pathologie: seiten- und kreuzbandschäden

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Seiten- und Kreuzbandschäden (Knie)

Definition

partieller oder kompletter Riss eines oder mehrerer Bänder:

  1. vorderes Kreuzband (ein Ansatz am Femur, zwei (vorn und hinten) an der Tibia), Risse m:w 2:1, meist 20-30 Jahre, sportlich aktiv. Das VK besteht aus zwei spiralförmig gegeneinander verdrillten Faserbündeln, begrenzt die Bewegung des Unterschenkels nach vorn gegenüber dem Oberschenkel (anteriore Translation); Reißfestigkeit ca. 240 kg (Männer), reißt weit häufiger als das hintere Keruzband; reißt das VK vom Femur, sinkt es ab und kann nicht wieder anwachsen; reißt nur das innere VK, ist nur ein gradueller Stabilitätsverlust gegeben und das innere VK kann wieder heilen; Reißt die Verankerung in der Tibia mit einem Stück Knochen aus, kann das operativ fixiert werden; häufigster Ursache sind Stürze mit Verdrehung des Unterschenkels, am häufigsten beim Fußball oder Skifahren. Ursächlich sind meist traumatische Hyperextensionen, Hyperflexionen, Varus- oder Valgus-Rotationstraumata, zuweilen auch abrupte Anspannung des Quadrizeps bei gebeugtem Kniegelenk, meist in großer exzentrischer Last wie z.B. beim Skiabfahrtsrennen. Bei Frauen reißt das VK häufiger, weil es im Vergleich zm Körpergewicht dünner ist.
  2. hinteres Kreuzband (ein Ansatz an der Tibia, zwei (vorn und hinten) am Femur), ist stabiler als das VK und die Kinetik der meisten Verletzungen bedroht es nicht. Es begrenzt die Bewegung des Unterschenkels nach hinten gegenüber dem Oberschenkel; Häufigste Ursache für Risse des hinteren Kreuzbands sind Autounfälle mit Aufprall des Knies auf das Armaturenbrett, weiter Stürze für die ventrale proximale Tibia und Hyperextensions-Traumata.
  3. Innenband: verläuft medial von Femur zu Tibia, ca. 10 cm lang und mit dem Innenmeniskus verbunden, verhindert Einknicken des Knie nach innen
  4. Außenband: verläuft lateral von Femur zu Tibia, verhindert Einknicken des Knie nach außen

Bei den Kollateralbandschäden unterscheidet man drei Grade:

  1. Zerrung des Bandes, Einrisse sind bestenfalls minimal. Das Gelenk ist maximal 5° aufklappbar, Druckschmerzhaftigkeit ist lokal recht begrenzt, Hämatom und Schwellung gering. Volle Gelenkstabilität
  2. Teilruptur des Bandes, aufklappbar bis 10°, lokale Druckschmerzhaftigkeit und Schwellung. Der Streßtest (Varus oder Valgus, je nach betroffenem Band) zeigt eine klare Bewegungsgrenze
  3. Komplettruptur, deutliche Druckschmerzhaftigkeit, Instabilität des Gelenks. Der Streßtest läßt einen klaren Anschlag vermissen.

40% aller Knieverletzungen sind Bandschäden, davon 60% vorderes Kreuzband; vorderes Kreuzband 10-mal häufiger als hinteres. In D reißt alle 6,5 Minuten ein Kreuzband. Bei einem Kreuzbandriss tauchen oft andere Schäden gleichzeitig auf: Innenmeniskusriss 69%, Außenmeniskusriss 49%, Chondropathien 20-50%, sekundäre Arthrose nach Meniskusentfernung; häufig Innenbandverletzungen, seltener Außenbandverletzungen; Kapselriss; 80% aller Kreuzbandrisse sind von bone bruise (Knochentrauma mit schmerzhaftem Knochenödem) begleitet. 50% davon zeigen in Nachuntersuchungen Knorpelerweichungen oder -schäden. Häufig tritt die unhappy triad auf: Läsion des vorderen Kreuzbandes mit Läsion des Innenmeniskus und des Innenbandes. Dazu ein paar Zahlen aus dem englischen Frauenfußball zum ACL-Riß: Frauen sind 3,5 mal häufiger von ohne Gegnerkontakt ausgelösten ACL-Rissen betroffen als Männer, 45% davon scheiden aufgrund nicht hinreichenden postrehabilitativen Leistungsniveaus aus dem Wettkampbetrieb aus, von den verbleibenden 55 % erreichen 35% ihr ursprüngliches Leitungsniveau nicht mehr. Unter den 15-30 Jährigen von ACL-Rissen Betroffenen zeigen rund 50% 10 Jahre später Zeichen einer Arthrose gegenüber 7% in der Gruppe ohne ACL-Riss. Die meisten in Sport und Wissenschaft mit dem Thema Befassten sind sich einig, daß Ausdauertraining und Krafttraining zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen gehören.

