pathologie: facettensyndrom

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Facettensyndrom / facet joint syndrome / arthrosis of the vertebral joint

Definition

Verschleißerscheinung der Facettengelenke, meist Synonym benutzt zur Wirbelgelenkarthrose. Im weiteren Sinne bedeutet das Facettensyndrom jedoch jede schmerzhafte, oft pseudoradikuläre Störung eines Facettengelenks durch eine meist chronische Reizung. Das Facettensyndrom ist bereits 1911 entdeckt worden und eine häufige Ursache für Rückenschmerz, meist tritt es lumbal auf, was auch der Tatsache geschuldet ist, daß dort die Extensibilität und auch die wirkende Last wesentlich größer ist als in der BWS. Insbesondere nach Schleudertraumata finden sich Facettensyndrome auch im Bereich HWS. Die den Schmerz weiterleitenden intakten Facettengelenksnerven sind Seitenäste der jeweiligen Nervenwurzel, deshalb tritt eine pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung auf, jedoch ohne die bei Kompression eines Spinalnerven typische parästhetische Komponente (Empfindungsstörungen wie Taubheit, Kribbeln, pelziges Gefühl). Meist strahlen die Schmerzen weniger weit aus als die einem Bandscheibengeschehen und erfassen nicht das gesamte Dermatom. Wegen des anfangs oft milden, unspezifischen Verlaufs ohne pseudoradikuläre Schmerzen ist eine Bildgebung ohne über mindestens 6-12 perstistierende Schmerzen selten indiziert, so daß ein Facettensyndrom häufig erst verzögert diagnostiziert wird. Da die Facettengelenke einen Teil der gelenkigen Verbindung zwischen zwei Wirbelkörpern darstellen, deren anderer Teil das Bandscheiben-Wirbel-System ist, führen Schäden am einen häufig, ggf. mit Verzögerung, zu Schäden am anderen. Die Facettengelenke tragen ca. 20% der axialen Last der WS und besitzen daher eine dicken Korpelschicht. Häufig sind muskuläre und habituelle Faktoren sowie die Benutzung des Bewegungsapparates wichtige Faktoren der Entstehung der Störung. Werden in diesen Bereichen konsequent Verbesserung umgesetzt, ist eine konservative Therapie im Sinne einer Schmerzlinderung häufig erfolgreich. Muskelaufbau und ein angemessener Tonus sind dafür elementar. Red Flags für eine umgehende Diagnostik sind das Auftreten des Facettensyndroms

  1. nach einem Trauma wie einem Sturz
  2. bei bekannten Tumorerkrankungen
  3. mit neu aufgetretenen Lähmungen
  4. mit Hinweisen auf eine Infektion der WS
  5. vor dem 30. Lj.

Ursache

  1. Degeneration der WS-Strukturen wie Osteoporose, Diskopathien auch rein degenerativ ohne Diskushernien
  2. Arthritis
  3. Arthrose
  4. Facettengelenke-nahe Zyste oder Ganglion („Facettenganglion“, „Juxtafacettenzyste“): gilt als beweisend für ein Facettensyndrom
  5. Spinalkanalstenose
  6. Wirbelblockierungen
  7. Instabilität des Facettengelenks
  8. Muskelkontrakturen, reflektorische Muskelverspannungen
  9. Tumoren
  10. angeborene Fehlbildungen
  11. Haltungsanomalien und Störungen wie Skoliose, Hohlkreuz

Prädisponierend

  1. Alter

Diagnose

  1. Röntgen in 2 Ebenen zur groben Orientierung, MRT oder CT zum Nachweis des Verschleißes und Ausschluß von differentialdiagnostisch wichtigen Geschehen, z.B. einer Diskushernie
  2. diagnostische Facettenblockade mit Lokalanästetikum des Ramus dorsalis des Spinalnerven unter Kontrolle durch Bildgebung

