pathologie: piriformis-syndrom

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Piriformis-Syndrom / Deep Gluteal Syndrom (DGS)

Definition

ursprünglich aufgefasst als durch Kompression des Nervus ischiadicus im Foramen infrapiriforme durch den Musculus piriformis ausgelöstes Schmerz-Syndrom. Heute allgemein als nicht durch Bandscheibengeschehen induziertes tiefes Glutealsyndrom mit Irritation des N. Ischiadicus. Verursachend sind Druck durch dorsale Gluteen, Hüftmuskulatur oder Ischiocrurale Muskeln oder Raumforderungen

Ursache

  1. Trauma des Gesäßes
  2. nicht traumatische Druckläsion
  3. Raumforderungen wie lokale Entzündungen, Verwachsungen, Tumoren
  4. Hypertrophie des Musculus piriformis wegen Training oder als dauerhafte Anspannungs bei Fehlhaltungen, Schmerzen anderer Ursache

Prädisponierend

– Verhalten

  1. ungewohnte Belastungen wie wie Schneeschippen, Inlineskaten, Schlittschuhlaufen
  2. langes einseitiges Sitzen (Computerarbeit, Autofahren)
  3. Langes Sitzen auf schmaleren Gegenständen wie einer Leiter
  4. Geldtasche in der Gesäßtasche (Druck)
  5. Überanstrengung (vor allem vornübergebeugte Haltung)
  6. Heben schwerer Gegenstände aus der Grätsche heraus
  7. Sportarten wie Laufen, Trithlon, insbesondere bei inadäquaten Belastungssteigerungen oder vernachlässigtem Krafttraining
  8. Längere Fehlhaltungen insbesondere bei bestehenden muskulären Dysbalancen oder (funktionalen oder anatomischen) Beinlängendifferenzen

Bewegungsapparat

  1. Endorotation des Oberschenkels bei Bewegungen
  2. Hyperpronation
  3. Schwäche der Abduktoren (kleine Gluteen)

Diagnose

  1. Druckschmerzhaftigkeit des Muskels
  2. Schmerz bei Dehnung
  3. abduzierte Rückenlage entlastet
  4. Nervenleitungsgeschwindigkeitsmessung, kann o.B. sein
  5. Elektromyographie zum Ausschluß lumbaler Nervenaffektion
  6. MRT Becken zum Nachweis von Asymmetrie oder Hypertrophie
  7. axialer Zug am Bein bessert
  8. Lasegue kann positiv sein, Exorotation des Unterschenkels bessert dann
  9. Freiberg-Zeichen: Schmerz bei Endorotation des gestreckten Hüftgelenks bei gebeugtem Kniegelenk, eventuell zusätzlicher Abduktion
  10. Filler-Zeichen: Schmerz bei Dehnung durch aktive Adduktion, z.B. Kreuzen des betroffenen Beines gegen Widerstand im Liegen
  11. Pace/Nagle-Zeichen: Schmerz bei Beinabduktion gegen Widerstand im Sitzen
  12. JAGAS-Test: Schmerz bei Scherenbewegung des betroffenen Beines, also Adduktion über die Mittellinie
  13. Active Piriformis Test: Test auf DGS durch gleichzeitige Bewegungsdimensionen des Piriformis
  14. seated piriformis Test: Test auf DGS durch Dehnung in Endorotation und Adduktion
  15. FAIR-Test: Test auf DGS durch Dehnung in Adduktion und Endorotation im Hüftgelenk
  16. Beatty Maneuver: Test auf DGS durch Abduktion
  17. Freiberg-Zeichen: Schmerz bei Endorotation des gestreckten Hüftgelenks bei gebeugtem Kniegelenk, eventuell zusätzlicher Adduktion

Symptome

  1. Ausgeprägte Schmerzsymptomatik im Bereich des Gesäßes, in Richtung Hüftgelenk, Os sacrum oder auch die Rückseite des Oberschenkels ziehend
  2. Streckung im Hüftgelenk verbessert
  3. Verschlechterung durch Hüftflexion vor allem unter Last, Heben, längeres Gehen, Sitzen auf harter Unterlage
  4. ggf. Missempfindungen oder Sensibilitätsstörungen in den Beinen oder
  5. ggf. gestörter Fersen- und Zehenstand möglich
  6. kontraktionsbedingte Schmerzen beim Treppensteigen oder Exorotation im Hüftgelenk
  7. Unverträglichkeit des Sitzens über mehr als 20 oder 30 Minuten
  8. Gangveränderung, Hinken
  9. Nachtschmerz mit Besserung über den Tag

Therapie

  1. Physiotherapie
  2. symptomatische Schmerztherapie (NSAR)
  3. symptomatische lokale Lidocain-Infiltration des Piriformis
  4. Dehnen, vor allem der Exorotatoren des Hüftgelenks

DD

  1. neuroradikuläre Schmerzsyndrome wie Ischialgie, Lumbalgie

Asana-Praxis

Wenn der Piriformis mit zu hoher Spannung auf den Ischiasnerv drückt, sind Dehnungen erforderlich um seinen Tonus herabzusetzen. Dabei muß die Funktionsumkehr des Muskels beachtet werden. Nahe anatomisch Null, also bei weitgehend rotationsneutralem und nicht oder kaum abduziertem und etwa gestrecktem Hüftgelenk hat der Muskel eine abduzierende, extendierende und exorotierende Wirkung im Hüftgelenk. Letzteres kehrt er aber bei ca. 60°-80° Flexion im Hüftgelenk in eine Unterstützung der Endorotation um. Um eine suffiziente Dehnung zu erreichen, ist nicht die Gleichzeitigkeit aller Gegenbewegungen zu den von diesem Muskel ausgeführten Bewegungen erforderlich, aber zumindest ein gewisses Maß mindestens zweier dieser Bewegungen. Da Muskeln in der Regel aufgrund ihres Verlaufs, also der Lage von Ursprung und Ansatz, die verursachten Bewegung unterschiedlich stark unterstützen, also auch verschiedene Drehmomente erzeugen, braucht es eine kluge Kombination, beispielsweise den beiden am meisten unterstützten Bewegungen deutlich entgegenzuwirken und dafür, wenn nötig, einen Kompromiss in der dritten Bewegungsrichtung zuzulassen. Aufgrund des weitgehend transversalen Verlaufs des Piriformis ist es klug, die Rotation als wichtigsten Parameter anzusetzen und in der Annahme, daß er (natürlich abhängig von der Position des Femur) die Extension stärker unterstützt als die Abduktion (die eher kaudale Fasern ggf. überhaupt nicht unterstützen), das Hüftgelenk zudem möglichst weit zu flektieren. Dies führt zu Haltungen wie der Vorwärtsbeuge des halben Lotus, der 3. Hüftöffnung und der Hüftöffnung am Mattenrand, die sich allesamt als recht wirksam erweisen. Ebenfalls eine gute Wirksamkeit zeigt eine spezielle Variante der parivrtta trikonasana, die Variante mit Wand und eingedrehtem vorderen Bein.

Neben der notwendigen Druckentlastung des Nervus ischiadicus durch Dehnung und Tonusreduzierung des Piriformis muß der Frage nachgegangen werden, wie der erhöhte Tonus zustande gekommen ist. Hier können besondere, länger gehaltene Haltungen, vielfach wiederholte Bewegungen oder Tätigkeiten auslösend sein. Wenn die Plausibilität dieser Faktoren nur gering sein sollte, muß aber die Frage aufgeworfen werden, wie groß die Resilienz dieses Muskels gegenüber diesen Anforderungen ist. Eine Kräftigung dieses Muskels kann also ebenfalls indiziert sein, jedoch sollte sie eher in Bereichen größerer Sarkomerlänge geschehen, damit der Tonus nicht erhöht wird. Bei der Kräftigung würde man umgekehrt vorgehen wie bei der Dehnung und unbedingt nicht im Hüftgelenk in die beiden Richtungen bewegen, die der Piriformis hauptsächlich bedient, damit der der Arbeitsbereich nicht ein Intervall zu kurzer Sarkomerlänge darstellt, und wenn man doch wegen der guten Wirksamkeit diese Ansatz wählt, dann muß darauf geachtet werden, daß überwiegend größeren Sarkomerlängen bis bestenfalls in mittlere Sarkomerlängen gearbeitet wird, also nicht die gesamte mögliche Bewegungsspanne in diese Richtung ausgenutzt wird. An dieser Stelle muß darauf hingewiesen werden, daß Kräftigung und Dehnung keine sich ausschließenden Prozesse sind, sondern große Last in großen Sarkomerlängen beides leistet.

In der Praxis zeigt sich, daß bei geringerer Beweglichkeit sehr gut mit der oben genannten Variante der parivrtta trikonasana gearbeitet werden kann, während bei guter Beweglichkeit (der Hüftextensoren) die Vorwärtsbeuge des halben Lotus wesentlich effektiver ist. Auch das Einnehmen der parivrtta trikonasana, ggf. auch mit einem kleinen Gewicht in der unteren Hand ausgeführt, erweist sich als hilfreich, genauso wie Kniebeugen und utkatasana ebenfalls hilfreich sind wegen der weiten Hüftflexion.

Asanas