Die Aussage, muskulär könnten Banddefizite ausgeglichen werden ist nicht uneingeschränkt richtig: zur muskulären Stabilisierung des Knies werden die Dehnungsrezeptoren im Kreuzband und in der Gelenkskapsel herangezogen, was Verarbeitungszeit braucht, innerhalb derer das Knie „unkontrolliert“ und erhöhtem Verschleiß ausgesetzt ist. Rupturen des hinteren Kreuzbandes sind zwar deutlich seltener als die des vorderen Kreuzbandes, können aber nur schwer muskulär kompensiert werden. Sie verursachen erhöhte retropatellare Drücke, und eine Translation des Femurs nach ventral gegenüber der Tibia, wenn der Fuß Punctum fixum des Standbeins in einer laufenden Bewegung oder bei einem Stopp aus dem Lauf ist. Kurz- und mittelfristig ist die unbehandelte Ruptur scheinbar unproblematisch, jedoch zeigt sich später oft eine mediale (Kniegelenks-) und retropatellare Arthrose. Je nach Verhalten (Sport etc.) und Lebensalter kann hier eine konservative Therapie erwogen werden, wobei in der Anfangszeit eine hintere Schubalde mit einer Orthese verhindert werden muß. Unter den Kollateralbändern weist vor allem das mediale Kollateralband bei Beschädigung im distalen Bereich (bis kaudal des Pes anserinus) eine hohe Schmerzhaftigkeit auf. Dafür ist die Spontanheilungstendenz selbst bei anfänglich großer Aufklappbarkeit des Gelenks gut, so daß meist konservativ vorgegangen werden kann. Dazu wird eine Orthese verordnet. Auch hier wird muskuläres Aufbautraining und propriozeptives Training empfohlen wie beim vorderen Kreuzband.

ICD M23.*

Ursache

  1. Überschreiten der Reißfestigkeit des Bandes, meist stoßartig; meist traumatisch: Sportverletzungen durch unphysiologische Bewegungen, Tennis, Squash, Ballsportarten, Ski, Stürze.
  2. vordere Kreuzbandrisse: meist Verdrehtraumen
  3. hintere Kreuzbandrisse: ventrale Knietraumen und Hyperextensionstraumen sowie schwerer Varus- oder Valgusstreß bei bestehender Kollateralbandverletzung
  4. Kollateralbandrisse: Einwirkung von außen (Innenbandriss) oder innen (Außenbandriss).

Prädisponierend

  1. Sportarten auf Hallenboden mit extremer Reibung zwischen Boden und Schuh oder mit Gegnerkontakt und unkontrollierten Sprungen und Stürzen: Fußhand, Handball, Rugby, American Football, Basketball, Judo, Ringen. Weiter: Ski
  2. genetisch
  3. Untrainiertheit, Wiederaufnahme des Sports nach langer Pause
  4. Übergewicht
  5. „Neuromuskuläre Ermüdung“ gegen Ende eines Spiels/Wettkampfs

Diagnose

  1. Röntgen nur zum Nachweis von Ausrissen
  2. CT
  3. MRT (Teilrupturen, insbes. des inneren Teils des vorderen Kreuzbands sind nur schwer zu erkennen)
  4. Seitenbandriss: abnorme seitliche Beweglichkeit des Unterschenkels bei gestrecktem Kniegelenk
  5. Tests und Zeichen
    Kollateralbänder: Teste in 0° und 30° Beugung: Böhler-(Krömer)-Zeichen;
    Innenband: Varusstress-Test
    Außenband: Valgusstress-Test
    vorderes Kreuzband: Lachman-Test, vorderes Schubladenphänomen, Pivot Shift Test, Lelli (Lever Sign)
    hinteres Kreuzband: hinteres Schubladenphänomen, Posterior Sag Sign/Gravity/Godfrey Sign, Reversed Pivot Shift Test, Dial-Test, quadriceps active-Test, Hyperextensions-Test

Beim Lachmann-Test für die Kreuzbänder wird auch der Seitenvergleich erhoben und in drei Grade eingeteilt: Mehrverschieblichkeit bis 5 mm, bis 10 mm und darüber. Der Untersucher darf sich bei einem Riß beider Kreuzbänder nicht durch die Mehrverschieblichkeit des jeweils anderen Bandes täuschen lassen. Bei akuten Verletzungen mit Hämarthros kann der Pivot Shift Test eventuell nicht durchführbar sein.

Symptome

  1. Lautes „Plopp“ beim Riss
  2. Gelenkinstabilität, beim Außenbandriss seitlich; beim Kreuzbandriss v.a. beim Bergabgehen
  3. deutliche Schmerzen, vor allem Belastungsschmerz
  4. schmerzhafte Bewegungseinschränkung
  5. Druckschmerzhaftigkeit
  6. Kreuzbandriss: Hämarthros (Hämatom im Gelenk) noch während des Tages (Kreuzbänder sind gut durchblutet)
  7. Kreuzbandriss: Streckdefizit; deutliche subjektive Instabilität dorsal/ventral ab ca. 30° Beugung (vor allem VKB). Bei älteren VKB-Rissen: Giving-Way-Phänomen, Rotationsinstabilität bei aufgesetztem Fuß. Bei HKB-Riß sind Schmerz und Schwellung noch deutlich ausgeprägter als bei VKB-Riß. Ältere HKB-Risse führen hauptsächlich zu retropatellaren Schmerzen und Instabilität.
  8. Seitenbandriss: seitliche Instabilität, nachlassender Schmerz, der bei Belastung wiederkehrt
  9. Innenbandriss: Schwellung der Knieinnenseite, starke Schmerzen, ggf. Hämatom
  10. Außenbandriss: Schmerzen im Außenknie, leicht dorsal; evtl. Erguss oder Hämarthros

Komplikationen

  1. unbehandelt: vielfach erhöhtes Arthroserisiko; vermehrter Meniskusverschleiß (nach 5 Jahren 40%, nach 10 Jahren 80%); Instabilität mit erhöhtem Wiederverletzungsrisiko
  2. vorderes Kreuzband: ohne OP bei sportlicher hoher Aktivität deutliches Risiko für Meniskusschäden und Arthrose. Indikationsfaktoren für ein konservatives Vorgehen sind: hohes Alter, bereits bestehende Arthrose, nur geringe Instabilität, geringe sportliche Tätigkeit. Intensives Muskelaufbautraining für Quadrizeps und Ischiocrurale Gruppe sowie propriozeptives Training (Reflexe und Koordination) sind dann obligat. Operativ transplantiert man arthroskopisch einen Teil der Quadrizepssehne mit zwei Knochenblöcken oder mehrsträngig Sehne aus dem Pes-Anserinus-Komplex, meist Gracilissehne und Semitendinosussehne. Doppelt offener OP mit Ersatz aus Archillessehne oder Sehne des Tibialis anterior ist wegen des deutlich höheren Infektionsrisikos nur in Ausnahmefällen probat. Auch durch OP kann eine verbleibende Instabilität nicht ganz ausgeschlossen werden, das Transplanat kann versagen, sich lockern, die Kniebeugung beschränkt oder die Kraft gemindert sein, bewegungseinschränkende Arthrofibrosen (bei Verdacht frühzeitige Revision!s) oder retropatellare Beschwerden auftreten.
  3. später: mediale (Kniegelenks-) und retropatellare Arthrose.

