pathologie: seiten- und kreuzbandschäden

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Seiten- und Kreuzbandschäden (Knie)

Definition

partieller oder kompletter Riss eines oder mehrerer Bänder:

  1. vorderes Kreuzband (ein Ansatz am Femur, zwei (vorn und hinten) an der Tibia), Risse m:w 2:1, meist 20-30 Jahre, sportlich aktiv. Das VK besteht aus zwei spiralförmig gegeneinander verdrillten Faserbündeln, begrenzt die Bewegung des Unterschenkels nach vorn gegenüber dem Oberschenkel (anteriore Translation); Reißfestigkeit ca. 240 kg (Männer), reißt weit häufiger als das hintere Keruzband; reißt das VK vom Femur, sinkt es ab und kann nicht wieder anwachsen; reißt nur das innere VK, ist nur ein gradueller Stabilitätsverlust gegeben und das innere VK kann wieder heilen; Reißt die Verankerung in der Tibia mit einem Stück Knochen aus, kann das operativ fixiert werden; häufigster Ursache sind Stürze mit Verdrehung des Unterschenkels, am häufigsten beim Fußball oder Skifahren. Ursächlich sind meist traumatische Hyperextensionen, Hyperflexionen, Varus- oder Valgus-Rotationstraumata, zuweilen auch abrupte Anspannung des Quadrizeps bei gebeugtem Kniegelenk, meist in großer exzentrischer Last wie z.B. beim Skiabfahrtsrennen. Bei Frauen reißt das VK häufiger, weil es im Vergleich zm Körpergewicht dünner ist.
  2. hinteres Kreuzband (ein Ansatz an der Tibia, zwei (vorn und hinten) am Femur), ist stabiler als das VK und die Kinetik der meisten Verletzungen bedroht es nicht. Es begrenzt die Bewegung des Unterschenkels nach hinten gegenüber dem Oberschenkel; Häufigste Ursache für Risse des hinteren Kreuzbands sind Autounfälle mit Aufprall des Knies auf das Armaturenbrett, weiter Stürze für die ventrale proximale Tibia und Hyperextensions-Traumata.
  3. Innenband: verläuft medial von Femur zu Tibia, ca. 10 cm lang und mit dem Innenmeniskus verbunden, verhindert Einknicken des Knie nach innen
  4. Außenband: verläuft lateral von Femur zu Tibia, verhindert Einknicken des Knie nach außen

Bei den Kollateralbandschäden unterscheidet man drei Grade:

  1. Zerrung des Bandes, Einrisse sind bestenfalls minimal. Das Gelenk ist maximal 5° aufklappbar, Druckschmerzhaftigkeit ist lokal recht begrenzt, Hämatom und Schwellung gering. Volle Gelenkstabilität
  2. Teilruptur des Bandes, aufklappbar bis 10°, lokale Druckschmerzhaftigkeit und Schwellung. Der Streßtest (Varus oder Valgus, je nach betroffenem Band) zeigt eine klare Bewegungsgrenze
  3. Komplettruptur, deutliche Druckschmerzhaftigkeit, Instabilität des Gelenks. Der Streßtest läßt einen klaren Anschlag vermissen.

40% aller Knieverletzungen sind Bandschäden, davon 60% vorderes Kreuzband; vorderes Kreuzband 10-mal häufiger als hinteres. In D reißt alle 6,5 Minuten ein Kreuzband. Bei einem Kreuzbandriss tauchen oft andere Schäden gleichzeitig auf: Innenmeniskusriss 69%, Außenmeniskusriss 49%, Chondropathien 20-50%, sekundäre Arthrose nach Meniskusentfernung; häufig Innenbandverletzungen, seltener Außenbandverletzungen; Kapselriss; 80% aller Kreuzbandrisse sind von bone bruise (Knochentrauma mit schmerzhaftem Knochenödem) begleitet. 50% davon zeigen in Nachuntersuchungen Knorpelerweichungen oder -schäden. Häufig tritt die unhappy triad auf: Läsion des vorderen Kreuzbandes mit Läsion des Innenmeniskus und des Innenbandes. Dazu ein paar Zahlen aus dem englischen Frauenfußball zum ACL-Riß: Frauen sind 3,5 mal häufiger von ohne Gegnerkontakt ausgelösten ACL-Rissen betroffen als Männer, 45% davon scheiden aufgrund nicht hinreichenden postrehabilitativen Leistungsniveaus aus dem Wettkampbetrieb aus, von den verbleibenden 55 % erreichen 35% ihr ursprüngliches Leitungsniveau nicht mehr. Unter den 15-30 Jährigen von ACL-Rissen Betroffenen zeigen rund 50% 10 Jahre später Zeichen einer Arthrose gegenüber 7% in der Gruppe ohne ACL-Riss. Die meisten in Sport und Wissenschaft mit dem Thema Befassten sind sich einig, daß Ausdauertraining und Krafttraining zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen gehören.

