pathologie: morbus scheuermann

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Morbus Scheuermann (Osteochondritis deformans juvenilis dorsi, Adoleszente Kyphose, juvenile Kyphose)

Definition

die frühere Auffassung, es handele sich um eine aseptische Knochennekrose der Wirbelkörper ist weitgehend überlebt; heute geht man von einer Störung des Wirbelkörperwachstums durch übermäßig anhaltende Druckbelastung des ventralen Bereichs der Wirbelkörper aus, die als Folge von langem gebeugten Sitzen oder ähnlichen Situationen und Tätigkeiten entsteht und auf dem Boden von schnellem Wachstum und schwacher Rückenmuskulatur vermehrt und verstärkt entsteht. Die Diagnose wird gestellt ab einem Cobb-Winkel von 40° und mindestens drei benachbarten Wirbeln mit je 5° Keilform. Man unterscheidet zwei Typen, den häufigen thorakalen Typ 1 und den selteneren lumbalen Typ 2:

  1. Typ 1: BWS-Hyperkyphose mit Neigung zur LWS-Hyperlordose und HWS-Hyperlordose
  2. Typ 2: BWS-Steilstellung mit Neigung zur LWS-Steilstellung oder gar Kyphose und HWS-Steilstellung

Es entstehen gerade in der unteren BWS Schäden an Deck- und Grundplatten, so dass die Wirbelkörper unter dem Druck langsamer und keilförmig wachsen. In den schadhaften Deck- und Grundplatten entstehen linsen- bis erbsengroße Kavernen, die sich mit Bandscheibenmaterial füllen, die Schmorl’schen Knötchen. In schwerden Fällen brechen die Deckplatten ein. Betrifft v.a. die BWS, v.a. 10.-16./18. Lj., Jungs 2-3 mal häufiger, betrifft bevorzugt Schnellwachsende. Dies ist die häufigste WS-Erkrankung. Die Langzeit-Schmerzprognose des Typs 2 ist ungünstiger als die des Typ 1. Vermutlich fängt der Brustkorb beim Typ I einen Teil der Veränderung der Statik ab. Die ungleichmäßigen Wachstumsvorgänge bei Morbus Scheuermann begünstigen die Entwicklung einer Skoliose. Nach Diagnostestellung sollte rasch und adäquat therapiert werden, weil die endgültige Form der Wirbelsäule im
Erwachsenenalter sich bis Abschluß der Wachstumsphase zum Schlechten ändern bzw. durch Intervention
positiv beeinflussen beeinflussen läßt. Die physiologischen Krümmungsmaße der WS sind:

  1. LWS (L1-L5): -35° – -55°
  2. Thorakolumbal (Th10 – L2): – 10° – + 10°
  3. BWS (Th4 – Th12): 20°-40°

Die untenstehende Beschreibung gilt für den Typ I

ICD M42

Ursache

  1. erhöhte Ausschüttung von Wachstumshormonen und rasches Längenwachstum
  2. Stoffwechselstörungen im Bereich der collagenen Fasern v.a. an den Wirbel-Deck- und Grundplatten; führt zur Entstehung von minderwertigem Knochengewebe

Prädisponierend

– Verhalten

  1. langes, gebeugtes Sitzen
  2. Sportarten mit Stauch- und Drehbelastung der WS

Bewegungsapparat

  1. schwache Rückenmuskulatur

– sonstige Faktoren

  1. familiäre Disposition
  2. Hypovitaminosen
  3. Übergewicht verschlechtert die Prognose

Diagnose

  1. Röntgen: Keilwirbel (mindestens drei benachbarte Wirbel mit mindestens 5°), Schmorl’sche Knötchen, Edgren-Vainio-Zeichen: verstärktes Knochen Wachstum in der einem SchmorlÄschen Knötchen gegenüberliegenden Deckplatte, Cobb-Winkel, schmalerer Intervertebralraum. Sorgfältige Diagnose und Dokumentation der Werte für Prognose der Progredienz
  2. Labor: Blut: – (BSG i.d.R. normal)
  3. Die Aufrichtung der Kyphose in Rutschhalte und tiefer Rutschhalte sind Anhaltswerte für die konservativ erreichbaren Therapieergebnisse
  4. Tests: Schober, Ott