Therapie

  1. Sofortmaßnahmen: PEH, Entlastung, Unterarmgehstützen, ggf. NSAR
  2. KG
  3. Kreuzbandriss: keine Spontanheilung, OP (je nach Restitutionserwartung),
    Vorderer Kreuzbandriss: ohne Begleitverletzung und größere sportliche Erwartungen evtl. konservativ. Je nach Bewegungserwartung autologe Sehnenplastik. Die OP stellt nicht sicher, daß die Sportart weiter erfolgreich ausgeführt werden kann. In die OP-Entscheidung fließen ein:
    • Alter
    • Beruf
    • Compliance
    • Bewegungserwartung
    • Instabilitätsgefühl
    • allgemeines Zustand des Kniegelenks
    • Begleitverletzungen.
      Frühfunktionelle Nachbehandlung mit progredienter Belastung
      Hinterer Kreuzbandriss: OP bringt häufig nicht bessere Ergebnisse als konservative Therapie und kommt daher nur bei hoher Belastungserwartung und ausgeprägter Instabilität in Betracht. Risiken nach OP. deutlich schlechtere Rekonstruierbarkeit als VKB, Bewegungseinschränkung möglich, rezidivierende Instabilität. Ist das hintere laterale Kapseleck (Popliteuseck) mitverletzt, ist die Prognose der OP eher schlecht. Eine Plastik kann aus der Sehne des medialen Gastrocnemiusursprungs oder einem Drittel der Patellarsehne geschaffen werden.
  4. Seitenbandriss: gute Spontanheilung, OP nur bei Ausriss aus Knochen, sonst Bewegungsschiene für 6-8 Wochen
  5. Innenbandriss: meist konservativ, nur bei knöchernem Ausriss operativ
  6. Außenbandriss: in 50% operativ, da meist weitere Kniestrukturen beschädigt sind
  7. präventiv: Balance-Übungen, Balance-Board/Pad, spezielles Sprungtraining für Risikosportler
  8. Patienten mit Kreuzbandriss haben ein fünffach erhöhtes Risiko für einen erneuten Riss, auch kontralateral.

Leitlinie

vorderes Kreuzband

AWMF, externer Link: https://register.awmf.org/assets/guidelines/012-005l_S1_Vordere_Kreuzbandruptur_2019-02-abgelaufen.pdf

hinteres Kreuzband

AWMF, externer Link: https://register.awmf.org/assets/guidelines/012-029l_S1_Hintere-Kreuzbandruptur_2018-08-abgelaufen.pdf

Asana-Praxis

Da die Ursachen meist traumatisch sind und in der Regel nicht oder nur zum geringen Teil auf muskulären Defiziten oder Dysbalancen beruhen, gibt es hier oft ungleich weniger auszuarbeiten als bei anderen Störungen. Dennoch kann das Abheilen – ob nun konservativ oder operativ therapiert wird – gefördert werden. Allem voran steht die Sicherung der vom Fuß ausgehenden Statik und vor allem Kinetik, das heißt, das Fußgelenk zu sichern und die bewegende Muskulatur zu trainieren, damit die Kraftleitung zwischen Boden einerseits und Kniegelenk, Becken und Oberkörper andererseits bei künftigen Bewegungen beste Voraussetzungen findet. So weit eine Frühbelastung erlaubt ist, sollte sehr zeitnah damit angefangen werden, sonst sobald es die Vorgabe erlaubt. Kräftigungen der Pronatoren und Supinatoren stehen hier ganz vorn, danach die des Trizeps surae und der von proximal das Kniegelenk beeinflussenden Oberschenkelmuskulatur, also Quadrizeps als Strecker des Kniegelenks, Ischiocrurale Gruppe als Beuger des Kniegelenks sowie endorotatorisch und exorotatorisch im Kniegelenk wirksame Muskulatur, weiter der Adduktoren und der Abduktoren, sowie der Exorotatoren und Endorotatoren, kurz gesagt, der gesamten Oberschenkel- und Hüftmuskulatur. Für die Supinatoren und Pronatoren des Fußgelenks sind vor allem die Stehhaltungen mit schmaler pyhsikalischer Stützbasis sehr geeignet, bei denen das Becken in Richtung eines Fußes gedreht ist wie parivrtta trikonasana, parsvottanasana und 1. Kriegerstellung, nachrangig auch trikonasana.

Je nachdem, welches Band betroffen ist, muß besondere Rücksicht auf die Ausführung gelegt werden, so daß zum Beispiel im Falle von Kollateralbandschäden unbedingt jeglicher Varusstreß (Außenbandschäden) bzw. Valgusstreß (Innenbandschäden) vermieden wird. Im Fall der Kreuzbänder müssen Translationen der Tibia nach ventral (Betreff des vorderen Kreuzbands) bzw. nach dorsal (Betreff des hinteren Kreuzbands) vermieden werden.