Die Aussage, muskulär könnten Banddefizite ausgeglichen werden ist nicht uneingeschränkt richtig: zur muskulären Stabilisierung des Knies werden die Dehnungsrezeptoren im Kreuzband und in der Gelenkskapsel herangezogen, was Verarbeitungszeit braucht, innerhalb derer das Knie „unkontrolliert“ und erhöhtem Verschleiß ausgesetzt ist. Rupturen des hinteren Kreuzbandes sind zwar deutlich seltener als die des vorderen Kreuzbandes, können aber nur schwer muskulär kompensiert werden. Sie verursachen erhöhte retropatellare Drücke, und eine Translation des Femurs nach ventral gegenüber der Tibia, wenn der Fuß Punctum fixum des Standbeins in einer laufenden Bewegung oder bei einem Stopp aus dem Lauf ist. Kurz- und mittelfristig ist die unbehandelte Ruptur scheinbar unproblematisch, jedoch zeigt sich später oft eine mediale (Kniegelenks-) und retropatellare Arthrose. Je nach Verhalten (Sport etc.) und Lebensalter kann hier eine konservative Therapie erwogen werden, wobei in der Anfangszeit eine hintere Schubalde mit einer Orthese verhindert werden muß. Unter den Kollateralbändern weist vor allem das mediale Kollateralband bei Beschädigung im distalen Bereich (bis kaudal des Pes anserinus) eine hohe Schmerzhaftigkeit auf. Dafür ist die Spontanheilungstendenz selbst bei anfänglich großer Aufklappbarkeit des Gelenks gut, so daß meist konservativ vorgegangen werden kann. Dazu wird eine Orthese verordnet. Auch hier wird muskuläres Aufbautraining und propriozeptives Training empfohlen wie beim vorderen Kreuzband.

ICD M23.*

Ursache

  1. Überschreiten der Reißfestigkeit des Bandes, meist stoßartig; meist traumatisch: Sportverletzungen durch unphysiologische Bewegungen, Tennis, Squash, Ballsportarten, Ski, Stürze.
  2. vordere Kreuzbandrisse: meist Verdrehtraumen
  3. hintere Kreuzbandrisse: ventrale Knietraumen und Hyperextensionstraumen sowie schwerer Varus- oder Valgusstreß bei bestehender Kollateralbandverletzung
  4. Kollateralbandrisse: Einwirkung von außen (Innenbandriss) oder innen (Außenbandriss).

Prädisponierend

  1. Sportarten auf Hallenboden mit extremer Reibung zwischen Boden und Schuh oder mit Gegnerkontakt und unkontrollierten Sprungen und Stürzen: Fußhand, Handball, Rugby, American Football, Basketball, Judo, Ringen. Weiter: Ski
  2. genetisch
  3. Untrainiertheit, Wiederaufnahme des Sports nach langer Pause
  4. Übergewicht
  5. „Neuromuskuläre Ermüdung“ gegen Ende eines Spiels/Wettkampfs

Diagnose

  1. Röntgen nur zum Nachweis von Ausrissen
  2. CT
  3. MRT (Teilrupturen, insbes. des inneren Teils des vorderen Kreuzbands sind nur schwer zu erkennen)
  4. Seitenbandriss: abnorme seitliche Beweglichkeit des Unterschenkels bei gestrecktem Kniegelenk
  5. Tests und Zeichen
    Kollateralbänder: Teste in 0° und 30° Beugung: Böhler-(Krömer)-Zeichen;
    Innenband: Varusstress-Test
    Außenband: Valgusstress-Test
    vorderes Kreuzband: Lachman-Test, vorderes Schubladenphänomen, Pivot Shift Test, Lelli (Lever Sign)
    hinteres Kreuzband: hinteres Schubladenphänomen, Posterior Sag Sign/Gravity/Godfrey Sign, Reversed Pivot Shift Test, Dial-Test, quadriceps active-Test, Hyperextensions-Test

Beim Lachmann-Test für die Kreuzbänder wird auch der Seitenvergleich erhoben und in drei Grade eingeteilt: Mehrverschieblichkeit bis 5 mm, bis 10 mm und darüber. Der Untersucher darf sich bei einem Riß beider Kreuzbänder nicht durch die Mehrverschieblichkeit des jeweils anderen Bandes täuschen lassen. Bei akuten Verletzungen mit Hämarthros kann der Pivot Shift Test eventuell nicht durchführbar sein.

