funktionale übung: hüftbeugerbeweglichkeitstest

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„Hüftbeugerbeweglichkeitstest“

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letzte Änderung: 30.12.2018
Trivialname: Hüftbeugerbeweglichkeitstest
Niveau: A

Klassifizierung

klassisch: Diagnostik

Kontraindikation

Wegen der sich möglicherweise ergebenden Extension/Hyperlordose der LWS stellt die Haltung für Menschen mit Facettensyndrom, Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) und Spinalkanalstenose eine Schwierigkeit dar, es können hier bekannte Schmerzen wieder auftreten. Wenn das nicht der Fall ist und die Haltung nur kurz ausgeführt wird um den Zustand der Hüftbeuger zu beurteilen, stellt das keine zwingende Kontraindikation, jedoch muss mit dem ersten Anzeichen von Schmerz die Haltung abgebrochen werden.

Wirkungen

Vorbereitung

Zu dieser funktionalen Übung werden keine Vorübungen angegeben.

Nachbereitung

abgeleitete asanas:

ähnliche asanas:

Diagnostik (Nr.)

Varianten:

mit Gürtel

Anleitung

  1. Dder Ausführende liegt bäuchlings auf dem Boden, beugt die Knie und greift mit den Händen die Fesseln um mit Kraft der Arme die Knie vom Boden hoch zu ziehen.
  2. Der Supporter sitzt gegrätscht auf seinem Po hinter dem Ausführenden (an dessen Fußende), drückt mit den Oberschenkeln die Knie des Ausführenden zusammen, damit dieser sie nicht weiter als hüftbreit auseinander fallen lassen kann.
  3. Wenn die maximale Höhe der Knie erreicht ist, misst der Supporter in Handdicken (Dicke der Grundgelenke, von palmar nach dorsal) oder Handbreiten (Breite der Hand über den Grundgelenken 2-5, von radial nach ulnar) oder eine Kombination derselben, wie weit sich die Knie senkrecht vom Boden entfernt haben.
  4. Erhoben wird das Maß für jede Seite. Auch der Seitenvergleich ist eine wichtige Aussage, da seitendifferent bewegliche Hüftbeuger eine Beckenverwringung verursachen können.

Details

  1. Ziel der Haltung ist nur die Erhebung der beiden (links und rechts) Abstandsmaße der Knie senkrecht vom Boden. Die Haltung soll nicht darüber hinaus gehalten werden. Natürlich handelt es sich um ein vorwissenschaftliches Verfahren, welches aber sehr praktikabel ist und eine wichtige diagnostische Aussage in hinreichender Verlässlichkeit und Genauigkeit gibt. Zudem sind die einzusetzenden Mittel (1 Supporter) und der Zeitbedarf sehr gering. Deshalb sollte sich jeder Neuling der Yogapraxis diesem Test unterziehen, insbesondere wenn Haltungen wie Hund Kopf nach oben, Hüftöffnung 1, ustrasana, urdhva dhanurasana andeuten, dass die Hüftbeweglichkeit in Richtung Extension eher fraglich ist.
  2. Das Becken soll weitestmöglich am Boden bleiben, der Einsatz der Pomuskulatur für die Extension in den Hüftgelenken ist explizit erlaubt. Der Oberkörper soll nicht deutlich abheben, damit nicht das Becken teilweise abhebt und das Ergebnis verfälscht.
  3. Die Knie sollen auf Hüftbreite (nicht auf Beckenbreite !) bleiben. Das muss oft mit (ggf. sehr kräftigem) Einsatz der Adduktoren des Supporters erzwungen werden. Insbes. bei wenig beweglichen Hüftbeugern werden die Knie (sprich die Oberschenkel) massiv zum Ausweichen in die Abduktion gezwungen. Mit Hüftbreite ist als Faustregel gemeint, dass zwischen den muskulären Teilen der Innenoberschenkel gerade noch eine Hand passt, also diese die Hand spürbar einklemmen.
  4. Beschwerden in der LWS sind bei diesem Test nicht selten und trotz Einsatz der Pomuskeln nicht immer zu vermeiden. Deswegen und weil der dehnende Nutzen der Haltung an sich aufgrund der relativ schwachen Wirkung auf die Hüftbeuger einwirkenden Kraft recht begrenzt ist, soll die Haltung nach Erheben der beiden Abstandsmaße links und rechts sofort aufgelöst werden.
  5. Mit diesem Test werden die relevanten Hüftbeuger als funktionale Einheit erfasst. Zwar haben auch die Adduktoren eine hüftflektierende Wirkung, diese sind jedoch für die kraftvolle weite Flexion im Hüftgelenk nachrangig und ohne Abduktion wenig einschränkend. Relevant sind der m. psoas major, der m. iliacus und vor allem der m. rectus femoris (biartikulärer Kopf des Quadrizeps). Der m. rectus femoris schränkt hier oft am meisten ein, mehr als die im Becken liegenden Hüftbeuger (Iliopsoas), da die Kniegelenk sehr weit gebeugt sind. Soll mit diesem Testaufbau die Beweglichkeit des Iliopsoas erhoben werden, muss die Beugung der Kniegelenk auf rund 90° begrenzt werden. Dann können die Knie nur noch passiv vom Supporter/Untersucher vom Boden abgehoben werden. Ein weiterer Test, dessen Spezifität allerdings auch nicht bestens ist, ist die 1. Hüftöffnung. In dieser wird das Becken bei gestrecktem hinteren Bein maximal abgesenkt, was einer Extension in dem zugehörigen Hüftgelenk gleichkommt und über dessen Maß eine gute Aussage erlaubt, wenn – und das stellt eine echte Voraussetzung bzw. Einschränkung dar – die Hüftextensoren genügend beweglich sind um das Absenken des Beckens nicht zu behindern (vorderes Bein). Andere Haltungen um die Beweglichkeit des Iliopsoas zu erheben, sind z.B. die 1. Kriegerstellung, die Brücke, purvottanasana und ustrasana.
  6. Das Testergebnis bedarf natürlich der Interpretation:
    • tritt ein „Hüftdreieck“ auf, also lässt sich ohne Widerstand zwischen Boden, Oberschenkel und SIAS (vorderer oberer Darmbeinstachel oder auch im Volksmund „Hüftknochen“) eine oder mehrere Hände (übereinander) schieben, sind die Hüftbeuger pathologisch verkürzt, ein Haltungsschaden ist fast sicher eingetreten, dies bedeutet dringenden Handlungsbedarf.
    • tritt kein Hüftdreieck auf und ist kein Abstand der Knie vom Boden erreichbar, sind die Hüftbeuger ebenfalls pathologisch verkürzt, ein Haltungsschaden ist vermutlich eingetreten oder wird zwangsweise eintreten, hier besteht ebenfalls unbedingter Handlungsbedarf.
    • tritt kein Hüftdreieck auf, und ist der Abstand der Knie vom Boden weniger als eine Handbreit, dürfte es sich um eine alltagsrelevante Verkürzung handeln, die noch mit Haltungsbewusstsein und Kraft der Extensoren des Hüftgelenks (je nach erforderlichem Kraftaufwand Ischiocrurale Gruppe oder vor allem Gluteus maximus) kompensiert werden kann, im Alltag aber vermutlich seltenst wird(!).
    • tritt kein Hüftdreieck auf und ist der Abstand der Knie vom Boden größer als eine Handbreit, sind die Hüftbeuger für Alltagshaltungen vermutlich hinreichend beweglich. Ein Hohlkreuz kann dennoch als Folge von Fehlhaltungen und mangelnder Haltungsbewusstheit auftreten. Ein Check in gewissen Abständen sowie Haltungbewusstsein reicht bis auf Weiteres aus.
  7. Lassen sich die Knie nicht vom Boden abheben, kann zusätzlich ein sog. „Hüftdreieck“ (s.o.) auftreten, welches erlaubt eine Hand oder mehrere Hände übereinander zwischen SIAS und Oberschenkel einerseits und dem Boden andererseits zu schieben. Dieses Hüftdreieck und die Anzahl der Handdicken, die möglich sind, ist eine Zusatzinformation über das Ausmaß der Verkürzungen der Hüftbeuger, das Abstandsmaß der Knie ist dann automatisch Null.
  8. Die Hüftbeuger sind sehr bedeutsam für die Rückengesundheit. Sind sie nicht hinreichend beweglich ist – unabhängig von der Haltungsbewusstheit – ein chronisches Hohlkreuz (genau gesagt: im Stehen mit mehr oder weniger gestreckten Knien) die Folge. Auf Dauer wird die Muskulatur der LWS an Masse und Spannung (!) zunehmen und der Druck auf die Bandscheiben vor allem in vorwärtsbeugenden Bewegungen und Haltungen ebenfalls zunehmen, die je nach weiteren begünstigenden Faktoren wie z.B.
    1. Bewegungsmangel
    2. häufiges Heben schwerer Lasten
    3. Asymmetrien im Bewegungsapparat
    4. gestörte oder verkürzte Nachtruhe, insbesondere in ungünstigen Schlafpositionen wie Seitenlage, Bauchlage
    5. ungünstige Hebel und Haltungen bei Bewegungen in Arbeit, Sport, Freizeit
    6. häufiges nicht „rückengerechtes“ Hebenirgendwann die ersten Schäden aufweisen werden:
    1. Protrusion (Vorwölbungen mit noch intaktem annulus fibrosus, dem äußeren Faserring der Bandscheiben), oft gefolgt von
    2. Prolaps (Riss des vorgewölbten annulus fibrosus mit Abpressen von Material des nucleus pulposus nach außerhalb der Bandscheibe)
    3. weitere Schäden wie Sequestrierung (Abquetschen eines Teils der Bandscheibe)Das immer wieder empfohlene Auftrainieren der Bauchmuskulatur hilft zwar ein wenig, das Becken aufzurichten, wenngleich bedacht werden muss, dass die Bauchmuskulatur weniger kraftvoll ist als die Hüftextensoren, das geschieht aber auf Kosten erschwerter Einatmung und erhöhten Gesamtdrucks auf die Bandscheiben! Die Förderung der Beweglichkeit der Hüftbeuger auf ein hinreichendes Maß zusammen mit einer hinreichenden Haltungsbewusstheit sind nicht zu ersetzen!
  9. Nicht ganz selten sind Kniebeschwerden bei dem geforderten hohen Maß an Beugung der Kniegelenk während des Tests. Dies tritt umso eher bei geringerer Flexibilität vor allem des Rectus femoris auf, vor allem aufgrund der verkürzungsbedingten Drücke im Gelenk.
  10. Weiteren Aufschluß über die Verkürzung und Erhärtung gehen die folgenden orthopädischen Tests:
    1. Thomas-Handgriff (Iliopsoas)
    2. Ely-Test (Rectus femoris)
    3. Kendall-Test (Rectus femoris)
    4. Patrick (4er-Zeichen) (Iliopsoas)
    5. Paff Psoas Test (Iliopsoas)
  11. Siehe zur Bewegung des Beckens und zum Iliopsoas auch die Exploration: WS an die Wand drücken und Becken kippen.

Bekannte Probleme, die auch bei korrekter Ausführung auftreten können

Kniebeschwerden bei der Ausführung
Wie bereits oben beschrieben sind Kniebeschwerden im Falle geringer Beweglichkeit und auch in Fällen pathologisch veränderter Kniegelenk nicht ganz ausgeschlossen. Wenn der Test zügig ausgeführt wird, sollte dies tolerabel sein.

Beschwerden in der LWS
Abhängig von Konstitution und ggf. Vorschädigung der LWS können Missempfindungen in der LWS auftreten. Solange es sich nicht um neuroradikuläre Schmerzen handelt, sollte dies bei kurzer Ausführung tolerabel sein.

Varianten

mit Gürtel

Anleitung

  1. Nimm die Haltung wie oben beschrieben ein, ziehe aber vermittels eines Gürtels an den Füßen statt direkt mit den Händen.

Details

  1. Diese Variante dient mehr der Verdeutlichung als einen anderweitigen unmittelbaren Nutzen aufzuweisen. In Fällen, da der Ausführende nicht mit den Händen an die Füße reicht, wird hiermit das Proportionsargument ausgeschlossen und nachgewiesen, dass die Unfähigkeit, die Füße zu greifen, auf Beweglichkeitseinschränkungen der Hüftbeuger (und erst nachrangig anderer Partien wie dem Rücken und den Schultergelenken im Sinne der Retroversionsfähigkeit) beruht. Mit Benutzung eines Gürtels, wenn dieser notwendig erscheint, wird es auch kaum besser gelingen die Knie anzuheben. Insbesondere ist zu prüfen, ob nicht ein Hüftdreieck (siehe oben) vorliegt.