Symptome

  1. zunehmende Deformierung, insbesondere im ventralen Bereich, durch vermehrte Belastung zusätzlich:
  2. Highlight röntgenologisch: Einbrüche der Deck- und Grundplatten, was zum nächsten Highlight führt:
  3. Scheuermann-Trias: Keilwirbel, Schmorl’sche Knötchen, Hyperkyphosierung der BWS
  4. Ausbildung eines Rundrückens, schlechte Körperhaltung, scheinbare Überlänge der Arme
  5. nur in 10-15% der Fälle während der aktiven Phase Rückenschmerzen, häufiger aber im Erwachsenenalter im Post-Scheuermann-Syndrom (langfristige Zunahme des Buckels)
  6. Hier gilt nicht: je heftiger ausgeprägt, desto heftiger der Schmerz. Die Erkrankung brennt meist nach dem 18. Lj. aus und kommt zum Stillstand; im weiteren entstehen meist nach 10-20 a Probleme im LWS-Bereich in Form von paravertebralen Myogelosen oder verstärkter Neigung zu Protrusio und Prolaps
  7. ggf. Tonnenwirbel (übergroße Höhe) in der LWS
  8. ggf. Hyperlordosierung der LWS
  9. verminderte Rotationsfähigkeit der WS
  10. starke psychische Belastungen aufgrund des ästhetischen Aspekts
  11. eher schwach ausgeprägte Rückenmuskulatur
  12. Besserung der Rückenschmerzen in Ruhe

Komplikationen

  1. beim Post-Scheuermann-Syndrom: Protrusio, Prolaps in der LWS (v.a. Typ 1), radikuläre Symptomatik, Diskushernien
  2. Lyse der Wirbelbögen mit Folge Spondylolistesis
  3. Post-Scheuermann-Syndrom: Osteochondrose, vorzeitige WS-Degeneration, weitere Verschlechterung des Cobb-Winkels der BWS-Kyphose
  4. bei starker Ausprägung: Einschränkung der Atmung, möglicherweise Beeinträchtigung von Herz und Lunge
  5. chronische Rückenschmerzen

Therapie

  1. Gymnastik, Haltungsturnen, Training der Rückemmuskulatur, Dehnung der Brustmuskulatur, Haltungstraining.
  2. in der aktiven Phase: Kompressions- und Rotations-Belastungen durch Stöße, Sprünge, Schläge, Stürze und diese mit sich bringende Sportarten meiden, also z.B. Kampfsportarten (Judo, Ringen), Hallen-Ballsportarten, Geräte- und Bodenturnen, Radfahren in Rennradhaltung, Laufsportarten auf harten Böden mit ungenügender Dämpfung; Weiter gibt es Anzeichen gegen Leistungsrudern
  3. in der aktiven Phase: Bauchschlaf auf harter Matratze
  4. Als indiziert gelten Sportarten wie Kraftsport (ohne stemmende und drückende Belastungen), Schwimmen, Gymnastik, Walking, Reiten
  5. wenn PT und andere muskuläre Maßnahmen nicht erfolgreich sind: Orthesen mit vorübergehender Überkompensierung (Milwaukee-Korsett)
  6. ggf. OP (Spondylodese aus Stabimplantaten), i.d.R. erst nach abgeschlossener Wachstumsphase und nur bei mindestens einem der Kriterien:
  7. bei Schmerzen: Paracetamol, Ibuprofen

DD

  1. Osteoporose
  2. Morbus Bechterew
  3. infektiöse Spondylitiden
  4. Osteogenesis imperfecta
  5. Rachitis
  6. Hyper-PTH, Hypo-PTH
  7. Tumoren
  8. Traumatische Schädigung der WS
  9. Neurofibromatose