Symptome

  1. Lautes „Plopp“ beim Riss
  2. Gelenkinstabilität, beim Außenbandriss seitlich; beim Kreuzbandriss v.a. beim Bergabgehen
  3. deutliche Schmerzen, vor allem Belastungsschmerz
  4. schmerzhafte Bewegungseinschränkung
  5. Druckschmerzhaftigkeit
  6. Kreuzbandriss: Hämarthros (Hämatom im Gelenk) noch während des Tages (Kreuzbänder sind gut durchblutet)
  7. Kreuzbandriss: Streckdefizit; deutliche subjektive Instabilität dorsal/ventral ab ca. 30° Beugung (vor allem VKB). Bei älteren VKB-Rissen: Giving-Way-Phänomen, Rotationsinstabilität bei aufgesetztem Fuß. Bei HKB-Riß sind Schmerz und Schwellung noch deutlich ausgeprägter als bei VKB-Riß. Ältere HKB-Risse führen hauptsächlich zu retropatellaren Schmerzen und Instabilität.
  8. Seitenbandriss: seitliche Instabilität, nachlassender Schmerz, der bei Belastung wiederkehrt
  9. Innenbandriss: Schwellung der Knieinnenseite, starke Schmerzen, ggf. Hämatom
  10. Außenbandriss: Schmerzen im Außenknie, leicht dorsal; evtl. Erguss oder Hämarthros

Komplikationen

  1. unbehandelt: vielfach erhöhtes Arthroserisiko; vermehrter Meniskusverschleiß (nach 1 und 5 a 40%, nach 10 Jahren 80%); Instabilität mit erhöhtem Wiederverletzungsrisiko
  2. vorderes Kreuzband: ohne OP bei sportlicher hoher Aktivität deutliches Risiko für Meniskusschäden und Arthrose. Indikationsfaktoren für ein konservatives Vorgehen sind: hohes Alter, bereits bestehende Arthrose, nur geringe Instabilität, geringe sportliche Tätigkeit. Intensives Muskelaufbautraining für Quadrizeps und Ischiocrurale Gruppe sowie propriozeptives Training (Reflexe und Koordination) sind dann obligat. Operativ transplantiert man arthroskopisch einen Teil der Quadrizepssehne mit zwei Knochenblöcken oder mehrsträngig Sehne aus dem Pes-Anserinus-Komplex, meist Gracilissehne und Semitendinosussehne. Doppelt offener OP mit Ersatz aus Archillessehne oder Sehne des Tibialis anterior ist wegen des deutlich höheren Infektionsrisikos nur in Ausnahmefällen probat. Auch durch OP kann eine verbleibende Instabilität nicht ganz ausgeschlossen werden, das Transplanat kann versagen, sich lockern, die Kniebeugung beschränkt oder die Kraft gemindert sein, bewegungseinschränkende Arthrofibrosen (bei Verdacht frühzeitige Revision!s) oder retropatellare Beschwerden auftreten.
  3. später: mediale (Kniegelenks-) und retropatellare Arthrose.

