pathologie: spondylarthrose (spondylarthrosis deformans)

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Definition

Arthrotische Degeneration der Wirbelsäule. Diese beinhaltet Veränderungen der Facettengelenke (Wirbelgelenke) und Veränderungen an den Bandscheiben und angrenzenden Wirbelkörpern. Mit zunehmendem Alter verändern sich die Bandscheiben auf mehrfache Weise nachteilig: der Proteoglykangehalt des Nucleus pulposus nimmt ab, was die Wasserbindungsfähigkeit (Quellfähigkeit) herabsetzt, und der Kollagengehalt nimmt zu, was den Nukleus pulposus fester und härter werden läßt. Zusäzlich entstehen im Anulus fibrosus Defekte, bei denen sich das fibröse Gewebe zu Fibrilen ordnet, was den Durchtritt von Material des Nukleus pulposus (Vorfall) ermöglichen kann. In Summe verliert die Bandscheibe an Höhe, was mit der Abnahme der Körpergröße mit dem Altern übereinstimmt, auch ohne, daß sich eine Veränderung der Form der Wirbesäule etwa durch eine BWS-Hyperkyphose einstellen würde. Die nachlassende Wasserbindungsfähigkeit (Quellfähigkeit) neigt einerseits dazu, daß die Bandscheibe teilweise ihr angestammtes Gebiet in Richtung über ihre Ränder hinaus verläßt (Vorwölbung), was Spinalwurzeln komprimieren kann, und andererseits dazu, daß die minder gute Gleichverteilung des Drucks die Deck- und Bodenplatten der Wirbelkörper schädigt, was an den Rändern die Bildung von Osteophyten begünstigt, die Knochenspangen (partielle Verknöcherung des Zwischenwirbelraums neben den Bandscheiben) ausprägen können. Prädilektionsstellen sind die am meisten belasteten Bereiche der WS, also HWS und vor allem LWS inkl. unterer BWS (thorakolumbaler Übergang). Diese bei jedem Mensch mehr oder weniger vorhandenen pathogenen Tendenzen werden ggf. durch sein Bewegungsverhalten beschleunigt und verstärkt: Bewegungsmangel und häufige über längere Zeit identische Körperhaltung einerseits und Überbelastung anderseits können zu massiv beschleunigter Degeneration führen.

Dabei kommt es wie bei jeder Arthrose zuerst zur Degeneration bzw. zum Verschleiß des physiologischen hyalinen Knorpels, der Gelenkknorpel verliert an Höhe und Glattheit, was ihn aufraut. Reibung an den Rändern der Knorpelflächen, vor allem durch endgradige Bewegungen bzw. Haltungen, beschleunigt diesen Prozeß. In den späteren Stadien wird dieser durch weniger haltbaren und groberen Faserknorpel ersetzt, und noch später hält auch dieser der Belastung nicht mehr stand und die Knochen an den nun knorpelfrei gewordenen Stellen werden angegriffen. Nicht selten kommt es dabei zur Bildung von Osteophyten (Spondylophyten), die sich am Rand des Gelenkspalts bilden, Basis dafür ist aus dem Gelenkspalt ausgetriebenes Knorpelmaterial, das sich außerhalb des Gelenkspalts anlagert und calcifiziert. Diese Osteophyten können je nach Größe und Lage auf benachbarte Strukturen, vor allem die Facettengelenksnerven drücken. Da diese Äste der austretenden Spinalnerven sind, kommt es zu pseudoradikulären Beschwerden, dem Bild eines Facettensyndroms. Hierbei ist der Schmerz ähnlich den neuroradikulären Schmerzen, jedoch tritt keine Störung von Afferenzen (z.B. Sensibilität) oder Efferenzen (z.B. Innvervation von Muskeln, Organen) auf. Kommt noch eine ostophytäre Einengung des Spinalkanals hinzu, entstehen als Spinalkanalstenose schwerere Störungsbilder, genauso, wenn das Lig. longitudinale anterius dem chronischen Druck einer dorsalen Vorwölbung (Protrusio) nicht standhält und in Folge das Rückenmark komprimiert wird. Drückt die angeschwollene Gelenkkapsel auf einen Spinalnerven, so treten neuroradikuläre Schmerzen auf, ggf. mit afferenten oder efferenten Störungen. Je nach Höhe des Betreffs sieht man dann das Bild einer Ischialgie, Lumbalgie (LWS) oder auch einer Cervicobrachialgie (HWS). Osteophyten können außerdem Krepiationen und Bewegungseinschränkungen hervorrufen.

Die Spondylarthrose ist eine häufige Erkrankung der WS, deren Inzidenz klar mit dem Alter zunimmt. Sie kann auch, weitgehend altersunabhängig, im Rahmen einer rheumatoformen Erkrankung auftreten.

Ursache

  1. Traumata
  2. präexistente Diskushernien
  3. Erkrankungen der Wirbelsäule: Turmoren, Entzündungen
  4. altersbedingte Degeneration
  5. Schäden am Bandapparat

Prädisposition

  1. Bewegungsmangel
  2. chronische Fehl- und Überbelastung in Beruf, Hobby, Sport
  3. Berufe und Tätigkeiten mit häufig lange nach vorn geneigtem Kopf wie Friseur, Kindergärtner (cervicale Form)
  4. Erkrankungen der WS wie Diskushernien mit schonungsbedingtem Bewegungsmangel, Instabilitäten der WS
  5. Skoliose, Hyperlordose (LWS, HWS) und andere Formanomalien
  6. Osteoporose
  7. RA und rheumatoforme Erkrankungen
  8. Mangel an muskulärem Halt im Rumpf
  9. Adipositas (vor allem lumbale Form)

Diagnose

  1. Das Blutlabor ist außer in Fällen einer Synovitis o.B.
  2. Röntgen zeigt den Höhenverlust des Wirbelzwischenraums, Osteophyten und Knochenspangen
  3. CT (hier besser als MRT) zur genaueren Darstellung

Symptome

  1. lokaler, in der Wirbelsäule lokalisierter Rückenschmerz, meist als Belastungsschmerz, eher weniger als Ruheschmerz:
    – bei lumbaler Form im Bereich des unteren Rückens, oft zusätzlich Verspannungen; Schmerzen zunehmend nach längerem Gehen oder Stehen, ggf. ischialgiforme Schmerzen
    – bei vervikaler Form im Bereich der HWS, des Nackens, ggf. zusätzlich Sehstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus
  2. bei Nervenwurzelkompressionssyndrom auch neuroradikuläre Schmerzausstrahlung in Poregion und Bein, ggf. neurologische Ausfälle
  3. schmerzhafte Bewegungseinschränkung
  4. ggf. Einnahme einer flektierten Schonhaltung
  5. ggf. „Wirbelblockaden“, also Blockaden von WS-Segmenten
  6. Schmerzzunahme bei Belastung, etwa Flexion des Rückens unter Last, Bücken
  7. ggf. Morgensteifigkeit der WS

Komplikationen

  1. Spinalkanalstenose
  2. Nervenwurzelkompressionssyndrom
  3. Depression und andere psychische Verstimmungen

DD

  1. Spondylodiszitis
  2. Spondylitis
  3. Spinalkanalstenose
  4. Spondylolisthesis

Therapie

  1. keine kausale Therapie bekannt
  2. symptomatische Therapie, z.B. Schmerztherapie, PT
  3. Bewegungstherapie, vor allem Kräftigungstraining des Rückens
  4. Elektrotherapie (Reizstromtherapie)
  5. Balneotherapie
  6. Akupunktur
  7. Triggerpunkt-Behandlung
  8. lokale Infiltrationen, ggf. unter bildgebender Kontrolle
  9. ggf. Therapie einer vorhandenen Adipositas
  10. ggf. Facettendenervierung, falls konservative Methoden versagen (Radiofrequenzneurotomie)
  11. falls notwendig: Weitung des Spinalkanals oder Arthrodese
  12. Lebenserwartung nicht reduziert. Mit konsequenter konservativer Therapie läßt sich meist ein hoher Grad an Beschwerdereduktion- bzw. freiheit erreichen.