pathologie: achillodynie

yogabuch / pathologie / achillodynie

Achillessehnenverletzungen / Achillodynie / Tendinitis, Tendinose oder Tendopathie der Archillessehne

Definition

Reizungen, Verletzungen, Anriß, Abriß, der am Fersenbein ansetzenden Sehne des Trizeps surae. Vor allem eine „Weekend Warrior“-Verletzung, also Leute, die sich v.a. am Wochenende bewegen und dann zu überfordern neigen. Gipfel männlich, sportlich aktiv, 30-50 J. Leistungssportler sind oft schon ab dem 24. Lj. betroffen, Freizeitsportler meist ab dem 40. Lj. Auch regelmäßige Sportler betrifft die Störung nicht selten: ca. 50% der Mittel- und Langestreckenläufer sind während ihrer Karriere betroffen, 10% aller Jogger, dabei ist die Störung in fast der Hälfte der Fälle beidseitig. Sportler mit Senkfuß sind anderthalb mal häufiger betroffen, solche mit hochgesprengtem Fuß fast doppelt so häufig. Nichtsportler sind immer noch mit 10% betroffen, vor allem Menschen, die viel stehen müssen. Bei Läufern wirkt das zwischen 2,5- und 12,5- fache des Körpergewichts auf die Achillessehne ein, im Marathon mit in der Größenordnung von 30.00 Schritten summiert sich das auf 30.000 Tonnen. Ein Riss der im Schnitt 20-25 cm langen Achillessehne erfolgt meist 2-6 cm über dem Kalkaneus, da dort die arterielle Versorgung (von oben und von unten) am schlechtesten ist. Grundsätzlich ist die Sehne in Relation zu ihrer Last zu schlecht vaskularisiert. Entstandene Mikroläsionen beeinträchtigen auch die vaskuläre Versorgung, was die Degeneration fördert. Nicht selten findet man eine vermutlich Hypoxie-bedingte Hypervaskularitiserung.
Intraoperativ zeigt sich meist eine zerstörte Faserstruktur, mikroskopisch dann eine abnormale Struktur des Kollagens, die schlecht heilt. Entzündungszeichen sind eher selten. Das paratendinöse Gewebe ist normal oder auch odematös und weist oft Vernarbungen auf.
Reizungen der Achillessehne ordnen sich meist als ansatzferne Tendopathie ein, können aber auch (und auch zusätzlich) Insertionstendopathien und sind recht regelmäßig ein Overuse-Syndrom. Meist dauert es 10 Jahre, im Schnitt 12 Jahre, bis sich durch leistungsorientiertes Training eine symptomatische Achillodynie einstellt. Bis zur Diagnosestellung vergehen dann meist noch einmal 2 Jahre. Unbehandelt verläuft die Erkrankung progredient und läuft auf einen Riss hinaus. Während die Schmerzen zuerst nur nach einer längeren Belastung auftreten, treten sie später schon bei oder nach moderater Belastung auf, und können in einen Ruheschmerz münden. In 70-80% ist die konservative Therapie erfolgreich, meist dauert sie 3-6 Monate. Spontanheilungen sind auch unbehandelt möglich, ohne Schonung aber unwahrscheinlich. Insgesamt muß eher selten nichtkonservativ vorgegangen werden. Achillodynien können zusammen mit einer retrokalkanären Bursitis auftreten, die dann zusätzlich eine schmerzhafte Weichteilschwellung verursacht. Oberflächliche Bursitiden sind hingegen häufig Folge einer drückenden, zu harten Kappe eines Schuhs. Die Achillodynie zeigt meist eine verdickte, aber vermindert belastbare Sehne. Intensive langjähige sportliche Betätigung, insbesondere, wenn sie einseitig ist, hat klare Vorbedingungen, wenn sie nebenwirkungsfrei sein soll. Bereits leichte Abweichungen von physiologischen Prozessen bzw. der physiologischen Kinetik können in ihrer kummulierten Wirkung zu symptomatischen Störungen führen, nachdem sie möglicherweise längere Zeit asymptomatisch waren, aber mit entsprechenden Methoden nachweisbar gewesen wären. Grundsätzlich korreliert die Inzidenz mit den Laufjahren und dem Trainingsumfang.

