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Lumbago (Hexenschuss, lokales Lumbalsyndrom)
Definition
akute hoch nicht-radikulär schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der WS mit Verspannung der paravertebralen Muskulatur, vermutlich häufig auf dem Boden von Zerrungen oder neuromuskulärer Fehlreaktionen, die zur anhaltenden Verkrampfung synergistischer Muskulatur (oder schwächeren Anteilen) derjenigen Muskulatur führt, die mit einer Bewegung oder Haltung überfordert ist. Am häufigsten 30.-60. Lj. M/F gleich häufig. Neben der akuten Form gibt es noch die chronische Form mit mehr oder weniger durchgängig subakuten bis zu subklinischen Schmerzen oder vollständigen Remissionen; In den Rezidiven sind die Schmerzen in vielen Fällen (aber nicht zwangsweise) weniger stark als im akuten Geschehen. Das Lumbago ist keine Erkrankung im eigentlichen Sinne sondern ein Bild. In der Literatur wird der Begriff nicht einheitlich verwendet, teilweise wird Lumbago als „akute Lumbalgie“ verwendet, was mit der Definition der Lumbalgie als von radikulärer Ätiologie widerspricht. Neben der LWS-Form gibt es auch die
- HWS-Form des Lumbago mit heftiger Verspannung des Nackens, Nackensteifigkeit und ggf. nuchalen Kopfschmerzen sowie ggf. schmerzhaften Bewegungseinschränkungen einer oder beider Arme
- BWS-Form (recht selten) mit ausgeprägter schmerzhafter Bewegungseinschränkung der BWS und schmerzhafter Einschränkung der Atmung
bei beiden ist die psychschie Komponente vermutlich deutlich ausgeprägter. Der Begriff Hexenschuss beruht auf mythischen Vorstellungen
ICD M54
Ursache
- Auslöser: Überforderung der Muskulatur durch abrupte, oft schwere Bewegungen, i.d.R. Heben, oder längere vorgebeugte Haltung, oft im Kombination mit Kälte und Nässe
Prädisponierend
- Schwäche und mangelnde Dehnfähigkeit der Muskulatur im Bereich LWS
- muskuläre Dysbalancen
- Ermüdete Muskulatur
- belastende psychische Faktoren
- häufige längere einseitige Haltungen
Diagnose
- ggf. bildgebende Verfahren zum Ausschluß nichtmuskulären Geschehens
- selten: Blutlabor, Liquorpunktion
Symptome
- blitzartiges Auftreten heftigster Schmerzen, beschrieben oft als „Messer in den Rücken gerammt“; manchmal wird auch die rasche zum schmerzhaften Krampf führende Tonuserhöhung verspürt
- teilweise völlige Bewegungsunfähigkeit
- kleinste Bewegungen im Gradbereich, vor allem leicht vorwärtsbeugende Bewegungen mit kleiner Rotation der WS, können maximale Schmerzen auslösen
- reaktive Verspannungen weiterer Muskelpartien
- paravertebrale Myogelosen
- Schonhaltung
Therapie
Zur Bewegungstherapie bei Lumbago siehe auch die Empfehlungen in der FAQ.
- KG
- Chiropraktik
- Dehnübungen
- Für die Wirksamkeit von Muskelralaxantien gibt es keinen Beweis
- Präventiv und zur Rezidivvorbeugung: Kräftigung der Rückenmuskulatur
- nur hochakuten Fällen ggf. Stufenbettlagerung
- KEINE Bettruhe. Bewegung, Schonhaltung minimieren !
- Wärmeanwendungen
- ggf. NSAR, auch als Infiltration
- lokale Salben
- auch unbehandelt Spontanheilung binnen Tagen oder Wochen, meist sind 90% der Patienten nach 4-6 Wochen beschwerdefrei, aber Rezidivneigung!
- muskläre Rezidivprophylaxe und Bewegungs/Haltungs-Schulung
NHK
- Lokalanästhesie per Quaddeln
DD
- Lumbalgie bei Diskushernie
- Wirbelgelenkblockierungen
- Muskelzerrungen
Asana-Praxis und Bewegungstherapie
Das Lumbago als Erstauftreten oder Rezidiv dürfte stark von der muskulären Situation der Muskulatur im Bereich der Lendenwirbelsäule aber auch kranial und kaudal davon abhängen. Während das akute Erstauftreten in aller Regel mit einer maximalen Schmerzintensität von NRS 10 auftritt und qualitativ mit einem Messerstich in den Rücken verglichen wird, ist das Auftreten als Rezidiv nicht notwendigerweise gleichermaßen intensiv, sondern bewegt sich häufig in den Regionen von NRS 4 bis 8. Möglicherweise ist schon vorher ein Hypertonus im Bereich der Rückenmuskulatur der Lendenwirbelsäule oder des gesamten Rückens verspürt worden oder wäre nachweisbar gewesen. In den meisten Fällen eines akuten Lumbago oder eines Auftretens als Rezidiv ist muskulärer Hypertonus beispielsweise durch das Rücken aufrollen nachweisbar, so dass die Flexibilität der LWS in Richtung konvex deutlich eingeschränkt ist. Diese ungesunden Spannungsverhältnisse in der Muskulatur disponieren eher zu krampfartiger Überlastung und neuromuskulären Fehlreaktionen, wie es für das Lumbago charakteristisch ist. Nicht selten dürfte ein Mangel an Kraft oder Kraftausdauer der regionären Muskulatur mitverantwortlich sein. Hier dürfte etwa die Multifidus-Dysfunktion eine bedeutende Rolle spielen. Die Rezidivprophylaxe besteht demzufolge auch aus einem hinreichenden Maß an Kräftigungsmaßnahmen zuzüglich des Beweglicherhalts der regionären und der weiter kranial und kaudal liegenden Muskulatur, so dass die relevanten Muskelketten wieder störungsfrei arbeiten können. In chronischen Fällen kann die Anbahnung eines Rezidivs durch Erhöhung des Muskeltonus oft frühzeitig gespürt werden, so dass eine frühzeitige Intervention eine massive Ausprägung in der Regel verhindern kann. Häufig lange ihnen gehaltene identische Positionen wie Sitzen oder Stehen sind bei einer Neigung zum Lumbago ungünstig und sollten von einem hinreichenden Maß an Bewegung regelmäßig unterbrochen werden. Im akuten Fall mit maximaler Schmerzintensität ist regelmäßig zu sehen, dass sich nicht nur die regionäre Muskulatur, sondern insbesondere auch weiter kaudal liegende Muskulatur durch die Bemühung der Schmerzvermeidung deutlich verspannt. Zudem zeigt der Betroffene auch ein häufig asymmetrisches Schmerzvermeidungsverhalten. Meist gibt es einen bestimmten Flexionsgrad eines kleinen Bereichs der Lendenwirbelsäule, dessen Überschreiten in die eine oder andere Richtung den maximalen Schmerz auslöst, so dass die Betroffenen bemüht sind, sich möglichst gänzlich auf der einen oder anderen Seite der Schmerzauslösung zu verhalten. Verbleibt der Betroffene dabei überwiegend auf der extensorischen Seite der Schmerzauslösung, so gewinnt ein großteil der Muskulatur im Bereich der Lendenwirbelsäule dadurch umso mehr an Tonus, bliebe er auf der flektorischen Seite, so könnte durch die ungünstigere Geometrie im Sinne des waagerechten Hebelarms und eine mögliche zusätzliche Flexion der Hüftgelenke insbesondere der Psoas major für eine weitere Verschärfung der Problematik sorgen.