Therapie

  1. Sofortmaßnahmen: PEH, Entlastung, Unterarmgehstützen, ggf. NSAR
  2. KG
  3. Kreuzbandriss: keine Spontanheilung, OP (je nach Restitutionserwartung),
    Vorderer Kreuzbandriss: ohne Begleitverletzung und größere sportliche Erwartungen evtl. konservativ. Je nach Bewegungserwartung autologe Sehnenplastik. Die OP stellt nicht sicher, daß die Sportart weiter erfolgreich ausgeführt werden kann. In die OP-Entscheidung fließen ein:
    • Alter
    • Beruf
    • Compliance
    • Bewegungserwartung
    • Instabilitätsgefühl
    • allgemeines Zustand des Kniegelenks
    • Begleitverletzungen.
      Frühfunktionelle Nachbehandlung mit progredienter Belastung
      Hinterer Kreuzbandriss: OP bringt häufig nicht bessere Ergebnisse als konservative Therapie und kommt daher nur bei hoher Belastungserwartung und ausgeprägter Instabilität in Betracht. Risiken nach OP. deutlich schlechtere Rekonstruierbarkeit als VKB, Bewegungseinschränkung möglich, rezidivierende Instabilität. Ist das hintere laterale Kapseleck (Popliteuseck) mitverletzt, ist die Prognose der OP eher schlecht. Eine Plastik kann aus der Sehne des medialen Gastrocnemiusursprungs oder einem Drittel der Patellarsehne geschaffen werden.
  4. Seitenbandriss: gute Spontanheilung, OP nur bei Ausriss aus Knochen, sonst Bewegungsschiene für 6-8 Wochen
  5. Innenbandriss: meist konservativ, nur bei knöchernem Ausriss operativ
  6. Außenbandriss: in 50% operativ, da meist weitere Kniestrukturen beschädigt sind
  7. präventiv: Balance-Übungen, Balance-Board/Pad, spezielles Sprungtraining für Risikosportler
  8. Patienten mit Kreuzbandriss haben ein fünffach erhöhtes Risiko für einen erneuten Riss, auch kontralateral.

Asana-Praxis

Da die Ursachen meist traumatisch sind und in der Regel nicht oder nur zum geringen Teil auf muskulären Defiziten oder Dysbalancen beruhen, gibt es hier oft ungleich weniger auszuarbeiten als bei anderen Störungen. Dennoch kann das Abheilen – ob nun konservativ oder operativ therapiert wird – gefördert werden. Allem voran steht die Sicherung der vom Fuß ausgehenden Statik und vor allem Kinetik, das heißt, das Fußgelenk zu sichern und die bewegende Muskulatur zu trainieren, damit die Kraftleitung zwischen Boden einerseits und Kniegelenk, Becken und Oberkörper andererseits bei künftigen Bewegungen beste Voraussetzungen findet. So weit eine Frühbelastung erlaubt ist, sollte sehr zeitnah damit angefangen werden, sonst sobald es die Vorgabe erlaubt. Kräftigungen der Pronatoren und Supinatoren stehen hier ganz vorn, danach die des Trizeps surae und der von proximal das Kniegelenk beeinflussenden Oberschenkelmuskulatur, also Quadrizeps als Strecker des Kniegelenks, Ischiocrurale Gruppe als Beuger des Kniegelenks sowie endorotatorisch und exorotatorisch im Kniegelenk wirksame Muskulatur, weiter der Adduktoren und der Abduktoren, sowie der Exorotatoren und Endorotatoren, kurz gesagt, der gesamten Oberschenkel- und Hüftmuskulatur. Für die Supinatoren und Pronatoren des Fußgelenks sind vor allem die Stehhaltungen mit schmaler pyhsikalischer Stützbasis sehr geeignet, bei denen das Becken in Richtung eines Fußes gedreht ist wie parivrtta trikonasana, parsvottanasana und 1. Kriegerstellung, nachrangig auch trikonasana.

Je nachdem, welches Band betroffen ist, muß besondere Rücksicht auf die Ausführung gelegt werden, so daß zum Beispiel im Falle von Kollateralbandschäden unbedingt jeglicher Varusstreß (Außenbandschäden) bzw. Valgusstreß (Innenbandschäden) vermieden wird. Im Fall der Kreuzbänder müssen Translationen der Tibia nach ventral (Betreff des vorderen Kreuzbands) bzw. nach dorsal (Betreff des hinteren Kreuzbands) vermieden werden.

Abgesehen von allgemeiner Kräftigung müssen natürlich zu Störungen disponierende muskuläre Dysbalancen ausgeräumt werden sowie Beweglichkeitsmängel beseitigt werden, die sonst ggf. eine physiologische Ausübung einer Bewegung auch in größeren Winkeln in den betroffenen Gelenken ausschließen oder einschränken würden.

Asanas

Kräftigungen:

Die Dehnungen dieser Muskulatur sind gegenüber der Kräftigung als etwas nachangig anzusehen, außer Beweglichkeitsdefizite müßten aufgearbeitet werden oder ein überhöhter Tonus herabgesetzt werden: