgversprechend.
- Die letzte Variante ist tatsächlich noch die günstigste: Der Daumen zeigt i.w. in Richtung Becken und die Finger davon weg. Hier ist die Armbeugergruppe wieder gut nutzbar und kann ihre Kraft ungehindert einsetzen, auch der Deltoideus kann zusammen mit dem Pectoralis major gut seine Kraft entfalten. Gute Bedingungen also proximal. Schauen wir auf die Hand: der Unterarm muss sich gegen eine in Richtung ulnarer Abduktion wirkende Kraft im Handgelenk wehren, was ggf. noch zu leisten ist, diese eher wenig trainierte Muskulatur und ihre Sehnen aber durchaus deutlich stressen kann. Zudem sind die 4 Finger in allen Gelenken einem deutlichen Varusstress ausgesetzt, der mit dem Valgusstress des Daumens in Summe einen zweistelligen Wert in Kilogramm erreicht, abhängig von der Kraft des Übenden. Selbst, wenn die Finger mit Kraft gebeugt und zueinander gedrückt werden, stabilisiert sie das zwar gegen weitere Flexion (durch die Reibung am Boden) und gegen Extension (durch eben die beugende Kraft), der Varusstress in den Fingern lässt sich aber wegen Fehlens von Muskulatur zur Stabilisierung gegen Valgusstress und Varusstress in den distalen (DIP) und proximalen (PIP) Fingergelenken überhaupt nicht kompensieren! Weshalb auch diese Möglichkeit mit Hinblick auf die Gesundheit der Fingergelenke ausscheidet.
Da die Diskussion der möglichen Varianten aufgesetzter Finger wenig ergiebig war – in allen Fällen sind die Finger auf die eine oder andere Weise die Schwachstelle – müssen wir und Gedanken über aufgesetzte Handflächen machen. Auch hier haben wir wieder mehrere Möglichkeiten, die wiederum analog in 4 grobe Varianten gegliedert betrachtet werden sollen:
- Finger zum Becken zeigend: zeigt wie im analogen Fall schon oben diskutiert, entsteht durch eine starke Endorotation eine Krampfneigung der Endorotatoren und verschiebt die Last in Richtung Trizeps, wenig günstig
- Finger vom Becken weg zeigend: zeigt eine maximal entspannte Haltung bzgl. der Rotation, da aber die Hand quer zum Kraftvektor verläuft und dies das Handgelenk quer und nicht längs zur Achse seiner stärksten Muskulatur belastet, sollten sich bessere Möglichkeiten finden lassen
- Finger nach hinten zeigend, also entgegen dem Kraftvektor: das Handgelenk wird in Achse seiner stärksten überziehenden Muskulatur belastet. Wenn die Hand weit vorn aufgesetzt wird, ergibt sich eine unphysiologische Dorsalflexion von 90°+ im Handgelenk, weshalb die Hand eher weiter hinten aufgesetzt werden muss. Dadurch verringert sich aber die Reibung. Hier sollte sich ein Punkt finden lassen um die Hand aufzusetzen, an dem einschränkungslos und durchweg physiologisch mit allem möglichen Krafteinsatz gearbeitet werden kann. Wird der Krafteinsatz zu hoch, könnte die Reibung sich aber als nicht hinreichend erweisen
- Finger nach vorn zeigend, also in Richtung des Kraftvektors: die palmaren Flexoren des Unterarms drücken durch bewusst ausgeübten Druck oder durch ihre Beweglichkeitseinschränkung die Mittelhand auf den Boden, was die Reibung auf doppelte Weise erhöht, nämlich durch den reinen Betrag des Drucks und andererseits durch die Richtung, in der das Handgelenk kippt. Dies erinnert beispielsweise an die Konstruktion der Trommelbremse bei Fahrzeugen, bei der die Bremsbacken auch die Rotationsrichtung, also gegen die Richtung der einwirkenden Kraft angepresst werden. Je nach dem, wo die Hand auf den Boden gesetzt wird, könnte der Winkel im Handgelenk im Sinne der dorsalen Flexion grenzwertig werden, dem kann aber mit Patches unter dem Handgelenk ggf. abgeholfen werden. Außerdem führt die Kraftausübung des Arms (mit frontaler Schulter und Pectoralis) nach Konstruktion zu einer Entlastung und nicht zu einer weiteren Belastung des Handgelenks, da das Handgelenk dabei aus der weiten Dorsalflexion ein wenig gestreckt wird. Dies dürfte damit die klar überlegene Variante sein.
Ein weiterer positiver Effekt in der ermittelten optimalen Variante mit aufgesetzter Handfläche in Richtung des Kraftvektors liegt darin, dass wenn mit aller Kraft die Hand am Boden nach vorn gedrückt wird, die Beugergruppe des Ellbogengelenks (Bizeps und Brachialis) arbeitet, und dies (bei fixierter Hand) das Schulterblatt und die Schulter insgesamt in Richtung Boden zieht und damit der üblicherweise auftretenden Ausweichtendenz entgegenwirkt, den Körper nach kontralateral lateral zu flektieren (seitzubeugen), die daraus entsteht, dass dort die Armbeugergruppe mit dem kraftvollen Latissimus dorsi entsprechende Kräfte aufbringt, die die Schulter als ganzes herabziehen Lateralflexion folgt.
Neben den diskutieren Drehhaltungen gibt es noch viele andere Haltungen mit einer Hand oder beiden Händen am Boden, in denen die Fragestellung ebenfalls beantwortet werden muss, Beispiele sind etwa uttanasana mit aufgesetzten Fingern bei streckenden Armen, die Tisch-Variante der uttanasana und ardha chandrasana. Hier geht die Diskussion anders aus, da nur sehr geringe Kräfte auf die Hände oder Finger einwirken, mit der sie in der Ebene gegen die Reibung des Untergrunds geschoben werden. In ardha chandrasana etwa wird der Arm genutzt, um die im Außenfußbereich noch vor den Zehen aufgesetzten Fingerspitzen am Boden nach diagonal schräg hinten in Richtung Ferse zu drücken, das mit den beiden Vektorkomponenten
- parallel zum Fuß vom Kopf weg: die Streckung des Oberkörpers fördert und
- nach vorn (zum Gesichtsfeld): die Drehung des Oberkörpers fördert
In den gedrehten Haltungen parivrtta ardha chandrasana und parivrtta trikonasana werden die Hände nicht nach vorn in Richtung Gesichtsfeld sondern um 180 ° entgegengesetzt nach hinten geschoben, um die gegenüber den Haltungen mit seitengleicher Hand am Boden veränderte Drehrichtung des Oberkörpers zu unterstützen. Die Vektorkomponente entlang des Außenfußes bleibt selbstverständlich erhalten, um die Streckung des Oberkörpers zu fördern. Die ausgeübten Kräfte sind jedoch extrem gering im Vergleich zu den Drehhaltungen, weil jede ausgeübte Kraft, die nicht axial zum Arm läuft, eine unmittelbare Auswirkung auf das Gleichgewicht hätte, noch wichtiger ist aber, dass in diesen Haltungen mit geringstmöglichem Gewicht auf den Fingern gearbeitet werden soll, um die Balancearbeit aus dem Standbein nicht zu beeinträchtigen!
Zudem können sie bei empfindlichen oder vorgeschädigten Fingergelenken (z.B. durch Erkrankungen wie Rheuma oder anderen Arthritiden) so aufgesetzt werden, dass mit den Fingern auf der Achse des Kraftvektors kein Varusstress oder Valgusstress in den Fingergelenken auftreten, sondern Flexoren und Extensoren der Finger sämtliche Kräfte auffangen können. Im Falle der uttanasana-Varianten und vergleichbarer Haltungen empfiehlt es sich, die Finger ebenfalls entlang der Achse des Kraftvektors auszurichten und zwar so, dass die Fingerbeuger statt der Fingerstrecker die Last des Schubs oder Zugs tragen, also die Finger vom seitengleichen Fuß weg zeigend aufzusetzen. Die hier übertragenen Kräfte sind deutlich höher als in den Varianten von ardha chandrasana und trikonasana, aber immer noch geringer als in den Drehhaltungen, zumal der Hebel mit der ganzen Länge des Arms inkl. Unterarm, Handfläche und Fingern denkbar ungünstig ausfällt.
Einen weiteren Fall stellen Umkehrhaltungen in den Varianten mit aufgesetzten Fingern dar, etwa der rechtwinklige Handstand, der Handstand, der Stab, vasisthasana oder ardha vasisthasana und die Hundestellungen Kopf nach unten und Kopf nach oben. Für die Umkehrhaltungen gilt, dass jeweils in der eingenommenen Haltung keine statischen Kräfte außer denen auftreten, die die Finger beugen und überstrecken wollen, was – als klare Aufgabe der Haltung – mit Kraft der Fingerflexoren ausgeglichen werden muss. In den Hunden und im Stab werden die Finger üblicherweise etwa nach außen und der Daumen nach innen gedreht, weil insbesondere in der Hundestellung Kopf nach unten der dorsale Flexionswinkel im Handgelenk sonst unerträglich würde, wenn man die Hand entgegen dem Kraftvektor, also mit den Fingern in Richtung der Füße zeigend aufsetzen würde, was optimal wäre, um mit Kraft der Fingerbeuger die ausgeübte Kraft aufzufangen.
Davon ab, wird in diesen Varianten ohnehin weitgehend auf die Ausübung von Kraft mit der Hand in der Ebene (üblicherweise in Richtung von den Füßen weg – bis auf die Varianten mit umgedrehten Füßen) verzichtet, da der Fokus eindeutig auf der Kräftigung der Finger liegt, die stufenlos von
- moderat in der Hundestellung Kopf nach unten über
- recht intensiv in der Hundestellung Kopf nach oben
- bis sehr intensiv im Stab
dosiert werden kann. Der zu erzeugende Schub des Körpers in Richtung der Füße bleibt Thema der anderen Varianten mit Ausnahme der mit umgedrehten Füßen, wo die Richtung des Schubs die umgekehrte ist: zu den Füßen. Damit ist unter diesen Varianten ebenfalls keine, die die Gesundheit der Finger durch einen Valgusstress oder Varusstress gefährden könnte.
Eine Sonderstellung nehmen die vasisthasana und die ardha vasisthasana in den entsprechenden Varianten auf Fingerspitzen ein. Hier schieben die Finger in Richtung des Fußes und damit ist bei der üblichen Ausrichtung der Finger nach hinten, also entgegensetzt zum Gesichtsfeld tatsächlich eine gewisse Gefahr eines Varusstresses und Valgusstresses gegeben. Zudem ist nach Konstruktion der Haltung keine obere Grenze für die Kraftausübung des Arms zu postulieren, in Richtung der Füße hin zu schieben. Da aber die auf die Finger wirkende Kraft sich ein wenig am extremen Hebel relativieren dürfte und diese Varianten ohnehin Anfängern kaum zugänglich sein dürften, kann gehofft werden, dass die Ausführenden die eingesetzte Kraft in Richtung der Füße zu schieben, auf ein fingerverträgliches Maß beschränken und kräftiges Schieben der Hand in Richtung Fuß zur Kräftigung der lateralen AdduktorenPectoralis major und insbesondere Latissimus dorsi den Standard-Varianten mit aufgesetzter Hand überlassen.
Im übrigen wird in Haltungen, die denen die Hand auf dem Boden aufgesetzt ist und in eine bestimmte Richtung schieben soll, die Hand so gedreht, dass bei wenig gespreizten Fingern die Sehne des Mittelfingers auf dem Handrücken parallel zur Richtung der ausgeübten Kraft verläuft, als Beispiel dient hier Hüftöffnung 3.
Knie und Ellbogen ganz durchstrecken?
Frage:
In der Gymnastik habe ich gelernt, dass man Kniegelenk und Ellbogengelenk nicht ganz durchstrecken soll. Warum macht ihr das anders?
Antwort:
Es gibt tatsächlich einige unterschiedliche Ansichten in westlicher Gymnastik und akademischer Orthopädie auf der einen Seite und Yoga auf der anderen. Teilweise begründen sich gewisse Vorsichtsmaßregeln darin, dass einfache, auf alle Menschen anwendbare Regeln geschaffen werden sollten, die sie vor Gelenkschäden schützen sollen. Teilweise tragen sie den Alltagsbewegungen der Menschen Rechnung, teilweise den Bedingungen in Gymnastikveranstaltungen des Breitensports, die sich von einer guten Yogaklasse deutlich unterscheiden:
- je größer eine unterrichtete Gruppe ist,
- je weniger Körperbewusstsein vorausgesetzt werden kann,
- je geringer das gewohnte und aktuelle Niveau an Aufmerksamkeit ist,
- je weniger der Fokus auf präziser Ausführung liegt,
- je weniger die Ausführung der Haltung kontrolliert wird,
- je ermüdeter eine Gruppe oder deren Teilnehmer bereits sind, und nicht zuletzt,
- je geringer die Motivation der Teilnehmer, aber auch des Übungsleiters ist,
desto eher machen defensive, eher restriktive Anweisungen Sinn wie etwa: strecke die Kniegelenk nicht ganz durch, strecke die Ellbogengelenke nicht ganz durch, gehe nicht ins Hohlkreuz!
So wird nicht nur das Überstrecken (das hier diskutiert wird) sondern auch die destruktive Einwirkung von Kräften auf das Gelenk in der exakten (180°)-Streckung ohne erkennbare Überstreckung vermieden. Diese Anweisungen ermöglichen dann das Unterrichten von dutzenden Teilnehmern in Massenveranstaltungen auch ohne individuelle Kontrolle. Selbstverständlich kann man in einer Yogaklasse mit mehr oder weniger erfahreneren Teilnehmern und vor allem einem erfahrenen und engagierten Lehrer bei nicht zu großer Klassenstärke auf einem völlig anderen Niveau arbeiten, quasi unter Laborbedingungen. Was im übrigen Thema von §59 der Yogaordnung ist.
Im Falle der Kniegelenk etwa ermöglicht uns das Durchstrecken der Kniegelenk mit Arbeit des Quadrizeps das beliebig genaue Dosieren der Dehnungsempfindung, ohne dass diese plötzlich mehr werden könnte, weil das Kniegelenk unkontrolliert weiter strecken würde. Mehr noch reduzieren in Haltungen mit schmaler physikalischer Stützbasis und daher Balancecharakter die ganz durchgestreckten Kniegelenk direkt zwei Freiheitsgrade (2 Dimensionen), in denen das Standbein wackeln könnte: Beugung / Streckung und Endo- / Exorotation. Am Beispiel der Kriegerstellung 3 heißt das, dass nicht nur Beugen / Strecken zum Balancieren genutzt wird, was mit nennenswerter Veränderung der potentiellen Energie des Körpers und damit im Falle des Strecken mit Anstrengung verbunden ist, sondern vor allem mit Rotationsbewegungen des Oberschenkels im Hüftgelenk und gleichzeitig gegenläufig im Kniegelenk (Endorotation im Knie bei gleichzeitiger Exorotation des Unterschenkels oder umgekehrt). Sichtbar wird dies als Bewegung des Kniegelenk nach innen und außen gegenüber Fuß und Becken. Diese Rotation des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel im Kniegelenk steht im gestreckten Zustand des Kniegelenk überhaupt nicht zur Verfügung, im auch nur leicht gebeugten Zustand ermöglicht sie aber mit sehr geringem Kraftaufwand, das Kniegelenk bei i.w. unveränderter Position des Oberkörpers und Fußes nach innen oder außen zu bewegen und schafft damit durch Verlagerung von Masse und Veränderung der Kräfteverhältnisse die Möglichkeit zu balancieren. Dies wiederum ist eine unerwünschte Verfälschung der Haltung, in der es darum geht, mit Muskulatur der Unterschenkel das erforderliche Balancieren zu leisten. Die unerwünschte aus Endo- und Exorotation ausgeführte Balancearbeit verändert aber nicht nur die Rotation des Unterschenkels sondern auch die Pronation/Supination, über deren präzise Steuerung das Balancieren eigentlich hätte stattfinden sollen.
Im Falle des Kniegelenk kommt noch die Schlussrotation mit ins Spiel, bei der auf den letzten gut 5° vor der 180°-Streckung der Unterschenkel gegenüber dem Oberschenkel einige Grad ausgedreht und die Kondylen in eine stabilere Position gebracht werden, die in der Tat als physiologische Subluxation interpretiert werden kann, bei der die Femurkondylen in eine stabilere Position gebracht wird, wo sie nicht mehr von den Tibiakondylen abrutschen können. Diese zusätzliche Stabilität ginge ebenfalls ohne volles Strecken des Kniegelenk verloren.
Im Fall des Ellbogengelenks stellt es sich ein wenig anders dar. Wie bereits an anderer Stelle diskutiert, liegen die Ursachen für das Überstrecken der Kniegelenk unter anderem in Schwäche des Quadrizeps oder der Ischiocruralen Gruppe, die beide eine Neigung zur Überstreckung des Kniegelenk hervorrufen. Möglicherweise führt eine Schwäche der Beugergruppe des Ellbogengelenk (v.a. Bizeps und Brachialis) ebenfalls zu einer Neigung, die Ellbogen zu überstrecken, genauso wie ein verkürzter Bizeps eine exakte Streckung völlig verhindern könnte. Es muss jedoch beachtet werden, dass die Kausalkette und Argumentation eine andere ist als im Falle des Kniegelenks. Das Schwerelot und – in Analogie – die Verbindungsachse der Schultergelenke (hier wäre dann das Glenohumeralgelenk – das ist das Schulterblatt-Oberarm-Gelenk – als Analogie zum Hüftgelenk heranzuziehen) spielen hier keine Rolle. Vielmehr dürfte die Analogie zur Schwäche der Ischiocruralen Gruppe gelten, dass aus Schwäche des Bizeps eine Neigung resultiert, das Ellbogengelenk in Überstreckung mühelos ohne muskuläre Beteiligung in den niuskulären dorsalen Strukturen des Ellbogengelenks einzurasten.
Trotz einer etwaigen Neigung zu Überstrecken ist das exakte Strecken des Ellbogengelenks Modus bzw. Ziel unserer Arbeit. Möglicherweise kostet es entsprechenden Aufwand, das Körperbewusstsein zu entwickeln, das Gelenk willentlich zu kontrollieren oder es ist entsprechendes Körperbewusstsein und Ausbau von Kraft notwendig, um das Ellbogengelenk aus willentlichem Einsatz der Beugergruppe zu kontrollieren, aber diese Anstrengung ist es wert, resultiert doch schließlich daraus eine hervorragende Möglichkeit zum Schutz des Gelenks in allen denkbaren Situationen. Von den hier und dort benutzen Hilfsmitteln, die ein Überstrecken der Gelenke passiv verhindern sollen, wie etwa ein schräg unter den Unterschenkel geklemmter Klotz in trikonasana, halten wir in den meisten Fällen weniger, da diese die Problematik symptomatisch umgehen, und damit den Aufbau von notwendigem Körperbewusstseins und Kraft verhindern, siehe dazu den Paragraphen 37 der Yogaordnung.
Für diejenigen ohne Neigung zu Überstrecken gilt natürlich die obige Aussage zur exakten Dosierbarkeit der Dehnung genauso. Mehr noch, die nicht exakte (verminderte Streckung) ist eine der Dimensionen des Ausweichens in allen Haltungen mit weitgehender frontaler Abduktion und es ist absolut notwendig, ein exaktes Maß an Streckung, wenn nicht die gleich die exakte 180°-Streckung zu realisieren, nicht nur um die Dehnfähigkeit zu verbessern, sondern auch um die vorhandene Flexibilität beurteilen zu können.
Mauselöcher (hochkommende Fingergrundgelenke) – oder: Ein Beispiel für fundamentale und Scheinlösungen
Frage:
Ich habe woanders gelernt, die in der Hundestellung Kopf nach unten hochkommenden Fingergrundgelenke der Innenhand, die Ihr Mauselöcher nennt, dadurch zu beseitigen, dass ich die Hände zueinander schiebe. Ist das falsch?
Antwort:
Wiederum möchte ich die Begriffe falsch und richtig vermeiden und die Methoden vergleichen, natürlich nicht ohne die Ursachen für die Entstehung der Mauselöcher zu diskutieren und nach einer bestmöglichen ursächlichen Lösung zu suchen. Mit Mauselöchern bezeichnen wir die sich vom Boden lösenden Grundgelenke der Innenhand, insbesondere von Zeigefinger und Mittelfinger. Diese nehmen in Haltungen wie Hundestellung Kopf nach unten, Hundestellung Kopf nach oben, Stabstellung, rechtwinkligem Handstand und Handstand, vasisthasana und anderen einen Winkel von teils deutlich kleiner als 180° an und widersetzen sich dabei oft sehr hartnäckig der Bestrebung der Übenden, sie herunterzudrücken. Der rechtwinklige Handstand gilt vielen dabei als die große Herausforderung. Diese Neigung nimmt mit dem Grad Dorsalflexion und mit Maß der Pronation des Unterarms zu. Für die Beseitigung der Mauselöcher bräuchte es ein Mehr an Kraft zur Palmarflexion, also dem Herunterdrücken der Mittelhand als Ganzes wie auch ein Mehr an Kraft zur Pronation, um insbes. den Bereich der Innenhand herabzudrücken.
Mal abgesehen davon, dass sich verschiedene Traditionen, wenn die in ihnen Ausgebildeten zu uns in den Unterricht kommen, dieser Fragestellung gar nicht gewidmet zu haben scheinen, wird in einigen Schulen gelehrt, die Mauselöcher dadurch zu verkleinern, dass die Hände zueinander hin geschoben werden. Diese transversale Adduktion in 180° >frontaler Abduktion im Schulter wird hauptsächlich aus dem Pectoralis major ausgeführt und dem pars clavicularis des Deltoideus. Beide Muskeln sind hier nicht nach ihrer minimalen Sarkomerlänge (also fast maximal kontrahiert). im Falle des Pectoralis major wäre dazu noch ein Stück weit frontale Adduktion nötig.
Auf jeden Fall kann geschlossen werden, dass sie nicht mit voller Kraft wirken und in vielen Fällen nicht mehr weit entfernt von oder sogar sehr nahe einer Krampfneigung sind, was die Methode vielleicht nicht für jeden anwendbar macht. Das Zueinanderschieben der Hände bewirkt über die Reibung der Hand am Boden tatsächlich ein (allerdings eher kleines) Kippmoment der Handfläche in die gewünschte Richtung bzw. Drehmoment des Unterarms in Richtung Pronation, welches tatsächlich die Innenhand ein wenig herunterdrückt, jedoch ist dieser Effekt nicht sehr ausgeprägt. Unterstützend kann die endorotatorische Wirkung des Pectoralis major ins Feld geführt werden, die jedoch der gewünschten Exorotation des Arms zuwider läuft und von der entsprechenden Muskulatur aufgewogen werden muss, so dass von der Wirkung auf das Herabdrücken der Innenhand nicht viel dieses Effekts übrig bleiben dürfte.
In Bezug auf die Ursache der Mauselöcher hat diese Lösung aber nichts zu bieten, sie setzt weder die palmaren Flexoren noch die Pronatoren mehr ein. Eine ursächliche Lösung müsste aber genau hier und nur hier ansetzen. Allein, der Aufbau der notwendigen Kraft und ein evtl. nötiger Zugewinn an Flexibilität sind ein möglicherweise etwas länger angelegtes Projekt. Zu den zu entwickelnden Pronatoren und palmaren Flexoren, die ein direktes Herunterdrücken der inneren Grundgelenkbereiche bewirken, müssen in manchen Fällen auch noch die Fingerbeuger gedehnt werden, damit die Beugung der Finger dem Herunterdrücken der Grundgelenke keinen zusätzlichen Widerstand entgegensetzt. Außerdem läuft die Exorotation des Oberarms der Pronation des Unterarms je mehr zuwider, je eingeschränkter letztere möglich ist, so dass der Pronationsfähigkeit als Flexibilitätsanforderung ebenfalls Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.
Wenn man über die Hundestellung Kopf nach unten hinaus schaut, wird das Bild noch viel klarer: in beispielsweise der Hundestellung Kopf nach oben und erst recht dem rechtwinkligen Handstand ist die Neigung zu Mauselöchern noch deutlich größer. Außerdem treten im Bereich von etwa 90° Dorsalflexion im Handgelenk auch unter den leicht unterschiedlichen Rotationsbedingungen der beiden genannten Haltungen häufig Kompressionsschmerzen im dorsalen Handgelenk auf, gegen die außer der reinen Winkelverkleinerung Dorsalflexion kein Kraut außer dem genannten Krafteinsatz der Palmarflexoren zusammen mit den Pronatoren unter der Bedingung hinreichend beweglicher Fingerbeuger gewachsen ist. Man bedenke, dass gerade in dem rechtwinkligen Handstand das ganze Körpergewicht in den beiden Handgelenken wirkt und unserer Maxime gemäß, dass die Muskeln die Kräfte in einem Gelenk halten sollen und nicht die nicht-muskulären Strukturen, die dabei geschädigt werden könnten, ist die zweite Methode, die Kraft von Palmarflexoren und Pronatoren zu entwickeln, ein Muss.
Noch ein gravierendes Argument spricht für die Überlegenheit diese Methode: sie ist unabhängig von der Anzahl auf den Boden drückender Hände und deren räumlicher Anordnung! Die erstgenannte Methode, die Pectoralis major einzusetzen, muss nämlich scheitern, sobald nur eine Hand am Boden ist oder die Hände nicht mehr in der Größenordnung von schulterbreit stehen und vielleicht auch noch etwa parallel ausgerichtet sind; in der vasisthasana oder ardha vasisthasana etwa ist diese Methode nicht anwendbar. Wohl aber stehen hier die palmaren Flexoren und die Pronatoren zur Verfügung um die Mauselöcher zu verkleinern, und mit ihnen den Stress im dorsalen Handgelenk! Und das auch noch, ohne auf den Winkel zwischen den Armen und dem Oberkörper destabilisierenden Einfluss zu nehmen. Und dann hätte man gut daran getan, diese Technik und Kraft in einfacheren Haltungen, wie der Hundestellung Kopf nach unten oder Hundestellung Kopf nach oben zu üben.
Noch ein weiteres Argument spricht für diese Technik: die palmaren Flexoren und ihre Kraft sind auch mit anderen Aufgaben und in einigen Übergängen gefragt, Beispiele sind etwa der Übergang von der Hundestellung Kopf nach unten zum Hund Kopf nach oben und zurück, bei dem ein Teil des Schubs zurück in den Hund Kopf nach unten aus den palmaren Flexoren kommen soll, genauso wie die palmaren Flexoren daran arbeiten sollen, dass nicht im gegenteiligen Übergang durch ein übermäßiges Ausweichen der Schultern nach vorn das Becken haltlos in die Hundestellung Kopf nach oben hineinfällt und die LWS dabei Stress ausgesetzt wird.
Auch in statischen Haltungen wie den Hunden sind die Palmarflexoren nicht nur an der Beseitigung der Mauselöcher beteiligt sondern sorgen anteilig auch für die aus der Winkelverkleinerung (der Dorsalflexion) des Handgelenks resultierende Bewegung des Oberkörpers nach hinten, was angefangen von einer leichten Dehnungswirkung im Trizeps surae über die Förderung der frontalen Abduktion im Hund Kopf nach unten bis hin zum Aufbau von Druck (zusammen mit Deltoideus und Muskulatur des oberen Rückens) der Fersen auf die Wand im rechtwinkligen Handstand und damit der Möglichkeit, überhaupt in der Haltung zu verbleiben, sinnvoll und wichtig ist.
In Analogie gedacht entspräche der Einsatz des Pectoralis major als Adduktor der Arme zur Reduktion der Mauselöcher der Adduktion der Beine in den Hüftgelenken aus Kraft der Adduktoren, um die Innenfüße hinreichend am Boden zu halten. Ich kenne niemanden, der nicht einen größeren Wert darin sähe, mit der Wadenmuskulatur die Fußgelenke kontrollieren zu lernen, gerade mit Hinblick auf Balancehaltungen auf einem Bein! Auch hier würde übrigens die Krampfneigung der nahe dem Maximum der konzentrischen Kontraktion arbeitenden Adduktoren die Methode für viele ad absurdum führen.
Noch einen Schritt weiter gedacht auf das System Arm bezogen, bedeutet das Zueinanderschieben der Hände aus Kraft der Pectoralis major eine Reduzierung der Überstreckneigung der Ellbogengelenke, was an sich überaus wünschenswert ist. Leider erfolgt dies aber nicht aus erlernter Kontrolle der Gelenke, die hier die Armbeuger ausüben müssen, noch dient es dieser oder der Entwicklung der Kraft und Bewusstheit der bezüglichen Muskeln, im Gegenteil hilft es, genau diese Gelegenheiten zu übersehen um entsprechende Methoden und Kräfte zu entwickeln.
Und falls jetzt jemand ins Feld führt, den Pectoralis major und Deltoideus pars clavicularis unbedingt auf die beschriebene Weise im Hund Kopf nach unten kräftigen zu wollen: die upavista konasana mit Klotz bietet dazu die ungleich spannendere Möglichkeit.
LWS-Buckel in Vorwärtsbeugen
Frage:
es ist aufgefallen, dass ich in Vorwärtsbeugen einen ziemlichen Buckel in der Lendenwirbelsäule (LWS) habe. Woher kommt der, ist der schlimm und kann ich den loswerden?
Antwort:
der „Buckel“ in der LWS bezeichnet eine in Vorwärtsbeugen sichtbar werdende deutliche (von hinten gesehen) konvexe Wölbung der LWS, die über eine gleichmäßige schwerkraftgemäße Krümmung signifikant hinausgeht. Die Entstehung eines solchen Buckels ist oft folgende: Bei deutlich beweglichkeitseingeschränkter Ischiocruraler Gruppe werden Vorwärtsbeugen so geübt, dass die beinrückseitige Muskulatur nicht zu viel Dehnungsempfindung meldet. Den vorliegenden Beweglichkeitseinschränkungen der Beinrückseite gemäß wird dann das Kreuzbein noch mehr oder weniger deutlich nach vorn-oben zeigen. Statt das Becken mit Kraft der Hüftbeuger bis an die Grenze der Erträglichkeit in den Beinrückseiten zu kippen, damit die Beinrückseiten im Laufe der Zeit beweglicher werden, werden diese geschont und der Rücken muss schwerkraftgemäß krümmen, da das durchaus nennenswerte Teilkörpergewicht aus Oberkörper, Kopf und Armen nach unten zieht. Der Ort, an dem diese Kräfte den Rücken am meisten krümmen, ist natürlich die LWS, woraus sich ihre im Laufe der Zeit immer weiter vergrößerte Fähigkeit ergibt, kyphotisch zu krümmen. Notwendig ist hier zuallererst einmal Haltungsbewusstheit, um in den Vorwärtsbeugen mit Hilfe der Hüftbeuger die Hüftgelenke maximal in die Flexion zu kippen und damit das Becken nach vorn – was bedeutet, intensive Dehnungsempfindung hervorzurufen. Weiter sollte bei bereits bestehendem „LWS-Buckel“ diese Fähigkeit nicht weiter ausgeprägt werden. Hilfreich ist dann, die Vorwärtsbeugen abgestützt auszuführen, z.B. mit einem Klotz unter den Fingerspitzen in uttanasana oder gleich die Varianten zu wählen, bei denen die Hüftvorwärtsbeuge mit einer Wirbelsäulenstreckung oder sogar -rückbeuge kombiniert werden. Dazu gehören etwa:
- Tisch-Variante der uttanasana
- dvi pada-Variante des Handstands
- upavista konasana mit Klotz
- prasarita padottanasana mit aufgesetzten Händen
- Kriegerstellung 3 rückwärts gegen die Wand
Gleichzeitig ist zu prüfen, ob die LWS im geraden aufrechten Stehen wie z.B. in tadasana ihre physiologische Lordose einnimmt oder steilgestellt oder sogar kyphotisch bleibt. Dann sollten häufiger Rückbeugen geübt werden, um über den Zug der Hüftbeuger die LWS in Richtung Lordose zu ziehen, um ihr die Fähigkeit zur Lordosierung wieder zu verleihen, beispielsweise:
Zudem setzen Rückbeugen den Tonus der Muskulatur der LWS hoch, was der Kyphosierung entgegenwirkt. Sinnvoll ist dann auch, die Kraft der autochthonen Rückenmuskulatur generell und insbesondere im Bereich der LWS zu stärken. Dazu eignen sich z.B.
- rechtwinklige uttanasana
- Tisch-Variante der uttanasana
- utkatasana
- Kriegerstellung 3
- salabhasana
- Kreuzheben
- rechtwinkliger Schulterstand
- rechtwinkliger Kopfstand
- Kopfstand: gebeugte Beine senken und heben
- dvi-pada-Variante des Handstands
Falls zu wenig Haltungsbewusstheit vorhanden ist, um sowohl in Alltagsbewegungen mit Bücken wie in Yogahaltungen das Becken ohne deutliche Kyphosierung der LWS nach vorn zu kippen, muss diese Fähigkeit gezielt geschult werden, indem die beiden möglichen Beckenbewegungen (Verminderung und Vermehrung der Flexion in den Hüftgelenken) in verschiedenen Winkeln der Flexion geübt werden beginnend mit tadasana oder Neutral Null über jeweils weitere 20° vermehrte Flexionbis zur uttanasana. Ein physiotherapeutisches Tape im Bereich der LWS zur Steigerung des Haltungsbewusstseins kann ebenfalls hilfreich sein, da dieses spürbar macht, wenn Vorwärtsbeugen aus der LWS statt aus der Flexion in den Hüftgelenken unternommen werden oder Lasten aus der Muskulatur der LWS statt aus den Hüftextensoren und Oberschenkelmuskeln beim Strecken der Kniegelenk gehoben werden
Ich habe einen Buckel! Wie werde ich den los?
Frage:
ich habe einen Buckel im mittleren/oberen Rücken. Das sieht nicht schön aus und ich neige zu Stress im Rücken und Nacken. Was kann ich tun um die Situation zu verbessern und vielleicht sogar den Buckel loszuwerden?
Antwort:
Der beschriebene „Buckel“ ist wohl eine Hyperkyphosierung der BWS. Ein gewisses Maß an Kyphosierung (nach hinten konvexe Wölbung) der Brustwirbelsäule ist nicht nur statistisch sondern auch physiologisch normal und erwünscht. Als unsere Vorgänger in der Evolution sich an den aufrechten Gang gewöhnten, passte sich ihre Wirbelsäule an den aufrechten Gang und die völlig veränderte Statik und Kinetik an: aus einer ursprünglichen (und damals optimalen) C-förmigen, also totalkonvexen Wirbelsäule wurde schließlich eine doppel-S-förmige Wirbelsäule mit einer Lordose (von hinten gesehen konkav) in der LWS und der HWS und einer Kyphose in der dazwischenliegenden BWS. Das ermöglicht einerseits eine optimale Stoßabsorption der im aufrechten Gang aufgrund des wesentlich größeren Teilkörpergewichts und der veränderten Hebelverhältnisse ungleich höheren kinetischen Last, was für unser Gehirn aber auch für die Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern sehr wichtig war, andererseits bleibt in der BWS-Kyphose immer noch genügend Platz für die Lunge und das Herz sich ihrer Aufgabe und Funktionsweise entsprechend auszudehnen und wieder zusammenzuziehen.
Nun kann sich die BWS-Kyphose aus verschiedenen Gründen vergrößern. Dazu zählen einerseits pathologische Geschehen, die mit Veränderungen der Bandscheiben oder der Wirbelkörper selbst einhergehen, so dass sich z.B. sogenannte Keilwirbel bilden, die vorn (ventral) flacher sind als hinten (dorsal) wie etwa bei Morbus Bechterew und Morbus Scheuermann oder die qualitativ-degenerative Veränderung der Knochen und Wirbel bei Osteoporose. Es kann aber auch einfach die Folge langanhaltender Fehlhaltung sein. Nicht selten ist die BWS-Hyperkyphose auch eine Kompensation einer bereits vorher entwickelten LWS-Hyperlordose (siehe entsprechenden Artikel). Wie auch immer, es sollte abgeklärt werden, dass die Wirbelsäule abgesehen von der Hyperkyphose nicht pathologisch verändert ist, damit bedenkenlos Übungen dagegen ausgeführt werden können. Je nachdem, ob eine LWS-Hyperlordose besteht, muss auch dagegen etwas unternommen werden (siehe dort). Das Verfahren, mit dem eine BWS-Hyperkyphose selbst angegangen wird, besteht aus drei wichtigen Komponenten:
- Schulung des Haltungsbewusstseins und unterstützende Maßnahmen im Alltag inkl. Optimierung des Arbeitsalltags
- Förderung der Extensionsfähigkeit der (Brust-)Wirbelsäule
- Förderung der Kraftausdauer der autochthonen Rückenmuskulatur
die Schulung des Haltungsbewusstseins und das kontinuierliche Bemühen um gute Haltung sowie die Unterstützung einer guten Haltung sind sicher oft vernachlässigte Faktoren, dennoch kann dieses allein leicht an den vorhandenen Möglichkeiten scheitern, weshalb auch die anderen beiden Faktoren eminent wichtig sind: fehlt die Fähigkeit der BWS aufzurichten, ginge alle Kraft oder Kraftausdauer an den Widerständen zugrunde und außer Anstrengung und Aufgabe des Bemühens stünde am Ende nichts. Ist auf der anderen Seite die BWS halbwegs in der Lage aufzurichten, fehlt aber die Kraftausdauer, dies über Stunden des ruhigen Sitzens zu tun, wird sich schnell Überanstrengung und Verspannung in der Muskulatur einstellen.
Zur Förderung der Extensionsfähigkeit der BWS werden vor allem Rückbeugen des Oberkörpers geübt wie
- Hund Kopf nach oben
- ustrasana
- urdhva dhanurasana (Brücke)
- setu bandha sarvangasana
- bhujangasana (Kobra)
- Liegen auf Rolle
aber auch „Schulteröffnungen“, die am langen Hebel der Arme die BWS in Richtung Extension aufrichten, wie etwa
Zur Förderung der Kraft und Kraftausdauer der autochthonen Rückenmuskulatur eignen sich u.a.:
- Tisch-Variante der uttanasana
- uttanasana Variante rechtwinklig
- Kriegerstellung 3
- Kriegerstellung 3 rückwärts gegen die Wand
- salabhasana
- Kreuzheben
- rechtwinkliger Schulterstand
- rechtwinkliger Kopfstand
- Kopfstand: gebeugte Beine senken und heben
- dvi-pada-Variante des Handstands
- urdhva dhanurasana (Brücke)
- upavista konasana mit Klotz
- Frontheben
Muskelkater
Frage:
Ich bekomme vom Üben häufig ausgeprägten Muskelkater. Was ist das eigentlich genau? Ist das schlimm und wie gehe ich damit um?
Antwort:
Die Muskeln des Bewegungsapparates bestehen i.d.R. aus einem oder mehreren Köpfen, beispielsweise hat der Bizeps des Arms zwei und der Trizeps drei Köpfe, was ihnen die Namen gab. Die Köpfe bestehen aus Muskelfaserbündeln, diese wiederum aus einzelnen Muskelfasern, das sind tatsächlich bis zu gut 15 cm lange Zellen. Diese wiederum enthalten im Falle der quergestreiften Muskulatur des Bewegungsapparates oft viele tausend Abschnitte, Sarkomere genannt, die durch die sogenannten Z-Scheiben getrennt sind. An den Z-Scheiben hängen zu beiden Längsrichtungen des Muskels Aktin-Filamente, in die Myosin-Filamente hineingreifen, die wiederum an einer mittig in jedem Filament angeordneten M-Scheibe befestigt sind. Die eigentliche Muskelarbeit im Sinne der konzentrischen Kontraktion, also des Sichzusammenziehens des Muskels, besteht darin, dass die beiden Köpfe des Myosin sich an den Aktinfilamenten entlanghangeln. Je weiter, desto mehr kontrahiert der Muskel. Das geschieht mit allen Myosinfilamenten in allen Sarkomeren einer Muskelzelle und in vielen Muskelzellen gleichzeitig. Bei der konzentrischen Kontraktion (dem aktiven Zusammenziehen des Muskels) befindet sich immer nur ein Myosinkopf am Aktinfilament, bei der exzentrischen Kontraktion, also der Gegenbewegung unter Last, befinden sich beide Myosinköpfe am Aktinfilament, weshalb exzentrisch ca. 40% mehr Kraft zur Verfügung steht. Die Muskelkontraktion ist also grob geometrisch gesehen nichts anderes als eine (durch das weitere Ineinandergreifen des Myosins ins Aktin verursachte) Annäherung der Z-Scheiben, wobei sich der Muskel in der Länge zusammenzieht und entsprechend, damit sein Gesamtvolumen gleich bleibt, im Querschnitt verdickt.
Unter großer Last können, wenn der Zug des Myosins am Aktin zu groß wird, die Z-Scheiben Schäden nehmen, sie bekommen dann Einrisse. Diese kleinsten Schäden treten oft bei der exzentrischen Bewegung auf, insbesondere dann, wenn unter großem Krafteinsatz (mehr als konzentrisch zu leisten wäre) Bewegungen abgestoppt werden. Diese Einrisse versucht der Körper natürlich zu reparieren, das verursacht ein Entzündungsgeschehen. Da in der Muskelzelle kein Schmerzrezeptor vorhanden ist, bleibt dieser Prozess solange schmerzfrei, bis die ersten an der Entzündung beteiligten Stoffe aus der Muskelzelle austreten und auf Schmerzrezeptoren treffen. Das dauert meist etwa 12 – 24 Stunden. Normalerweise heilt ein Muskelkater in wenigen Tagen aus ohne dass irgendwelche Folgeschäden eintreten, man spricht dann auch von einer restitutio ad integrum, einer Wiederherstellung zur Gänze, also zur ursprünglichen Ganzheit. Wäre diese nicht möglich, hieße das Gegenteil „Defektheilung“; dabei würde i.d.R. Funktionsgewebe durch funktionsloses Bindegewebe ersetzt.
Grundsätzlich ist es natürlich eine gute Idee, den Muskel während des Muskelkaters nicht wieder hart zu fordern, damit einerseits die vorhandenen Schäden ungestört abheilen können und andererseits nicht direkt erneuter Reparaturbedarf hinzukommt. Diese Forderung steht möglicherweise ein wenig in Widerspruch zur gewünschten Trainingseffizienz und -effektivität: wird ein Muskel deutlich gefordert, bricht seine Leistungsfähigkeit dabei natürlich ein, er ermüdet. Nach Ende der Anforderung beginnt er sich zu erholen und hat irgendwann (normalerweise nicht mehr binnen des gleichen Tages) wieder seine ursprüngliche Leistungsfähigkeit erreicht. Anfänger mit leichterem Training können eventuell schon am nächsten, spätestens übernächsten Tag die gleiche Art Anforderung trainieren, Profis mit sehr hartem Training erst nach mindestens 2-3 Tagen, evtl. auch etwas länger. Hat nach Abschluss der Erholungsphase der Muskel seine vor dem Training vorhandene Leistungsfähigkeit wieder erreicht, wächst er in der Leistungsfähigkeit ein wenig über das ursprüngliche Niveau hinaus, man spricht hier von Superkompensation. Er versucht sich also ein wenig gegen die Art der Anforderung bzw. die Überforderung zu wappnen. Die Superkompensationsphase beginnt unmittelbar nach vollständiger Erholung, das Leistungsniveau steigt langsam um einen kleinen Betrag bis zu einer maximalen Steigerung an, um danach wieder abzufallen und schließlich auf das ursprüngliche Leistungsniveau zu sinken.
Nun würde man sich natürlich wünschen, das nächste Training direkt in das Maximum der Superkompensation hinein zu platzieren, um diesen Effekt auf einem leicht erhöhten Niveau wieder auszubeuten. Und wieder und wieder. Allerdings steigt die Zunahme der Leistungsfähigkeit nicht endlos proportional an sondern gehorcht vermutlich eher einer logarithmischen Kurve, so dass der erzielbare Zuwachs nach hinten raus immer weiter abnimmt bzw. für den gleichen Zuwachs überproportional mehr Einsatz gebracht werden muss.
Für ein optimales Training müssen also die Verlaufskurve des Muskelkaters und die der Superkompensation beachtet werden, wobei beide schwer allgemein vorausgesagt oder berechnet werden können. Sie sind sehr individuell und von Art und Härte des Trainings abhängig. Auch wenn Sportwissenschaftler behaupten, Muskelkater beeinträchtige nicht die tatsächliche Leistungsfähigkeit sondern nur das subjektive Empfinden während der (nicht allzu übertriebenen) Leistungsentfaltung, scheint es doch klug, die Z-Scheiben weitgehend ungehindert abheilen zu lassen, auf die Gefahr hin, dass dadurch zu Beginn einer neu begonnen Disziplin die Phase der Superkompensation eher gegen Ende und damit nicht auf ihrem Maximum erwischt wird. Da die Neigung durch die gleiche Art Anforderung erneut Muskelkater zu bekommen mit jedem gleichartigen Training ein wenig abnimmt, wird die Abwägung zunehmend einfacher bzw. der Verlust von Trainingszeit durch die Muskelkater-bedingte freiwillige Pause zunehmend geringer.
Allgemein scheinen Wärme und sanfte Massagen durch die durchblutungsfördernde Wirkung dem Abheilen des Muskelkaters entgegenzukommen, wohingegen harte Massagen die Muskulatur mechanisch zu stark irritieren und die Abheilung verzögern würde. Sowohl im Vorfeld einer starken körperlichen Anforderung bzw. eines Trainings als auch danach sind höhere orale Eiweißgaben hilfreich, vor allem, wenn sie deutliche Mengen an BCAA (verzweigtkettige Aminosäuren) enthalten.
Im übrigen: auch wenn der „Kater“ der natürliche Feind des Muskels in seinem etymologischen Sinne als lat. „Mäuschen“ scheint, ist „Kater“ in Wirklichkeit eine völkische Verballhornung des griechischen „katarrh“, was eigentlich „herunterfließen“ heißt, also den Effekt meint, der bei einer Entzündung der Schleimhäute von Nase und Rachen auftritt.
„Tiefenmuskulatur“
Frage:
Trainiert Yoga die „Tiefenmuskulatur“ genauso gut wie Methode XY?
Antwort:
Ja sicher, weil es keine Tiefenmuskulatur gibt! Diverse Anbieter von Bewegungsangeboten werben damit, dass ihre Methode besonders gut die „Tiefenmuskulatur“ trainiere. Es scheint, dass hier Anbieter, die bestenfalls anatomisches Halbwissen besitzen, mit Laien, die noch viel weniger Kenntnis besitzen, leichtes Spiel haben, indem sie gut klingende Dinge erfinden und in Aussicht stellen, die schlicht nicht existieren. Die wohl einzige Möglichkeit die Begriffe „tief“ und „Muskulatur“ in unserem Bewegungsapparat zusammenzubringen ist die Tatsache, dass einige Muskeln oberflächlicher liegen, also bei trainierten Menschen mit nicht allzu viel Körperfett auch zu sehen sind, und andere Muskeln näher an den Knochen (im Falle der Extremitäten) bzw. den inneren Organen (im Falle des Rumpfes) liegen. Der Anatom spricht von profunderen (tieferliegenden) und superfizielleren (oberflächlicheren) Muskeln. So liegt z.B. der m. transversus abdominis (der die Bauchpresse verursachende Muskel) profunder (also näher an den Organen des Bauchraums) als die anderen Bauchmuskeln Rectus abdominis (der lange, wirbelsäulenparallel verlaufende Bauchmuskel, der die Wirbelsäule beugt) und die beiden Mm. obliqui abdomini (interni und externi: die schrägen Bauchmuskeln, die vor allem Rumpfseitbeuge und Drehung der Wirbelsäule mitverursachen). Es gibt etliche andere Beispiele, bei denen ein Muskel über – also superfizieller (oberflächlicher) – als ein anderer liegt. Das nächste Beispiel ist nicht besonders weit: der Pectoralis minor liegt profunder als der Pectoralis major, jedoch unterscheiden sich auch diese in der Funktion, da der erstere zwischen Rippen und Schulterblatt liegt und das Schulterblatt deprimiert, wohingegen der zweite vor allem (aber nicht nur) von Brustbein und Clavicula zum Oberarm zieht. Selbstverständlich gibt es gerade im muskulär recht komplexen Rücken etliche weitere Beispiele. Ein und derselbe Muskel besitzt jedoch keine „tiefe“ Schicht; somit könnte man behaupten, dass jeder, der damit wirbt, mit seiner Methode besonders gut die „Tiefenmuskulatur“ anzusprechen, statt einen Vorzug zu bieten nur eine Aussage über seine Seriosität und seine anatomischen Kenntnisse trifft.
Warum soll ich in Stehhaltungen die Zehen nicht benutzen?
Frage:
Ich bekomme immer wieder gesagt, ich solle in Stehhaltungen die Zehen nicht benutzen. Warum ist das so wichtig?
Antwort:
Hintergrund ist die Anatomie: die Muskulatur, die die Zehen bewegt, ist ungleich schwächer aber auch etwas feinmotorischer als der Großteil der Muskulatur, die den ganzen Fuß im Fußgelenk bewegt. Genau genommen sind es übrigens drei „Fußgelenke“:
- das OSG (oberes Sprunggelenk), Articulatio talocruralis zwischen der Malleolengabel aus Schienbein/Wadenbein und dem Talus (Sprungbein)
- das vordere USG (unteres Sprunggelenk), Articulatio talocalcaneonavicularis, ventrales Gelenk zwischen Talus einerseits und Kalkaneus und Kahnbein andererseits
- das hintere USG (unteres Sprunggelenk), Articulatio subtalaris, dorsales Gelenk zwischen Talus einerseits und Kalkaneus andererseits
was aber für diese Betrachtung nachrangig ist. Der typische Grund dafür insbesondere in Haltungen mit Balancecharakter die Zehen zu benutzen wäre mangelnde Standsicherheit. Wenn der Übende feststellt, dass er aus Kraft der Muskulatur, die in den Sprunggelenken bewegt, nicht gut balancieren kann, nimmt er die feinmotorischeren Zehen hinzu. Leider ist die Kraft bzw. Kraftausdauer der Muskulatur, die die Zehen bewegt, jedoch recht begrenzt, so dass sich deren Kompetenz zur Unterstützung auf einen sehr kurzen Zeitbereich beschränkt, weit kürzer als die Haltung gehalten werden sollte. Geben die Zehen bzw. deren Muskulatur nun auf, geschieht das erstens nicht völlig stetig sondern auf eine eher unkontrollierte und unruhige Weise. Zweitens ist durch die Unterstützung der Zehen, die ja in einer Plantarflexion (Beugung) in den Zehengelenken bestand, der Bereich der Fußballen nicht mehr in so gleichmäßiger Auflage auf dem Boden wie vor Benutzung der Zehen, so dass die Situation jetzt doppelt schwierig ist:
erstens erfolgt die Umschaltung von der feinmotorischeren Muskulatur der Zehen wieder zurück auf die Muskulatur, die in den Sprunggelenken bewegt, zweitens liegt deren Hauptangriffspunkt auf den Boden nämlich die Fußballen, nicht mehr gleichmäßig auf dem Boden, sondern meist hat sich durch die Benutzung der Zehen eine transversale Wölbung des Ballenbereichs ergeben, so dass auch das rückgebaut werden muss. Klüger erscheint es daher, von Beginn an nur mit der Muskulatur zu arbeiten, die den ganzen Fuß in den Sprunggelenken bewegt und die Zehen ruhig zu lassen. Das bedeutet, sie nicht auf den Boden zu drücken, aber auch nicht anzuheben, da auch das zur vorübergehenden Verformung des Ballenbereichs führen würde.
Jetzt drängt sich natürlich die Frage auf, warum für die obere Extremität also die Hand, nicht die gleiche Maxime gilt wie in der unteren – nämlich die Finger nicht auf den Boden zu drücken. Nun, nehmen wir die Hundestellung Kopf nach unten als eine Haltung ohne jeden Balancecharakter, ist die Frage, welche Muskulatur in den Extremitäten benutzt wird, für die Balance offensichtlich irrelevant. Also können wir hier getrost die Flexoren der Finger ein wenig kräftigen, wenn dadurch keine „Mauselöcher“ entstehen, also der Druck in den Fingergrundgelenkbereichen nicht beeinträchtigt wird. In Haltungen mit Balancecharakter wie dem freien Handstand, tolasana und bakasana fordern wir ebenfalls, dass die Finger nicht maßgeblich für die Balancearbeit verwendet werden, insbesondere nicht das Herunterdrücken einiger Teile einiger Finger andere leichter werden lässt sondern eine gleichmäßige Druckverteilung zwischen allen Fingergelenken hergestellt und beibehalten wird.
Soll ich nur auf dem Rücken schlafen? Und wie mache ich das?
Frage:
Ich habe gehört, die beste Schlafposition sei die auf dem Rücken, wie in savasana. Ist das tatsächlich so? Ich kann auf dem Rücken aber nicht einschlafen ..
Antwort:
Gehen wir es kombinatorisch an: der Mensch könnte grob gesehen auf dem Rücken, auf dem Bauch, auf einer Seite, im Stehen oder auf dem Kopf und in vielen Winkeln und Verrenkungen dazwischen schlafen. Warum sollte es eine „beste“ Position gehen? Schauen wir uns einige Positionen an, beginnend mit dem beliebten Bauchschlaf: betrachten wir die Atemmechanik, so besteht sie i.w. aus zwei Anteilen: Brust- und Bauchatmung. Die Brustatmung bedeutet, dass sich der Brustkorb nach vorn (ventral) und ein Stück weit nach oben aufrichtet und ausweitet. Schlafe ich nun auf dem Bauch, so wird die Komponente „nach ventral“ massiv durch das Eigengewicht des Körpers behindert. Die inspiratorische Muskulatur muss deutlich kräftiger arbeiten, um die Schwerkraft eines nennenswerten Teilkörpergewichts zu überwinden. Das kostet viel mehr Energie als nötig und schafft nicht unbedingt mehr Ruhe. Die Komponente „nach kranial“, also nach kopfwärts würde einer Verschiebung der Wirbelsäule gegenüber dem auf der Unterlage aufliegenden Teil des Brustkorbs gleichkommen und je nach Elastizität des Körpers auch der restlichen Strukturen – oder aber eine periodische elastische Verformung der Übergänge zwischen dem aufliegenden Brustkorb und dem kranialen sowie dem kaudalen Rest des Körpers bedingen. Sicherlich auch eine eher energieintensivere und unruhigere Angelegenheit.
Hinzu kommt ein gravierender Faktor: liegt der Kopf gerade zum Oberkörper, also wie in Anatomisch Null in eine Bauchlage gebracht, so droht das Ersticken! Also lässt sich der Mensch etwas einfallen, um den nächtlichen Schlaf zu überleben und dreht seinen Kopf. Um die aus der Kopfform und der meist halbwegs waagerechten Unterlage resultierende Forderung einer 90°-Rotation der HWS abzumildern, von der die meisten Menschen spüren dürften, das sie diese am nächsten Tag mit massiven Verspannungen der HWS-begleitenden Muskulatur aufwachen lassen würde, wird der Kopf mit einem nach kopfwärts angehobenen und meist angewinkeltem Arm seitlich abgestützt. Ein Blick auf den Bereich Schulterblatt und HWS macht klar, das dies ein Feld für endlose Asymmetrien, Dysbalancen und Verspannungen in der Muskulatur sein muss. Je jünger der Mensch, desto größer das Kompensationsvermögen gegenüber unphysiologischem Verhalten. Mit zunehendem Alter werden die Nebenwirkungen dieses Verhaltens jedoch immer weniger kompensiert werden können und immer klarer gespürt. Wird das Verhalten nicht geändert, treten chronische pathologische Zustände auf wie z.B. chronische Verspannungen des Trapezius und anderer Muskeln oder auch Skoliosen. Auch die Lage auf einem weit gebeugten Ellbogen kann dieses Gelenk sehr übel nehmen, aber das gehört eher in das Kapital „Seitenschlaf“.
Der Seitenschlaf bringt bei gleichmäßig elastischer Unterlage gleich eine Vielzahl von Krümmungen der Wirbelsäule gegenüber Anatomisch Null hervor. Das gibt einer ganzen Industrie Raum, scheinbar interessante Angebote zur Vermeidung der Nebenwirkungen anzubieten. Die ungleichmäßige Belastung der Hüften, der hohe Druck auf der Schulter, auf der gelegen wird sowie eine möglicherweise unphysiologische Position des Arms und die kaum vernünftig zu lösende Frage der Position der Beine verbieten den Seitenschlaf evident zumal die lateralen Flexionen der Wirbelsäule der Entwicklung muskulärer Asymmetrien und entsprechender Skoliosen Raum geben.
Denjenigen, die zur Beschwichtigung der auftretenden Effekte neigen, sei entgegnet, dass sich der Körper stundenlang in dieser Position befindet, in der er einschläft. Dass sich der Mensch nach ca. drei Stunden mit Einsetzen der Traumphasen unvorhersehbar bewegt und seine Lage häufig ändert, entkräftet die Forderung nach einer optimalen Einschlafposition nicht im Mindesten, schließlich liegt der Mensch entweder drei Stunden gut, entspannt, entspannend und erholsam oder er tut drei Stunden lang das Gegenteil!
Positionen wie im Kopfstand oder auf den Füßen stehend schlafen, sind wohl kaum eine Alternative (auch wenn andere Spezies das vermögen) und verbieten sich aufgrund der kleinen physikalischen Stützbasis und der daraus resultierenden mangelnden Stabilität, die unter dem passageren „Bewusstseinsverlust“ des Schlafs wohl kaum aufrecht erhalten werden kann, von selbst.
Was bleibt also, wie erreiche ich es und warum fällt es manchen Menschen so schwer? Natürlich und nicht gerade überraschend ist der Rückenschlaf mit seiner der Atemmechanik am besten entgegenkommenden Konstruktion die Position der Wahl, zumal er Anatomisch Null bzw. Neutral Null am nächsten kommt und damit die beste Annäherung darstellt an eine Haltung mit minimalen Muskelspannungen und minimalen Möglichkeiten, während des Schlafs Muskeln zu verspannen oder zu verkürzen. Zur Verdeutlichung des letztgenannten denke man nur an den Effekt, den eine nur fünfminütige supta virasana bei nicht allzu geübten Menschen in der Ischiocruralen Gruppe hinterlässt: sie fühlt sich danach derart verkürzt an, dass das Strecken der Knie in der anschließenden Hundestellung Kopf nach unten erst einmal nicht mehr möglich ist bis entsprechende Krafteinwirkung zur Dehnung die Ischiocrurale Gruppe wieder entspannt hat.
Warum ist es so schwer, auf dem Rücken einzuschlafen? Die einfachste und immer wieder gehörte Antwort ist eine rein emotionale: es ist viel kuscheliger auf dem Bauch oder auf der Seite. Dem gibt es nicht viel zu entgegnen, außer dass man tatsächlich abwägen muss, ob das kuscheligere Gefühl beim Einschlafen die auf Dauer möglichen oder zu erwartenden Störungen des Bewegungsapparates rechtfertigt. Wenden wir uns nun dem Objektiven zu: die Rückenlage ist eine völlig spannungsarme und bequeme Haltung und dennoch können viele Menschen, die es nicht gewohnt sind, schlecht auf dem Rücken einschlafen. Eine physiologische Begründung erscheint zunächst nicht aufzufinden, wenn mal annimmt, dass der Raum dunkel genug ist, außer es sei der Fall, dass in der Bauchlage oder der vom Licht abgewandten Seitlage das in die (geschlossenen) Augen einfallende Licht geringer ist als in der Rückenlage. Es bleibt aber eine sehr einleuchtende Begründung, die die Konstitution der feinstofflichen Natur des Menschen referiert: Die rezeptiven (aufnehmenden) Chakren des Menschen liegen (in den Fällen der Chakren 2-6) auf der Körpervorderseite und sind im Bauchschlaf der Erde zugewandt, so dass weniger von ihnen aufgenommen wird, als in der Rückenlage! In der Bauchlage sind die aktiven Aspekte der Chakren nach oben gekehrt, das bringt uns aber nicht um den Schlaf.
Es bleibt noch die Frage, wie der Rückenschlaf (genau gesagt das Einschlafen auf dem Rücken zu erlernen sei) und die generelle Antwort ist nur zu banal: Üben. Dennoch kann ein wichtiger Hinweis gegeben werden: in der Rückenlage neigt der Mensch – nicht zuletzt wegen der zur Welt offen hingewandten rezeptiven Aspekte der Chakren – zu wesentlich mehr Gedankenaktivität. Diese gilt es zu beenden, indem man sämtliche aufkommenden Gedanken nicht verfolgt. Dazu braucht es vielleicht eine Haltung, die den vergangenen Tag als abgeschlossen betrachtet und seine verbliebenen Aufgaben und Fragen im Raum stehen lassen kann. Der heutige Tag hatte seins und vielleicht habe ich das Beste gegeben, mehr kann niemand – selbst ich selbst nicht! – verlangen und der morgige Tag wird seins haben; und vielleicht können einige der Fragen und Aufgaben voran gebracht werden. Die Nacht mit ihrem Schlaf ist zur friedlichen Erholung da und nicht des Leidens unter Ungelöstem willen. Regelmäßig hören wir, dass wenn es einmal geschafft wird, die Gedankenaktivität loszulassen, sich der Schlaf alsbald einstellt. Und mit ein wenig mentaler Disziplin kann binnen kurz der Schlaf in der Rückenlage zur Regel werden.
Fußmittellinien parallel oder Knie richtungsparallel? Das ist doch nicht das gleiche – die Frage der Schlussrotation.
Frage:
Ich höre im Unterricht immer, in tadasana oder Vorwärtsbeugen wie uttanasana sollen die Fußmittellinien parallel sein und die Knie bzw. genau gesagt die Patella genau nach vorn bzw. oben zeigen. Das geht doch gar nicht! Habt Ihr noch nie etwas von Schlussrotation gehört?
Antwort:
da hat der Fragesteller natürlich recht. Der Einfachheit halber setzen viele Unterrichtende das gleich, mal unterstellt, sie wissen überhaupt um die Schlussrotation der Unterschenkel im Kniegelenk. Kurz erklärt: auf den letzten rund 20-30 Grad Streckung des Kniegelenk vollzieht der Unterschenkel eine Exorotation von etwa 5-10 Grad, die das Kniegelenk im gestreckten Zustand stabilisiert und gegen ungewollte Bewegung sichert. Bei X-Beinen (genu valgum) ist sie stärker ausgeprägt, bei O-Beinen (genu varum) vermindert bis aufgehoben. Verursacht wird sie vom Tractus Iliotibialis bzw. dem es spannenden tensor fasciae latae, der auf den letzten 20-30° vor gestrecktem Kniegelenk die Streckung unterstützt (sonst die Beugung) zusammen mit dem vorderen Kreuzband. Zu Beginn des Beugens des Kniegelenk zieht der Popliteus den Unterschenkel wieder aus der Schlussrotation heraus um den normalen Bewegungsablauf in mittleren Winkelbereichen zu gewährleisten. Grundsätzlich gehört er damit in die Liste der Beuger des Kniegelenk, jedoch ist die von ihm in diese Richtung ausgeübte Kraft vernachlässigbar, weshalb er als Beuger meist nicht erwähnt wird. Ob es sich sichtlich um eine Exorotation des Unterschenkels handelt oder um eine Endorotation des Oberschenkels ist eine Frage der Situation: ist der Fuß (z.B. auf dem Boden) fixiert (in Sportwissenschaft und Anatomie bezeichnet man das auch als „Standbein„), endorotiert der Oberschenkel, ist dagegen der Unterschenkel frei beweglich („Spielbein„), exorotiert er.
Bei gestrecktem Kniegelenk liegt also ein Winkel von 5-10° zwischen der Fußmittellinie und der „Längsachse“ (von dorsal nach frontal) des Knies in der Transversalebene. An welcher von beiden Linien sollen wir uns nun orientieren und braucht es diese Differenzierung? Im allgemeinen reicht es, die Fußmittellinie als Referenz zu nehmen. In Haltungen wie tadasana und allen daraus ableitbaren und in der Beinstellung identischen Haltungen wie z.B. uttanasana, urdhva hastasana bedeutet dies, dass der Oberschenkel eine leichte Endorotation innehat. Den Haltungen tut das aber keinen Abbruch. Im Gegensatz erleichtert es in Vorwärtsbeugen die Bewegung der Sitzbeinhöcker voneinander weg und verbessert damit tendenziell die Flexionsfähigkeit in den Hüften.
Als Referenz eignet sich die gedachte Fußmittellinie deutlich besser als eine Achse des Knies, da sie aufgrund der Länge des Fußes besser einschätzbar ist. Zudem ist die Kniescheibe als markanteste von vorn zu sehende Struktur des Knies in ihrer exakten Ausrichtung weit weniger gut einschätzbar, zudem bei einigen Menschen in anormaler Position (z.B. lateralisiert) und überdies noch oft mit Kleidung bedeckt. Der Fuß hingegen ist beim Üben oft unbekleidet und wenn, dann bestenfalls mit eher eng anliegenden Socken bekleidet. Im Fall ausgeprägter X-Beine muss möglicherweise der erfahrene Lehrer die Situation anders bewerten und eine neue Referenz und neue Verhaltensweisen festlegen. Bis auf Weiteres nehmen wir in unserem Unterricht keinen Bezug auf die Schlußrotation, um die Erklärungen und Anweisungen nicht unnötig zu verkomplizieren – außer es erscheint uns notwendig.
Schwacher Rücken
Frage:
Ich habe einen schwachen Rücken und muss etwas für dessen Kräftigung tun. Welche Haltungen leisten das, und muss ich dafür wirklich Kreuzheben, ist das nicht eher „Muckibude-Kram“?
Antwort:
Selbstverständlich gibt es viele gute Yogahaltungen, die den Rücken kräftigen, aber das Kreuzheben hat durchaus seinen Platz und seine Vorzüge, schauen wir uns das näher an. Wenn wir über den „schwachen Rücken“ reden, müssen wir uns erst einmal mit der Struktur des Rückens befassen und herauszufinden versuchen, was gemeint ist und wo Bedarf ist. Die Rückenmuskulatur unterteilt sich zuallererst einmal in die autochthone Rückenmuskulatur, auch „Erector spinae“ oder „Rückenstrecker“ genannt.Dies ist die entwicklungsgeschichtlich älteste Muskulatur des Rückens, sie findet sich leicht abgewandelt in sehr vielen Spezies von Wirbeltieren. Alle anderen Rückenmuskeln sind letztlich eingewanderte Muskeln der Extremitäten. Daher besitzt die autochthone Rückenmuskulatur (auch heute noch) eine eigene nervale Ansteuerung. Diese Muskulatur erledigt drei Funktionen:
- Extension der Wirbelsäule, also Strecken als Gegensatz zum (nach vorn-)Beugen
- Rotation der Wirbelsäule, also eine Torsion der Struktur Wirbelsäule in sich, eine Verdrehung eines Teils gegenüber einem anderen
- Lateralflexion der Wirbelsäule, also die Seitbeuge der Wirbelsäule oder eines Teils davon
Die genannten Bewegungen können nicht pro Wirbelsäulensegment (also zwei benachbarten Wirbelkörpern und dem dazwischenliegenden Intervertebralraum mit seiner Bandscheibe) ausgeführt werden sondern nur für große Abschnitte der Wirbelsäule einheitlich. Beispielsweise kann die HWS nach rechts gedreht (Rotation) und dabei der Kopf nach links gekippt (Lateralflexion) werden, die BWS mit LWS aber nach links gedreht und nach nach rechts gebogen werden. Dies lässt sich auch noch mit der Flexion oder Extension in den genannten Bereichen kombinieren. Wenn man sich die Muskulatur näher anschaut, gibt es viele verschiedene Muskeln, die in verschiedener Kombination mehr oder weniger benachbarte Wirbelkörper oder auch weiter auseinanderliegende Bereiche miteinander verbinden. Als Ursprungs- und Ansatzpunkte dienen dabei vor allem die Dornfortsätze und die Querfortsätze der Wirbelkörper. Stellen wir uns vor, ein Muskel setzt am Dornfortsatz Th3 und am rechten Querfortsatz Th4 an, dann bewirkt seine Kontraktion offensichtlich eine Linksrotation von Th4 gegenüber Th3 oder eine Rechtsrotation von Th3 gegenüber Th4. Ein klein wenig trägt er dabei auch zur Extension bei. Überspannen Muskeln nur Dornfortsätze, so haben sie reine Extensionsfunktion, überspannen sie nur Querfortsätze, so machen sie ausschließlich eine Lateralflexion zu der Seite, auf der sie liegen bzw. ziehen aus der Lateralflexion nach gegenüber heraus. Teilweise setzt die autochthonen Rückenmuskulatur auch (halbwegs wirbelsäulennah) an Rippen an. alle anderen RückenmuskelnHier finden wir z.B. die Muskeln zur Depression, Elevation, Rotation oder Retraktion der Schulterblätter, weiter Muskeln, die vom Schulterblatt aus in Richtung Arm ziehen, um ihn etwa anzulegen oder zu drehen, einige wenige, die an der Inspiration oder Exspiration beteiligt sind (Serratus posterior inferior und Serratus posterior superior), oder den Beckenkamm mit den Rippen verbinden (Quadratus lumborum). Der flächengrößte ist der Latissimus dorsi. Fast alle dieser Muskeln bewegen das Schulterblatt oder den Arm. Die meisten dieser Muskeln sind nicht direkt und in deutlichem Maß an der aufrechten Haltung beteiligt, sehr wohl können aber ihr Tonus oder ihre Flexibilität gewisse Auswirkungen auf die Haltung haben. Zumeist ist mit dem „schwachen Rücken“ aber vor allem eine Schwäche des Erector spinae gemeint. Machen wir Haltungen zu dessen Kräftigung, die auch die Arme einbeziehen, so kräftigen wir zumeist einige der Muskeln außerhalb des Erector spinae mit. Zu den wichtigsten Haltungen, die den Erector spinae maßgeblich kräftigen, gehören soweit es die Extensionsfunktion der Wirbelsäule betrifft:
- Kriegerstellung 3, besonders in der Variante „rückwärts gegen die Wand“
- rechtwinklige uttanasana
- Schulterstand, insbesondere rechtwinklig
- Kopfstand (nicht besonders stark, in der Variante rechtwinklig allerdings stark)
- halasana
- urdhva dhanurasana
- salabhasana
- upavista konasana mit Klotz
- maricyasana 1
- maricyasana 3
- purvottanasana
- die meisten Haltungen, die eine Hüftflexion mit einer BWS-Extension verbinden
Zur Extension muss noch gesagt werden, dass Haltungen oder Übungen nicht nur bezüglich der üblichen Kriterien Kraft und Dauer bewertet werden dürften, sondern auch bzgl. des Winkelbereichs in dem die Muskelarbeit stattfindet, also der Sarkomerlänge Für den Aspekt der Lateralflexion der Wirbelsäule üben wir vor allem:
Den Rotationsaspekt kräftigen wir unter anderem mit
wobei dies eine sehr grobe und unvollständige Aufzählung ist und bedacht werden muss, dass auch intensiv ausgeführte dehnende Haltungen durchaus eine kräftige Wirkung haben.
Das Kreuzheben ist anders als die Yogahaltungen eine Übung, bei der bewusst ein beliebiges externes Gewicht eingesetzt wird, um skalierbare Kräftigungswirkungen zu erzielen, die nur aus eigenem Körpergewicht nicht erzielbar wären – und das auf eine vergleichsweise einfache Weise. Dafür belohnt sie mit reicher und wirksamer Kräftigung:
- der Waden (Trizeps surae) und verschiedener weiterer stabilisierender Unterschenkelmuskel, die gegen die schwerkraftbedingte Dorsalflexionsneigung in Richtung Plantarflexion und Pronation bzw. Supination stabilisieren
- der Ischiocruralen Gruppe, die (außer dem m. biceps femoris caput breve) maßgeblich an der Extension im Hüftgelenk beim Anheben des Oberkörpers mitwirkt. Ihre Kräftigung kann vielen Zwecken dienen, z.B. im Rahmen der Therapie einer Hohlkreuzneigung durch unterstützende Kräftigung der Hüftextensoren. Hier ist die Ischiocrurale Gruppe sehr bedeutsam, weil sie in aller Regel das Becken in Bereichen moderatem Krafteinsatzes aufrichtet, bevor der Gluteus maximus als Kraftextensor des Hüftgelenks akquiriert wird. Weitere Bedeutung hat die Kräftigung der Ischiocruralen Gruppe bei der Therapie verschiedener Störungen des Kniegelenk. In beiden letztgenannten Fällen würde mit moderatem bis höherem Gewicht gearbeitet. Im Falle von Reizungen des Ursprungsbereichs der Ischiocruralen Gruppe an den Sitzbeinhöckern wird mit sehr leichtem Gewicht gestartet. Es darf nur soweit gesteigert werden, dass der mit der Störung verbundene Schmerz nicht ausgelöst wird.
- der Glutealmuskulatur, genau gesagt alle monoartikulären Hüftextensoren, die daran beteiligt sind, das Becken aus der Flexion anzuheben. Für deren Kräftigung werden deutlich höhere Gewichte benötigt als für die oben beschriebenen therapeutischen Anwendungen, insbesondere als bei der Therapie der Reizung des Ursprungs der Ischiocruralen Gruppe am Sitzbeinhöcker. Therapeutisch gesehen geht es hier vor allem um Dysbalancen der Bein/Beckenmuskulatur und deren resultierende Störungen wie z.B. O-Beine.
- „der Rückenmuskulatur“. Hier muss unterschieden werden zwischen der autochthonen Rückenmuskulatur, die den Rücken durchstreckt und damit dem großen Hebel entgegenwirkt, den der Oberkörper mit Kopf und Armen darstellt, und der jetzt zusätzlich um ein externes Gewicht an relativ langem Hebelarm vergrößert wird. Dies erklärt die herausragende Wirkung des Kreuzhebens zur Kräftigung des Rückens wobei beachtet werden muss, dass es sich hier hauptsächlich um die Teile des Erector spinae handelt, die die Extension der Wirbelsäule ausführen. Die Teile, die vor allem rotatorisch oder lateralflektorisch aktiv werden, sind hier nur nachrangig betroffen. Dafür gibt es etliche Haltungen im Yoga, die das bedienen, z.B. alle Drehhaltungen bezüglich der Rotation, die teilweise auch mit deutlichen internen Momenten arbeiten wie etwa im Falle der jathara parivartanasana, die meist nicht weiter extern vergrößert werden müssen – zumindest nicht für therapeutische Zwecke – sowie die Lateralflexoren, die Haltungen wie trikonasana, ardha chandrasana oder auch vasisthasana und ardha vasisthasana hervorragend bedienen. Hier muss in der Regel ebenfalls nicht mit externen Gewichten gearbeitet werden. In beiden Fällen fordert die übliche aufrechte Haltung des Menschen von dieser Muskulatur eher wenig. Der zweite Bereich der Rückenmuskulatur sind alle Muskeln, die an der Stabilisierung der Position der Arme und der Schulterblätter beteiligt sind, also vor allem die Retraktoren und Depressoren des Schulterblatts. Das knöchern frei auf dem Rücken bewegliche, nur von Muskeln fixierte Schulterblatt ist die knöcherne anatomische Struktur, an der über den Arm das externe Gewicht hängt, daher muss es mit entsprechender Muskelkraft gehalten werden, was diese Muskeln wiederum sehr gut zu kräftigen in der Lage ist. Von Übungen zur Depression der Schulterblätter dürften all die Menschen profitieren, die gewohnheitsgemäß dazu neigen, ihre Schulterblätter anzuheben und dadurch ihren Trapezius zu verspannen. Von Übungen zur Retraktion der Schulterblätter dürften diejenigen profitieren, die dazu neigen die Schulterblätter nach vorn zu ziehen, oder bei denen ein verkürzter Pectoralis major dieses bewirkt. Häufig gehen beide Fehlgewohnheiten einher und nicht selten reflektieren sie innere Spannungszustände.
- der Nackenmuskulatur. Auch wenn es nur den Kopf zu halten gilt, geschieht dies jedoch bei im Schnitt guter Schwerkraftwirkung; wenn der Oberkörper mit dem Kopf waagerecht ist, ist sie maximal
Aufgrund der Skalierbarkeit und Einfachheit sowie der vielfachen Wirkung ist das Kreuzheben also eine herausragende Übung, die wir gerne einsetzen. Dennoch muss noch ein wenig differenziert werden: Geht es um die Muskulatur des unteren und unteren bis mittleren Rückens, ist das Kreuzheben oft erste Wahl. Ist allerdings die bereits kleinere paravertebrale Muskulatur zwischen Schulterblatt und Wirbelsäule betroffen, die bei vielen Menschen eher schwach ausgeprägt ist und daher beim täglichen Aufrechthalten des Rumpfs manchmal schon nach wenigen Stunden Schwäche zeigt, die sich in einem nervigen anhaltenden longitudinalen (Wirbelsäulen-parallelen) Ziehen dieses Bereichs bemerkbar macht, dem nur durch Lageveränderung beizukommen ist, welches sich aber sehr rasch wieder einstellt, wenn die aufrechte Haltung wieder eingenommen wird, so braucht es ein anderes Werkzeug: das „therapeutische Frontheben“. Der „Trick“, der dieses wirksam macht, ist dass die Krafteinwirkung fast vom anderen Ende der Wirbelsäule her kommt. An einem langen Hebelarm, dem menschlichen Arm wird ein Gewicht in wechselnder Frontalabduktion auf und ab bewegt. Dieses erzeugt signifikante Beugemomente in den Wirbelsegmenten vor allem der BWS (naturgemäß sind die Wirbelsäulen-Segmente oberhalb des Maximums der BWS-Kyphose am meisten betroffen) und zwingt die dortige paravertebrale autochthone Muskulatur intensiv zur Arbeit. Auch wenn diese Haltung mutmaßlich primär zur Kräftigung der Schulter erfunden worden ist, so kann sie doch so modifiziert werden, dass eine nachhaltige Kräftigung der angesprochenen Rückenmuskulatur resultiert, indem die Gesamteinwirkdauer durch ein angepasst niedriges Gewicht möglichst weit nach oben verschoben wird. Es geht hier also um die maximale Zeit, die mit dem mehr oder weniger angehobenen Arm und den wirksamen Momenten in der BWS verbracht werden kann, nicht um die Anzahl der Wiederholungen oder die Höhe des Gewichts.
Das Herunterdrücken des Großzehengrundgelenks
Frage:
Warum wird in den Anweisungen zu den asanas immer wieder auf dem manchmal echt schwierigen Herunterdrücken des Großzehengrundgelenks beharrt?
Antwort:
Um das zu verstehen, müssen wir uns kurz die Anatomie des Fußes vergegenwärtigen. Abgesehen von der knöchernen Anatomie mit den Fußwurzelknochen (dem Tarsus) im sogenannten Rückfuß, dessen Auflage auf dem Boden das Fersenbein (der Kalkaneus) ist, dem Mittelfuß mit den Mittelfußknochen (deren Gesamtheit heißt auch Metatarsus) gibt es noch den Vorfuß mit den Zehen. Diese lassen wir in aller Regeln in den Haltungen weich, wir drücken sie also nicht auf den Boden, noch heben wir sie an, sondern lassen sie völlig weich auf dem Boden liegen. Der Grund dafür ist, dass die Zehen wesentlich geringere Kräfte übertragen können als der Bereich der Fußballen und egal, wie man die Zehen benutzen würde, deren Benutzung immer zu einer nicht optimalen Auflage der Fußballen führen würde, was deren Kraftübertragung auf den Boden beeinträchtigen würde. In Haltungen mit Balancecharakter, insbesondere denen auf nur einem Bein, ist die Position und Benutzung des Fußes evidenterweise extrem wichtig für die Stabilität. Da das Fersenbein (Kalkaneus) unter dem Sprungbein (Talus) und dieses wiederum in einer Kraftlinie unter Schienbein (Tibia) und Oberschenkelknochen (Femur) liegt, ist das Fersenbein dasjenige, welches natürlicherweise die meiste Gewichtskraft auf den Boden überträgt. Damit allein ist aber wegen der sehr kleinen Auflagefläche noch kein brauchbares Balancieren möglich, zudem ist die Muskulatur, die das Fersenbein in den Sprunggelenken bewegt, vergleichsweise grobmotorisch.
Für ein brauchbares Balancieren müssen wir also andere Teile des Fußes mit einbeziehen: den Mittelfuß bzw. die Fußballen. Der Mittelfuß besteht, was die mögliche Auflage auf den Boden betrifft, physiologischer Weise nur aus der Fußaußenkante, da der Innenfuß hohl ist. Zwar liegen hier viele Muskeln, aber diese haben außer bei pathologisch veränderten Füßen, wie z.B. beim Senkfuß oder insbesondere Plattfuß keine Auflage und können keine Kraft übertragen. Insbesondere liegt im Innenfuß keine Knochenstruktur vor, die (ungleich besser als auf den Boden gepresste Muskeln) Kraft auf den Boden übertragen könnte. Einzig der noch zum Mittelfuß gehörige Großzehengrundgelenkbereich kann Kraft auf den Boden übertragen und ist dazu auch, als vorläufiges Ergebnis der Evolution des menschlichen Körpers, vorgesehen. Im Laufen und Rennen wird ein nennenswerter Teil der Kraft insbesondere über den Grundgelenkbereich der Dicken Zehe übertragen. Die ausführende Muskulatur ist vor allem der sehr kraftvolle triceps surae. Rechnerisch werden von ihm unter Berücksichtigung der Hebelverhältnisse über die Achillessehne Lasten von bis zu über einer Tonne übertragen. Das hört sich nun sehr danach an, als wäre die Struktur Großzehengrundgelenkbereich und die ausführende Muskulatur belastbar genug, um auch das Balancieren zu leisten.
Einen kleinen „Schönheitsfehler“ hat dieser Ansatz allerdings: der Gastrocnemius-Anteil des Trizeps surae bewirkt nicht nur die Plantarflexion, also das Herunterdrücken des Vorfußes im oberen Sprunggelenk sondern auch eine Supination (Heben der Fußinnenkante) im unteren Sprunggelenk. Das hat zur Folge, dass im Unterschenkel befindliche Pronatoren des Fußgelenks mit ins Balancieren einbezogen werden müssen, also letztlich aus der Gesamtheit der relevanten Unterschenkelmuskulatur, die Pronation, Supination, Plantarflexion (und ggf. auch Dorsalflexion) ausführt, eine dynamische, sich ständig verändernde Kraftbalance hergestellt und aufrechterhalten werden muss, in der der Großteil der relevanten Bewegungen bzw. Kräfte über den Großzehengrundgelenkbereich übertragen wird. Was für Balancehaltungen auf einem Bein galt, gilt in Abschwächung auch für Haltungen wie parivrtta trikonasana und parsvottanasana und es ist generell geraten, alle Stehhaltungen dazu zu nutzen, die Unterschenkelmuskulatur für die Aufgabe der Balancehaltungen zu trainieren
In der Praxis ist zu sehen, dass doch häufig zwischendurch die Zehen eingesetzt werden, nämlich dann, wenn sich die Haltung gerade recht instabil anfühlt. Der Grund ist, dass die Muskulatur, die die Zehen bedient, feinmotorischer ist als diejenige, die die Fußballen bedient. Dafür hält sie bei vergleichbarem Krafteinsatz (falls dieser überhaupt möglich ist) nur einen kleinen Bruchteil der Zeit durch, das sind oft nur wenige Sekunden mit hinreichender Intensität. Natürlich muss die Benutzung der Zehen zu einem veränderten Druck der zugehörigen Fußballen führen. Ist die Zehen bewegende Muskulatur dann erschöpft, ist man auf die Fußballen zurückgeworfen und muss die Balancearbeit wieder nur mit deren Hilfe weiterführen, hat dann aber zwei Nachteile: erstens liegen durch die Benutzung der Zehen die Fußballen nicht mehr satt, ruhig und gleichmäßig auf dem Boden und zweitens ist der Umstieg von feinmotorischer (Zehen) auf grobmotorischer (Fußballen) Arbeit schwierig – und besonders schwierig in dieser Situation, da die Fußballen ohnehin deformiert auf dem Boden liegen und der eigentliche Grund, der zu der Benutzung der Zehen geführt hatte, eine gefühlte Instabilität war, also einige Voraussetzungen für ruhiges, gutes Balancieren nicht gegeben sind. Deswegen wird von uns empfohlen, zur Balancearbeit die Zehen kategorisch nicht zu benutzen.
Knackende Gelenke
Frage:
Mein Kniegelenk/Ellbogengelenk/Fußgelenk/Hüftgelenk knackt immer mal wieder. Ist das schlimm? Wie gehe ich damit um?
Antwort:
Hier müssen wir unterscheiden: ist es ein mit jeder ähnlichen Bewegung wiederholbares Geräusch, sei es eher Knacken oder Knirschen, sei es mit oder ohne damit verbundene Empfindung, ist das ein anderer Fall als ein einmalig klar definiert knackendes Gelenk, das für die nächsten Minuten/Stunden dieses Knacken nicht mehr produzieren kann. Den ersten Fall sollten wir hier nicht behandeln, wir überlassen das dem Orthopäden zur Abklärung. Im zweiten Fall scheint es sich um die mit Geräusch oder auch mit Empfindung verbundene Beseitigung einer kleinen Fehlstellung (Dislokation oder Subluxation) zu handeln, die vielen Menschen mehr oder weniger bekannt und bewusst ist. In nahezu 100% der Fälle sagen die Betroffenen aus, das der Zustand nach dem Knacken nicht unangenehmer ist als davor. Ähnlich viele sagen aus, dass der Zustand danach angenehmer ist und wiederum ein großer Teil davon sagt aus, zuvor sei ein leichtes Spannungsgefühl in zumindest einigen das betroffene Gelenk überziehenden Muskeln zu spüren gewesen, der nach dem Knacken nicht mehr zu fühlen ist. Gehen wir also davon aus, dass es sich um eine Spontan-Reposition handelt (das wieder in die richtige Position bringen), so muss klar sein, dass das Gelenk nur in dem Zustand nach dem Knacken, der der physiologische sein dürfte, belastet werden darf. Das betrifft insbesondere schwere und wiederholte mittelschwere Anforderungen! Anforderungen im dislozierten Zustand belasten nicht nur das Gelenk und könnten auf Dauer die Kapselspannungen oder Bandlängen verändern, sondern stellen auch an die betroffene Muskulatur erhöhte Anforderungen und führen umso eher zu vorzeitiger Ermüdung, Krämpfen und Zerrungen! Während muskuläre Störungen wie ein Zustand nach einem Krampf und selbst eine Zerrung in der Regel binnen Wochen spontanheilen, brauchen erst einmal erworbene Veränderungen von Kapseln oder Bändern oft einige Jahre und heilen auch nur dann spontan aus, wenn die Bedingungen dafür (wieder) gegeben sind, also insbesondere Fehlstellungen immer wieder vor Belastungen beseitigt werden. Wer die Dislokation mit einer einfachen Bewegung zu reponieren weiß, ist also gut beraten, dies vor allen Anforderungen durchzuführen. Das gilt selbstverständlich für alle Arten von Tätigkeiten und Belastungen, sei es Sport, berufliche oder hobbyistische Tätigkeiten oder Yoga.
Bandscheiben-Probleme und schlechte Vorwärtsbeuge (steife Ischiocrurale Gruppe)
Frage:
ich treibe seit langem Sport und habe super steife Beinrückseiten. Gleichzeitig wurde bei mir nach Untersuchung wegen Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins Bein ein Bandscheibenvorfall/-vorwölbung diagnostiziert und ich merke, dass mir die Vorwärtsbeugen, die meine Beinrückseiten beweglich machen würden, nicht gut tun.
Antwort:
Das könnte man als „unhappy couple“ bezeichnen. Sämtliche Vorwärtsbeugen, die Hüftflexion üben und dabei schwerkraftgemäß den Rücken runden, können bei Bandscheibenproblemen zur Verstärkung der Symptomatik führen und sind tatsächlich kontraindiziert. Auf der anderen Seite ist es gerade die Beinrückseitenbeweglichkeit, die fehlt, um gewisse Bewegungen rückengerecht, also mit geradem Rücken auszuführen, etwa wenn ich etwas vom Boden aufhebe. Gibt es dafür überhaupt eine Lösung?
Ja, glücklicherweise können die Flexibilität der Ischiocruralen Gruppe (oder Hamstrings, also die beinrückseitige Muskulatur, die neben Kniebeugung auch Hüftextension ausführt) fördernde Übungen auch mit geradem Rücken ausgeführt werden, als ein hervorragendes Beispiel gilt das Kreuzheben, aber auch die Tisch-Variante der uttanasana. Auch eine sauber ausgeführte 3. Kriegerstellung oder Rückenausstreckung zählen natürlich dazu. Das Kreuzheben hat ähnlich wie in Abschwächung die 3. Kriegerstellung den Vorteil, dass der Rücken dabei gekräftigt wird. Oft – aber nicht immer – ist nämlich ein Bandscheibengeschehen vergesellschaftet mit einer schwachen Rückenmuskulatur. Mit dem Kreuzheben tut man also gleich auf doppelte Weise das Richtige, zudem die Dehnungswirkung auf die Ischiocrurale Gruppe – nach subjektiver und individueller Verträglichkeit – beliebig stark werden kann dank des externen Gewichts. Beim Kreuzheben wird der Rücken in der physiologischen Lordosierung gehalten und die Hüftgelenke werden so weit gebeugt, wie der Rücken gerade gehalten werden kann oder – falls das als gesichert gelten kann – die Dehnungsempfindung in den Beinrückseiten tolerabel ist.
Man kann sich auch einen anderen Trick zunutze machen, um eine Krümmung des Rückens bei der Übung der Flexion im Hüftgelenk zu verhindern, nämlich die Extension im kontralateralen Hüftgelenk, die lordosierend auf die LWS wirkt. Selten ist der Rücken auch bei Bandscheibengeschehen so empfindlich, dass dieser Trick nicht funktioniert. Dazu gehören Haltungen mit „Scherenbewegungen“ der Beine, ein schönes Beispiel dafür ist die Hundestellung Kopf nach unten mit einem gehobenen Bein rückwärts gegen die Wand, auch „Lieblingswinterwarmmachhaltung“ die genau dieses Prinzip implementiert. Gleichzeitig wirkt sie auch – wenn auch nicht sehr stark – dehnend auf die Hüftbeuger, deren Verkürzungen häufig Bestandteil der Ätiologie der Bandscheibenschäden sind.
Selbstverständlich braucht es nachhaltige Übung über die Zeit um sehr steife Beinrückseiten wieder beweglich zu machen. Insbesondere während der Zeit, in der der Rücken bei Rundung zu Beschwerden – insbesondere mit Schmerzausstrahlung ins Bein – neigt, ist rückengerechtes Verhalten natürlich ein MUSS. Immer wieder aufflammender Schmerz ist ein Zeichen dafür, dass die Bandscheibe immer noch sehr nah am betroffenen Nerv ist. Es bestehen aber durchaus gute Aussichten durch entsprechend nachhaltiges Üben ein normales Leben zu führen, indem später eingeübte Bewegungsgewohnheiten, etwa mit geradem Rücken aus Kraft derHüftextensoren zu heben, in Fleisch und Blut übergegangen sind und sich das System bildlich und buchstäblich immer weiter von der Schmerzschwelle entfernt und auch ein vereinzeltes „Fehlverhalten“ mit Hinblick auf den Rücken nicht sofort zum Wiederaufflammen des Schmerzes führt.
Statisches und dynamisches Üben
Frage:
Dynamisches Üben macht mir mehr Spaß!
Antwort:
– jaaaa, aber
Nicht selten kommen Schüler zu uns, die schon einige Jahre dynamischer Disziplinen des Yoga hinter sich haben, mögen sie Flow, power yoga, vinyasa heißen. Meist berichten sie, dass sie in ihrer dynamischen Disziplin nicht mehr richtig weiter gekommen sind, sondern sich öfter verletzten oder eine erworbene Verletzung nicht mehr los geworden sind. Fast immer zeigt sich sehr schnell, dass letztlich Defizite im Bereich Kraft, Beweglichkeit oder Körperbewusstsein die zu vermutenden Ursachen für ihre Klagen sind. Defizite gemeint nicht angesichts eines durchschnittlichen statistischen Normalzustandes sondern bezüglich der Anforderungen ihrer dynamischen Disziplin. Manchmal reicht dann eine kleine Unachtsamkeit in der Ausführung, eine etwas zu ungenau ausgeführte Bewegung, ein zu viel an Wille angesichts der gegebenen Voraussetzungen, um eine Verletzung herbeizuführen. Bekannterweise können einige dieser Verletzungen sehr hartnäckig sein, z.B. wenn sie den Gracilis oder die Schulterpartie betreffen.
Intensiver Einsatz der anatomischen Strukturen, die nicht ursprünglich gedacht waren, das gesamte Körpergewicht oder einen großen Teil desselben zu tragen, namentlich Hände, Unterarme, Ellbogen, Schulterbereich kann verschiedenste Störungsbilder hervorrufen von dorsalen Schmerzen oder palmarem Reißen in Handgelenk/Unterarm bei stützenden Übungen mit ca. 90° Dorsalflexion des Handgelenks über Überlastungen des Ellbogengelenks in großen Beugewinkeln oder einen Golferellbogen, wenn die Palmarflexoren des Handgelenks und Fingerbeuger wiederholt sehr intensiv eingesetzt werden, bis zu den vielen Störungen, die im komplexen Schulterbereich auftreten können. Schnelle grätschende Bewegungen können schwer auszuheilende Zerrungen des Gracilis hervorrufen genauso wie unaufgewärmt ausgeführte Schwungbewegungen in Richtung HüftextensionZerrungen in den Hamstrings oder Reizungen des Ursprungs der Ischiocruralen Gruppe am Tuber ischiadicum verursachen können.
Ist das dynamische Üben also eigentlich Gift? Nicht unbedingt, aber die Voraussetzungen müssen stimmen. Mitnichten kann dieses als eine Anfängerdisziplin gehandhabt werden und unbedenklich jeder dazu zugelassen werden und seine Yoga-Karriere damit beginnen, der nur genügend Lust dazu verspürt. Aufgrund der hohen Voraussetzungen, will man schadfrei und erfolgreich dynamisch üben, sollten Jahre des intensiven Trainings von Beweglichkeit, Kraft, Körperbewusstsein, idealerweise auch Ausdauer vorangegangen sein. Wie so häufig ist also zuerst die Pflicht zu leisten, bevor die Kür dran ist.
Wir haben immer wieder mit Fortgeschritteneren dynamischen Klassen auch hoher Intensität durchgeführt ohne dass mir eine Verletzung in Erinnerung geblieben wäre. Anfänger waren aber immer von diesen ausgeschlossen, damit sie nicht zu Schaden kommen können. Schließlich bringen die Jahre intensiver überwiegend statischer asana-Praxis nicht nur die oben aufgeführten Eigenschaften mit sich sondern auch eine gesteigerte Resilienz gegenüber grundsätzlich hohen, aber physiologischen Anforderungen sowie oft auch ein Stück weit gegenüber einem moderaten (!) Maß an Abweichungen von rein physiologischem Verhalten.
Unsere Empfehlung wäre also erst einmal einige Jahre intensiv statische asanas zu praktizieren, gerne auch Kraft und Ausdauer fördernde Sportarten parallel dazu, bevor mit dynamischem Üben begonnen wird. Die Vorfreude wird dann belohnt damit, dass die anschließende Freude am dynamischen Üben ungetrübt, ohne Rückschläge und lange genossen werden kann anstatt wegen solcher einzubrechen.
Schmerzen im Knie in upavista konasana
Frage:
Ich habe in upavista konasana Knieschmerzen, es ist aber auch ein Problemknie.
Antwort:
Dieses Problem kommt relativ selten und nur bei vorgeschädigten Knien vor, sei die Vorschädigung bekannt oder nicht; trotzdem gibt es dafür eine Lösung.Upavista konasana wird allein frei, allein gegen die Wand, allein in Rückenlage gegen die Wand oder als Partnerübung ausgeführt. Diese Fälle müssen unterschieden werden:
- allein frei: wird das Becken nach vorn geschoben, müssen die Fersen ein wenig nach außen ausweichen, damit der Winkel vergrößert wird. Unerwünscht, aber nicht immer ganz zu vermeiden ist, dass die Fersen auch ein wenig nach vorn rutschen. Bei der Bewegung des Beckens nach vorn leisten die Fersen mit guter Reibung am Boden einen deutlichen Widerstand. Dieser resultiert aus dem Gewicht der Beine, aber auch der Spannung der Hüftextensoren, vor allem der Ischiocruralen Gruppe. Bei der Bewegung des Beckens nach vorn entsteht also ein Valgusstress im Kniegelenk, welcher bei ohnehin vorgeschädigtem Kniegelenk Schmerzen hervorrufen kann, die nichts mit konstruktiven Prozessen wie Dehnung oder Anstrengung zu haben, also zu vermeiden sind
- allein gegen die Wand: hier entsteht in Analogie zum ersten Fall mit einem umso größeren Widerstand (der Wand) eine quasi unendliche Reibung, was den obigen Schmerz ggf. bei schon geringerer Bewegung des Beckens auftreten lässt
- allein in Rückenlage gegen die Wand: Hier nehmen wir an, dass die Haltung nicht nur sehr schonend ausgeführt wird, wobei die Reibung der Fersen auf der Wand die Knie schwerkraftgemäß in einen Varusstress sinken lassen würden, sondern so intensiv, dass die Reibung der Fersen auf der Wand die Wirkung des Zugs der Adduktoren auf jene Weise überwiegt, dass wie in den ersten beiden Fällen ein Valgusstress entsteht. Dann verhält es sich wie dort dargestellt
- als Partnerübung: Diese Variante verhält sich wieder einheitlich wie die ersten beiden.
In allen Fällen wird also – hinreichende Intensität vorausgesetzt – ein Valgus-Stress erzeugt, der das Knie schmerzen lassen kann. Wie könnte man diesen nun umgehen? Die einfachste Lösung ist die aufwendigste: ein Supporter drückt mit seinen Füßen nicht gegen die Füße des Ausführenden sondern gegen die Oberschenkel nahe der Knie. Dadurch wird die Kraftwirkung auf die Kniegelenke umgekehrt und aus dem Valgus-Stress wird tendenziell ein Varusstress, zumindest solange die Füße mit hinreichender Reibung auf den Boden drücken. Werden diese nun hinreichender Reibung beraubt, sei es durch Socken, die auf einem Holzboden gleiten oder durch eine Decke, auf der die Fersen gleiten können, wird auch dieser Varusstress nahezu völlig aufgehoben und die Haltung kann beschwerdefrei ausgeführt werden.
Schmerzen in Unterarm/Hand (Golferellbogen, Tennisellbogen, Sehnenscheidenentzündung, RSI-Syndrom, Karpaltunnelsyndrom)
Frage:
Ich arbeite viel mit den Händen/am Computer/handwerklich und habe anhaltende oder wiederkehrende Schmerzen im Unterarm/Hand. Was kann das sein und was kann ich tun?
Antwort:
Die regelmäßige hohe Belastung oder Überbelastung der Strukturen des Unterarms durch schwere, aber auch häufig wiederholte leichte Tätigkeiten wie Tippen oder Bedienen der Maus kann grundsätzlich mehrere Störungsbilder hervorrufen:
- Tendovaginitis (Sehnenscheidenentzündung): Neben Bildschirmarbeitern können auch Musiker, Masseure, Physiotherapeuten oder andere intensiv mit den Händen arbeitenden Berufsgruppen und Hobbyisten betroffen sein. Die Arbeit mit größeren Handkräften, vibrierenden Werkzeugen oder wiederholte Bewegungen mit einer Wiederholungszeit unter 10 Sekunden disponieren für die Erkrankung. Die Sehnen und teilweise Muskeln können druck-, bewegungs- und evtl. auch ruheschmerzhaft sein. Die Schmerzqualität in Bewegung ist eher ziehend bis stechend. Nächtliche Ruhe bringt wenig Erholung. Möglicherweise sind Rötung oder Überwärmung als weitere Entzündungszeichen erkennbar. Die Sehnenscheide produziert ggf. vermehrt Kollagen und engt die Sehne ein, was zum Phänomen des „schnellenden Fingers“ führen kann, der sich erst kaum und dann bei weiterem Krafteinsatz ruckartig schnell weiter bewegt. Der Finkelstein-Test (wenn der Daumen betroffen ist) zeigt Schmerz bei passiver Streckung der Sehne, aktive Anspannung gegen Widerstand ist auch schmerzhaft. Es handelt sich in der Regel um eine nicht-infektiöse Entzündung der Sehnenscheiden. Knoten aus Kollagen können sich in den Sehnenscheiden bilden, was zu fühl- und hörbarem Reiben oder Knirschen führen kann. Therapeutisch sind Schonung vor den auslösenden Belastungen angesagt, vorsichtige Dehnung und therapeutisches Kräftigen, sobald verträglich. Wird die Sehnenscheidenentzündung nicht ausgeheilt, kann sich ein RSI entwickeln, siehe unten.
- RSI (Repetetive Strain Injury-Syndrom: auch als Mausarm oder Sekretärinnenkrankheit bezeichnetes Schmerz-Syndrom, welches durch sehr häufig ausgeführte, eher leichte Bewegungen verursacht wird, wie Tippen auf einer Tastatur (Computer oder virtuelle Tastatur des Smartphones) oder Klicken der Maus. Entgegen früheren Annahmen ist das RSI eine nicht-entzündliche, chronisch-degenerative Veränderung des Sehnengewebes (Tendopathie, engl. tendinosis, tendinopathy). Ursächlich ist wohl, dass die häufig wiederholte Bewegung in keinem gesunden Verhältnis mehr zur Regenerationsfähigkeit steht, so dass nur minderwertiges Kollagen gebildet wird. In den USA ist RSI die Berufskrankheit Nummer 1. Ergonomiemängel am Arbeitsplatz begünstigen das Entstehen. Anfangs zeigen sich Kribbeln und Missempfindungen sowie Nachlassen der Symptome nach Ende der Belastung. Später kann die Kraft nachlassen, es können Koordinationsstörungen auftreten sowie chronische Schmerzen, die bereits nach geringsten Auslösern wieder aufflammen. Eine Einsteifung von Gelenken ist möglich. Im Spätstadium zeigt sich Dauerschmerz unabhängig von Belastung, der erst nach Wochen der Schonung nachzulassen beginnt. Das RSI ist eine mögliche Komplikation einer nicht ausgeheilten Sehnenscheidenentzündung. Ergonomiemängel am Arbeitsplatz sind prädisponierend für die Entwicklung eines RSI, Sport kann eine präventive Wirkung haben. Therapieansätze werden viele ausprobiert, Schonung ohne Ruhigstellung ist auf jeden Fall obligat.
- Golferellbogen: Dies ist eine Insertionstendopathie von Muskeln, die am Epicondylus medialis humeri des Ellbogengelenks entspringen, darunter der Pronator teres und Flexoren des Unterarms. Sie wird mechanisch verursacht durch Druck auf den Epicondylus, was Mikroläsionen auslösen kann, oder häufiger durch Überlastung der Palmarflexoren des Handgelenks oder Fingerflexoren. Mangelhafter Dehnungs- oder Kräftigungszustand in Relation zur Beanspruchung, Ergonomie- oder Technikmängel (beim Sport und anderem), häufiges festes Zupacken mit den Händen, vor allem bei gleichzeitigem Supinieren des Unterarms, alle Arten rackets sports (Schlägersportarten), Klettern, verschiedene handwerkliche Tätigkeiten oder Tätigkeiten wie Straßenbau (Schüppen), oder mechanische Tätigkeiten (z.B. mit häufigem Festschrauben) disponieren zur Entwicklung des Golferellbogens. Eine passende Anamnese in Verbindung mit der typischen Druckschmerzhaftigkeit und der funtkionalen Diagnostik reicht im Allgemeinen zur sicheren Diagnosestellung aus. Ruheschmerz kann gegeben sein, vor allem aber ist der Belastungsschmerz charakteristisch. Reduktion der Belastungen, möglicherweise kurze Ruhigstellung, keinesfalls aber längere, hinreichende Dehnungstraining, im Aktustadium ggf. Kühlen, später eher wärmen sind neben der Epicondylitisspange wichtige Pfeiler der Therapie. Therapeutisches Kräftigungstraining mit sehr hoher Wiederholungszahl bei so leichten Gewichten, dass der Schmerz nicht ausgelöst wird, ist ebenfalls erfolgversprechend, auch wenn die Heilung unter günstigen Bedingungen durchaus einige Monate braucht. Daneben gibt es viele weitere Ansätze. Nach Ausheilen ist der Erhalt eines guten Dehnungszustands und der Kraft der betroffenen Muskeln rezidivprophylaktisch wichtig. Je nach betroffenen Muskel und resultierenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen lassen sich unterscheiden:
- Unterarm-Pronations-Golferellbogen: betroffen ist der M. pronator teres
- Handgelenk-Palmarflexions-Golferellbogen: betroffen sind M. flexor carpi ulnaris, M. flexor carpi radialis oder M. palmaris longus
- Fingerbeugungs-Golferellbogen: betroffen ist der M. flexor digitorum superficialis
- Tennisellbogen: die Geschwister-Erkrankung des Golferellbogens, ähnliche Symptome, ähnliche Verursachung, ähnliche Therapie, nur sind hier nicht die Palmarflexoren und Fingerflexoren betroffen sondern in beiden Fällen die Extensoren bzw. Dorsalflexoren. Ursächlich sind Überbelastung, z.B. durch Tennis, mechanische Arbeiten (Fließbandproduktion), intensives Spielen eines Musikinstruments, Hausarbeit, früher oft auch bei Stenotypistinnen zu finden. Druckempfindlichkeit, Bewegungs- und insbesondere Belastungsschmerzhaftigkeit finden sich hier in ähnlicher Weise. Diese sind mit Thomson- und Chair-Test sowie passender Anamnese in der Regel ausreichend für die Diagnosestellung. Auch die Therapie sieht sehr ähnlich aus wie beim Golferellbogen: Schonung bzw. Ruhigstellen des Handgelenks, nicht aber des Ellbogens. Für die Therapie müssen auch hier einige Monate angesetzt werden. Je nach betroffenen Muskel und resultierenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen lassen sich unterscheiden:
- Unterarm-Supinations-Tennisellbogen: : betroffen ist der M. supinator
- Handgelenk-Dorsalflexions-Tennisellbogen: betroffen sind Extensor carpi radialis brevis, Extensor carpi radialis longus oder Extensor carpi ulnaris
- Fingerstreckungs-Tennisellbogen: betroffen sind Extensor communis oder Extensor digiti minimi
- Karpaltunnelsyndrom: die Neigung zum Karpaltunnelsyndrom ist bei gleichem oder ähnlichem Bewegungsverhalten recht individuell. Meist ist die dominante Hand betroffen. Verletzungen, eine bereits bestehende Sehnenscheidenentzündung oder ein störendes Ganglion können diese Erkrankung verursachen, zuweilen tritt sie auch sekundär auf. Verursachend sind vor allem häufig wiederholte und bevorzugt schwererer Benutzung der Fingerbeuger: mit den (im ulnaren Sack) 4 Sehnen des Musculus flexor digitorum profundus und den 4 des Musculus flexor digitorum superficialis und (im radialen Sack) der des Musculus flexor pollicis longus laufen insgesamt 9 Fingerbeugersehnen durch den Karpaltunnel. Symptomatisch sind Parästhesien der Finger 1-3 (Schwurhand), Nachtschmerzattacken, Gefühl eingeschlafener Finger, erst Belastungsschmerz, später auch Tags- und Ruheschmerz. Die Schmerzen können in den Arm strahlen, Greifschwäche tritt erst morgens auf, später anhaltend, die Daumenballenmuskulatur kann atrophieren. Anfangs reicht Ruhigstellung zur Therapie, ggf. mit Antiphlogistika und Analgetika, ist das nicht erfolgreich oder verschlechternde Belastungen nicht zu vermeiden, muss das einengende Ringband operativ durchtrennt werden.
Dies dürften die fünf wichtigsten Erkrankungen der Hand und des Unterarms sein, die durch Belastungen ausgelöst werden können. Anamnestisch kann das Störungsbild oft schnell durch Lokalität und mögliche auslösende Tätigkeiten identifiziert werden, im Zweifelsfall hilft funktionale Diagnostik. Ergonomiemängel am Arbeitsplatz und häufig wiederholte Tätigkeiten wie Tippen auf Tastaturen und Smartphones, Klicken der Maus sind häufige Auslöser insbesondere für Sehnenscheidenentzündung und RSI. Dabei sind gerade diese Bilder häufig leicht durch kleine Änderungen vermeidbar. Eine korrekte Sitz- bzw. Tischhöhe, eine Handgelenkstütze für die Tastatur und eine vertical Mouse helfen häufig die Entstehung zu vermeiden oder eine vorhandene Störung auszuheilen. Die anderen Störungsbilder werden oft von zu intensiver Benutzung der Fingermuskulatur im Unterarm in Relation zu Trainings- und Dehnungszustand sowie Regenerationszeit verursacht.
Wohin den Kopf drehen? Ihr macht das anders als ..
Frage:
Ich bin ein wenig irritiert: in verschiedenen Haltungen dreht Ihr den Kopf nicht so wie ich es gelernt habe. Warum?
Antwort:
Nun, wir versuchen der Anatomie und Bewegungsphysiologie des menschlichen Körpers bestmöglich zu entsprechen bzw. manchmal in einer gewissen Weise zu widersprechen, damit ein spezielles Maximum an Lerneffekt herauskommt. Einige Beispiele:
- ardha chandrasana: Je nachdem, wie sicher der Teilnehmer steht, lassen wir ihn nicht wie im Original der Haltung nach oben schauen sondern ermöglichen ihm erst einmal besseren Stand, indem wir ihn nach unten zum Standfuß schauen lassen. Die Begründung resultiert aus der Anatomie: die visuelle Rückkopplung über den Stand an das Gehirn durch Blick zu Fuß und Boden ist um einen zweistelligen Faktor schneller als die Rückmeldung der Pressorezeptoren des Fußes. Dies beschleunigt die Reaktionsprozesse und gibt wesentlich sicheren Stand. Der fortgeschrittene Teilnehmer, der dies nicht mehr braucht, kann den Kopf dann nach oben drehen, sobald er dieser Hilfe nicht mehr bedarf.
- parivrtta trikonasana: Hier gilt das gleiche Argument wie bei der ardha chandrasana, nur das jene noch mehr Balancecharakter hat. Trotzdem profitiert gerade der Anfänger davon, zum Fuß zu schauen und damit auch den Boden im Blickfeld zu haben
- 2. Kriegerstellung: im Original der Haltung schaut der Kopf dem Arm auf der Seite des gebeugten Beins entlang. Nun ist es aber den meisten Teilnehmern ohnehin schon unmöglich, das Becken mit dem Oberkörper in der angestrebten Position parallel zum langen Mattenrand zu halten. Da Becken und Oberkörper sowie Oberkörper und Kopf jeweils muskulär eng und vielfältig zusammenhängen, wirkt eine Drehung des einen auf den anderen unweigerlich ein. In Folge wäre die originale Kopfhaltung dazu geeignet zu verhindern, dass der Oberkörper und – nicht unwahrscheinlich mit ihm auch das Becken – noch weniger als ohnehin schon in die richtige Position gelangt. Sinnvoller, wenn auch unkonventionell ist es daher, den Kopf in die genau entgegengesetzte Richtung zeigen zu lassen: in Richtung des gestreckten Beins!
- 1. Kriegerstellung: den Kopf in den Nacken (maximale Reklination) zu nehmen, gilt vielen als das Original. Nun hat die Bewegung des Kopfes zwangsweise eine Wirkung auf die BWS und die Abschnitte der Wirbelsäule (HWS, BWS, LWS) sind nur als ganzes und nicht etwa in einzelnen Segmenten gezielt ansteuerbar. Mit der Reklination des Kopfes muss also eine Extension der BWS und aller Wahrscheinlichkeit nach – außer bei wirklich gutem Körperbewusstsein – auch eine übermäßige Extension der LWS in Kauf genommen werden und das ist genau, wogegen wir mit aller Kraft der Hüftextensoren angehen! Dies kann also nur zu Übungszwecken bei wirklich Fortgeschrittenen Teilnehmern empfohlen werden, für die ersten Jahre ist die Reklination des Kopfes einfach nur kontraproduktiv, zumal geeignetere Haltungen existieren, um diese dediziert zu üben wie etwa purvottanasana. In anderen Interpretationen der ersten Kriegerstellungen, wie sie zuhauf in verschiedenen Medien zu sehen sind, bei denen keine maximale Extension in den Hüftgelenken geübt sondern die Krümmung gleichmäßig oder scheinbar zufällig und ohne erkennbares Maß auf Hüftextension und Wirbelsäule verteilt wird, ist unser Argument natürlich hinfällig.
Kannst Du mir eine gute Schule in XY empfehlen?
Frage:
Ich ziehe weg und dann wird es zu weit sein, zu Dir zum Yoga zu kommen. Kannst Du mir eine gute Schule in XY empfehlen?
Antwort:
Meist nicht. Ich würde dringend empfehlen, die dortigen Schulen nach den online vorhandenen Informationen vorzuselektieren und dann auszuprobieren, im Zweifelsfall auch mehrfach oder verschiedene Lehrer. Wenn man einen Stil gewohnt ist und schätzt, geht man oft an Neues mit der Vorstellung heran, es müsse dem Alten gleichen oder ähnlich sein. Dabei ist man manchmal nicht offen für etwas Gutes, das einfach anders, aber auch wertvoll ist. Andererseits höre ich häufig von Schülern, die neu zu uns kommen und vorher einige andere Schulen ausprobiert haben, dass sie derart präzise und wohlbegründete Arbeit und so hilfreichen Umgang mit Schwierigkeiten oder gesundheitlichen Störungen jeder Art noch nicht erlebt haben. Dann freuen wir uns, dass sie sich bei uns gut aufgehoben fühlen.