Abgesehen von allgemeiner Kräftigung müssen natürlich zu Störungen disponierende muskuläre Dysbalancen ausgeräumt werden sowie Beweglichkeitsmängel beseitigt werden, die sonst ggf. eine physiologische Ausübung einer Bewegung auch in größeren Winkeln in den betroffenen Gelenken ausschließen oder einschränken würden.

Wird ein Kreuzband durch eine Plastik aus dem Semitendineus ersetzt, so enthält die innere Ischiocrurale Gruppe nur noch einen Muskel statt zwei. Dieser wird dadurch wesentlich mehr gefordert, was seinen Tonus erhöhen wird. Die gleiche Kraft aufbringen wie zuvor beide Muskeln wird er dennoch nicht können, was umso mehr zutritt, wenn eine entsprechende aktive Physiotherapie oder entsprechende Maßnahmen nicht oder nur unzureichend stattfanden. Diese Situation kann einerseits zu einem allgemein leicht instabilen Gefühl des Knies führen, möglicherweise auch zu Mißempfindungen in endgradigen Stellungen, andererseits ist die rotatorische Stabilität sicher deutlich vermindert. Dieser Nachteil kommt auch dadurch zustande, daß im Allgemeinen die innere Ischiocrurale Gruppe weniger kräftig ist als der Bizeps femoris. Ist das vordere Kreuzband durch eine Plastik ersetzt worden, ist die Situation schwieriger als bei einer Plastik des hinteren Kreubandes, da das vordere Kreuzband zusätzlich zu seiner eigenen Zugkraft mit seinen Rezeptoren monosynaptisch verschaltet die Ischiocrurale Gruppe aquiriert, um eine anteriore Translation der Tibia zu verhindern. Zum ersten entfällt diese propriozeptorische Funktion, so daß das Time lag bis zum Einsetzen der Ischiocruralen Gruppe wesentlich vergrößert ist – nichts ist schneller als eine monosynaptische Verschaltung – und zum zweiten ist die gesamte Zugkraft der Ischiocruralen Gruppe vermindert. Mehr noch, entsteht tendenziel ein rotatorisches Moment im Kniegelenk durch das größere Ungleichgewicht zwischen Bizeps femoris und nur noch aus dem Semimembranosus bestehenden innerer Ischiocruraler Gruppe. Für eine Plastik aus dem Gracilis gilt das oben Gesagte natürlich ungleich weniger, aber nicht gar nicht, da auch er eine kniebeugende und unterschenkelendorotatorische Wirkung hat. Kommt eine Plastik aus dem Lig. patellae vor, ist die Situation gänzlich anders, allerdings kommt es hier nicht selten zu Beschwerden an der entnahmestelle am kaudalen Patellapol bei größeren Kontraktionskräften des Quadrizeps.

Unbedingt muß bei Verletzungen oder Ersatz der Kreuzbänder geprüft werden, ob das Kniegelenk bezüglich dieser beschädigten Funktion völlig stabil ist oder eine sagittale Instabilität vorliegt. Sonst können die ständigen Translationen im Kniegelenk, die insbesondere bei kräftigeren und schnelleren Bewegungen erfolgen, nicht nur zu wiederholten Reizzuständen führen, so daß etwa nur geringe Laufstrecken pro Tag und pro Woche symptomfrei vertragen werden. Natürlich ist jedes Maß an Instabilität insbesondere in dieser Hauptbelastungsrichtung des Kniegelenks eine Prädisposition für die Ausprägung einer Arthrose. Diese wird sich je eher einstellen, je intensiver das Kniegelenk benutzt wird und je größer die Instabilität ist. Nicht nur das femorotibiale Gelenk kann davon betroffen sein, auch das femoropatellare Gelenk (Gleitlager) kann betroffen sein, da die plötzliche Translation der Tibia auch darauf eine Auswirkung hat. Die Ursachen für eine Insuffizienz des Sehnentransplantats können sowohl in einem nicht ganz exakten Ansatzpunkt als auch in inkompletter Einheilung liegen. Außerdem ist eine zu frühzeitige oder inadäquate Belastung ein weiterer Risikofaktor, wie auch ein erneutes Knietrauma, zumal die Sehne weniger auf Zug belastbar sein dürfte als das Band war und zudem nennenswerte elastische Eigenschaften aufweist.