ICD M76.6

Ursache

  1. exzentrische Dehnung bei großer Kraftanforderung, akutes Trauma, Extrembelastung, Overuse; oft bei vorhandener Vorschädigung oder Fehlstellung
  2. dorsaler Fersensporn
  3. vorangegangene Frakturen im Bereich OSG oder Tibia

Prädisponierend

Bewegungsapparat

  1. kurzes Fersenbein
  2. überstreckbare Kniegelenke (reduzieren die Flexibilitätsanforderung des Trizeps surae beim Gehen/Laufen)
  3. Instabilität des Längsgewölbes des Fußes: Senkfuss, Plattfuß
  4. unzureichende Flexibilität des Trizeps surae und der Achillessehne
  5. Eingeschränkte Hüftextension, eingeschränkte Endorotation im Hüftgelenk
  6. instabiles Fußgelenk (Bandverletzungen, z.B. nach Supinationstrauma)
  7. veränderte Beinstatik, v.a. X-beine
  8. Beinlängendifferenzen
  9. vorangegangene Achillesssehnenleiden (Auftreten als Rezidiv)
  10. Knie- oder Hüftgelenkleiden
  11. Fehlstellungen oder Achsenabweichungen
  12. Hyperpronation
  13. Fußdeformitäten wie Hohlfuß, Plattfuß, Senkfuß, SenkSpreizfuß,Knickfuss
  14. Bei Kindern und Jugendlichen: Apophysitis calcanei
  15. Arthritiden des Sprunggelenks
  16. präexistente Bursitis subachillea oder Bursitis subcutanea calcanea
  17. Plantarfasziitis oder Fersensporn
  18. Haglund-Deformität (Haglund-Ferse)
  19. Hallux rigidus, Hallux limitus
  20. Insuffizienz des Kapselaußenbandes des OSG
  21. Knochenerkrankungen
  22. Osteochondrosis dissecans
  23. vorhandene Stressfraktur
  24. Tendopathien am Innenknöchel

– Bewegungsverhalten/Sport

  1. Tätigkeiten/Sportarten mit ruckartigen Belastungsanforderungen: Laufen, Leichtathletik, Tanzen, Ballsportarten, Racketsports. Begünstigend kommt die Ausübung des Sport in der Halle, aus Asphalt oder anderen harten Böden hinzu
  2. Sportausübung in unzureichend aufgewärmten Zustand sowie in Kälte oder Nässe
  3. inadäquates Schuhwerk
  4. mangelnder Trainingszustand
  5. schlechter Laufstil
  6. Bergauf-Lauf
  7. Wiederaufnahme des Trainings nach längerer Pause
  8. ungünstige Laufbedingungen: z.B. nasses, rutschiges Laub
  9. Überanstrengung, „zu viel, zu früh“
  10. ungewohnter Untergrund (bei Trainierten zu harter Untergrund, bei Untrainierten zu weicher)
  11. überwiegend sitzende Lebensweise und Tätigkeiten
  12. Mißverhältnis zwischen der Häufigkeit und Dauer der Belastung sowie der Trainingsintensität und anderseits der Dauer der Regenerationsphasen
  13. Laufen auf Sand und anderen losen Untergründen
  14. niedrige Sprengung des Laufschuhs
  15. Druck des Laufschuhs auf die Achillessehnes

– Gesundheitliche Risikofaktoren

  1. Stoffwechselerkrankungen: Hyperurikämie (Gicht), Hypertriglyzeridämie, Hyperlipoproteinämien und Diabetes mellitus stören die Abheilung der Mikroläsionen
  2. rheumatoforme Erkrankungen
  3. höheres Lebensalter
  4. Übergewicht
  5. Vorangegangene lokale Glukokortikoid-Injektionen, länger eingenommene orale Glukokortikoid oder Antibiotika
  6. Einnahme von Fluorchinolonen (Gyrasehemmer, spezielle Antibiotika)
  7. Familiäre Hypercholesterinämie
  8. Rauchen
  9. Kortikoide, Statine, Chinolone können verursachen und die Heilung verzögern

Diagnose

  1. Druckschmerzhaftigkeit der Achillessehne (Zangengriff)
  2. palpable Delle bei An- und Abriß
  3. Sono zeigt Querschnittsvermehrung und Texturveränderung. Doppler zeigt Gefäßneubildungen
  4. MRT zeigt Rupturen/Teilrupturen
  5. Röntgen in 2 Ebenen
  6. Tests und Zeichen: Thompson-Test, Nadeltest nach O’Brien, Test des Fußballenstandes

Symptome

  1. einschleichender Bewegungsschmerzhaftigkeit (diffus, dumpf oder auch bis zu heftig stechend, oft oberhalb des Ansatzes am Ansatz am Fersenbein im am schlechtest versorgten Bereich) v.a. beim Abrollen des Fußes, und plantarer Flexion, morgens und nach Ruhe ausgeprägter. Der Schmerz bei der Abrollbewegung ist unter exzentrischer Last, dann, wenn der Körper den Standfuß überholt, am stärksten. Meist ist der Schmerz klar longitudinal ausstrahlend, seltener diffus.
    Im Laufe des Laufes kann der Schmerz geringer werden, meist ohne vollständig nachzulassen.
  2. ausgeprägte Dehnungsschmerzhaftigkeit
  3. Bei anfänglicher Reizung Anlaufschmerz bei Belastung und Morgenschmerz; bei längerem Bestehen auch über die Dauer der Belastung zunehmender Schmerz mit bis zu stechender Note, sportliche Aktivität muß abgebrochen werden oder ist gar nicht erst möglich. Der Belastungsschmerz kann einige Zeit nachhallen (Nachbelastungsschmerz) und in Ruheschmerz übergehen
  4. Druckschmerzhaftigkeit
  5. deutliche Verdickung der Achillessehne
  6. die Verschieblichkeit der Achillessehne im umliegenden Gewebe kann eingeschränkt oder aufgehoben sein,
  7. Veränderung des Gangbildes zur Schmerzvermeidung
  8. ggf. Entzündungszeichen: Tumor, Calor, Rubor
  9. ggf. Aneignung eines Spitzfußes zur Entlastung der Achillessehne
  10. ggf. Peritendinitis mit Verdickung des Peritendinums und verminderter Verschieblichkeit der Achillessehne im umliegenden Gewebe sowie auskultatorischen oder paplatorischen Krepitationen
  11. bei Abriß: kein geordneter Gang möglich, Ausfall der aktiven Plantarflexion, also auch des Zehenstandes
  12. bei Abriß: peitschenknallartiges Geräusch
  13. bei Abriß: Hämatom
  14. ggf. verändertes Gangbild auf der betroffenen Seite: eingeschränkte Dorsalflexion des Fußgelenks, vorzeitiges Anheben der Ferse, reduzierte Hüftextension, vermehrte Beckenrotation
  15. Auffälligkeiten beim rückwärtigen Treppenabstieg: durch die Schmerzen bei der exzentrischen Kontraktion des Trizeps Surae zur Dorsalflexion im Fußgelenk ist Vermeidungsverhalten zu beobachten

Komplikationen

  1. Komplikation der Achillodynie: Ruptur der Achillessehne

Therapie

  1. in 80% konservativ; je nach Schwere: Ruhigstellung/Schonung/Belastungsreduktion, Analgetika, Antiphlogistika. Mißempfindungen der Achillessehne indizieren Schonung bzw. Belastungspause und hinreichende Regeneration
  2. lokale Antiphlogistika als Salbe
  3. ggf. Techniktraining, Optimierung des Sportschuhwerks
  4. passendes Laufschuhwerk mit hinreichender Dämpfung im Fersenbereich, Beachtung der Lebensdauer der Schuhe: ca 500 bis 1000 Trainingskilometer
  5. bei Fußfehlstellungen angepasstes Schuhwerk/Einlagen
  6. bei Funktionsstörungen der Sprunggelenke oder vorderer Fußgelenke: PT
  7. Auffinden und Beseitigen von funktionalen Defiziten im Hüftgelenk (v.a. Extension, Endorotation)
  8. wenn nötig: Gewichtsreduzierung, ab BMI 25: ärztlich betreutes Abnehmprogramm
  9. kein Training unter Schmerzmedikation!
  10. ggf. voräubergehender Umstieg auf schonendere Sportarten wie Radfahren
  11. ggf. Ernährungstherapie mit hinreichender Omega-3-Versorgung
  12. Stoßwellentherapie
  13. vor Beginn des Sports Warmhalten der Achillessehne, danach Kühlen
  14. Eigenblut mit Hyaluronsäure-Infiltration
  15. Krafttraining und später Ausdauertraining
  16. Funktionelles Beinachsentraining
  17. PT
  18. Goldstandard: Dehnung (Gastrocnemius und Soleus und der antagonistischen Fußheber) mit eigenem Körpergewicht, Mobilisierung, Kräftigung, hinreichendes Aufwärmen bei sportlicher Betätigung. Ohne dem kein nachhaltiger Therapieerfolg
  19. Dehnung der Plantarfaszie und der Zehenflexoren
  20. ggf. temporäre orthopädische Erhöhung der Ferse, Vorsicht bei deren Rückbau!
  21. bei An-/Abriß: Sehneneinschnitt, Entfernung degenerierter Teile bzw. Sehnennaht
  22. bei Abriß: wenn bei 20° Dorsalflexion, die Sehnenstümpfe kommunizieren, konservativ mit Gips, gerade bei Älteren
  23. bei Abriß: OP, hat geringeres Risiko der Reruptur (nur 2,3% statt 3,9%) aber leicht höhere Komplikationsrate(4,9% gegen 1,6%)
  24. Bei Wiederaufnahme des Trainings: passendes Schuhwerk, Gewöhnung an den Untergrund, ausreichendes Aufwärmen, Fehlstellungen korrigieren/ausgleichen, regelmäßiges Dehnen des Trizeps surae Für Umfang und Intensität des Trainings nach Wiederbeginn gilt: Schmerz RNS (Numerische Rating-Skala) 1-2 sind unbedenklich, 3–5 Punkte können vorerst toleriert, müssen aber beobachtet werden. Stärkeren Schmerzen sind kontraindiziert.
  25. KEINE lokalen Kortikosteroidgaben! Kortikoide verschlechtern Prognose. Besser: Nitrospray
  26. OP ohne Anriss: frühestens nach 6 Monaten nicht hinreichend erfolgreicher konservativer Therapie, am besten mikroinvasiv wegen geringerer Komplikationsrate

Asana-Praxis und Bewegungstherapie

Wenn kein Riss vorliegt, ist es einerseits wichtig, für einen guten Dehnungszustand des Trizeps surae zu sorgen, andererseits aber auch nachhaltige Kräftigung zu betreiben, die in der Achillessehne zu erhöhtem Stoffwechsel führt und sie trainiert. Stoßartige Belastungen wie in vielen Sportarten sind dazu nicht geeignet, sondern – insbesondere im Übermaß – eher abträglich. Im Bereich Dehnung sollte sowohl der monoartikuläre Soleus als auch vor allem der biartikuläre Gastrocnemius gedehnt werden, dessen Tonus bei Alltagsbewegungen und den meisten Sportarten relevanter sein dürfte. Es braucht also Übungen mti ausgeprägter Dorsalflexionen des Fußgelenkes mit und ohne gestrecktes Kniegelenk

Desweiteren sollte für ein stabiles Fußgelenk gesorgt werden, was sowohl die Leistungsfähigkeit der Muskulatur betrifft – gerade bei sportlichen Bewegungsabläufen kommt es auf die Schnellkraft an – als auch die Propriozeption, zu deren Training Balancehaltungen oder Haltungen mit Balancecharakter sehr geeignet sind. Um die Leistungsfähigkeit eines Muskels zu verbessern, kann grundsätzlich Schnellkraft oder Schwer-Kraft trainiert werden. Bei vorgeschädigter Sehne darf keinesfalls in den Bereich der Schnellkraft gegangen werden, wird nämlich die Muskelleistungsfähigkeit im Training – auch nur Millisekunden – überschritten, so wird die Elastizität der Sehnen aquiriert. Das muß bei Vorschädigung unbedingt vermieden werden.

Allen muskulären Dysbalancen muss nachgegangen werden und mit Hilfe von dehnenden und kräftigenden Haltungen eine bestmögliche Symmetrie hergestellt werden.

Die Supinatoren des Fußgelenks weisen selten einen Mangel an Dehnfähigkeit auf, zeigen dennoch belastungsbedingt nicht selten einen zu hohen Tonus, bis hin zu Reizzuständen wie dem Schienbeinkantensyndrom. Zwar ist der Bewegungsspielraum des Fußgelenks in dieser Richtung sehr groß, aber als Teil des natürlichen Abrollens des Fußes, welches in der Regel mit einer leichten Supination beginnt, muß die Schwerkraft-induziert reaktive Pronation von den Supinatoren aufgefangen werden. Die Pronatoren zeigen sich hingegen bei Läufern und Sportlern, deren Disziplin deutliche Laufanteile enthält, ohnehin häufig gespannt. Dies dürfte um so ausgeprägter sein, je supinierter der Fuß aufgesetzt wird.

Da die Abrollbewegung des Fußes auch von der Zuggurtung der Plantarfaszie und der Gesamtheit der Zehenflexoren abhängt, sollte diesen auch Aufmerksamkeit geschenkt werden. Eine überhöhte Spannung der Plantarfaszie neigt eher dazu, die Achillessehne zu überlasten. Hier tut die kleine Faszienrolle einen guten Dienst.

Zu guter Letzt sollte nicht die Gruppe der Antagonisten des über die Achillessehne übertragenden Trizeps surae vergessen werden: die Fußheber sollten auf ihre Spannung überprüft werden. virasana und baddha padasana bieten dazu gute Möglichkeiten.

Unter all den genannten Aufgaben darf nicht übersehen werden, daß das Training der Flexibilität und Kraft des Trizeps surae selbst (als der Muskel, dessen Kraft die Achillessehne überträgt) das wichtigste bleibt.

Asanas

  1. Asanas in 851: Dehnung der Fußstrecker / Plantarflexoren / Wadenmuskeln
  2. Asanas in 852: Kräftigung der Fußstrecker / Plantarflexoren / Wadenmuskeln
  3. Asanas in 861: Dehnung der Supinatoren
  4. Asanas in 862: Kräftigung der Supinatoren
  5. Asanas in 871: Dehnung der Pronatoren
  6. Asanas in 872: Kräftigung der Pronatoren
  7. Asanas in 971: Dehnung der Zehenflexoren
  8. virasana und baddha padasana für entspannte Antagonisten.