Umgekehrt berichten Weggezogene häufig, dass sie dergleichen an ihrem Ort nicht haben finden können. An der Stelle können wir nicht viel mehr tun, als auf unser immer umfangreicher werdendes www.yogabuch.de verweisen, die Möglichkeit einzuräumen, jederzeit drop in vorbeizukommen, wenn sich die Möglichkeit bietet sowie anbieten, bei speziellen Fragen oder Unsicherheiten weiterhin von Ferne mit Rat zur Seite zu stehen. In Einzelfällen ermutigen wir auch dazu, selbst mit dem Unterrichten nach unserem Standard zu beginnen und unsere Ausbildung zu absolvieren.
Unabhängig davon, dass wir in Verständnis und Ausführung der asanas versuchen Maßstäbe zu setzen, und jedem Menschen mit nahezu jeden Voraussetzungen gerecht zu werden, muss ich doch einen grundsätzlichen Gedanken äußern: Ein Weg besteht im Allgemeinen aus vielen Abschnitten und umso mehr Schritten. Es ist alles andere als unangemessen, eine Zeit lang hier oder dort zu sein, um so viel mitzunehmen, wie man benötigt oder fassen kann. Danach geht der Weg woanders weiter und man versucht wieder, was man benötigt oder fassen kann, mitzunehmen.
Was man aber sicher sagen kann: wer Asanas unterrichtet und wenig Interesse an und Kenntnis von Anatomie, Physiologie und Pathologie besitzt, kann kein guter Lehrer sein. Mag sein, dass wenn er ein Glückspilz ist, es selten oder dem Einzelnen erst spät auffällt, so dass es sein Geschäft nicht zu sehr beeinträchtigt, aber es wird auffallen. Wer Yoga unterrichtet und keine entsprechende Geisteshaltung hat und daher den Schülern mit Achtung, Respekt, Aufmerksamkeit, Wohlwollen und Interesse für von der Norm abweichendes Verhalten seines Körpers in den asanas begegnet, kann ebenfalls kein guter Lehrer sein.
Um ein Beispiel zu nennen: jüngst wurde ich auf Posts in sozialen Medien aufmerksam gemacht, in denen eine Yogaschule aus einer Nachbarstadt mit sachlich völlig falschen Argumenten für eigene Veranstaltungen warb. Es ging um einfache anatomische Fragen und stets war das Gegenteil des Geschriebenen zutreffend, was leicht in vermutlich jedem Anatomiebuch dieser Erde nachzulesen gewesen wäre. Mehr noch, es hätte definitiv zum Basiswissen eines Yogalehrers gehört. Dazu fand sich noch eine frei erfundene Beweglichkeit eines Gelenks, die gesichert nicht existiert und selbst pathologisch nicht in behauptetem Ausmaß existieren kann. Wer sich auf diese Weise fachlich auf unterstem Niveau disqualifiziert, ist sicher kein Experiment wert.
Ergibt sich also ein solcher Zweifel bezüglich der fachlichen Ausstattung oder der Geisteshaltung des Lehrers, wird man dort nicht lange bleiben können, wenn man zuvor schon Besseres gewohnt war. Gibt es kein Zuvor, wird man sich irgendwann zu fragen beginnen, ob das denn der Stand der Kunst ist und nach Besseren zu suchen beginnen.
Seitendifferenzen, vor allem in der Beweglichkeit und Dysbalancen in Beinen/Hüften
Frage:
Ich habe festgestellt, dass in einigen Haltungen, die Beweglichkeit der Beine oder Hüften erfordern, die beiden Seiten unterschiedlich gut klappen und offensichtlich Unterschiede in der Beweglichkeit bestehen. Ist das schlimm? Was kann ich tun?
Antwort:
{Aufgrund des Umfangs und der Relevanz gibt es diesen Artikel auch als PDF}
Wenn man mal von angeborenen Anomalien und Unterschieden absieht, handelt es sich hier meist um erworbene Unterschiede, die durch berufliche oder hobbyistische Tätigkeiten sowie einseitige oder einseitig trainierte Sportarten zustande kommen. Auch einseitige Schlafgewohnheiten können eine Rolle spielen. So wird etwa der regelmäßige Bauchschlaf mit einem angewinkelten Arm unter dem Kopf die Schultern in ihren Beweglichkeiten ungleich ausprägen und zugleich eine spezifische Verspannungsneigung ausprägen. Wäre in Rücken- oder Bauchlage ein Bein seitlich angewinkelt abgelegt, würde auch hier eine Verspannungsneigung der Hüft- bzw. Pomuskulatur und eine seitendifferente Beweglichkeit der Adduktoren resultieren.
Genauso sind wiederholt ausgeführte asymmetrische sportliche Aktivitäten geeignet, Asymmetrien in der Muskulatur auszuprägen. Der Fußballer wird sein Schussbein anders entwickeln als sein Standbein, der Volleyballer seinen Arm, mit dem er von oben aufschlägt anders als den anderen, der Tennis- oder Squash-Spieler das Bein, mit dem er nach vorn geht, um den Ball zu bekommen. Häufig wird das dominante Bein und der dominante Arm kräftiger, bzw. die Gelenke, mit denen sie am Rumpf befestigt sind, also Hüftgelenk und Schultergelenk, etwas „bewegungsbewusster“ aber nicht selten auch weniger flexibel sein. „bewegungsbewusster“ beudeutet hier vor allem eine bessere Propriozeption. Im Falls von Bein bzw. Hüfte hat diese Ungleichheit je nach Ausmaß und Art möglicherweise eine Auswirkung auf die gesamte Körperstatik und führt zu Hohlkreuz mit oder ohne BWS-Hyperkyphose, Beckenschiefstand oder Beckenverwringung und Skoliose und nicht selten zu chronischen Beschwerden. Im Folgenden sollen die wichtigsten Zusammenhänge vorgestellt werden.
Das Schwerelot von Oberkörper, Kopf und Armen trifft in Anatomisch Null auf die Verbindungslinie der Acetabuli (Hüftgelenkspfannen), daher entsteht theoretisch ein labiles Gleichgewicht mit nur minimal notwendiger muskulärer Arbeit für das Aufrechterhalten der Orthostase (Stehen). Muskuläre Dysbalancen der am Becken in Richtung Beine ziehenden Muskulatur erzeugen daher nur allzu leicht eine Veränderung der Orthostase und als chronisches Bild diverse Fehlhaltungen bzw. Verformungen des Rumpfes. Dabei gibt es verschiedene muskuläre Ursachen für Störungen. Die wichtigsten sollen im Folgenden genannt werden. Schwache Extensoren der Hüfte (Ischiocrurale und Gluteen)die relativ gesehen kräftigeren Flexoren kippen das Becken nach vorn, es folgt eine Neigung zur Verlagerung des Schwerpunkts nach vorn, auf die meist mit Verlagerung des Oberkörpers nach hinten reagiert wird und (den minimalen Muskelspannungen folgend) mit Kippen des Beckens in leichte Extension, wo es durch die lig. iliofemoralia und die Hüftbeuger bleibt. Das Bestreben, den Kopf senkrecht zu halten führt angesichts einer nach hinten gekippten LWS und unteren BWS zu einer Hyperkyphosierung. Diagnose/Therapie mit folgenden Haltungen:
- rechtwinklige uttanasana die Ischiocrurale Gruppe hält zusammen mit den Gluteen das Körpergewicht abzüglich der Beine
- Kriegerstellung 3 die Ischiocrurale Gruppe hält zusammen mit den Gluteen das Körpergewicht abzüglich des Standbeins, heben aber auch das gehobene Bein zusammen mit den Gluteen an. Die Begrenzung des Anhebens erfolgt allerdings durch die Hüftbeuger!
- Kriegerstellung 3 rückwärts gegen die Wand die Ischiocrurale Gruppe beschleunigt und hält zusammen mit den Gluteen das Körpergewicht abzüglich des Standbeins
- beidbeiniger Aufschwung zum Kopfstand die Ischiocrurale Gruppe hält und beschleunigt zusammen mit den Gluteen das Gewicht der Beine
- Schulterstand die Ischiocrurale Gruppe zieht zusammen mit den Gluteen gegen die Widerstände der Hüftbeuger die Beine vom Kopf weg
- parsvottanasana die Ischiocrurale Gruppe des vorderen Beins hält zusammen mit den seitengleichen Gluteen das Körpergewicht abzüglich der Beine
- setu bandha sarvangasana Die Höhe des Beckens (je höher, je besser) wird zwar durch die Beweglichkeit der Hüftbeuger begrenzt, aber die Extensoren leisten das Anheben des Beckens
- Brücke Die Höhe des Beckens (je höher, je besser) wird zwar beinseitig durch die Beweglichkeit der Hüftbeuger begrenzt, aber die Extensoren leisten das Anheben des Beckens
Verkürzung der Flexoren der Hüfte (Hüftbeuger)das Becken neigt dazu, nach vorn in die Flexion zu kippen, das Schwerelot des Oberkörpers läge dann vor den Acetabuli, weshalb kompensatorisch die LWS hyperlordosiert wird, um das Schwerelot des Oberkörpers günstig zu den Beinen zu halten und die Knie leicht gebeugt werden, um die unter Spannung stehenden Hüftbeuger zu entlasten; die OSG sind in leichter Dorsalflexion, was eine Verkürzung der Fußheber begünstigt. Aus der LWS-Hyperlordose folgt oft eine BWS Hyperkyphose und ggf. auch eine HWS Hyperlordose. Ist die Verkürzung einseitig folgt eine Beckenverwringung, die verkürzte Seite kippt nach vorn und steht im Mittel tiefer. Es folgen eine Skoliose, Betreff der ISG, der Wirbelgelenke der LWS und ggf. auch der BWS und HWS sowie eine scheinbare (funktionelle) Beinlängendifferenz. Weitere Folge ist evtl. ein Schaukelgang mit Wechsel zwischen Seitneigung und relativer Aufrichtung des Oberkörpers. Diagnose/Therapie mit folgenden Haltungen:
- Hundestellung Kopf nach oben zeigt durch dir Höhe des Beckens (je tiefer, je besser) über dem Boden die Flexibilität der Hüftbeuger
- Hüftöffnung 1 zeigt und übt gut die Beweglichkeit der Hüftbeuger, ist aber abhängig von der Beweglichkeit von Ischiocruralen Gruppe und Gluteen (vorderes Bein)
- Hüftöffnung 2 zeigt und übt gut die Beweglichkeit der Hüftbeuger, ist aber abhängig von der Beweglichkeit von Ischiocruralen Gruppe und Gluteen (vorderes Bein)
- Hüftöffnung 3 zeigt gut die Beweglichkeit der Hüftbeuger auf der Seite des gestreckten Beins, ist aber abhängig von der Beweglichkeit von Ischiocruralen Gruppe (Bizeps des gebeugten Beins) und Gluteen (Seite des gebeugten Beins)
- ustrasana
- Brücke
- dhanurasana eher diagnostisch relevant, für eine nennenswerte Dehnung der Hüftbeuger ist die einwirkende Kraft eher gering
- Hüftbeugerbeweglichkeitstest nur diagnostisch relevant, zeigt gut die Beweglichkeit und ggf. Seitendifferenzen
- Kriegerstellung 1 unter allen halbwegs Anfänger-geeigneten Haltungen diejenige mit der größten Extensionsanforderung (!) und bei entsprechendem Krafteinsatz guter Wirkung auf die Hüftbeuger
- setu bandha sarvangasana Die Höhe des Beckens (je höher, je besser) ist gutes Indiz für Beweglichkeit der Hüftbeuger; Gluteen und Quadrizeps können gut für die Dehnung eingesetzt werden
- supta virasana zeigt gut die Beweglichkeit des Rectus femoris und ggf. Seitenunterschiede, gute Wirksamkeit
- Quadrizepsdehnung 1 an der Wand
- Quadrizepsdehnung 2 an der Wand
Einseitige Verkürzungen der Abduktoren oder der AdduktorenVerschiebung des Beckens in der Frontalebene, ungleichmäßige und damit einseitige Überbelastung der ISG, je nach Ausprägung funktionelle Beinlängendifferenzen (Verkürzung der Abduktoren: ipsilateral verlängertes Bein, Verkürzung der Adduktoren: ipsilateral verkürztes Bein), kompensierend wird ein Kniegelenk gebeugt und kontralateral das Bein etwas abduziert. Es entsteht eine konsekutive Skoliose, oft in Doppel-S-Form mit asymmetrischer Ausprägung der Muskulatur von Rumpf und HWS und entsprechenden einseitigen Beschwerdebildern. Diagnose/Therapie mit folgenden Haltungen:
- halber Lotus Vorwärtsbeuge zeigt und übt sehr gut die Beweglichkeit v.a. des Gluteus maximus
- Hüftöffnung am Mattenrand zeigt und übt sehr gut die Beweglichkeit v.a. des Gluteus medius
- Hüftöffnung 3 zeigt und übt sehr gut und kniefreundlich die Beweglichkeit v.a. des Gluteus maximus
- parsvottanasana zeigt und übt, allerdings stark in Abhängigkeit von den Ischiocruralen Gruppe die Beweglichkeit der Gluteen
- parivrtta trikonasana zeigt und übt, allerdings deutlich in Abhängigkeit von den Ischiocruralen Gruppe die Beweglichkeit der Gluteen
- Kriegerstellung 3 zeigt und übt, allerdings deutlich in Abhängigkeit von den Ischiocruralen Gruppe die Beweglichkeit der Gluteen
Schwäche der AbduktorenStatisch im Einbeinstand und kinetisch beispielsweise während des Gehens stabilisieren ausschließlich die Abduktoren das Becken in der Frontalebene gegen seitliches Absinken. Geringgradige Schwäche der Abduktoren führt zum Absinken der nicht abgestützten Beckenseite (Trendelenburg-Zeichen), bilaterale Schwäche bringt demzufolge den Mannequingang. Bei ausgeprägterer Schwäche wird das Teilkörpergewicht (Körpergewicht minus Standbein) zur Entlastung der Abduktoren über das Hüftgelenk verlagert, es entsteht der Watschelgang (Duchenne-Zeichen). Einseitige Ausprägung führt zu entsprechender SkolioseDiagnose/Therapie mit folgenden Haltungen:
- Baum zeigt ggf. über ein aufseiten des angewinkelten Beins absinkendes Becken eine Schwäche der Abduktoren des Standbeins
- Kriegerstellung 3 zeigt bei guter Beweglichkeit der Ischiocruralen Gruppe ggf. über die Unfähigkeit, die Hüfte des gehobenen Beins aus einem abgesunkenen Zustand anzuheben, eine Schwäche der Abduktoren. Dient gut der Kräftigung
- ardha chandrasana zeigt ggf. über eine nicht überwindbare Adduktion des gehobenen Beins eine Schwäche der Abduktoren. Kräftigt gut
- vasisthasana zeigt und übt die Kraft der Abduktoren gegen großes Teilkörpergewicht
- ardha vasisthasana zeigt und übt die Kraft der Abduktoren gegen großes Teilkörpergewicht
Schwäche des QuadrizepsBei nur leichter Beugung der Knie liegt das Schwerelot des Oberkörpers bereits hinter der Bewegungsachse der Knie, und der Quadrizeps muss arbeiten, um das Teilkörpergewicht zu halten. Im Falle der Überstreckung wäre das Schwerelot vor der Bewegungsachse und die dorsalen Bänder und die Kapsel würden das Gelenk ohne muskuläre Beteiligung stabilisieren. Um den Quadrizeps im Falle seiner Schwäche zu entlasten, wird daher oft das Becken mit dem Oberkörper nach vorn gekippt werden, um den Rectus femoris von Dehnung zu entlasten. Das Knie kann dann statisch gesehen, mühelos gestreckt und in Hyperextension begrenzt nur durch die hinteren Strukturen des Knies arretiert werden, dynamisch gesehen wird das Gehen erleichtert und die Hyperextensionsneigung des Kniegelenk dabei verstärkt. Diagnose/Therapie mit folgenden Haltungen:
- utkatasana
- Kriegerstellung 2
- caturkonasana
- Hüftöffnung 1 zeigt die Stärke des Quadrizeps und übt sie, gegen Schwerkraft des Beins und Beweglichkeitseinschränkungen der Hüftbeuger anzuarbeiten
- Hüftöffnung 2 zeigt die Stärke des Quadrizeps und übt sie, gegen Schwerkraft des Beins und Beweglichkeitseinschränkungen der Hüftbeuger anzuarbeiten
- Hüftöffnung zeigt die Stärke des Quadrizeps und übt sie, gegen Schwerkraft des Beins und Beweglichkeitseinschränkungen der Hüftbeuger anzuarbeiten
- parivrtta_parsvakonasana zeigt die Stärke des Quadrizeps und übt sie, gegen Schwerkraft und beweglichkeitseingeschränkte Hüftbeuger anzuarbeiten
- Kriegerstellung 1 zeigt die Stärke des Quadrizeps in beiden Beinen und übt sie – im hinteren Bein, um gegen Schwerkraft und Hüftbeuger anzuarbeiten
Schwäche der Ischiocruralen GruppeDie Ischiocrurale Gruppe ist mit Ausnahme des biceps femoris caput breve biartikulär: knieflektierend und hüftextendierend. Im Stand und moderaten Gehen ist die Ischiocrurale Gruppe der Haupt-Extensor des Hüftgelenks, erst unter größerer Beugung und Last werden die Gluteen aktiv. Eine Schwäche der Ischiocrurale Gruppe lässt im Stand das Becken nach vorn in die Flexion kippen und das Knie zu leicht in die Hyperextension fallen. Obwohl es sich um die Antagonisten handelt, ähnelt das klinische Bild hier dem der Schwäche des Quadrizeps, nur dass in letzterem Fall das Becken aktiv nach vorn gekippt wird, um den Quadrizeps zu entlasten, im Fall der Schwäche der Ischiocruralen Gruppe kippt es aus dem (relativ gesehen stärkeren) Zug der Hüftbeuger nach vorn. Auch hier wird der Gang von vermehrter Hyperextension geprägt. Diagnose/Therapie mit folgenden Haltungen: siehe weiter oben unter Schwache Extensoren der Hüfte. In vielen Alltagsbewegungen ist die Ischiocrurale Gruppe sowohl an der Extension oder am Verhindern der Vermehrung Flexion in den Hüftgelenken beteiligt, aber zum großen Teil beugen diese Muskeln auch die Knie. Verkürzung des triceps surae Folge sind vermehrte Plantarflexion im OSG und vermehrte Supination im USG (Spitzfuß) mit scheinbarer Verlängerung des Beins, was durch eine leichte Flexion im Knie ausgeglichen wird. Beim Gang wird der Vorfuß zuerst aufgesetzt, die Flexion im Knie bleibt in größerem Maß bestehen als normal. Wird das betroffene Bein von hinten nach vorn gezogen, muss mehr im Hüftgelenk gebeugt werden, damit der Vorfuß nicht an den Boden stößt. Das Anheben des Beins wiederum wird erleichtert durch ein etwas nach vorn gekipptes Becken, wodurch sich die Hüftbeuger verkürzen und eine Hyperlordosierung der LWS ausprägen können. Da die Ischiocrurale Gruppe am Halten des Beckens in der leichten Flexion beteiligt ist und die größere Beugung des Kniegelenk als normal während des Gehens leisten muss, ist deren Verkürzung ebenfalls wahrscheinlich. Diagnose/Therapie mit folgenden Haltungen: Hier muss unterschieden werden zwischen den drei Teilen des triceps surae:
- Gastrocnemius sehr kraftvoller Plantarflexor des Fußgelenks und gleichzeitiger Supinator im USG; gleichzeitig Kniebeuger, mit der Plantarflexion sehr wichtig beim Gehen/Laufen
- Soleus kraftvoller Plantarflexor des Fußgelenks und gleichzeitiger Supinator
- Plantaris für die Plantarflexion weitgehend zu vernachlässigender Knieflexor und Endorotator des Unterschenkels
Die beiden wichtigen Muskeln sind also der Soleus und der Gastrocnemius, von denen der erste bei jeder deutlichen Plantarflexion des Fußgelenks gedehnt wird und der zweite nur in sehr starker Abhängigkeit von der Streckung des Kniegelenk. In Haltungen mit nicht gestreckten Kniegelenk dürfte also nur der Soleus gedehnt werden, beim Durchstrecken des Kniegelenk kommt sukzessive mehr Dehnung des Gastrocnemius dazu und bei ganz durchgestrecktem Kniegelenk dürfte diese Dehnung die des Soleus deutlich überwiegen. Die relevanten Haltungen sind:
Haltungen mit gestrecktem Bein und 30°-45°-Winkel zwischen den Füßen
- Kriegerstellung 1 wirkt auch auf den Gastrocnemius
- parsvottanasana wirkt auch auf den Gastrocnemius
- parivrtta trikonasana wirkt auch auf den Gastrocnemius
Haltungen mit gestrecktem Bein und 30°-45°-Winkel zwischen den Füßen sowie einige weitere:
- Hund Kopf nach unten wirkt auch auf den Gastrocnemius
- utkatasana Beweglichkeitseinschränkungen des Soleus begrenzen das Kippen des Unterschenkels nach vorn zum Boden hin, nehmen damit deutlichen Einfluss auf den Schwerpunkt und verstärken die Notwendigkeit, den Oberkörper nach vorn zu kippen
- Hocken 1 zeigt und übt die Beweglichkeit des Soleus
- Hocken 2 zeigt und übt die Beweglichkeit des Soleus
- malasana zeigt und übt die Beweglichkeit des Soleus
Schwäche der FußheberBei Gehen würde der nach vorn zu ziehende hintere Vorfuß kurz über den Boden schleifen, weshalb mehr in der Hüfte gebeugt werden muss. Wird der Fuß vorn aufgesetzt, erreicht erst der Vorfuß den Boden, es entsteht der Stepper- oder Storchengang. Durch die vermehrte Flexion in den Hüftgelenken entsteht wiederum eine Hyperlordosierung der LWS und Verkürzung der Hüftbeuger, die durch deren vermehrte Arbeit noch gefördert wird. Diagnose/Therapie Bezogen auf die Kinetik des menschlichen Gehens sind die Fußheber bis auf eine Mitwirkung an Pronation und Supination, also an den seitlichen Kippbewegungen des Fußes von keiner größeren Relevanz als dass sie erstens den Vorfuß soweit anheben, dass er nicht auf dem Untergrund anstößt, wenn der Fuß beim Gehen von hinten nach vorn gezogen wird und andererseits den Fuß für eine erneute Plantarflexion vorbereiten, die Teil des Vortriebs ist. Demzufolge könnten die Plantarflexoren in Analogie zu Begriff „Fußheber“ ihrer Antagonisten auch „Abstoßer“ oder „Wegdrücker“ genannt werden, weil sie mit nennenswertem Krafteinsatz zum Vortrieb beitragen. Des Weiteren stützen die Plantarflexoren den nach vorn geneigten und mit einem Bein abgestützten Oberkörper ab, wie sie auch im Falle des symmetrischen zweibeinigen Standes in Anatomisch Null tun.
Auch hierzu fehlt eine Analogie bei den Fußhebern. Sollten sie den Körper gegen das nach hinten Kippen abstützen, müsste der Vorfuß schon am Boden fixiert sein, und selbst dann würden ihnen nennenswerte Kraft dazu fehlen. Aus diesen bewegungsphysiologischen Ausführungen sollte klar werden, dass sowohl im täglichen Leben als auch im Yoga den Fußhebern wenig Training oder auch nur Möglichkeit dazu gegeben werden kann. Abgesehen von eher exotischen Beispielen wie dem Gehen in schwerem Schuhwerk oder dem sportlichen Radfahren mit Klickverschluss oder Bügel über dem Vorfuß gibt es nicht viel Einsatz über das Heben des Vorfußes beim Gehen hinaus. In den asanas dienen sie als Dorsalflexoren hauptsächlich dazu, die Spannung der Plantarflexoren des triceps surae auszugleichen, wenn der Fuß nicht auf eine Unterlage gedrückt wird und somit die Spannungen nicht von der Schwerkraft oder anderen Wirkungen annulliert werden. Ein Beispiel hierfür sind die Umkehrhaltungen:
Hier werden die Fußheber eingesetzt, müssen aber außer der Ruhespannung ihrer Antagonisten keine nennenswerte Kraft aufbringen. Würde man Haltungen konstruieren, in denen sie in der Anatomisch Null entsprechenden Haltung des Fußgelenkes kräftig zum Arbeiten kommen, hätten sie zudem sicherlich eine deutliche Krampfneigung, da sie sich nahe dem Maximum ihrer konzentrischen Kontraktion und damit nahe befinden. Die einzigen Haltungen, in denen man sie ein wenig trainieren und Aussagen über ihre Kraft erheben könnte, wären demnach solche mit eher gestrecktem (plantarflektiertem) Fußgelenk. Und da bieten sich die Varianten der Hundestellung Kopf nach unten und Hundestellung Kopf nach oben mit umgedrehtem Fuß an:
- Hund Kopf nach unten mit umgedrehtem Fuß wobei hier die Füße aus der Plantarflexion gegen die Schwerkraft gebeugt werden
- Hund Kopf nach oben mit umgedrehtem Fuß wobei hier die Füße aus der Plantarflexion gegen die Schwerkraft gebeugt werden
In der obigen Aufzählung sind Diagnose und Therapie zusammengefasst, weil dieses ein Typisches bei Yogahaltungen ist: sie zeigen in ihrer Ausführung die Schwierigkeiten oder Grenzen und sind i.d.R. genau das Therapeutikum, um diese zu beheben bzw. zu erweitern. In Einzelfällen nutzen wir auch reine Tests wie etwa den Hüftbeugerbeweglichkeitstest, die als Therapeutikum wegen ihrer sehr schwachen Wirksamkeit das Kriterium Effektivität zwar theoretisch erfüllen, aber der Effizienz fundamental ermangeln. Etliche gebräuchliche Tests, wie etwa die Erhebung der Beweglichkeit der Schultern in Richtung frontaler Abduktion durch maximal mögliches Anheben der Arme bei auf die Wand gedrücktem Rücken sind uns allerdings zu ungenau, genauso wie einige Dehnübungen, die im Sport immer wieder zu sehen sind, wie etwa das Dehnen des Quadrizeps, indem ein Fußgelenk mit der seitengleichen Hand bei gebeugtem Kniegelenk gehalten wird; hier wird zwar eine gewisse, nicht besonders große (die Muskulatur des Arms steht gegen die des Beins eher auf verlorenem Posten) Dehnungswirkung auf die monoartikulären Anteile des Quadrizeps ausgeübt, dafür kann aber der besonders wichtige biartikuläreRectus femoris fröhlich alle Dimensionen des Ausweichens im Hüftgelenk nutzen. Hier bieten die präzise beschriebenen asanas mit ihren Hinweisen auf möglicher- oder wahrscheinlicherweise auftretendes Ausweichen in verschiedene Richtungen, dessen Abhängigkeiten untereinander und den Möglichkeiten dieses zu erkennen und zu vermeiden, deutlich mehr.
Unterschieden werden muss zwischen einerseits den symmetrischen Haltungen, die teilweise sehr direkt Seitendifferenzen aufzeigen, wie etwa eine baddha konasana, bei der die Knie unterschiedlich weit vom Boden entfernt sind, eine upavista konasana mit Klotz, bei der die Arme unterschiedlich weit nach oben-hinten bewegen oder schlicht eine Rückenausstreckung, bei der die Schultern trotz exakt gleich hoch auf die Wand gesetzter Hände ungleich hoch stehen, und andererseits asymmetrischen Haltungen wie den Hüftöffnungen 1, 2, 3, 4, 5, den Kriegerstellungen 1, 2, 3, parsvottanasana oder gomukhasana andererseits, die zwar nur im erinnerten oder aufgezeichneten Vergleich die Seitenunterschiede aufdecken, dafür jedoch eine sehr gute Möglichkeit bieten, die eingeschränktere Seite länger oder öfter zu üben.
Selbstverständlich sollte in allen oben beschriebenen Fällen versucht werden, die Ungleichheit zu beseitigen, weil dies unabdingbare Voraussetzung für eine gute Körperstatik, und Beschwerdefreiheit sowie die beste Voraussetzung für langfristige Gesundheit des Bewegungapparates ist. Eine Analyse mit folgendem auf die Defizite abgestimmtem regelmäßig ausgeführtem Programm ist dabei sehr hilfreich. Der Erfolg sollte kontrolliert werden. Grundsätzlich sollte nicht nur die (mehr) verkürzte Seite geübt werden, jedoch sollte der (mehr) verkürzten mehr Aufmerksamkeit und Zeit geschenkt werden.
Es kann daher bei asymmetrischen Haltungen empfehlenswert sein, die betroffene Seite zuerst zu üben und nach der anderen Seite noch einmal die betroffene Seite zu üben. So profitiert sie einerseits von dem Marginaleffekt, dass die zuerst geübte Seite nicht selten intensiver, aufmerksamer oder länger geübt wird andererseits erhält sie durch die einmal häufigere Ausführung gegenüber der anderen Seite insgesamt mehr Wirkung.
Nicht angeraten ist indes, die andere Seite gezielt etwa durch einseitiges sportliches Training einzusteifen. Viel besser ist, die Beweglichkeit auf ein einheitliches höheres Niveau zu heben. Selbstverständlich brauchen diese Prozesse Zeit und wiederholte Zuwendung. Der Versuch, rasche Ergebnisse zu erzwingen, dürfte auch hier wie in vielen anderen Fällen mit Nebenwirkungen behaftet sein, nicht zuletzt deswegen, weil der Körper sich über eine entsprechende Zeit an das Ungleichgewicht adaptiert hat und diese „Umadaption“ nun fließend vornehmen muss.
Für einige symmetrische Haltungen gibt es Tricks, wie z.B. die Benutzung einer Kurzhantel in der liegenden Varianteder upavista konasana, bei der ein Gürtel um den Fuß der schwierigeren Seite gelegt wird, an dem eine adäquate Kurzhantel hängt oder die auf dem Oberschenkel der schwierigeren Seite abgelegte Kurzhantel in der Variante „an der Wand“ der baddha konasana. Hier ist die mit dem Hebelarm zunehmende Wirksamkeit zu beachten: je weiter die Kurzhantel vom Becken entfernt (in Richtung Knie) liegt, desto größer der Hebel und desto intensiver die Dehnungswirkung.
Diagnostizierte Beinlängendifferenzen sind in über 90% der Fälle funktional und nicht anatomisch, beruhen also auf ungleichmäßigen Muskelspannungen und erwecken den Eindruck einer Längendifferenz oder beruhen auf Subluxationen der betroffenen Gelenke: Sprunggelenk (v.a. OSG), Kniegelenk und vor allem Hüftgelenk. Natürlich muss aufgeklärt werden, um welche Art Längendifferenz es sich handelt, da eine falsche Therapie möglicherweise mehr Schaden anrichtet als keine. Selbst bei ausgeprägten anatomischen Längendifferenzen der Beine sollten nicht direkt 15 oder 20 mm ausgeglichen werden, da der Körper sich über lange Zeit an die Differenz angepasst hat und eine Veränderung der Adaption entsprechende Zeit braucht bzw. ein zu schneller Ausgleich i.d.R. deutliche Nebenwirkungen hat.
An dieser Stelle sollen einige typische Verhaltensweisen aufgezeigt werden, die Seitendifferenzen (und weitere Störungen) ausprägen können, nicht alle beziehen sich auf den Bein- und Beckenbereich und prägen damit unbedingt einen Beckenschiefstand oder eine Beckenverwringung aus. Es muss beachtet werden, dass Dominanzen der Extremitäten häufig und nicht ohne Grund seitengleich ausgeprägt werden und Störungen des Oberkörpers auf den Bein/Beckenbereich wirken können und umgekehrt. Störungsbilder im Bein/Beckenbereich müssen also nicht aus der unteren Extremität herrühren, sie können auch auf dem Verhalten der oberen Extremität oder des Rumpfs beruhen, also von oben nach unten wirken:
- Sitzen mit einem überschlagenen Bein: verändert die Spannung der Adduktoren und der Pomuskulatur, kippt das Becken leicht seitwärts, wodurch die untere LWS leicht seitwärts gekippt steht
- Stehen mit ungleicher Lastverteilung zwischen den Füßen
- häufiges Bücken zu einer Seite bzw. schräg nach vorn-seitwärts: üblicherweise prägt ein Mensch schon früh eine dominante Hand aus, die ihn zum Rechts- oder Linkshänder macht. Genauso prägen wie ein dominantes Bein aus, welches häufig das seitengleiche ist wie die dominante Hand. Benutzen wir die rechte Hand um etwas anzuheben, weil sie kräftiger und feinmotorischer ist als die linke, ist es einfacher, sich mit dem rechten Bein nach vorn gesetzt abzustützen als mit dem linken. Damit prägen sich viele Muskeln unterschiedlich aus: die rechte Wadenmuskulatur wird kräftiger, die rechten Ischiocruralen Gruppe werden kräftiger, die rechten Gluteen ebenfalls und auch die autochthone Rückenmuskulatur der rechten Seite wird stärker ausgeprägt als die linke. Des Weiteren werden unter anderem rechts der Latissimus dorsi, die Schulterblattretraktoren und Armbeuger sowie die Fingerflexoren kräftiger. Dieses seitenungleiche Verhalten rückverstärkt sich, da beim Versuch, die andere, hier im Beispiel die linke Seite zu benutzen, als schwächer, anstrengender und vielleicht auch weniger feinmotorisch empfunden wird, so dass fortan umso mehr die rechte Seite benutzt wird.
- Bauchschlaf impliziert die Notwendigkeit, sich gegen Ersticken zu sichern, was bei gerade auf das Kopfkissen gedrücktem Kopf wahrscheinlich wäre. Also wird der Kopf zur Seite gedreht. Wäre der Kopf nicht mit einem Arm gestützt, müsste die HWS rund 90° rotieren, was für einen darin ungeübten Erwachsenen mit ziemlicher Sicherheit zu einer derartigen Verspannung führen würde, dass eine Krankmeldung für mindestens einen Tag notwendig wäre. Also benutzt man einen angewinkelten Arm um den Kopf zu stützen, was zwar zu deutlich reduzierter aber immer noch signifikanter Rotation der HWS resultiert. Dafür ist aber der Schultergürtel in völliger Asymmetrie, die auf der Seite des über Kopf angewinkelten Arms häufig unter anderem zur Ausprägung einer chronischen Verspannung des Trapezius führt.
- Bauchschlaf mit seitlich angezogenem Bein prägt die Beweglichkeit der Adduktoren seitengleich besser aus, gleichzeitig neigen die Antagonisten zu Verspannung. Das angezogene Bein führt in der Regel zu einem leicht gedrehten Becken und unterschiedlichen Spannungen zumindest der Lateralflexoren. Häufig ist die Wirbelsäule leicht totalkonvex in eine Richtung gebogen, so dass auch die HWS miteinbezogen wird.
- Seitenschlaf disponiert je nach benutzten Kissen, Matratzen und anderem zu verschiedenen von Anatomisch Null abweichenden Formen der Wirbelsäule, denen häufig ein Wechselspiel der Lateralflexion nach links und nach rechts innewohnt. Demgemäß verändern sich die Muskeln und deren Faszien mit Neigung, eine Skoliose auszuprägen. In der Regel werden die Beine nicht aufeinander abgelegt, sondern eins liegt zumindest leicht gegen das andere nach vorn verschoben, was zu Unterschieden in Hüftgelenken und Beckenstellung führt, ggf. auch zu Einwirkung auf das Knie des oberen Beins durch den anhaltenden leichten Varusstress.
- Bildschirmarbeit mit nicht genau frontal vor dem Kopf aufgestellten Monitor führt natürlich durch die notwendige anhaltende Rotation des Kopfes zu Ungleichgewicht des Schulter-Nackenbereichs. Häufig wird auch der Oberkörper im Gradbereich gedreht, was ihn ebenfalls ungleich ausprägt.
- verschiedene „gemütliche“ Positionen abends auf der Couch in unterschiedlichen Schräglagen können als einmaliger Verursacher zu Verspannungen direkt danach oder auch am nächsten Tag führen, als häufig eingenommene Haltung können sie den Bewegungsapparat aber auch nachhaltig beeinträchtigen.
- das in vergangenen Jahrzehnten übliche Tragen von Taschen oder Aktentaschen schon im Schulkindalter führte natürlich zu nachhaltigen Störungen im Bewegungsapparat, diesmal von oben nach unten wirkend, also von der oberen Extremität, die die Last trug, über die Schultern und die Rumpfmuskulatur in Becken, Bein und Fuß.
Kannst du mir nicht ein Programm erstellen, was ich regelmäßig allein üben kann?
Frage:
Ich weiß zuhause nicht, was ich üben soll. Kannst du mir nicht ein Programm erstellen?
Antwort:
Eine nicht selten gestellte Frage und immer kommt von mir die etwa gleiche Antwort: bloß nicht! Ich würde dich auf einiges Weniges festlegen und eine Einseitigkeit hervorrufen. Auch wenn es derzeit bestenfalls genau das sein mag, was du am dringendsten brauchst, so wird sich dessen Potential als Korrektiv irgendwann erschöpft haben, und ab dem Zeitpunkt wird es dich in einen anderen einseitigen Zustand treiben. Und es gibt vielleicht auch noch zweit- und drittwichtigste Dinge, die ich dir vorenthalten würde – Mal abgesehen davon, dass du dir auch alles andere, was ich dir nicht anrate, nicht erobern würdest, damit es in deinen Seinszustand übergehe.
Grundsätzlich geben wir bis auf Weiteres keine Hausaufgaben, weil wir damit eben eine einseitige Festlegung und einen Ausschluss vieler anderer wichtiger Aspekte fördern würden. Nichtsdestotrotz können wir sicher sein, dass unsere Schüler ihre Hausaufgaben, oder sagen wir lieber, ihr To-Do erkennen, gerne mit klaren Hinweisen auf Schwierigkeiten und Zusammenhänge.
Grundsätzlich testen wir auch, wo nötig und geben Hinweise auf Defizite und wie man sie aufarbeiten kann, aber einseitige Festlegungen aus superiorer Position halten wir für bedenklich. Das beste, was einem Lehrer – in diesem Fall der asanas – geschehen kann ist, dass sein Schüler die negative Polarität gegenüber seinem Lehrer, der ihm Seins präsentiert, irgendwann völlig verliert und dann sagen kann: nun ist es uneingeschränkt meins!
Mehr als „geh hier lieber mal etwas mehr rechts, um aus der Quelle dort vorn zu trinken“ oder „meide den Abgrund dort vorn links“ sollte der Lehrer wohl nicht sagen, der Weg ist der des SCHÜLERS.
Unfähigkeit Knie durchzustrecken auch bei gestreckter Hüfte / Spannungsempfinden in der Beinrückseite bei Kniestrecken nach Schneidersitz oder supta virasana
Frage:
Im Zusammenhang mit der äußeren Rückseite des Knies tauchen zwei Fragen auf:
- A) Ich kann die Knie nicht durchstrecken, das scheint aber nicht das typische Problem steifer Beinrückseiten zu sein, weil es unabhängig vom Winkel im Hüftgelenk ist, was ist das?
- B) Nach Haltungen wie virasana, supta virasana, Lotus und ähnlichen Haltungen habe ich ein Spannungsgefühl in der äußeren Knierückseite, was ist das?
Antwort:
das sind zwei eher seltene Fälle, die beide etwas unterschiedlich angegangen werden müssen. Im Falle
- A) wenn sich das Knie grundsätzlich auch bei 20°-30° gestrecktem Hüftgelenk (leicht gebeugt deswegen, damit die Hüftbeuger keine Einschränkung setzen können) bemerkbar macht, handelt es sich vermutlich um eine Verkürzung des caput breve des Bizeps femoris, also des eingelenkigen Bizepsanteiles, der nur das Kniegelenk beugt und nicht im Hüftgelenk streckt. Simples langsames immer weitergehendes Strecken des Beins mit Kraft des Quadrizeps, mit einem Gewicht oder durch einen Supporter ist dann das Mittel der Wahl, immer wieder durchzuführen bis die Streckfähigkeit des Knies wieder erreicht ist. Ursächlich für dieses Phänomen sind z.B. Laufsport oder Sport mit hohem Laufanteil in Verbindung mit sitzender Tätigkeit, egal ob auf dem Stuhl oder im Schneidersitz.
- B) wenn sich das Knie normalerweise ohne Dehnungsempfindung ganz strecken lässt, ist dies ein anderer Fall. In den genannten Haltungen ziehen sich die Muskeln in der Beinrückseite zusammen, je länger die Haltung beibehalten wird, desto mehr. Hier ist eine echte Beweglichkeitseinschränkung aber nicht gegeben, Dehnen des Bizeps femoris caput breve durch vollständiges Strecken des Kniegelenk ist nahezu widerstandsfrei möglich und daher als Lösung nicht erfolgreich. Daher muss versucht werden, auf andere Weise auf den Muskel Einfluss zu nehmen und zwar durch intensive Arbeit im Bereich großer Sarkomerlängen, was in diesem Fall heißt kurz vor Streckung des Kniegelenk. Eine brauchbare Möglichkeit dazu ist, sich auf dem Boden rücklings auf den Unterarmen abzustützen und die Fersen auf einen Stuhl zu legen, der vor einem steht. Das Becken soll den Boden nicht berühren und dann werden kleine Beuge- und Streckbewegungen in den Kniegelenk durchgeführt, mit denen das Teilkörpergewicht aus Beinen, Becken und Oberkörper jeweils angehoben wird. Selbstverständlich sind die Pomuskeln haltend an dieser Bewegung mitbeteiligt, aber die eigentliche Arbeit geschieht aus den Ischiocruralen Gruppe beider Beine, die dadurch einerseits gekräftigt werden und andererseits im besten Fall bei intensivem Training sogar longitudinale Muskeladaption zeigen, das heißt, die Anzahl serieller Sarkomere vergrößern, was dem Muskeln neben anderen positiven Effekten eine größere Flexibilität und einen niedrigeren Ruhetonus bringt. Beides zusammen sollte dazu führen, dass sich der oben beschriebene Effekt nach einigem Üben nicht mehr zeigt.
Man kann die Verkürzungen unterscheiden und in Schweregrade einteilen, hier in absteigender Reihenfolge:
- das Bein hat unabhängig vom Winkel der Flexion in den Hüftgelenken ein Streckdefizit, dann ist es der monoartikuläre Kopf des Bizeps (caput breve). Das Strecken des Kniegelenk dann wiederholt üben, zur Not mit Sandsack, siehe oben.
- das Bein zeigt nach virasana, supta virasana, Lotus o.ä. eine Spannung im Bizeps / dessen Sehne, die erst langsam weniger wird. Dann Hüftöffnung am Mattenrand und 3. Hüftöffnung üben, jeweils mit geringerer Beugung (also größerem Winkel) im betroffenen Bein.
- das Bein zeigt in den gerade genannten Haltungen eine auffällig hohe Spannung im Bizeps. Auch dann: Üben!
- das Bein zeigt in einigen Haltungen mit gestrecktem Bein zur Dehnung der Ischiocruralen Gruppe eine überhöhte Spannung im Bizeps. Auch hier, siehe obige Rezeptur!
Wenn ich den Oberkörper kräftig drehe, geht mir die Streckung der WS verloren, woher kommt das?
Frage:
Ich habe festgestellt, dass wenn wir Drehhaltungen üben und es heißt, ich soll den Rücken gestreckt halten, das umso schwieriger ist, je kräftiger ich drehe. Ist das normal?
Antwort:
Ja. Durch die Rotation der Wirbelsäule entsteht eine leicht erhöhte Neigung des Oberkörpers zu krümmen. Dies begründet sich darin, dass die Spannung der Bauchmuskulatur, vor allem der schrägen, weniger des Rectus abdominis, die Rippen bzw. das Sternum nach kaudal zieht. Auf der dorsalen Seite des Körpers werden zwar bei der Innervation des transversospinalen und sakrospinalen Teils der autochthonen Rückenmuskulatur, also des sogenannten Schrägsystems welches ebenfalls rotatorisch wirksam ist, gleichzeitig auch extendierende Momente erzeugt, die auf die WS eine streckende Wirkung haben, jedoch überwiegt der Zug der Bauchmuskulatur letzteren Effekt. Also gilt: je kräftiger wir drehen, desto mehr will der Rücken krümmen. Oder anders: je intensiver wir drehen, desto mehr können wir unsere autochthone Rückenmuskulatur kräftigen.
Spannung im Leistenbereich (Pectineus)
Frage:
Ich habe da ein mehr oder weniger ständiges Spannungsgefühl / Ziehen im Leistenbereich, das sich auch durch die meisten Standard-Übungen nicht merklich bessert. Was kann das sein? Und was kann ich dagegen tun?
Antwort:
Wenn das Phänomen aller Wahrnehmung nach muskulär ist und kein Schmerz wie etwa bei einem Leistenbruch oder einer Entzündung im Bauchraum oder Becken und wenn es des Weiteren nicht positiv auf Rückbeugen oder hüftextendierende Haltungen wie Hund Kopf nach oben, Brücke, setu bandha sarvangasana, Hüftöffnung 1 und dergleichen reagiert, kann es sich um die Auswirkungen eines verkürzten Pectineus handeln. Die Missempfindung kann dann durch Testen lokalisiert werden als
- kaudal sämtlicher Bauchmuskulatur
- weiter medial als Sartorius und Rectus femoris
- superfizieller als der profund liegende Ansatz des Iliopsoas am Trochanter minor
- kranial/lateral der restlichen Adduktorengruppe
- kaudal und lateral der Schambeinhöcker
Der Pectineus ist der kürzeste aller Adduktoren und hat seinen Ursprung kranial der anderen Adduktoren oberhalb des Ursprungs des Adduktor brevis am Schambein. Sein Ansatz ist ebenfalls weit kranial am Femur. Da er kein langer und kein großer Muskel ist, ist seine muskuläre Kompetenz eher begrenzt. Seine Funktionen der Wirksamkeit nach sind: Adduktion, leichte Exorotation und leichte Flexion im Hüftgelenk. Grundsätzlich wären daher bei einem verspannten Pectineus Hüftextensionen wie etwa alle Rückbeugen hilfreich, möglicherweise sind aber die Hüftbeuger nicht flexibel genug, um eine so weite Extension zu erlauben, dass der Pectineus nennenswert gedehnt wird. Grundsätzlich wird diese Verspannung/Verkürzung, statistisch gesehen, auch eher bei weniger beweglichen Menschen auftreten als bei sehr flexiblen. Um dem Phänomen zu begegnen, sind die Abduktionen im Hüftgelenk dann wirksamer als die Extensionen. Da er aus Anatomisch Null heraus eine leicht hüftflektierende Wirkung hat und Extensionen des Hüftgelenks ihn in größere Sarkomerlängen bringen als Flexionen, empfehlen sich also Abduktionen in Hüftextension (die als Yogahaltungen in der Regel nicht vorkommen, weil die Abduktion als Ausweichbewegung bei Extensionsanforderungen bewusst vermieden wird) oder zumindest ohne Flexion in gestrecktem oder möglichst gestrecktem Hüftgelenk. Darunter fallen etwa
- supta padmasana ohne und mit Gewicht, auch als ardha padmasana-Variante
- adho mukha supta padmasana
- prasarita savasana
- supta baddha konasana
- adho mukha supta baddha konasana
nicht aber die Standard-Varianten des Lotus und der baddha konasana, da die etwa 90° Hüftflexion jegliche dehnende Wirkung ausschließt. Hingegen können in Haltungen mit extrem weiter Hüftflexion, die nicht von den biartikulärenHüftextensoren (der Ischiocruralen Gruppe) eingeschränkt wird, also bei deutlich gebeugtemKniegelenk, wegen der durch die Gelenkstruktur erzwungene Abduktion wieder Dehnungswirkungen auf den Pectineus auftreten. Es lohnt sich also hier ein Versuch mit
Da eine möglichst geringe Flexion im Hüftgelenk für die Wirkung der Haltungen wichtig ist und fast alle Adduktorenhüftflektierende Wirkung haben, die in Abduktion zunimmt, ist es hilfreich, diese vorab aufzuwärmen, genauso wie die Hüftbeuger, insbesondere wenn eine der Gruppen deutliche Beweglichkeitseinschränkungen aufweist.
Umgang mit Beinlängendifferenzen in den Haltungen
Frage:
Ich habe unterschiedlich lange Beine. muss ich das bei den asanas beachten?
Antwort:
Das ist sehr uneinheitlich. In manchen Haltungen spielt es überhaupt keine Rolle, weil die Beine nicht auf dem Boden sind, siehe z.b. Umkehrhaltungen wie Handstand, Kopfstand, rechtwinkliger Kopfstand, Schulterstand, rechtwinkliger Schulterstand, Ellbogenstand, oder andere Haltungen, in denen die Beine keinen Bodenkontakt haben wie supta dandasana, jathara parivartanasana, oder keine große Last auf den Beinen ist wie rechtwinkliger Handstand, rechtwinkliger Ellbogenstand, pascimottanasana, in anderen spielt es keine Rolle, weil sie asymmetrisch sind, wie etwa die asymmetrischen Stehhaltungen trikonasana, parsvakonasa, 2. Kriegerstellung. Die unterschiedliche Länge eines Beines resultiert in minimal veränderten Hebeln und Kräften, die aber im Bereich dessen liegen, was ohnehin durch das asymmetrische Bewegungs- und Haltungsverhalten des Menschen in Arbeit, Sport und Freizeit verursacht wird.
Bei großen Unterschieden in symmetrischen Haltungen mit gestreckten Beinen, auf denen das Körpergewicht oder ein nennenswerter Teil desselben ruht, würde man die Differenz ausgleichen, z.B. mit einem passenden, flachen Holz oder einigen, angepassten Patches. Dazu gehören vor allem uttanasana, tadasana, urdhva hastasana, freie Rückbeuge mit den meisten Varianten.
In utkatasana würde man versuchen das Becken gerade zu halten, ohne deswegen eine Erhöhung benutzen zu müssen. Das geht hier, da die Beine gebeugt sind und resultiert in einer minimal geringeren Beugung in einem der beiden Kniegelenk, die Winkeldifferenz dürfte jedoch im Bereich von deutlich unter einem Grad liegen, so dass die physiologischen Effekte wie etwa die veränderte Sarkomerlänge, in der die Muskeln arbeiten, marginal sind und im Rahmen der üblichen Seitendifferenzen liegt, die die Menschen durch ihr in der Regel nicht exakt symmetrisches Bewegungs- und Haltungsverhalten in Beruf, Sport, Freizeit ohnehin entwickeln. Ähnliches gilt für caturkonasana. Wäre ein Oberschenkel länger als der andere, so wäre deswegen die Lastverteilung zwischen den beiden Beinen nicht exakt hälftig, es kommt aber bei waagerechten Oberschenkeln zu keinem unerwünschten Beckenschiefstand. Wäre ein Unterschenkel länger als der andere, so hätte für eine optimal gerade Beckenhaltung das eine Knie eine minimal größere Beugung, also 90° + x, was in Analogie zur utkatasana durchaus tolerabel ist. In ustrasana würde man das Knie des kürzeren Beins entsprechend erhöhen, damit das Becken gerade stehen kann. Auch hier ergibt sich wieder eine minimal unterschiedliche Sarkomerlänge, die aber, wie oben bereits argumentiert, eher im Bereich verbreiteter Seitendifferenzen liegt, die ohnehin aus der asymmetrischen Benutzung des Körpers resultieren. Das selbe gilt für urdhva dhanurasana, nur dass hier zwischen einer Erhöhung des Beins gewählt werden kann, was das Mittel der Wahl wäre, wenn bekannt ist, dass die Beinlängendifferenz auf ungleich lange Unterschenkel zurückzuführen ist. Liegt die Differenz in den Oberschenkeln begründet, würde man stattdessen die Füße in longitudinaler Richtung entsprechend versetzen.
Im Hund Kopf nach unten kann man die Füße ebenfalls in longitudinaler Richtung entsprechend versetzen, was den Vorteil hat, dass diese Adaption auch im Hund Kopf nach oben und in der Stabstellung greift. Analog würde man auch in setu bandha sarvangasana eher einen longitudinalen Versatz der Füße wählen, wenn nicht bekannt ist, dass die Längendifferenz in den Unterschenkeln begründet ist, denn auch hier drohen die Füße durch den großen Krafteinsatz wegzurutschen. Alternativ bietet sich die Variante gegen die Wand an, in der wieder beide Varianten zur Wahl stehen. Dort muss einer der Füße gegen einen Abstandshalter an der Wand gedrückt werden, wenn die Beinlängendifferenz in den Oberschenkeln gegründet ist und auf eine Erhöhung gesetzt werden, wenn die Unterschenkel die Ursache sind. Zu bevorzugen ist diese Art Anpassung auch deswegen, weil etwa die Alternative, Patches unter einem Fuß zu benutzen, sich bei häufigerem Wechsel als nicht dauerbelastbar genug erweisen dürfte, sie rutschen früher oder später weg. Im Hund Kopf nach oben ist das nämlich das Verhältnis zwischen der Kraft, die eine Verschiebung der Patches untereinander oder auf der Unterlage bewirkt zu der die Reibung vermittelnden Schwerkraft ungleich ungünstiger ist als im Hund Kopf nach unten: die Auflagekraft ist durch den von den Füßen weg verschobenen Schwerpunkt reduziert und der nach hinten (von den Händen weg) ausgeübte Druck sollte deutlich höher sein. Die Rückenausstreckung lässt ebenfalls grundsätzlich die Wahl zwischen Erhöhung eines Fußes oder longitudinalem Versatz der Füße. Da es in der Haltung um die Aufwärmung und Dehnung der Ischiocruralen Gruppe geht, wäre der Versatz der Füße nicht das Mittel der Wahl, weil er den Arbeitsbereich der Ischiocruralen Gruppe verschiebt während die Alternative diesen Nachteil nicht hat.
Mit obigen Kriterien kann man die Haltungen wie folgt einteilen.
- symmetrische Haltungen ohne Gewicht oder mit nur geringem Gewicht auf den FüßenHandstand, Kopfstand, rechtwinkliger Kopfstand, Schulterstand, rechtwinkliger Schulterstand, Ellbogenstand, supta dandasana, jathara parivartanasana, rechtwinkliger Handstand, rechtwinkliger Ellbogenstand, pascimottanasana, ardha chandrasana, parivrtta ardha chandrasana, halasana, parsva_halasana, karnapidasana, parsva karnapidasana, supta konasana, Hyperbel, samakonasana, upavista konasana, tolasana, dandasana, supta dandasana, navasana, bhujangasana, salabhasana, savasana, Liegen auf Rolle, Liegen auf Klotz, viparita karani,
- symmetrische Haltungen mit nennenswertem Gewicht auf den Füßen und gebeugten Knien: uttanasana, prasarita padottanasana, tadasana, urdhva hastasana, hasta padangusthasana, virasana, supta virasana
- symmetrische Haltungen mit nennenswertem Gewicht auf den Füßen aber gebeugten Knien: utkatasana, caturkonasana
- asymmetrische Haltungen: trikonasana, parivrtta trikonasana, parsvakonasana, parivrtta parsvakonasana, 1. Kriegerstellung, 2. Kriegerstellung, 3. Kriegerstellung, Theke, vrksasana, garudasana, Hüftöffnung 1, Hüftöffnung 2, Hüftöffnung 3, Hüftöffnung 4, Hüftöffnung 5, padmasana, ardha padmasana, Hüftöffnung am Mattenrand, janu sirsasana, ardha baddha padma pascimottanasana, tryangamukhaikapada pascimottanasana, supta padmasana, adho mukha supta padmasana, parsva upavista konasana, parivrtta parsva upavista konasana, hanumanasana, gomukhasana, krouncasana, supta krouncasana, ardha supta krouncasana, vasisthasana, Quadrizepsdehnung 1 an der Wand, Quadrizepsdehnung 2 an der Wand, eka pada viparita dandasana, eka pada Variante der urdhva dhanurasana, Drehsitz, supta padangusthasana, Rücken aufrollen, Johns Folge
- Sonderfälle: Schulteröffnung am Stuhl, purvottanasana, Hund Kopf nach unten, Hund Kopf nach oben, Stabstellung, Kreuzheben
Welche Haltungen kann ich bei Bandscheibenschäden machen, welche muss ich meiden?
Frage:
Welche Haltungen kann ich bei Bandscheibenschäden machen, welche muss ich meiden?
Antwort:
bei mir wurde ein Bandscheibenschaden in der LWS festgestellt. Ich weiß jetzt nicht, welche Haltungen ich machen darf und welche nicht?
Die LWS ist der Ort, wo sich die meisten Bandscheibenschäden der WS manifestieren, danach die HWS und zuletzt die BWS. Liegt wie bei Dir der „Klassiker“ vor, müssen bis auf Weiteres für unbestimmte Zeit alle Haltungen gemieden werden, die die LWS flektieren, also beugen in Richtung konvex (von hinten gesehen). Zumeist sind die Bandscheibenschäden auch durch chronische Belastung oder Überlastung in konvexer Position der LWS entstanden. Das fängt an mit Menschen, die jeden Tag lange mit nach hinten gekipptem Becken und meist angelehntem Rücken sitzen. In dieser Haltung kann das Becken nach hinten kippen und wird dies auch tun, wenn der Mensch sich nicht zu einer aktiveren Haltung zwingt. Genau dies bringt aber erhöhten Druck auf die Bandscheiben, was für diese gerade bei fehlendem Haltungswechsel und allgemeinem Bewegungsmangel recht unverträglich ist. Wir müssen annehmen, wie weiter oben ausgeführt, dass Menschen mit einer Verkürzung der Hüftbeuger einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, da bei ihnen die Rückenmuskulatur unter erhöhtem Tonus steht. Es gibt aber noch einige weitere prädisponierende Faktoren wie schweres Heben oder häufiges Bücken in der beruflichen Tätigkeit, sitzende berufliche Tätigkeit, schlechte Sitzmöbel, Bewegungsmangel, schwache Rückenmuskulatur. Was kann man nun mit diesem Problem üben und was muss man meiden und wie lange?
Bevor wir uns das in Bezug auf einzelne Haltungen anschauen, ein kleiner Exkurs: Unbedingt für längere Zeit gemieden werden müssen Haltungen, die die LWS flektieren, da sie einerseits einen für kurze oder längere Zeit verschwundenen Schmerz wieder auslösen können, andererseits durch die ungünstige Last ursächlich dazu beitragen, das strukturelle Problem zu erhalten. Dabei muss grundsätzlich zwischen sitzenden und stehenden Vorwärtsbeugen unterschieden werden. Je weniger beweglich ein Mensch ist, desto weniger gut wirken die sitzenden Vorwärtsbeugen im Sinne der Dehnung in der Ischiocruralen Gruppe (Oberschenkelrückseite), desto schlechter ist aber auch die Wirkung auf die Bandscheiben. Stehende Vorwärtsbeugen sind da grundsätzlich wesentlich geeigneter. Aber auch dabei kommt es insbesondere bei Menschen, die nicht gerade gut beweglich sind, häufig wieder zu den bekannten Schmerzen. Erst wenn die Hüftflexion sehr gut ist, schlägt die Wirkung um und statt die Bandscheiben in den Wirbelzwischenräumen zu komprimieren, wirkt die die Schwerkraft des Teilkörpergewichts eher so, dass die Wirbelsäule auseinandergezogen wird. Dabei ist es schwierig, einen genauen Winkel dafür anzugeben, er dürfte aber deutlich jenseits der 120° Hüftflexion liegen.
Hüftflexionen müssen also bis auf weiteres mit kraftvoll gerade durchgestrecktem Rücken ausgeführt werden. Sie grundsätzlich nicht mehr auszuführen, führt ursächlich zu einer Verschlechterung der Situation, da der Mensch im Alltag vorwärtsbeugende Bewegungen in aller Regel nicht völlig vermeiden kann. Schon das Binden der Schnürsenkel oder das Aufheben von Gegenständen vom Boden bringt außer in Fällen sehr guter Beweglichkeit meist eine Krümmung des Rückens mit, je weniger beweglich die Ischiocrurale Gruppe ist, desto mehr. Zwar könnte der Mensch grundsätzlich versuchen, alle Bewegungen, bei denen er mit den Händen zum Boden langen muss, durch eine tiefe Kniebeuge zu bewerkstelligen, jedoch gibt es oft Faktoren, die das erschweren oder verhindern: der erste Grund liegt im Bereich Scheu vor der damit verbundenen Anstrengung bzw. Bequemlichkeit. Vergesslichkeit, die die Bewegung dann doch wie zuvor gewohnt ausführen lässt, ist ein weiterer gewichtiger Grund. In einigen Fällen mag auch die Dorsalflexionsfähigkeit des Fußgelenks oder deutliche Beweglichkeitseinschränkungen der Po- und Hüftmuskulatur eine tiefe Kniebeuge unmöglich machen, genauso möglicherweise wie beengende Kleidung oder hohe Schuhe dagegen sprechen.
Daraus resultiert die Empfehlung die Vorbeuge mit bewusst gerade gestrecktem Rücken auszuführen, je nach Situation ggf. mit leicht gebeugten Knien. Dazu braucht es entsprechende Kompetenz des Bewegungsapparates: soll dies auch möglich sein ohne oder nur mit geringem Beugen der Kniegelenke, muss die Ischiocrurale Gruppe sehr beweglich werden, außerdem muss – auch wegen des großen Hebelarms – die Rückenmuskulatur und die Ischiocrurale Gruppe ein gewisses Maß an Kraft aufweisen, damit der Oberkörper souverän in gestreckter Position abgesenkt und wieder angehoben werden kann. Soll eine Vorwärtsbeuge dann auch noch länger gehalten werden können, etwa zum Zweck eines kurzen Handgriffs im Zuge irgendeiner Verrichtung, ist dies nochmals eine zusätzliche Anforderung an diese beiden Muskelbereiche. Neben diesen beiden muss auch die Wadenmuskulatur (der Trizeps surae) als Gruppe, die den Hebel des Oberkörpers mit dem Kopf über den Fuß abstützt, entsprechende Kompetenz besitzen. Besteht die Bereitschaft, in Alltagsverrichtungen die Kniebeuge zu nutzen, sollte die Kraft der Quadrizeps genügend gut sein, um dies als leicht erscheinen zu lassen. Werden schwerere Gegenstände gehoben, ist die Kniebeuge meist das Mittel der Wahl, jedoch sollte hinreichende Kraft zur Verfügung stehen. Die Hebebewegung als Kreuzheben mit mehr oder weniger gestreckten Kniegelenk auszuführen, sollte denjenigen mit genügend Körperbewusstsein und Kraft vorbehalten bleiben.
Nun zu den Haltungen. Wenn im folgenden davon gesprochen wird, dass der Rücken gerade bleiben muss, so ist damit gemeint, dass die physiologische Lordose möglichst erhalten bleiben soll; keinesfalls jedoch darf die Steilstellung in Richtung konvex überschritten werden. Abhängig von der Last und einem etwaigen Flexionswinkel in den Hüftgelenken kann das eine große Anforderung an Kraft und Körperbewusstsein darstellen. Die DOs und DON’Ts, also die Aufgabenliste und die Verbotsliste (kontraindizierte Haltungen) kann man einfach darstellen wie folgt:
- DO: Rückenkräftigende Haltungen wie Kreuzheben, Kriegerstellung 3, rechtwinklige uttanasana, Kopfstand, sarvangasana (wobei hier das Einnehmen der Haltung sehr kritisch ist! Die günstigste Möglichkeit dürfte die aus setu bandha sarvangasana sein) , urdhva dhanurasana, salabhasana, utkatasana, trikonasana, ardha chandrasana, parsvakonasana (ggf. mit Klotz, damit der Rücken gerade bleiben kann), upavista konasana mit Klotz (ggf. auf Erhöhung, so dass die LWS gerade bleiben kann) Die Flexibilität der Ischiocruralen Gruppe fördernde Haltungen. Achtung: der Rücken im Bereich der LWS muss trotz Hüftflexion gerade bleiben: uttanasana mit gestrecktem Rücken, am besten als rechtwinklige uttanasana und auch als Tisch-Variante der uttanasana, desgleichen gilt für prasarita padottanasana: mit gestrecktem Rücken, rechtwinklig oder als Tisch-Variante, Hund Kopf nach unten rückwärts gegen die Wand mit einem Bein (Lieblings-Winter-Aufwärm-Haltung), Kreuzheben genügend tief ausgeführt, 3. Kriegerstellung.
- DON’T: stehende Vorwärtsbeugen, außer sie würden mit völlig geradem Rücken ausgeführt: uttanasana, prasarita padottanasana, parsvottanasana; sitzende Vorwärtsbeugen außer sie würden mit völlig geradem Rücken ausgeführt: janu sirsasana, pascimottanasana, tryangamukhaikapada pascimottanasana, ardha baddha padma pascimottanasana, Handstand und Ellbogenstand (nicht die Haltungen sondern das Einnehmen sind kritisch), ardha padmasana Vorwärtsbeuge, Hüftöffnung am Mattenrand, maricyasana 1 und maricyasana 3 außer bei sehr guter Beweglichkeit, die es erlaubt den Rücken im Bereich LWS völlig gerade zu halten, sitzende Rumpfseitbeuge. Diese Liste soll einen gute Überblick geben, wie man in den meisten Fällen bei einem lumbalen Bandscheibengeschehen vorgehen kann. Dabei ist es in der Regel unerheblich, ob es sich um eine Vorwölbung (Protrusion) oder einen Vorfall (Prolaps) handelt, die Symptomatik kann in beiden Fällen identisch sein, Ursachen und Vorgehensweise ebenfalls. Es gibt aber auch Fälle, die nochmals sensibler reagieren, so dass auch Drehhaltungen kontraindiziert sind. Dies ist nicht unbedingt aus der Radiologie ableitbar und kann vorsichtig getestet werden. Bei akuten symptomatischen Bandscheibengeschehen kann der oder die Betroffene oft sekündlich sagen, ob die Haltung oder Bewegung tolerabel ist. Rumpfseitbeugen sollten auch b.a.w. gemieden werden.
Assoziierte Bewegungen
Frage:
Im Unterricht wird immer mal wieder von assoziierten Bewegungen gesprochen. Was heißt das eigentlich ?
Antwort:
Assoziierte Bewegungen sind solche, die zusätzlich zu einer beabsichtigten Bewegung stattfinden oder unternommen werden. Die beiden Fälle „stattfinden“ und „unternommen werden“ sind dabei zu unterscheiden. Ersteres umfasst auch Bewegungen, die aus physikalischen Gesetzen resultieren, wie etwa das bekannte „Schlenkern“ des Arms, was so viel bedeutet, daß der nicht willentlich kontrollierte Unterarm ggf. durch seine Massenträgheit eine ausladendere Bewegung als erwünscht ausführen kann, wenn der Oberarm von den Frontalabduktoren oder Retrovertoren beschleunigt wird. Ebenfalls unter „stattfinden“ finden sich Effekte (s.u.), die von benutzten Muskeln mitverursacht werden. Hingegen umfasst der andere Fall „unternommen werden“ erworbene Mißverständnisse im Bewegungsverhalten und Mängel im Körperbewußtsein.
Es sind also im Allgemeinen keine physikalischen Effekte gemeint, sondern willkürliche Bewegungen, die aber nicht im Spektrum des Beabsichtigten liegt. Beispiele gibt es genug: Viele Menschen, aufgefordert den Brustkorb zu strecken, nehmen den Kopf zusätzlich ein wenig in die Reklination. Das trifft zuweilen bereits im Stehen zu, viel mehr aber in ungewohnteren Körperhaltungen, insbesondere, wenn die beabsichtigte Bewegung dort schwieriger ist, wie das Strecken des Brustkorbs etwa in einer rechtwinkligen uttanasana.
Eine andere weit verbreitete assoziierte Bewegung ist etwa, auf die Aufforderung hin, den Oberkörper in trikonasana von seiner Seitkurve zu befreien, den Kopf seitlich in die entsprechende Richtung zu kippen, also eine Lateralflexion der HWS zu unternehmen, statt nur die ipsilaterale Lateralflexion der BWS aufzuheben. Andererseits wird der Oberkörper in trikonasana häufig seitgekurvt, wenn zu weiterer Drehung aufgefordert wird.
Zuweilen wird auch beobeoachtet, daß die Aufforderung, die Arme etwa in urdhva hastasana so weit wie möglich nach hinten zu bewegen, also die Frontalabduktion zu maximieren, mit einer zusätzlichen Verminderung der Kyphose der BWS oder gar einer echten Extension derselben und teils auch mit einer zusätzlichen Hyperlordosierung der LWS (Hohlkreuz) beantwortet wird. Dies berührt natürlich das grundsätzliche Thema des Körperbewußtseins in seinem Aspekt der Unterscheidungsfähigkeit und der Fähigkeit zur analytischen Herangehensweise, einzelne Bewegungen völlig voneinander zu trennen und umgekehrt, Bewegungsabläufe gezielt aus einzelnen Bausteinen zusammenzubauen.
In manchen Fällen, aber bei weitem nicht immer, resultieren assoziierte Bewegungen aus benutzen Muskeln, die sowohl die beabsichtigte Bewegung ausführen als auch eine unbeabsichtigte an anderer Stelle, an der sie ebenfalls wirken. Schließlich können Muskeln nur auf ganzer Länge kontrahieren – oder entspannen, alle zwischen Ursprung und Ansatz liegenden Gelenke werden also betroffen. Will man die Wirkung auf ein Gelenk beschränken, müssen dann partielle Antagonisten in den anderen Gelenken, in denen keine Bewegung stattfinden soll, dagegen arbeiten. Für diese „Mitbewegung“ gibt es im menschlichen Bewgungsapparat unzählige Beispiele, etwa das zusätzliche Beugen des Kniegelenk bei angeforderter Hüftextension eines Spielbeins, bewirkt durch die dazu benutzte Ischiocrurale Gruppe.
Im Allgemeinen kann eine „Mitbewegung“ in einem anderen Gelenk aber auch aus einem anderen Grunde als der Kontraktion eines beide Gelenke überziehende Muskels geschehen, nämlich dann, wenn die Aktion eines Muskels an anderer Stelle die Spannung eines (anderen) Muskel derart erhöht, daß von ihm überzogene Gelenke eine andere Stellung einnehmen. In diesen Fällen handelt es sich hier also um Fragen des individuellen, erworbenen Bewegungsverständnisses und individueller Beschränkungen im Körperbewußtsein, die Effekte finden ihre Begründung teilweise in der bekannten Bewegungsphysiologie.
Der Begriff der assoziierten Bewegung ist verwandt mit dem Begriff der Surrogatbewegung. Bei dieser werden vollständig oder unvollständig ersatzweise für eine beabsichtigte oder von dem Unterrichtenden angefragte Bewegung andere Bewegungen unternommen, die (meist auf distale Körperteile) eine vergleichbare Wirkung haben, in den relevanten Bereichen dazwischen aber zu essentiellen Unterschieden führen. Vollständig oder unvollständig ersatzweise bedeutet dabei, daß die eigentlich auszuführende Bewegung gar nicht oder nur teilweise ausgeführt wird.
Warum beugen mir, auch wenn ich versuche es zu verhindern, in allen möglichen Haltungen die Arme ?
Frage:
In vielen Haltungen, in denen die Arme über Kopf gestreckt sein sollen, bin ich nicht in der Lage die Streckung zu erreichen oder zumindest nicht zu halten, unabhängig davon, ob die Hände fest auf dem Boden stehen oder frei in der Luft sind. Woran liegt das und was kann ich dagegen tun?
Antwort:
Das kann mehrere Gründe haben, deren einfachster natürlich Aufmerksamkeit ist. Mangelnde Aufmerksamkeit lässt die Arme schnell vergessen, insbesondere wenn sie – wörtlich – aus dem Blickfeld geraten, wie etwa in urdhva hastasana. Allerdings kommen auch muskuläre – und nur sehr selten kapsuläre oder ligamentäre – Gründe in Frage. Dazu muß eine Fallunterscheidung getroffen werden.
Sind die Hände etwa schulterbreit fixiert, egal ob auf dem Boden wie in der Hundestellung Kopf nach unten oder im Handstand, so folgt das Beugen einer einfachen Logik: eingeschränkte Beweglichkeit der Schultergelenke in Richtung der Frontalabduktion führen dazu, daß die Oberarme nach außen ausweichen. Bei gegebenem Krafteinsatz und gegebener Beweglichkeit wird das Gesamtmaß des Ausweichens bezüglich einer geeeigneten Norm immer der gleiche sein, wir können nur aussuchen, wohin das Ausweichen stattfindet. Sind die Hände fixiert, so müssen zwangsweise die Ellbogengelenke beugen. Um die Ellbogengelenke nun wieder besser zu strecken, kommen mehrere Agonisten in Frage: die lateralen Adduktoren des Schultergelenks wie der pars clavicularis des Deltoideus, der Pectoralis oder eben auch der (einzige) Strecker des Ellbogengelenks, der Trizeps und der kurze Kopf des Bizeps, um einige der wichtigsten zu nennen. In deren Zusammenwirken sollte sich die Streckung merklich verbessern lassen, auch wenn die gegebene Kraftausdauer dies zeitlich begrenzen wird.
Der auf den ersten Blick weniger plausible Fall ist, wenn die Arme nicht schulterbreit oder anderweitig fixiert sind. Dann ist, etwa in urdhva hastasana, trotzdem häufig ein Beugen der Ellbogengelenke erkennbar, und zwar häufiger, als es durch mangelnde Aufmerksamkeit begründbar wäre, wenn nicht zusätzlich muskuläre Gründe zum Tragen kommen würden. Die Beugeneigung ist natürlich größer, wenn die Oberarme daran gehindert werden, nach außen auszuweichen als wenn sie weitgehend ungehindert tun könnten. Der Grund für dieses Verhalten liegt im kurzen Kopf des Bizeps, der als Adduktor mitbenutzt wird, um die Oberarme am Ausweichen nach außen zu hindern und schulterbreit zu halten. Da er auch gleichzeitig Beuger des Ellbogengelenks ist, resultiert eben hier die beschriebene Beugeneigung. Schließlich kann er nur Ursprung (am Processus coracoideus) und Ansatz (am Radius) zueinander hin ziehen. Von der ausgeübten Kontraktionskraft werden immer alle (hier: zwei) dazwischen liegenden Gelenke betroffen. Will man die Bewegung auf ein Gelenk begrenzen, müssen die in den anderen Gelenken wirksamen partiellen Antagonisten dazu benutzt werden. Das Ellbogengelenk gestreckt zu halten, erfordert dann also zwingend den Einsatz des Trizeps als einzigem Strecker im Ellbogengelenk.
Verhalten bei Endoprothesen
Frage:
Ich habe eine einen künstlichen Gelenkersatz, also eine Endoprothese. Was muß ich beachten ?
Antwort:
Bei einem künstlichen Gelenkersatzverursachen stellen die eingesetzten Materialien eine härtere össäre Beweglichkeitsgrenze dar als die knorpeligen Gelenküberzüge im natürlichen Fall. Auch wenn das Anstoßen zweier solcher Gelenkpartner in endgradigen Bewegungen für das Material an sich kurzfristig gesehen meist kein Problem darstellt, so ist aus der „harten“ ossären Grenze eine „sehr harte“ künstliche geworden. Schließlich werden nur besonders harte und abriebfeste Materialien verwandt, damit möglichst wenig Abrieb frei wird. Der Abrieb und seine Auswirkungen auf den Körper sind bis heute ein Thema, gerade metallische Partikel und gelöste Metalle finden Eingang in den Knochen oder das Knochenmark. Grundsätzlich trifft das Gesagte für eine TEP (Totalendoprothese), bei der beide artikulierenden Gelenkpartner ersetzt werden, noch mehr zu als für HEP (Hemi-Endoprothese). Die begrenzte Kompressibilität der Knorpelüberzüge der Knochen entfällt teilweise oder gänzlich, so daß jede einwirkende Kraft rigide die starre Struktur des Gelenkpartners und damit letztlich auch auf den anderen Knochen übertragen wird. Dies kann durchaus, je nach Intensität und Häufigkeit der Einwirkung, zur Lockerung des Gelenkersatzes führen, was in der Regel eine weitere OP nach sich zieht, in der nicht selten die kmoplette Endoprothese mit Verlust weiteren Knochenmaterials erastzt werden muss. Die Beweglichkeitseinschränkungen der verschiedenen Prothesen variieren ja nach Typ und Gelenk. Auch werden in verschiedenen Gelenken oft unterschiedliche Typen Prothese verwendet. Zumeist bestehen sie aus Keramik, Stahl, Titan oder verschiedenen ultrahochmolekularen Polyethelenen. Um Abrieb, Beschädigung und Lockerung zu vermeiden, sollten also die Grenzen des Bewegungsspielraums nicht erreicht werden. Die versorgenden Ärzte teilen den Patienten die auf sie zukommenden Einschränkungen im Patientengespräch vor der OP mit. Angeraten ist, einen kleinen Sicherheitsabstand zu den Grenzen einzuhalten, und sei es nur ein Grad. Da der Gelenkersatz in den meisten Fällen nur auf einer Körperseite erfolgt und damit diese Seite begrenzter beweglich sein wird als die nicht versorgte Seite, stellt sich für asymmetrische Haltungen die Frage nach dem Umgang damit. In der Regel liegen die „sehr harten“ Grenzen der künstlichen Gelenke deutlich vor den harten, ossären Grenzen der natürlichen Seite. Daher sollten beiden Seite jeder Haltung, die diese Fragestellung betrifft, nur bis kurz vor die künstliche Grenze geübt werden, um der Entstehung von muskulären Ungleichgewichten keinen Vorschub zu leisten. Häufig liegen diese ohnehin bereits vor, wenn die Indikation für einen Gelenkersatz gestellt wird, da die betroffene Seite schon längere Zeit schmerzhaft war, was zu Vermeidungsverhalten und damit Ausprägung von Ungleichgewichten geführt hat. Diese sollen natürlich nicht weiter verstärkt werden oder neue hinzugefügt werden. Im Falle des Kniegelenk etwa kann sowohl der biartikuläre Anteil der Ischiocruralen Gruppe durch weite Hüftflexion hinreichend beweglich gehalten werden als auch der Rectus femoris durch weite Hüftextension bei meist deutlich flexionseingeschränktem künstlichen Kniegelenk. Im Falle der Ischiocruralen Gruppe ist ohnehin nur ein einziger kniebeugender Muskel monoartikulär, nämlich das caput breve des Bizeps femoris, was leicht durch alleiniges Strecken des Kniegelenk gedehnt werden kann. Was die Vorderseite des Oberschenkels betrifft, ist die Situation ein wenig komplexer. Die Spannung der monoartikulären Quadrizepsanteile ist bei vielen Menschen erhöht, was als Risikofaktor bei vielen Erkrankungen des Kniegelenk auftritt. Diese drei Vastii können effektiv aber nur durch eine weite Beugung des Kniegelenk gedehnt werden, so daß hier kaum Möglichkeiten bestehen. Der biartikuläreRectus femoris hingegen hat einen besonderen Anteil an Fehlhaltung und Fehlbewegung, dies betrifft seine hüftbeugende Wirkung und wenn er kontrakt ist, die daraus resultierende Hohlkreuzneigung, aber auch wegen seines mittig-seitlichen Ansatzes an der Patella deren Führung im Femoropatellargelenk (femoropatellares Gleitlager). Ohnehin wird bei Knie-TEP nicht selten der retropatellare Knorpel durch einen künstlichen Überzug ersetzt, was die Situation verändert, da er nur nicht mehr einem erhöhten Arthroserisiko ausgesetzt ist.
Siehe ergänzend auch in der Pathologie unter „Zustand nach Endoprothese“
Steife Schultern
Frage:
Ich habe so steife Schultern. Die Arme über Kopf zu halten fällt mir schwer, und in Asanas mit Überkopfhaltungen der Arme beugen mir schnell die Ellbogengelenke. Was kann ich tun ?
Antwort:
Um das genauer zu verstehen, ist es hilfreich, die zugrundeliegenden Bewegungsphysiologie zu umreißen. Die gefühlte Steifheit der Schultern ist meist vor allem die eingeschränkte Fähigkeit zur Frontalabduktion im Schultergelenk, also die Schwierigkeit den Arm über vorn weit nach oben anzuheben in die „Überkopfposition“. Daneben gibt es auch Einschränkungen der Rotationsfähigkeit des Arms im Schultergelenk, also bei der Ein– oder Ausdrehung des Arms. Außerdem werden einige Bewegungen des Arms erst durch entsprechende Bewegungen des Schulterblatts ermöglicht, an dem der Arm ansetzt. Hier ist vor allem die Außenrotation wichtig: soll der Arm über außen weit angehoben werden, muß er dabei weit ausdrehen, sonst stößt der Oberarmknochen Humerus an das Schulterdach an. Ab einem Winkel von ca. 90° des Arms zur Wirbelsäule muß das Schulterblatt für weiteres Anheben des Arms auszudrehen beginnen.
Anatomisch betrachtet stellt das Anheben des Arm eine Lateralabduktion (nach seitwärts) oder Frontalabduktion (nach vorn-oben) dar, die sich beide im Grenzwert gegen 180° nicht mehr unterscheiden, da für die laterale Abduktion über etwa 110° ein gewisses Ausdrehen des Arms erforderlich ist, das ihn in ein Maß an Drehung bringt, das auch bei einem Anheben über vorn erforderlich (Frontalabduktion) ist. Die Rotationsfähigkeit des Arms nimmt mit jedem Grad des Anhebens ab, in der Überkopfposition des Arms ist dann kaum noch Rotation möglich.
In der Praxis begründet sich eine als deutlich empfundene Beweglichkeitseinschränkung im Schultergelenk fast nie anders als in Muskulatur der Adduktoren des Schultergelenks, also hauptsächlich des Pectoralis, Teres minor, Teres major und Latissimus dorsi . Muskulär stellen also die Adduktoren des Schultergelenks die größte Einschränkung dar. Von den vier genannten Muskeln sind alle bis auf den Teres minor Endorotatoren, die der zu leistenden Mindest(exo)rotation entgegenstehen.
Die dreidimensionale Beweglichkeit des Schultergelenks begründet das regelmäßig zu beobachtende Ausweichverhalten: wird maximale Frontalabduktion angefordert, so geht die Exorotation zumindest ein Stück weit verloren und der Arm beginnt nach lateral auszuweichen, was aus der Position heraus einer lateralen Adduktion entspricht. Je nachdem, ob die Hände Punctum fixum oder Punctum mobile sind, zeigt sich die Adduktion im ersten Fall als Beugen der Ellbogengelenke oder im zweiten Fall als Ausweichen des gestreckten Arms nach außen.
Damit wird auch klar, wie die Aufgabe angegangen werden muß. Beim Üben der angestrebten Frontalabduktion muß darauf geachtet werden, daß die Arme nicht ausweichend eindrehen, da dies den Dehnungseffekt der wichtigen Muskeln schmälern würde. Besonders wirksam sind also die Übungen, in denen der Arm nach Konstruktion ausgedreht ist und keine Muskelkraft dafür aufgewendet werden muß, wie etwa der Ellbogenstand und alle verwandten Haltungen oder auch die Schulteröffnung am Stuhl. Bei den Übungen ohne weite Exorotation muß darauf geachtet werden, die Arme bestmöglich auszudrehen, was das genaue Maß der Frontalabduktion jeweils ein wenig einschränken kann.
Bei der Wahl der Übungen bzw. bei der Konstruktion von Übungen zur Frontalabduktion muß berücksichtigt werden, daß die ausführenden Muskeln, etwa Deltoideus, Bizeps, Coracobrachialis, angesichts ihrer Sarkomerlänge und unter Beachtung der Kraft-Längen-Funktion in keinem nennenswerten Maß in der Lage sind, eine Dehnungswirkung in ihren Antagonisten hervorzurufen, so daß für einen brauchbaren Effekt als Agonisten auf Muskeln der anderen Extremität (Bein) oder auch auf die Wirkung eines größeren Teilkörpergewichts, gesetzt werden muß. Wird der Oberkörper als Punctum mobile relativ zu den Händen als Punctum fixum bewegt, kommt hierbei die Länge der Arme als günstiger Hebelarm erleichternd hinzu. Damit ergeben sich einerseits Haltungen wie die erhöhte Rückenausstreckung und die Hyperbel, andererseits solche, bei denen die Kraft der Beine auf die zu dehnende Muskulatur einwirkt, wie etwa in der urdhva dhanurasana (Brücke). Da die zu dehnende Muskulatur durchaus zu der kräftigeren gehört (immerhin sind diese Muskeln bei Klimmzügen am Anheben von knapp 100% Körpergewicht beteiligt), braucht es längere kräftigere Einwirkung. Steht nicht genügend Kraftausdauer zur Verfügung, erweisen sich die vergleichsweise passiven Dehnungen erhöhte Rückenausstreckung und die Hyperbel als sehr brauchbar. Gut ist auch eine Art „gehaltener Überzug“, also eine Rückenlage auf einer Unterstützung wie einer Hantelbank, bei der mit ausgedrehten Armen (also eher eng gehaltenen Ellbogen) ein adäquates Gewicht möglichst tief über dem Boden gehalten wird. Bei festem Gewicht kann die Wirkung über den Beugewinkel in den Ellbogengelenken skaliert werden.
