pathologie: adipositas

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Adipositas (Fettleibigkeit, Obesitas, obesity)

Definition

Laut WHO-Definition ist Übergewicht ein BMI (Gewicht durch Quadrat der Körpergröße) größer als 25, ab 30 gilt es als behandlungsbedürftig und heißt Adipositas. Alter, Geschlecht, Körperbau und Verhältnis Muskel/Fett-Masse gehen in den BMI nicht ein, weswegen dieser ein sehr grober und teilweise recht irrtümlicher Wert ist: viele muskulöse, gut und auch auf Ausdauer trainierte Sportler mit eher niedrigem Körperfettanteil und insbes. wenig kritischem Bauchfett (Muskeln haben ein höheres Gewicht als Fett) haben lt. BMI Adipositas, z.B. Vladimir Klitschko mit 112 Kilogramm bei 2,02 Meter Größe (BMI 27,45), Oliver Kahn mit 1,88 Meter und 91 kg (BMI 25,7) ! Indikatoren bzw. Messungen für den Anteil von Körperfett und dessen Verteilung sind etwa:

  1. Bauchumfang
  2. Taille-Hüft-Verhältnis
  3. Caliper Hautfalten-Messung
  4. Bioelektrische Impedanz-Analyse BIA (meist als Waage, nicht besonders genau, auch abhängig von Hydratation)
  5. hydrostatisches Wiegen (unpraktikabel)
  6. Dual Energy X-ray Absorptiometry (DEXA, ca 20 min, 50-70 €, sehr genau)

Sinnvoller als der BMI ist deshalb z.B. der Body Adiposity Index (BAI) = (Hüftumfang in cm) / (Körperlänge in m) hoch 1,5 – 18. In alle derzeitigen Maße gehen jedoch weitere wichtige Faktoren wie Knochendichte, Knochen- und Gelenkdurchmesser, Schulterbreite (Differenzen durchaus im Dezimeter-Bereich !) nicht ein. Aufgrund der erhöhten Morbidität und Mortalität stellt Fettleibigkeit keine reine Normabweichung sondern eine chronisch Erkrankung dar. In 2009 waren 51% (in 1999 noch 47%) der deutschen Bevölkerung übergewichtig, davon 15% adipös. Adipositas ist weitgehend eine Erkrankung der Industrienationen mit verringerter beruflicher körperlicher Tätigkeit und Überangebot an preiswerten Nahrungs- und Genußmitteln. Zunehmend werden auch Schwellenländer davon betroffen. Apidositas wird nach BMI in Grade eingeteilt:

  1. Grad 1: 30 – 25
  2. Grad 2: 35 – 40
  3. Grad 3: über 40 (Adipositas permagna oder morbide Adipositas)

Abgesehen von Sonderformen wie etwa der für Hypercortisolismus typischen Stammfettsucht unterscheidet man in zwei Fettverteilungsmuster:

  1. Androide Adipositas: Männliches Fettverteilungmuster mit Betonung des Abdomens, auch abdominale, zentrale oder viszerale Adipositas bzw. „Apfeltyp“ genannt.
  2. Gynoide Adipositas: Weibliches Fettverteilungmuster mit Betonung der Hüften, auch periphere oder gluteofemorale Adipositas bzw. „Birnentyp“ genannt.

Die androide Adipositas scheint die größeren Gesundheitsrikiken zu bergen.

ICD E66

Ursache

  1. Längerfristig überwiegend positive Energiebilanz: Missverhältnis zwischen Bewegung/körperlicher Leistung und Menge und Art der konsumierten Nachrungs- und Genußmittel
  2. Vermehter Konsum zuckerhaltiger Getränke
  3. Vermehter Konsum gesättigter Fette

Prädisponierend

  1. sitzende berufliche Tätigkeit
  2. mechanisierte Fortbewegung (Auto, Fahrstuhl..)
  3. bewegungsarme Freizeitgestaltung
  4. psychogene Überernährung, also Essen als Übersprungs- und Ersatzhandlung: Langeweile, Einsamkeit, Frustration, Stress, Ableknung, Probleme..
  5. Überangebot an leicht verfügbaren Nahrungs- und Genußmitteln zweifelhafter gesundheitlicher Qualität, insbes. ballaststoffarmer und solcher, die hoch verarbeitet und leicht zu resorbieren sind
  6. nachteilige Erziehung und Konditionierung, z.B. „Teller leer essen“ als Wert , „essen, um groß und stark zu werden“, vermeitliche ethische Motivationen mit Vergleichnahe zu Ländern mit Hunger…
  7. unregelmäßige Mahlzeiten
  8. Fastfood mit gleich mehreren nachteiligen Wirkungen: Appetitanreger, Portionsgröße, Geschwindigkeit, verminderter Nährstoffgehalt,..
  9. Appetitanreger und Geschmacksverstärker
  10. Nahrungszusatzstoffe, die anders als über den Geschmackssinn den Appetit anregen: optisch, olfaktorisch
  11. Werbung der Nahrungs- und Genußmittelindustrie
  12. verdorbener und umgeprägter Geschmackssinn
  13. wiederholte Diäten (Verbesserung der Ncahrungsauswertung als Reaktion auf qualitativen oder quantitativen Nahrungsmangel)
  14. Kulturelle Prägungen und entwicklungsgeschichtliche Fakktoren, z.B. Übergewicht als Zeichen von Wohlstand und Geltung, Kompensation längerer Hungerzeiten, z.B. nach Kriegen ..
  15. Sportarten, bei denen angefressene Körpermasse einen wichtigen Vorteil darstellt
  16. geringer Schulabschluss und Bildungsstand
  17. niedriger sozialer Status (Höhe der Ausbildung, Haushaltseinkommen und berufliche Stellung), das ist bei Frauen noch deutlicher ausgeprägt
  18. genetische Disposition (Grundumsatz, Nahrungsverwertung, Fettverteilungsmuster)
  19. Erziehungsfaktoren und Familienkultur (unabhängig von genetischen Faktoren, nachgewiesen bei Adoptivkindern)
  20. sekundär bei Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), Hypercortisolismus verschiedener Ursächlichkeit, Hyperinsulinismus
  21. möglicherweise Folge von Infektion mit Adenovirus Typ Ad-36 (transformiert Stammzellen zu Fettzellen)
  22. Nebenwirkung von Medikamenten: Insulin, hormonelle Kontrazeptiva, Antidepressiva, Neuroleptika, Kortikosteroide, Betablocker
  23. Folge des Absetzens von Medikamenten oder Genußmitteln: Rauchen, Sympathikomimetika, Viagra
  24. Pränatale Faktoren: z.B. Diabetes mellitus Typ 2 der Mutter
  25. Schlafmangel

Diagnose

  1. Körpergröße und -gewicht, Taillenumfang
  2. Klinische Untersuchung
  3. Nüchternblutzucker
  4. Cholesterin, Triglyzeride
  5. Harnsäure
  6. Kreatinin
  7. TSH
  8. Albumin/Kreatinin-Ratio
  9. EKG
  10. Anamnese der Ernährungsgewohnheiten, Bewegungsgewohnheiten, Krankengeschichte, psychische Faktoren

Symptome

  1. Eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit
  2. Kurzatmigkeit, Dyspnoe
  3. Vermeidungsverhalten gegenüber Bewegung und Anstrengung, was zu einem Teufelskreis führt
  4. Sodbrennen, Reflux
  5. Hyperhidrosis (vermehrte innere Anstrengung, schlechtere Wärmeabfuhr durch das isolierende Fett)

Komplikationen

  1. Diabetes mellitus
  2. arterielle Hypertonie
  3. Herz-Kreislauferkrankungen: KHK, Angina pectoris, Herzinfarkt, Apoplexie, vaskuläre Demenz..
  4. Fettstoffwechselstörungen wie z.B. Hypercholesterinämie
  5. Hypertonie
  6. Arteriosklerose
  7. Reflux
  8. Brustkrebs
  9. Arthrose
  10. degenerative WS-Erkrankungen, Diskushernien
  11. Gicht
  12. Gallenblasenerkrankungen, Gallensteine
  13. obstruktive Schlafapnoe
  14. Alzheimer
  15. psychische, soziale, berufliche Folgen
  16. erhöhter Gelenkverschleiß, v.a. Kniegelenk, Hüftgelenk und Sprunggelenk
  17. Schlafapnoe (obstruktuv), konsekutiver Energiemangel und psychische Veränderungen
  18. Krampfadern, erhöhtes Thromboserisiko

Therapie

  1. nachhaltige Verbesserung des Eßverhaltens, quantitativ und qualitativ, langfristig negative Energiebilanz ab – 500 kcal / d, hinreichende Trinkmenge von mind. 2,5 l / d
  2. nachhaltige Verbesserung des Bewegungsverhaltens (1 kg abzubauendes Fett entspricht 7 Wochen täglich je 15 min Jogging)
  3. Psychotherapie, ggf. Therapie einer Eßstörung
  4. ggf. Einbeziehung des Umfeldes
  5. erfolgbegünstigende Faktoren sind: höhere Intelligenz, höherer sozialer Status, später Beginn der Übergewichtigkeit, starke subjektive Beschwerden, messbare Gesundheitsstörungen, starke Persönlichkeit. Eine Essstörung ist stark hinderlich. Langfristig sind 10-20% der Gewichtsreduktionen erfolgreich (im Sinne von 50% der ursprünglichen Gewichtsreduktion)