Symptome

  1. Ohne pseudoradikulären Schmerz zu Beginn schlecht von anderen Rückenschmerzen abgrenzbar und oft zu Spontanremission neigend
  2. Schmerz, meist dumpf und schlecht lokalisierbar, einseitig oder beidseitig, manchmal auch stechend oder bohrend.
  3. bei lumbalem Facettensyndrom ggf. auch Hüftschmerzen oder Schmerzausstrahlung ins Bein
  4. Belastung der WS und v.a. Extension, aber auch Lateralflexion und nachrangig Rotation der WS verschlechtert
  5. Besserung bei Vorwärtsbeugen des WS (Flexion)
  6. längeres Gehen und Stehen verschlechtert
  7. ggf. morgentliche Anlaufschmerzen
  8. Umlagerungsschmerzen beim Drehen im Bett
  9. ggf. Steifheit des betroffenen Wirbelsäulenabschnittes
  10. ggf. DGS-artige Gesäßschmerzen
  11. Zunahme des Schmerzes über den Tag
  12. „Durchbrechgefühl“ im Rücken

Komplikationen

  1. Ausbildung von Osteophyten
  2. Ausbildung von Synovia-gefüllten Facettengelenkzysten durch Überproduktion von Synovia
  3. Nervenirritation durch Facettengelenkzysten

Therapie

  1. Antiphlogistika, Analgetika, NSAR
  2. Rückenschule
  3. Ergotherapie
  4. PT und Schonung im Wechsel
  5. Dehnung und Kräftigung der Rückenmuskulatur
  6. Verbesserung von Propriozeption und Koordination
  7. Facetteninfiltration eines Lokalanäthetikums mit Kontrolle durch Bildgebung
  8. falls nötig: Facettendenervierung (Radiofrequenztherapie oder Thermokoagulation)
  9. Kältesonden
  10. Lasertherapie
  11. Akupunktur
  12. bei Versagen konservativer Therapie: OP

DD

  1. Diskushernie (Bandscheibenvorfall oder -vorwölbung)
  2. Spinalkanalstenose
  3. Spondylolisthesis
  4. Wirbelkörperfraktur oder Fraktur des Sacrums
  5. Coxarthrose (bei lumbaler Form)
  6. Störungen des ISG (bei lumbaler Form)
  7. selten: WS-Tumoren und Metastasen
  8. sehr selten: DGS (Piriformis-Syndrom), Irritationen des Plexus lumbosacralis, etwa durch retroperitoneale Tumoren

Leitlinie

AWMF, externer Link:

Radiofrequenz-Denervation

https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-095l_S1_Beschleunigungstrauma-Halswirbelsaeule_2021-04.pdf

Asana-Praxis und Bewegungstherapie

Bei einem Facettensyndrom ist es wichtig, daß versucht wird verursachende und prädisponierende Faktoren aufzufinden und, so weit als möglich, abzustellen. Sämtliche beeinflußbaren Faktoren im aktiven Bewegungsapparat sollten angegangen werden. Häufig kann mit muskulären Verbesserungen Linderung oder Remission erreicht werden. Dazu muß das Spektrum der eingenommenen Haltungen und ausgeübten Bewegungen genauso analysiert werden wie muskuläre Dysbalancen oder andere Störungen. In der Regel gehört eine Kräftigung der autochthonen Rückenmuskulatur mindestens zu den Begleitmaßnahmen. Falls deren Tonus bereits zuvor erhöht war oder durch den bewegungstherapeutischen Ansatz erhöht werden sollte, so gehört auch deren Dehnung dazu. Dabei sind die drei Bewegungsdimensionen der autochthonen Rückenmuskulatur zu berücksichtigen, das heißt die Fähigkeiten zu Flexion/Extension, Lateralflexion und Rotation der Wirbelsäule sollten alle überprüft und in einen brauchbaren Status versetzt werden.

Asanas

Asanas in 601: Dehnung zur Flexion der WS
Asanas in 666: Dehnung zur Lateralflexion der WS
Asanas in 661: Dehnung zur Rotation der WS
Asanas in 602: Kräftigung zur Flexion der WS
Asanas in 667: Kräftigung zur Lateralflexion der WS
Asanas in 662: Kräftigung zur Rotation der WS