Eine Schwierigkeit, die in diese Haltungen zuweilen auftritt, ist ein krampartiges Gefühl im Ursprungbereich des Deltoideus pars clavicularis. Dies wird erfahrungsgemäß mit zunehmender Exorotation des Arms abnehmen. Je nach Haltung kann ggf. die Hand des einen Arms den anderen eine Zeitlang am Oberarm ausdrehen, was merkliche Erleichterung verschaffen sollte.
Dehen vor oder nach dem Sport
Frage:
Soll ich mich vor dem Sport dehnen bzw. intensiv dehnende Yogaübungen machen ? Oder danach ? Oder gar unabhängig davon ?
Antwort:
Hier gehen die Meinungen selbst unter Fachleuten auseinnader, das Thema darf als noch nicht hinreichend erforscht gelten. Weitgehend akzeptiert ist nur, daß keine intensiven Dehnungen ausgeführt werden sollen vor muskulären Leistungsanforderungen, wie sie für die ambitionierte Ausübung von Sport typisch sind. Durch das Dehnen wird der Muskeltonus herabgesetzt, was die Leistungserbringung erschwert. Da die Funktionen des Megamoleküls Titin im Sarkomer, der kleinsten kontraktilen Einheit im Muskel, noch nicht hinreichend erforscht sind, kann keine abschließende und umfassende kausale Aussage darüber getroffen werden. Bezieht man sich nur auf Aktin und Myosin, so mag das Dehnen die Länge des Eingriffs bzw. der Überlappung des Myosins mit dem Aktin vermindern und damit die Anzahl möglicher aktiver Myosinköpfchen vermindern. Profisportlern, nicht aber uninformierten Laien, wird zuweilen ein dynamisches Dehnen empfohlen, was aber, wenn unbedacht bzw. falsch parametrisiert ausgeführt wird, die Gefahr vor allem von Zerrungen durch die und in den exzentrischen Lasten birgt.
Einige Stimmen sagen, daß auch nach dem Sport intensives Dehnen kontraindiziert ist in dem Sinne, daß dadurch die Regeneration erschwert wird, z.B. indem die Durchblutung des Muskels über Gebühr vermindert wird und das Abtragen seiner Stoffwechselschuld verzögert wird. Wie weit das zutrifft, ist noch Gegenstand der Diskussion. Klar ist, daß richtig ausgeführtes, ruhiges Dehnen nach sportlicher Belastung das Gesamtsystem aus einer sympathikotonen in eine parasympathische Lage bringt und damit schneller in die Regeneration. Weiter kann als gesichert gelten, daß nach sportlicher Belastung nicht so intensiv gedehnt werden sollte, daß zusätzlich zu durch die sportliche Belastung entstandenen Mikrorissen in den Z-Scheiben, deren Reparatur später zu Muskelkater führt, auch noch Einrisse durch das Dehnen hinzugefügt wird, was das Abheilen im Sinne des Umfangs der notwendigen
Entzündungsreaktion zur Reparatur der Z-Scheiben vergrößert.
Vermutlich ist es eine gute Idee, das Dehnen unabhängig von der sportlichen Belastung regelmäßig mit einem gewissen Abstand von zumindest einigen Stunden, vielleicht besser einem Tag zu deutlicher sportlicher Anforderung zu platzieren, etwa am Morgen danach. Dem leistungsorientierten Sportler ist in vielen Fällen jeder zusätzliche Tag zuwider, an dem nicht ein sportartspezifisches Training oder ein passendes Grundlagentraining ausgeführt werden kann, weil er das Gefühl hat, damit nicht das Optimum an Training zu leisten, also nicht den maximal möglichen Leistungszuwachs zu erzielen. Immerhin verweisen gut ausgebildete Trainer mittlerweile hinreichend klar auf die Notwendigkeit von Regenerationsphasen, die nicht nur der Regeneration der Muskeln dienen, sondern auch der Tatsache Rechnung tragen, daß zwar die Muskeln zu den schnell stoffwechselnden (tachytrophen) Geweben zählen, die mit einer kurzen Regenerationszeit glänzen. Die passiven Anteile des Bewegungsapparates aber wie Bänder,
Knorpel, Kapsel weisen teils weit größere bis extrem lange Turn over auf, so daß eine zu schnelle Abfolge von sportartspezifischem Training oder auch intensivem Grundlagentraining gerade diese Strukturen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf Dauer überfordern würden. Der theoretische Turn over der Knorpel liegt sogar sehr deutlich jenseits der menschlichen Lebenzeit, so daß gerade bei Sportarten, die eine höhere Belastung für (zumindest einige) Knorpel darstellen, die Regenerationszeiten sehr wichtig sind. Hierbei zählt wie bei einer Kette das schwächste Glied, der am meisten belastete Knorpel wird auf Dauer das Maß der notwendigen Regeneratiosnzeit definieren, auch wenn es sich um einen physiologischerweise dicken Knorpel handelt, wie etwa den 6-7 mm dicken retropatellaren Knorpel.
Die Vernachlässigung dieser Gesetzmäßigkeiten führt in der Praxis recht regelmäßig zu entsprechenden Störungen, die je nachdem wie lang der
Turn over des entsprechenden Gewebes ist, entsprechend lange Trainingskarenz bzw. -reduzierung oder auch vorübergehenden Umsteig auf geeignete Ersatzsportarten gebietet. Je nach Art und Maß der notwendigen Störung kann dies zu einer völlig verlorenen Trainingszeit oder nur zu einer nicht optimalen Trainingsphase (bei Umstieg auf eine geeignete Ersatzsportart) führen. Da der ambitionierte Sportler und erst recht der Leistungssportler immer die zur Verfügung stehende Zeit bis zum Erreichen seiner maximalen körperlichen Leistungsfähigkeit etwa jenseits des 30. Lj, aber kaum nach dem 35. Lj, im Auge hat, neigt er daher häufig dazu Regeneration genauso wie auch Dehnen zu kurz kommen zu lassen.
Im Falle der Regeneration zeigen die obigen Überlegungen, daß das nicht zu optimalem und nachhaltigem Trainingserfolg und schließlich sportlichem Erfolg führen wird. Im Falle des Dehnens vehält es sich ähnlich, aber aus anderen Gründen. Ein nicht hinreichend gedehnter Muskel ist anfälliger für verschiedene Verletzungen, beginnend mit erhöhter Neigung zu Zerrungen über erhöhte Drücke in Gelenken in statischen Belastungen und vor allem den meist ungleich höheren kinetischen Belastungen bis hin zu der vermehrten Anfälligkeit der Sehnen und ihrer Insertionen, also etwa der Gefahr von Insertionstendopathien oder bei Heranwachsenden der Störung des gesunden Knochenwachtstums wie etwa eines Morbus Osgood-Schlatter. Recht regelmäßig kann man Sporttreibende beobachten, die durch die ausschließliche Praxis ihrer Sportart zu teils unsäglich steifer und entsprechend verletzungsanfälliger Muskulatur sowie zu Einschränkungen im natürlichen Lebensausdruck geführt hat.
In beiden Fällen, sowohl bei der Regeneration als auch beim Dehnen nimmt zwar die Leistungsfäigkeit (möglicherweise!) etwas (!) schneller zu, wenn das Dehnen als „einen Tag beanspruchende“ Trainingseinheit unterbleibt, im Falle der Regeneration stimmt aber selbst das nicht, sondern es tritt der Effekt des Übertrainings auf: ein Leistungsabfall mit zusätzlich erhöhter Verletzungsanfälligkeit wegen unzureichender
Regeneration. Vorläufig läßt sich wohl sagen, daß eine sportartspezifisch mindestens hinreichende Dehnfähigkeit erarbeitet werden muß, das Dehnen aber nicht unmittelbar vor und auch nicht intensiv nach einem Training stattfinden sollte, aber so regeläßig, daß vorhandene und riskante Beweglichkeitseinschränkungen aufgearbeitet werden und durch das Training keine dauerhafte Verminderung der Beweglichkeit eintritt. Davon ab bieten die asanas des Yoga vielfach eine sehr attraktive Kombination von Dehnen und Kräftigung, wenn sie Muskulatur in großer Sarkomerlänge intensiv fordern, wie es etwa bei verschiedenen Haltungen in Bezug auf die Ischiocrurale Gruppe eindeutig der Fall ist.
Der Entengang – war der nicht schädlich ??
Frage
Immer wieder sehe ich, z.B. in sozialen Medien, wie der Entengang als
gutes Training für den Quadrizeps angepriesen wird. War der nicht schädlich ?
Antwort
Bevor ich zu einer fachlichen Antwort komme, sei gesagt, daß erfahrungsgemäß nicht alles, was in sogenannten sozialen Medien behauptet wird, wahr ist, nur weil es sich um moderne Medien handeln. Genauso wenig sind alle dortigen Darsteller a priori Experten auf einem anderen Fachgebiet als dem der Selbstdarstellung. Fachlich gesehen, hat sich der Entengang seit Jahrzehnten erledigt. Die grundlegenden Idee des Entengangs war wohl, auch wenn sich ihre Erfinder des bewegungsphysiologischen Hintergrunds vielleicht gar nicht bewußt waren, daß der Quadrizeps in den großen Flexionswinkeln des Kniegelenks wegen großer Sarkomerlänge nach Kraft-Längen-Funktion sehr wenig Kraft hat und damit ein recht geringes Streckmoment im Kniegelenk aufbringen kann. Gelingt es durch Training, dennoch einen gewissen Hub (Streckung im Kniegelenk) zu realisieren, wird der Quadrizeps dabei auf interessante Weise gekräftigt. Grundsätzlich sind ja Kräftigungen in größerer Sarkomerlänge wertvoller also solche in kurzer, weil die Beweglichkeit des Muskels potentiell erhalten bleibt, wenn nicht gar durch longitudinale Muskeladaption verbessert wird. Hier hat das ganze jedoch mehr als einen Haken. Erstens findet ein Strecken des Kniegelenk in seiner weiten Beugung im Bereich der Gleitreibung, nicht der Rollreibung statt, was die Verschleißneigung deutlich erhöht. Zweitens ist der erreichbare Hub aufgrund der Quadrizepskraft – wenn nicht gar aufgrund gefühlter Mißempfindungen im Kniegelenk – gering, so daß nur eine sehr kleine Fläche der Gelenkknorpel während der Übung genutzt wird. Das setzt einerseits die Verschleißneigung dramatisch hoch, anderereits wird eben nur auch ein kleiner Teil der Gelenkknorpel und Menisken per Druckänderung ernährt, was wiederum in überhaupt keinem gesunden Verhältnis zur Verschleißneigung steht. Drittens, und das wiegt keinesfalls minder schwer, finden bei den Schritten nach vorn, also den Wechseln zwischen Standbein und Spielbein immer Rotationen im Kniegelenk während einer Streck- oder Beugebewegung statt. Diese sind schon in dem Bereich der Rollreibung des Kniegelenk (also etwa unterhalb von 90° Beugung) unphysiologisch und recht verschleißriskant, im Bereich der Gleitreibung jedoch verbieten sie sich für fachlich Informierte ohne weiteres Nachdenken völlig. Bei all dem kommt noch hinzu, daß das abgestützte Teilkörpergewicht an dem langen Hebelarm des Oberschenkels etwa senkrecht nach unten drückt, also eine im wesentlichen maximale Schwerkraftwirkung erzeugt.
Damit läßt sich behaupten, daß der Entengang eine der nicht seltenen Möglichkeiten unphysiologischer Bewegung ist, mit der man zielgerichtet seine Menisken – und später Gelenkknorpel – schädigen kann. Wegen seiner heiklen Konstruktion hat es der Entengang in den Rang eines orthopädischen Tests auf Meniskusläsionen gebracht, wie in
im Bereich TESTS unter yogabuch.de/tests/#duck_walk beschrieben. Bei diesem Test wird der Entengang für einige Schritte vorwärts, seitwärts, nach links und nach rechts ausgeführt und auf Mißempfindungen im
Kniegelenk geachtet. Diese sind bei vorgeschädigtem Knie, insbesondere im Fall von Meniskusschäden oder weitergehenden arthrotischen Schäden hoch wahrscheinlich.
CAVE ! Bevor nun jemand diesen Test ausführt, sei gesagt, daß er bei bekannten deutlichen Vorschäden kontraindiziert ist. Um diese festzustellen, stehen harmlosere Tests zur Verfügung, diese sind im Bereich TESTS beschrieben. Abhängig von Alter und bestehenden Vorschäden können diese durch Ausführung des oben genannten
Duck-Walk/Childres-Tests hervorgerufen oder vergrößert werden.
uttanasana: mit gebeugten Knien ?
Frage
Warum macht Ihr die uttanasana mit gestreckten Knien ? Ich sehe immer wieder in verschiedenen Medien den Hinweis darauf, daß das rückenschädlich ist oder sein kann.
Antwort
Natürlich ist das, was wir tun, wohlbegründet, und wir erklären es gerne: Etymologisch gesehen bedeutet uttanasana „intensive Streckung“. Die erste Frage ist natürlich: wessen ? Infrage kommen hier nur dorsale Bereiche des Körpers wie die Waden (Trizeps surae), die Ischiocrurale Gruppe (Hamstrings), die Gluteen und weite Teile der Rückenmuskulatur, vor allem der autochthonen. Der Effekt der Dehnung des Rückens erschöpft sich mit zunehmender Beweglichkeit immer weiter, so daß deswegen fraglich ist, ob der Rücken als Zielwirkort der Haltung gemeint ist. Außerdem tritt gerade in den Anfangsphasen, wenn wenig Bewegliche die Haltung ausführen und das Becken noch deutlich vom 90° Winkel zu den Oberschenkeln entfernt ist, eine übermäßig starke Krümmung des Rückens im Bereich der LWS auf, da die LWS dem Drehzentrum für das Kippen des Beckens, also die Flexion im Hüftgelenk am nächsten liegt, mithin am meisten Körpergewicht hält. Wegen dieses Ungleichmaßes der Wirkung auf steife Anfänger und Beweglichke kann wohl ausgeschlossen werden, daß die uttanasana als Dehnung des Rückens gemeint ist.
Weiter muß hier differenziert werden zwischen rückengesunden Menschen und solchen mit lumbalem Bandscheibenleiden, die eine konxeve Krümmung der LWS vermeiden müssen, diese dürfen diese Haltung ohnehin nur mit gerader oder besser noch physiologisch lordosierter LWS ausführen. Die Existenz dieser Kontraindikation hat natürlich keinen Einfluß auf das grundsätzliche Verständnis der Haltung, genauso wenig wie der Bruch eines Armes die grundsätzliche Auffassung der Hundestellung Kopf nach unten in Frage stellen kann.
An dieser Stelle muß ein Wort gesagt werden zu immer mal wieder auftretenden Befindlichkeitsstörungen des unteren Rückens in
uttanasana, die deutlich diesseits des Bandscheibenleiden liegen und rein funktionaler Natur sind. Eine überhöhte Spannung oder muskuläre Dysbalancen können in uttanasana durchaus unangenehme Empfindungen im unteren Rücken auslösen, die in einem hohen Prozentsatz der Fälle in der Variante parsva deutlich gemindert bis aufgehoben sind. Dies ist kein Feature oder Konstruktionsfehler der Haltung selbst sondern vielmehr ein Indikator dafür, daß (in der Regel) die muskuläre Struktur des LWS-Bereiches deutlich verbesserungsbedüfrtig ist, was nach Kenntnisnahme auch angegangen werden soll, bevor sie sich auch in anderen Situationen nachteilig auswirkt.
Wenn der Rücken also nicht Zielwirkort der Haltung sein kann, muß dieser weiter inferior angenommen werden, also in den Gluteen, der Ischiocruralen Gruppe oder den Waden. Beschäftigen wir uns mit letzteren zuerst, damit die beiden anderen, die gemeinsam mit ein paar als nachrangig zu betrachtenden pelvitrochantären Muskeln die Hüftextensoren bilden, später zusammen behandelt werden können.
Die Fußgelenke sind aus physkalischen Gründen in der uttanasana bei sehr guter Beweglichkeit der Ischiocruralen Gruppe in bestenfalls etwa einer neutralen Position (Null Grad Plantarflexion oder Dorsalflexion), bei weniger guter Beweglichkeit zumeist aber in leichter Plantarflexion, weil das Becken kompensatorisch ein wenig nach hinten bewegt werden muß, damit das Schwerelot des abgestützten Teilkörpergewichts noch in der physikalischen Stützbasis liegt. Das gilt umso mehr, wenn gefordert wird, daß die Zehen nicht zum Abstützen benutzt werden sollen, was für stehende Balancehaltungen eine wichtige Voraussetzung darstellt, will man diese solide lernen. Die zumeist eingenommene leichte Plantarflexion stellt aber keine brauchbare Dehnung der Wadenmuskeln dar, nicht einmal für den biartikulären Gastrocnemius, viel weniger noch für den monoartikulären Soleus. Wäre die leichte Plantarflexion schon eine signifikante Dehnung, so läge zwangsweise ein Spitzfuß vor, der das aufrechte Stehen beeinträchtigt oder unmöglich macht, viel mehr noch: eine Abrollbewegung des Fußes als Bewegung im OSG völlig ausschließt. Das sind offensichtlich nur pathologische Fälle, die ihre Diagnosestellung längst erfahren haben dürften.
Zurück zu dem diesbezüglich normalen Rest der Menschen. Sollte der Gastrocnemius in der uttanasana gedehnt werden, so müßte eine signifikante Dorsalflexion hergestellt werden, und damit Körpermasse so weit nach vorn verlagert werden, daß das Schwerelot außerhalb der physikalischen Stützbasis läge, ein Abstützen mit den Händen oder ein anderweitiges Hilfsmittel also erforderlich wäre. Um noch auf den Soleus als Teil des Trizeps surae einzugehen, so müßte ein Mindestmaß an Beugung in den Kniegelenken von 20° -30° gegeben sein, damit der Gastrocnemius entlastet ist und eine Dehnung des Soleus möglich wird. Die Verteilung der darüber befindlichen Körpermasse würde aber nur eine moderate Kraft zur Dehnung des Soleus bewirken, ungleich geringer als dies in utkatasana der Fall wäre. Damit können beide Wadenmuskeln des Trizeps surae als Zielwirkort der Haltung ausgeschlossen werden und es bleiben noch die Hüftextensoren: einerseits die biartikulären Anteile der Ischiocruralen Gruppe, also alle bis auf den Bizeps femoris, Caput breve und andererseits die Gluteen, deutlich vorrangig hier der Gluteus maximus.
Nun ist aus der Bewegungsphysiologie bekannt, daß fast immer biartikuläre Muskeln eher als monoartikuläre eine weich-elastische Bewegungsgrenze setzen, wenn die Stellung im zweiten von ihnen überzogenen Gelenk nur ungünstig genug ist, so daß fast regelmäßig eine deutliche Wirkung auf die Gluteen ausgeschossen werden kann, pathologische Fälle und solche extrem durch Beruf oder sportliches Training veränderter Verhältnismäßigkeiten einmal ausgenommen, deren Prävalenz eher im Promillbereich liegen dürfte. Damit geht es eindeutig um die Hamstrings, also die Ischiocrurale Gruppe. Wie zuvor erwähnt, fällt der Bizeps femoris, Caput breve als monoartikulärer Beuger des Kniegelenks weg und es verbleiben die Muskeln Semimembranosus, Semitendinosus und Bizeps femoris, Caput longum. Diese werden gedehnt, wenn sie unter hinreichender Last ihn große Sarkomerlänge gezwungen werden, was subjektiv als Dehnungsempfindung wahrgenommen wird. Die hinreichende Last kann als Sehnenkraft interpretiert werden und hängt maßgeblich von den schwerkraftgemäß induzierten Drehmomenten in den überzogenen Gelenken ab. Wird nun das Kniegelenk gebeugt um das Hüftgelenk weiter flektieren zu können, so wird die Verteilung der Körpermasse des Oberkörpers um die Waagerechte (maximale Schwerkraftwirkung) ungünstiger. Werden hingegen die Kniegelenke gestreckt, so wird die Verteilung – bis auf wenige Fälle extrem steifer Menschen) günstiger für die Dehnung. Außerdem bewirkt die Streckung der Kniegelenke eine Verschiebung der Sarkomerlänge des Gluteus maximus in Richtung kürzer, was sie in einen Bereich bringt, in dem sie zu der weich-elastischen Bewegungsgrenze nicht mehr beitragen und das Teilkörpergewicht reinweg auf die Ischiocrurale Gruppe dehnend einwirkt.
Die sich einstellende Intensität erreicht bei ungeübten Anfängern schnell eine 7 oder 8 auf der NRS von 0 bis 10, was zu einer faktisch guten Dehnungswirkung der Muskulatur und aller Voraussicht nach zu longitudinaler Muskeladaption führt, welche über die Iteration der Ausführung im Laufe der Zeit eine deutliche Zunahme der Beweglichkeit bewirkt. Würde man mit gebeugten Kniegelenken üben, so wäre nicht nur die erreichbare Dehnungswirkung schlechter, sondern die Muskeln würden auch aus geometrischen Gründen in weniger großer Sarkomerlänge arbeiten, was die mögliche dehnende Wirkung ohnehin extrem reduziert. Mit Hinblick auf die beiden Faktoren Alltagsverhalten und die Yogapraxis selbst ist aber eine angemessen schnelle Zunahme der Beweglichkeit absolut wünschenswert. Im Alltag vieler Menschen lassen sich schließlich vorbeugende Bewegungen (in Hüftgelenk und Oberkörper) nicht vermeiden, etwa beim Aufheben von Gegenständen vom Boden oder dem Binden von Schuhen, von entsprechenden beruflichen Tätigkeiten einmal ganz angesehen, so daß jede Zunahme der Beweglichkeit in der Ischiocruralen Gruppe über ein besseres Kippen des Beckens gegenüber den Oberschenkeln und im Raum ein vermindertes konvexes Krümmungsmaß der LWS und im Idealfall sogar eine verminderte Schwerkraftwirkung und deswegen verminderte Beugemomente und damit ein reduziertes Risiko für die Bandscheiben der LWS mit sich bringt.
Außerdem eröffnet eine gute Beweglichkeit der Ischiocruralen Gruppe die Möglichkeit, Gegenstände im Sinne des Kreuzhebens mit gestrecktem Rücken im Sinne einer physiologischen Lordose auszuführen, das das Rikiso für die Bandscheiben nahe Null bringt. Wird intensiv an der Beweglichkeit der Ischiocruralen Gruppe gearbeitet, so ist die summierte potentiell schädigende Einwirkung auf die Bandscheiben der LWS sicherlich geringer als wenn über endloses Üben mit geringer Dehnungswirkung und nur marginalen Fortschritten vorgegangen wird.
Zu erwähnen ist an dieser Stelle ein Resultat dessen, daß uttanasana und vergleichbare Vorwärtsbeugen unter Schonung der Ischiocruralen Gruppe geübt werden: der LWS-Buckel. Das ist die Fähigkeit, in Vorwärtsbeugen die LWS in beachtliche konvexe Krümmungsmaße zu bringen, in der Praxis haben wir schon über 60° gesehen. Häufig ist das durch Fehlhaltung und falsches Verständnis von Vorwärtsbeugen nebst demgemäßer Ausführung induziert. Die meist in Verhältnis zu anderen Faktoren im Bewegungsapparat übermäßige Beweglichkeit der LWS in Richtung konxev bedeutet zumeist auch eine Labilität im Sinne eines geminderten Muskeltonus, der in Zusammenspiel mit anderen Faktoren durchaus pathogen sein kann. Es muß daher vermittelt werden, daß Vorwärtsbeugen immer mit einem Mindestmaß an Intensität der Dehnung in der Ischiocruralen Gruppe von etwa NRS 6 – 7 geübt wird, damit dieser Effekt nicht auftritt, sondern die Wirkung des Teilkörpergewichts eine Dehnung der Ischiocruralen Gruppe bewirkt, die von selbst über die Zeit ein geringeres sich schwerkraftgemäß einstellendes konvexes Krümmungsmaß in der LWS mit sich bringt.
Neben der etymologischen Herangehensweise muß auch unbedingt bewegungsphysiologisch betrachtet werden:
- Welche maximalen Nutzwirkungen lassen sich aus der geometrischen Grundkonstruktion der Haltung erzielen und wie ?
- Wann und wie sollte davon abgewichen werden ?
Vor diesem Hintergrund ergibt sich leicht und letztlich nur mit den schon oben gebotenen Argumenten das gleiche Ergebnis: uttanasana muß als Dehnung der Ischiocruralen Gruppe interpretiert und ausgeführt werden. Etwaige Sonderdispositionen und Pathologien erfordern natürlich entsprechende Anpassung.
In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß sich die in uttanasana erreichte Intensität der Dehnungempfindung in der Ischiocruralen Gruppe optimalerweise irgendwo zwischen NRS 7 und 8,5 bewegen sollte. Ist dies mit Schwerkraftwirkung des abgestützten Teilkörpergewichts (Oberkörper, Kopf, Arme) nicht erreichbar, so sollte variiert werden, etwa durch Zug an den Fesseln oder hinreichenden Einsatz des Hüftbeugers Iliopsoas, dessen aktive Benutzung in dieser Haltung in einigen Fällen erst einmal erlernt werden will.
Liegt ein diagnostiziertes oder anhand der Symptomatik (etwa Schmerzausstrahlung ins Bein bei konvexer Krümmung der LWS, vor allem unter Last) zu vermutendes lumbales Bandscheibenleiden vor, so würden Haltungen wie uttanasana natürlich nicht mit konvexer LWS ausgeführt werden, Nicht nur in uttanasana, sondern in allen vergleichbaren und vielen weiteren weniger vergleichbaren Haltungen müßte darauf geachtet werden, daß die physiologische Lordose der LWS beibehalten wird.
Ein anderer Aspekt verdient in diesem Zusammenhang ebenfalls Beachtung: die Möglichkeit der Entwicklung eines PHT (Proximal Hamstring Tendinopathy), einer Insertionstendopathie des Ursprungs der Ischiocruralen Gruppe am Sitzbeinhöcker). Diese steht grundsätzlich bei intensivem Üben von hüftvorbeugenden Bewegungen im Raum und nimmt in der Tat mit der Sarkomerlänge der Ischiocruralen Gruppe, also zu der Streckung im Kniegelenk, und mit der Last zu. Wie bei jeder Art des Trainings stehen dabei die Faktoren Überkompensation (um den rein auf die Muskeln bezogenen Terminus Superkompensation zu vermeiden) und potentiell schädigende Anforderung einander gegenüber, und ein dauerhaft nebenwirkungsfreies, aufbauendes Training resultiert aus einer über weiteste Strecken positiven Bilanz der aufbauenden Faktoren, die nicht zu lange am Stück und nicht zu häufig gebrochen werden darf. Die Gleichung enthält natürlich viele Variablen, die vielleicht kaum alle quantifiziert werden können. Dazu gehören unbedingt auch Stoffwechselfaktoren, Regeneration, anderweitige Belastungen und nicht zuletzt auch Disposition. Gerade der Faktor Disposition ist schwer einzuschätzen und kann dazu führen, daß ein vernünftiges Maß an Training, welches bei den meisten Menschen völlig nebenwirkungsfrei vertragen wird, auch einmal zu Nebenwirkungen führt. Nun ist ein PHT aber nicht das Ende jeglichen Trainings, sondern eher eine Chance für die Bemühung, Schwächen der Disposition durch ein adaptiertes Training aufzuarbeiten, damit sie nicht durch andere Auslöser zum Tragen kommen können. In der Regel resultiert dieser Prozeß in einer normalen Belastbarbeit, und die dabei geleistetet Arbeit, etwa mit Kreuzheben, bringt noch eine weitere positive Effekte hervor.
Abschließend für diese kleine Betrachtung muß die andernorts bereichts erörtete Frage der Überstreckung der Kniegelenke angesprochen werden. Als Faustregel gilt: knie-dorsale Mißempfindungen stellen sich fast immer als muskulär heraus (medial: Semimenbranosus oder Semitendinosus; lateral Bizeps femoris; dazwischenliegend: Gastrocnemius). Ventrale Mißempfindungen sind meist nicht-muskulärer Natur und sollten am besten vermieden, sonst nur bis zu NRS 1 toleriert werden.
Und um die auf Ausgangsfrage zurückzukommen: nicht alles ist deswegen eine qualifizierte und valide Information, nur weil es in einem gerade angesagten Medium erscheint. Der Inhalt muß genauso hinterfragt werden wie der eines klassischen Buches, für das ja genauso gilt, daß nicht alles, was es gedruckt zu lesen gibt, nur deswegen wahr ist, weil es gedruckt wurde. Je mehr Sachverstand, Wahrnehmungsfähigkeit und wache Evaluation gegeben sind, desto klarer scheidet sich das Zutreffende vom Unzutreffenden.