Die Standardtests für die Kreuzbänder sind der vordere Schubladentest (vorderes Kreuzband) und der hintere Schubladentest (hinteres Kreuzband). Sind diese unauffällig, muß mit sensitiveren Tests geprüft werden: Gravity sign (stufe 1 und 2, vorderes Kreuzband) bzw. Quadriceps aktive test (hinteres Kreuzband). Manchmal ist die Instabilität besser zu sehen, wenn die letzten beiden Tests alternierend in Folge ausgeführt werden, also bei fixiertem Fuß Quadrizeps und Ischiocrurale Gruppe wechselnd kräftig aktiviert werden. Auch eine videoüberwachte Ganganalyse kann aufschlußreich sein.

Im Falle nachweisbarer Instabilitäten der Kreuzbänder muß überlegt werden, ob nicht eine Reoperation erforderlich und sinnvoll ist, was insbesondere bei jungen Patienten mit hoher Erwartung an den Bewegungsapparat häufig der Fall sein dürfte, oder ob rein konservativ vorgegangen werden kann. Der bei einer vorderen Kreuzbandplastik aus der der Sehne des Semitendinosus erwartbare erhöhte Tonus des Semimembranosus wäre z.B. durch eine 3. Hüftöffnung mit nur 45° Beugung des vorderen Kniegelenks nachweisbar, wenn das betroffene Bein wesentlich mehr Dehnungsempfindung im Semimembranosus als im Bizeps femoris melden würde, insbesondere, wenn dies auch im Seitenvergleich auffällig wäre. Selbiges gilt für die Hüftöffnung am Mattenrand mit geringerem Beugewinkel im Kniegelenk. Auffallen kann die Veränderung auch, wenn trikonasana und parivrtta trikonasana geübt oder als Test genutzt werden. Typischerweise wird in trikonasana mehr Dehnung in der inneren Ischiocruralen Gruppe verspürt, in parivrtta trikonasana hingegen in der äußeren. Ist letztes im betroffenen Bein anders, dürfte das ebenfalls ein Hinweise auf einen erhöhten Tonus eines einzeln in der inneren Ischiocruralen Gruppe verbleibenden Semimembranosus sein.

In diesen Fällen sollte die Stabilität des Kniegelenks vor allem auch in der Ischiocruralen Gruppe verbessert werden, um unter den gegebenen Bedingungen bestmöglich biomechanische Voraussetzungen für den Erhalt der Kniefunktion zu gewährleisten. Da die Kraft der Ischiocruralen Gruppe ingesamt vermindert und ihre Möglichkeit, eine anteriore Translation der Tibia zu verhindern oder begrenzen gleich auf zweifache Weise vermindert ist, Sollte darüber nachgedacht werden, auch die isolierte Kniebeugung etwa mittels Beinbeugermaschine zu üben und nicht nur Verminderungen der Hüftflexion wie beim Kreuzheben, da die Beinbeugermaschine auch Caput breve des Biceps femoris trainiert.

Allerdings sollte der Einsatz des Beinbeugers nicht übertrieben werden, oder es muß regelmäßig die Verhältnismäßigkeit zwischen innerer und äußeren Ischiocruraler Gruppe geprüft werden. Wer auf keine Beinbeugermaschine zugreifen kann, kann eine ähnlich wirkende Übung ausführen, indem er mit dem Rücken vor einem Stuhl oder einer Hantelbank liegt, und die Fersen kraftvoll auf diese drückt, um das Becken maximal anzuheben, was eine Beugung der Kniegelenke enthält. Der optimale Abstand des Beckens vom Objekt muß ermittelt werden. Er darf nicht zu klein sein, da sonst am Ende der Bewegung die Sarkomerlänge der Ischiocruralen Gruppe so klein sein kann, daß ein Krampf droht. Ist die Übung zu schwach wirksam, kann die Höhe vergrößert werden, auf der die Fersen ansezten, etwa durch Schulterstandplatten unter den Fersen. Das Anheben des zweiten Beins verstärkt die Wirkung deutlich.

Asanas

Kräftigungen:

Die Dehnungen dieser Muskulatur sind gegenüber der Kräftigung als etwas nachangig anzusehen, außer Beweglichkeitsdefizite müßten aufgearbeitet werden oder ein überhöhter Tonus herabgesetzt werden: