vom symptom zur therapie

yogabuch / vom symptom zur therapie

Allgemeines

Dieses Gesamtwerk ist für alle Menschen mit einem deutlichen fachlichen Interesse geschrieben, die in der Regel – aber nicht zwingend – sich beruflich mit Yoga beschäftigen oder von ihrer Domäne aus einen Blick auf die Asanas des Yoga werfen wollen.
In aller Regel ist der klassische Yogalehrer nicht gleichzeitig Arzt, Physiotherapeut, Osteopath oder Heilpraktiker. Daraus folgt in den meisten Ländern, dass ihm sowohl eine Diagnosestellung als auch das Verschreiben und Durchführen einer Therapiemaßnahme untersagt sind. Und doch besitzt dies eine gewisse Unschärfe. Sprachlich liegt für Menschen ohne Heilerlaubnis die Grenze zwischen Erlaubtem und nicht Erlaubtem irgendwo zwischen Formulierungen wie „Es wäre gut zu wissen, ob das ein Bandscheibenleiden ist, damit wir wissen, was wir vermeiden müssen.“ und „Das ist ein Bandscheibenleiden.“ Im ersten Fall würde man sich wohl schwertun, darin das Aussprechen einer Verdachtsdiagnose, geschweige denn, einer Diagnose zu sehen, das Letztere aber ist eindeutig eine Diagnose, unabhängig davon, ob der sie Aussprechende überhaupt kompetent war, sie zu stellen. Wo auch immer die Grenze genau liegt, es sollte dem Yogalehrer immer möglich und erlaubt sein, den unterrichteten Menschen auf Schwächen oder Überspannung bestimmter Muskelpartien hinzuweisen, auf Eigenheiten seiner Körperhaltung sowie auf deren mögliche Langzeitfolgen. Genauso kann, darf und sollte er seinen Schüler auf alles hinweisen, was nach Stand seiner Kenntnisse medizinisch abklärungsbedürftig sein könnte. Wollte er diesem Anspruch umfassender gerecht werden, so müsste er schon eine Ausbildung haben, die weit über die normalen umfangreicheren Yogalehrerausbildungen von zwischen 500 und 800 Stunden hinausgeht, die derzeit am Markt sind, von solch absurden Versprechen „Yogalehrer“ in 2 oder 4 Wochen zu werden ganz zu schweigen. Da dieses Gesamtwerk aber für alle Unterrichtenden geschrieben ist, unabhängig welchen Rechtsstatus sie besitzen und in welchem Rechtsraum sie leben, soll hier ein wenig vor allem über das Diagnostizieren gesagt werden. Das Testen hat eine eigene Seite.

Erkrankungen des Bewegungsapparates

Die Erkrankungen des Bewegungsapparates sind sehr vielfältig. Einige gehen auf genetische Disposition zurück, andere sind traumatischer Natur, wieder andere werden vor allem durch Overuse verursacht, also durch Benutzung des Bewegungsapparates über seine Resilienz hinaus oder ohne Beachtung der notwendigen Regenerationszeiten. Dann gibt es solche, die durch muskuläre Dysbalancen entstehen oder begünstigt sind. Manche treten in frühen Lebensjahren auf, andere in der Jugend, einige vor allem bei auf bestimmte Weise aktiven Menschen, und das Auftreten wieder anderer korreliert mit dem Alter. Manche Störungen sind heilbar, so dass der Bewegungsapparat wieder wie vorgesehen funktioniert, andere bleiben erhalten, davon neigen einige dazu, sich zu verschlechtern, vielfach abhängig davon, wie der Mensch seinen Bewegungsapparat benutzt. Der Behandelnde muss also über viel Wissen verfügen und viele Informationen abgleichen, will er aus einem berichteten oder beobachteten Symptom oder Syndrom die richtige Diagnose ableiten und in der Folge eine passende Therapie empfehlen oder eine Auswahl an Therapieoptionen präsentieren, deren Vor- und Nachteile er dem Behandelten unterbreitet.

Manche Störungen neigen auch dazu, weitere Störungen hervorzurufen, das kann rasch oder langsam geschehen. Nicht selten treten sekundäre Störungen in verschiedenen Entfernungen von den primären auf, schlicht durch die gemeinsame Position in der Statik oder durch die verbindende kinetische Kette begründet. Nicht immer ist es dann ganz einfach herauszufinden, welche Störung primär ist und welche sekundär, und wie am besten nachhaltig behandelt wird. Die besten Kenntnisse bei solch komplexen Störungsbildern besitzt dann oft noch ein Osteopath.

Dieses Werk stellt eine Vielzahl unterschiedlichster Erkrankungen des Bewegungsapparates vor, in der sich die häufigsten wiederfinden sollten, aber auch einige, die selbst Fachleute möglicherweise in langjähriger Praxis nur selten gesehen haben. Wo immer möglich und sinnvoll, werden Hinweise zu hilfreichen und zu zu vermeidenden Asanas gegeben, aber auch über die Asanas hinaus in Richtung Kräftigungstraining oder Sport.

Befundung

Anamnese

Das gezielte Befragen des Patienten auf das eingangs geschilderte Symptom, wegen dem er den Behandler konsultiert, und alles damit möglicherweise Verbundene, wird als Anamnese bezeichnet und stellt immer die Basis der folgenden körperlichen Untersuchung und ggf. weiterer Untersuchungsmethoden dar. Im Falle einer aus einer Unterrichtssituation entstandenen Untersuchung liegt dies nur wenig anders derart, dass der Schüler als Patient bereits beim Unterrichtenden ist und ihn nicht wegen der Symptome eigens aufsucht. Möglicherweise ist auch der Unterrichtende derjenige, der das Symptom entdeckt hat oder zur Sprache bringt. In aller Regel lässt sich in einer Unterrichtssituation wie einer öffentlichen Klasse natürlich keine komplette Befundung eines Einzelnen abhandeln. Anders sähe es aus, entstünde dies aus einem Einzel heraus, also einer 1:1 – Unterrichtssituation.

Grundsätzlich ist die Anamnese ein gehobenes Handwerk, das aber offenkundig in der Vergangenheit zu wenig gepflegt worden ist, ein Versäumnis, das sowohl den Praktizierenden als auch denen angelastet werden muss, die sie ausgebildet haben. So häufen sich heute Berichte von Patienten, deren behandelnder Orthopäde etwa es nicht für nötig befand, seinen Sessel zur körperlichen Untersuchung zu verlassen, oder der anhand der ersten Symptomschilderung ohne jede weitere anamnestische Frage oder körperliche Untersuchung bereitwillig ein Medikament zu verschreiben anbot, um den Patienten aus ökonomischen Erwägungen in unter 3 Minuten abfertigen zu können. Auch wenn sich Patienten zuweilen berechtigterweise über die Kürze oder den Wegfall der Anamnese wundern, den zu beobachtenden Verfall der Anamnese in der täglichen Praxis kann man ihnen am wenigsten anlasten, da sie einen ärztlichen Behandler aufsuchen in der begründeten Erwartung, gewissenhaft nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft versorgt zu werden. Es ist unerlässlich, die Anamnese wieder als das zu entdecken, was sie ist: die wichtigste Säule der Befundung neben und vor der körperlichen Untersuchung.

Die Anamnese stellt sich in diesem Kontext als ein Spezialfall der allgemeinen Anamnese dar und enthält mindestens die folgenden Bereiche:

  1. aktuelle Symptome
  2. zurückliegende Krankheitsgeschichte
  3. Dispositionen wie z. B. Allergien sie darstellen
  4. familiäre und bekannte genetische Dispositionen
  5. relevante Daten der Lebenssituation wie Beruf, Hobby, Sportanamnese
  6. psychische Belastungen
  7. Alter und Geschlecht
  8. ggf. Sozialanamnese

Bezüglich des aktuellen Symptoms wird erfragt:

  1. Wie lange besteht das Symptom?
  2. Wie hat es sich entwickelt?
  3. Gibt es eine Vorgeschichte, die mit Bewegung und Haltung oder irgendwelchen Aktivitäten zu tun hat?
  4. Gibt es ein auslösendes Trauma?
  5. Gab es das gleiche oder ein ähnliches Symptome bereits früher (Erstauftreten oder Rezidiv)?
  6. Wo ist das Symptome exakt? Hier ist im Falle von Schmerzen die Ein-Finger-Methode hilfreich: zeigen Sie langsam und möglichst genau mit einem Finger auf den Punkt im Körper, wo der Schmerz sitzt oder wo er maximal ist. Wenn der Schmerz nicht punktuell ist, dann zeigen Sie auf den Bereich, wo der Schmerz lokalisiert ist. Ist es ein mehr oder weniger rundes Areal oder welche Form hat es? Ist es länglich und von wo bis wo spannt es sich? Ist die längliche Ausdehnung breit oder schmal?
  7. Sitzt der Schmerz tief oder oberflächlich?
  8. Ist die Lokalisation konstant oder variiert sie?
  9. Wie ist die sensorische Schmerzqualität: eher brennend, drückend, ziehend, stechend, scharf, dunkel, hell, pochend, klopfend, peitschend, heiß, kalt, pulsierend?
  10. Wie ist die affektive Schmerzqualität: eher moderat oder lähmend, quälend, zermürbend, marternd, vernichtend?
  11. Wie ist die Schmerzintensität: Bewerten Sie auf einer Skala von 0 (überhaupt keine Empfindung) bis 10 (maximal vorstellbarer Schmerz).
  12. Gibt es Modalitäten wie z.B. Verbesserung oder Verschlechterung durch etwas Bestimmtes wie eine Bewegung, eine Haltung, eine Lagerung, eine Tageszeit, durch Ruhe oder Bewegung, durch Schlaf, durch Wärme, durch Kälte, durch Nahrungsaufnahme, durch Zugluft und dergleichen mehr?
  13. Verändert sich der Schmerz durch Aktivität überhaupt oder durch auf den schmerzenden Körperbereich bezogene Aktivität (und wenn, durch welche Aktivität)?
  14. Wurde eine Veränderung durch andere Faktoren beobachtet?

Die mit der Beantwortung dieser Fragen gesammelten Informationen können in vielen Fällen bereits für eine Verdachtsdiagnose hinreichen.

Körperliche Untersuchung

Zur Befundung im Bereich des Bewegungsapparates gehört unbedingt die körperliche Untersuchung. Dazu gehört insbesondere die körperliche Untersuchung mit den Kernkomponenten:

  1. Inspektion
  2. Perkussion
  3. Palpation
  4. Auskultation
  5. Funktionstests

Inspektion

Eine der Methoden der körperlichen Untersuchung: das visuelle Auswerten oder optische Begutachten. Die Inspektion ist hierbei für den Unterrichtenden ein sehr weites Feld, auf dem der Unterrichtende viele Informationen über seinen Schüler gewinnen kann. Das beginnt bei allen Aspekten der äußeren Erscheinung, die er selbstverständlich ohne persönliche Bewertung oder Ausdruck seiner Affinitäten und Präferenzen sammeln muss, soweit er das vermag. Das erstmalige Betreten des Unterrichtsraums zu einer Probestunde, wie möglicherweise auch schon das Telefonat zu deren Vereinbarung, ergeben einen ersten Eindruck, der wie man heute weiß, das weitere Verhältnis deutlich mitprägt, auch wenn der Unterrichtende sich dessen meist weniger bewusst ist, und er jederzeit offen für das aktuelle Geschehen und dessen Abweichungen vom ersten Eindruck sein und bleiben muss. Die ersten ausgeführten Haltungen, wie der Unterrichtete sie ausführt, wie er sie einnimmt, welche Fehler er macht, welche Schwierigkeiten und Einschränkungen er hat, welche unerwarteten Effekte dabei auftreten, welche Fragen er dazu hat und was er auf Befragen dazu antwortet, dies alles sind sehr wichtige Informationen für den Unterrichtenden, die zwar nicht reinweg inspektorisch, sondern teils auch verbal und dialogisch sind und keine Voraussage der Entwicklung des Schülers erlauben, jedoch wichtige Determinanten aufzeigen können, die den Seinszustand des Schülers reflektieren und maßgeblich Inhalt und Modus der gemeinsamen Arbeit prägen. Die Neigung zu Präzision oder Mangel daran, die Ausmaße an Flexibilität und Kraft oder deren Mangel, auch in bestimmten Bereichen, der sichtbare Tonus der Muskulatur, deren Menge, Form und Verteilung, das ausgedrückte Körperbewusstsein und die Koordination, die grundsätzliche Körperhaltung, die der Unterrichtete ohne weitere Anweisung gewohnheitsgemäß einnimmt, die Neigung an Grenzen heranzugehen und die dabei auftretenden Effekte wie Veränderungen der Gesichtszüge, der Atmung, etwaiges Zittern oder eine Scheu vor Grenzen, all dies sind wichtige Aussagen.

Konkrete Beispiele für inspektorisch wahrgenommene Sachverhalten sind zahlreich, etwa die Beobachtung der Geradheit der WS in Haltungen, der Parallelität von Sehnen der Mittelfinger oder Fußmittellinien, der Höhe von Hüftknochen oder Schultern im Seitenvergleich (ist eine von beiden höher?), die Einschätzung eines Winkels, etwa der Fußmittellinien, aber auch der Silhouette, etwa des Gluteus maximus in der Hundestellung Kopf nach oben, dessen Breiten- und Höhenausdehnung einen Rückschluss darauf ermöglicht, ob der Gluteus maximus einen Beitrag zur Extension oder zur Reduzierung der Flexion im Hüftgelenk leistet. Auch gibt die Inspektion der Trapeziuslinie einen Aufschluss darüber, ob die Schulterblätter etwa in der 2. Kriegerstellung eleviert, deprimiert oder in einer Position dazwischen sind. Die Inspektion der WS gibt in vielen Fällen wichtigen Aufschluß über das Vorliegen einer Skoliose, die des Beckens in symmetrischen Stehhaltungen über das Vorliegen eines Beckenschiefstandes. In supta virasana zeigt sich häufig ein SIAS erhöht gegenüber dem anderen oder ein Bein weicht erkennbar in die Abduktion aus, während das andere in der Adduktion liegt. Dann ist die Inspektion Grundlage für weitere Untersuchung, etwa aus welcher Kraft das Ausweichen geschieht. Viele auf Inspektion beruhende Bewertungen können nur relativ, also durch Seitenvergleich oder Vergleich mit einer endgradigen Stellung getroffen werden.

Perkussion

Eine der Methoden der körperlichen Untersuchung: das Beklopfen eines Körperteils oder einer -stelle. Die Perkussion hat im Bereich asana nur eine nachgeordnete Bedeutung. Im Sinne der akustischen Auswertung der Perkussion, wie man sie in der medizinischen Untersuchung etwa der Lunge vornimmt, finden sich kaum Beispiele, jedoch wird z.B. bei verschiedenen Tests, etwa vom Tinel-Typ für das Karpaltunnelsyndrom (siehe den Test), das Kubitaltunnel-Syndrom (siehe den Test) oder das Tarsaltunnelsyndrom (siehe den Test) der betroffene Nerven mehrfach perkutiert, um im Sinne eines Provokationstests bekannte Symptome zu reproduzieren.

Palpation

Eine der Methoden der körperlichen Untersuchung: Befühlen mittels des Tastsinns des Untersuchers. Palpation hat wieder einen deutlich höheren Stellenwert als Perkussion. Damit können Muskelspannungen wahrgenommen werden, und zwar der erwünschte erhöhte oder hohe Tonus während muskulärer Aktivität wie auch der unerwünscht erhöhte Tonus. Auch kann auf Unregelmäßigkeiten in einem oberflächlich zu tastenden Gewebe palpiert werden, damit kann etwa ein Ganglion, eine Schwellung oder eine Myogelose palpiert werden, auch Kontinuitätsbrüche in Muskeln (Muskelfaserriss), in Sehnen (Sehnenrisse ) oder Knochen (Knochenbruch).
Auch wichtig ist die Palpation bei Schmerzprovokationstests, wenn es um Druckschmerzhaftigkeit von Geweben geht, seien es Muskelinsertionen, Schleimbeutel oder Gelenkspalte. Auch die Druckschmerzhaftigkeit verspannter Muskeln, die dem Menschen in Ruhe oder Bewegung unangenehm auffällt, sind klassische Anwendungsfälle der Palpation.

Beispielsweise kann im freien Drehsitz die Spannung des Armbizeps palpiert werden um zu erheben, ob dieser und überschlägig wie intensiv dieser arbeitet um als Frontalabduktor des Schultergelenks die ipsilaterale Schulterpartie nach hinten zu drücken und damit die Rotation der WS zu fördern und als Ellbogenbeuger wegen der Hand als Punctum fixum um die Schulterpartie herunterzuziehen und damit das Schulterblatt zu deprimieren und zu einer Angleichung der Höhe beider Schultern in der Haltung beizutragen. Will der Untersuchende die Spannung eines Muskels palpieren um daraus abzuleiten, wie intensiv ein Muskel arbeitet, so muss er die gefühlte Spannung, also den Widerstand gegen den Druck des Palpierenden in Relation setzen zu dem palpierten Ruhetonus. Nur aus dem Delta kann er eine überschlägige Bewertung der Arbeit des Muskels abschätzen. Ein Rückschluß auf die genaue Sehnenkraft des Muskels ist aber auch damit nicht möglich. Weitere Beispiele für die Anwendung von Palpation sind etwa die Palpation des Sehnenverlauf des Bizeps in der entsprechenden Exploration, des Gewebetonus des Gastrocnemius in supta virasana / virasana um nachzuvollziehen, ob ein angegebener Schmerz auf Gewebekompression beruht. Auch wird die Palpation etwa eingesetzt um den Tonus des Quadrizeps in uttanasana zu erheben oder den Tonus des Trapezius zu erheben, wenn sich Ausführende über erhöhte Spannung oder Krampfneigung beschweren. Auch der joint line tenderness-Test fällt noch in den Bereich Palpation, auch wenn die Ergebnisse klarer werden, wenn statt mit einer recht empfindsamen Fingerbeere mit dem Fingernagel Druck auf den Gelenkspalt ausgeübt wird. Die Palpation kann auch thermische Veränderungen wie Entzündungen wahrnehmen.

Auskultation

Eine der Methoden der körperlichen Untersuchung: Abhören. Die Auskultation bezieht sich in Bezug auf Asanas einerseits auf die Atmung und deren Fluss oder Flussunterbrechungen, Kehlverschlüsse oder -verengungen, andererseits sind zuweilen knackende oder knirschende Geräusche in Gelenken zu hören, die Aufschlüsse über den Zustand der Gelenke, oder Geräusche im Skapulothorakalen Gleitlager. Gerade bei Gelenken muss genauer hingehört und nachgefragt werden: Sind die Geräusche mit einer unangenehmen Empfindung verbunden? Gibt es einen wahrnehmbaren Unterschied in den regionären Muskelspannungen davor und danach? Sind die Geräusche durch die gleichartige Bewegung reproduzierbar? In manchen Fällen findet sich ein palpatorisches Äquivalent zum Gehörten.

Auch Sehnen können hörbar reibende Geräusche machen, ebenfalls mit palpatorischem Äquivalent, was dann zumeist auf eine Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis) hinweist. Regelmäßig finden bei vor sich gehenden Subluxationen oder bei der Reposition einer Subluxationen sowohl palpatorische wahrnehmbare Phänomene statt, die man als Springen bezeichnen kann, als auch akustische Phänomene, die ihnen entsprechen. Bei von Gelenken ausgehenden Geräuschen kann man mit Palpation oft erahnen, ob und welche Störung vorliegt und ob ärztliche Abklärung erforderlich ist. In der Wahrnehmung, wie sanft ein Sprung auf die Füße gelingt, ist der akustische Eindruck ebenfalls ausschlaggebend.

Auf die apparative Phonoarthrographie und ihren Verwandten, die Vibrationsarthrographie, wird weiter unten eingegangen.

Funktionstests

Funktionstest sind ein sehr umfangreiches und aufschlussreiches Kapitel. Tests haben immer ein Testkriterium oder einen Testgegenstand, auf den getestet wird, dieser kann pathologisch oder physiologisch sein. Schlägt der Test an, so wird das Testergebnis als positiv bezeichnet, auch wenn der Proband das Ergebnis als subjektiv bedrückend oder negativ empfindet, weil es eine Störung nachweist. Tests umfassen einerseits solche auf Beweglichkeit (Flexibilität) sowie Kraft oder Kraftausdauer, seltener auch andere Komponenten der klassischen Definition von Fitness wie Koordination oder Ausdauer. Sie können aber auch etliche andere physiologische oder pathologische Verhalten oder Zustände als Gegenstand haben, wie etwa Tests auf Durchblutung oder Durchblutungsstörungen oder Tests auf pathologische oder physiologische Reflexe. Im Bewegungsapparat können gerade im Seitenvergleich wie auch im Vergleich zu den Ergebnissen der Antagonisten eines Muskels wichtige Hinweise gewonnen werden, wenn es darum geht, Quellen für Störungen aufzufinden.

Zu den Funktionstests gehören auch neurologische Tests, einfachstenfalls etwa auf Eigenreflexe wie der Trizeps-surae-Reflex (Achillessehnenreflex) oder der Patellarsehnereflex (Quadrizepsreflex).

Ein anderer Bereich des Testens beschäftigt sich mit Provokationstests, meist durch Dehnung oder Anspannung von Muskeln, aber auch durch Palpation, also Tests auf Druckschmerzhaftigkeit.
Ein Schmerzprovokationstests durch Dehnung wäre etwa das Payr-Zeichen. Damit erschöpft sich das Testen aber noch nicht, das Verhalten von Gelenken und Muskelketten in kinetischen Situationen wird ebenfalls getestet. Ein Verhaltenstests wäre etwa der anteriore oder posteriore Schubladentest.

Bei den Tests unterscheidet man zwei quantifizierbare Qualitätsmerkmale von Tests: die Spezifität und die Sensitivität. Mit Spezifität eines Tests bezeichnet man die Wahrscheinlichkeit, dass Gesunde, die nicht an dem leiden, auf das getestet wird, tatsächlich ein negatives Testergebnis haben. Eine niedrige Spezifität bedeutet also eine hohe False-positive-Rate. Mit Sensitivität eines Tests wird die Wahrscheinlichkeit bezeichnet, dass Erkrankte durch diesen Test als solche erkannt werden. Eine niedrige Sensitivität bedeutet also eine hohe False-negative-Rate.

Neben den klassischen Tests, die vom Untersucher am Probanden durchgeführt werden oder in denen der Untersucher ein Verhalten oder Manöver anweist, gibt es auch Zeichen, die auch davon unabhängig im Alltag des Probanden auftreten und beobachtet werden können, wie etwa das Duchenne-Hinken oder das Gowers-Manöver. All dies, was der Untersucher gezielt testen und beobachten kann, zusammen mit dem, was der Proband an seinem Körper bemerkt, muss in der Befundung zusammengeführt werden, damit eine Diagnose oder Verdachtsdiagnose gestellt werden kann. In manchen Fällen ist dann eine Erhärtung des Verdachts wünschenswert oder erforderlich, etwa durch eine Bildgebung wie Röntgen oder MRT (MRI), die dann bei entsprechendem Ergebnis oft als Nachweis geilt. Neben allen öffentlich bekannten und teils durch Studien evaluierten Tests eignen sich die Asanas auch sehr gut für Tests auf Kraft und Flexibilität, wobei sie hier sowohl Diagnose als auch Therapie gleichzeitig sind. Asanas zeigen ein Minder an Kraft auf, arbeiten aber auch an der Vermehrung dieser Kraft, genau das Gleiche gilt im Falle der Flexibilität.

Differentialdiagnose

Als Differentialdiagnose DD kann man die Menge aller Erkrankungen bezeichnen, die zu einer gegebenen Menge an Informationen I (dem Befund) passen. Kommt ein Patient mit einem einzigen Symptom, so ist die DD meist noch recht groß. Mit jeder zusätzlichen Information aus dem klinischen Bild, der Anamnese, der körperlichen Untersuchung sowie ggf. später auch der Bildgebung oder Labordiagnostik, wird die DD kleiner bis idealerweise am Ende eine eindeutige Erkrankung steht, die sich in der Regel in der ICD findet. Das ist dann die Diagnose. Wenn diese als noch nicht hinreichend nachgewiesen erscheint, gibt es oft noch erhärtende Untersuchungsmethoden.

Erhärtung der Diagnose

Bildgebung

Eine Bildgebung dient eher in Ausnahmefällen der Findung der Diagnose, in der Regel nur der Bestätigung, falls eine solche noch erforderlich sein sollte. Es gibt aber auch Fälle, in denen auch Funktionstests nicht hinreichend aufschlussreich sind, so dass eine Bildgebung erforderlich ist. Zwar sind Meniskusschäden in den entsprechenden Tests meistens auffällig, der genaue Schaden und die Notwendigkeit einer nichtkonservativen Behandlung kann daraus jedoch nicht immer hergeleitet werden. Eine Arthrose kann sich je nach Stadium unterschiedlich verhalten, in Zusammenhang mit der Anamnese kann daher oft mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Arthrose angenommen werden. Ersten Aufschluss gibt dann ein Röntgen, das den verschmälerten Gelenkspalt zeigt. Für eine genauere Darstellung der Knorpelstruktur bedarf es jedoch einer höherwertigen Bildgebungsmethode wie einer MRT (MRI, Magnetresonanz-Tomographie, bzw. -Imaging), da im Röntgen nur die Absorption der Röntgenstrahlung durch Calcium sichtbar wird, will sagen, die Knochen. In eher seltenen Fällen findet eine Kontrast-MRT statt, die sich üblicherweise in der MRT gleich darstellende Gewebe, vor allem Weichteile, differenzieren kann dadurch, dass zuvor ein Kontrastmittel (Radiopharmakon) verabreicht wurde, das sich unterschiedlich in den Geweben verteilt. Voraussetzung für eine MRT ist immer die Gewissheit, dass sich kein Metall im Körper befindet. Dieses würde durch die extreme Feldstärke von 1,5 oder 3 Tesla (immerhin das 30.000 oder 60.000-Fache der Stärke des Erdmagnetfeldes) mit einer solchen Macht angezogen, dass es blitzartig aus dem Körper gezogen würde und diesen wie auch die Maschine schädigen würde. Befindet sich Metall im Körper oder ist dies ungewiss, bleibt noch eine andere hochwertige Bildgebung, die CT (Computertomographie). Auch hier gibt es wieder die Möglichkeit, mit Kontrastmittel zu arbeiten, um spezielle Gewebe besser darstellen zu können. Computertomographien bieten sich auch in zeitkritischen Fällen an. Im Gegensatz zu den oben genannten Verfahren CT und MRT, die Schichtaufnahmen herstellen (daher der Name Tomographie), nimmt die Szintigraphie mit einer Gammakamera auf, die sowohl Knochen statisch gut darstellen kann als auch über die Zeitachse Verläufe darstellen kann, etwa im Stoffwechsel. Wird die Kamera in verschiedenen Perspektiven eingesetzt, so kann aus den Aufnahmen ein dreidimensionales Modell errechnet werden, aus dem wiederum Schichtaufnahmen wie bei CT und MRT abgeleitet werden können. Das PET-Scan (PET-CT, PET-MRT) beruht auf einem anderen Effekt als die anderen Radioverfahren, nämlich der Wechselwirkung der von einem Radiopharmakon emittierten Betastrahlung mit lokalen Elektronen, wobei in entgegengesetzte Richtungen hochenergetische Photonen emittiert werden. Auch dieses Verfahren eignet sich gut zur Verlaufsdarstellung.

Im übrigen kann man jedem nur empfehlen, Kopien aller Befunde selbst aufzubewahren, da eine längerfristige Verfügbarkeit möglicherweise nicht gegeben ist. Gerade in Zeiten immer weitergehender Digitalisierung werden etwa die Bilder einer MRT nicht mehr immer auf Datenträgern wie DVD übergeben, sondern sind für eine befristete Zeit online zugreifbar. Ob das nach Jahren und der einen oder anderen Umstellung der IT des Unternehmens, welches sie erstellt hat, noch der Fall sein würde, darf sehr bezweifelt werden. Gerade zur Verlaufskontrolle sowie zur Evaluation von Therapie und eigenem Verhalten über die zwischen zwei Bildgebungen vergangene Zeit sind die vorangegangenen Befunde jedoch wichtig.

Labor

Was die Erkrankungen des Bewegungsapparates betrifft, sind Laboruntersuchungen des Blutes, des Stuhls oder des Liquor wesentlich weniger wichtig als in anderen Bereichen der Medizin, etwa der inneren Medizin oder der Infektiologie. Trotzdem können sie eine Rolle spielen bei Grunderkrankungen, die auch den Bewegungsapparat betreffen. Beispielsweise können Blutparameter aus dem Knochenstoffwechsel bei Verdacht auf Schädigung der Knochensubstanz eine Rolle spielen. Im Bereich des Bewegungsapparates wären das unter anderem: Calcium, Vitamin D, AP (alkalische Phosphatase), CK, Kreatinin, Harnsäure, CRP und Rheumafaktoren.

Andere und weniger bekannte Untersuchungsmethoden

Infrarotthermographie

Die Infrarotthermographie ist eine nicht invasive, kontaktlose Untersuchungsmethode, die in vielen Fällen insbesondere im Seitenvergleich Störungen aufdecken kann. Voraussetzung für die Untersuchung ist, dass der Untersuchte keine vasoaktive Substanz zu sich genommen hat, weder Sport getrieben noch die Sauna besucht hat und auch keine physiotherapeutische Behandlung unmittelbar vorausging. In 85% der Fälle zeigte die Infrarotthermographie eine Meniskusläsion korrekt an. Im Fall des PFPS zeigte sich in 96%, ein typisches Überwärmungsmuster, und die gemessene Temperatur lag ein bis drei Grad über normal. In der Hälfte dieser Fälle war dann arthroskopisch eine Chondropathia patellae von Grad eins oder zwei nachweisbar. Auch nach Osteosynthesen zeigen sich eine Temperaturerhöhungen von bis zu 2 Grad, die nach ein bis anderthalb Monaten nach der Heilung der Fraktur wieder rückläufig ist. Lockert sich ein Implantat, so ist eine meist permanente Temperaturerhöhung von bis zu 2 Grad nachweisbar, bei Infektionen bis zu 4 Grad. Da die Thermografie bisher nicht gut erforscht und dokumentiert ist, bleibt hier noch viel Forschungsbedarf. Derweil ist der Morbus Sudeck (CRPS 1, Algodystrophie) die einzige Erkrankung mit Indikation zur Thermografie.

Phonoarthrographie

Zwar geht die Auskultation mindestens auf Hippokrates zurück, dieser bezog sie aber auf Lunge und Herz und beschriebt beispielsweise korrekt das Lederknarren bei Pleuritis. Es dauerte bis 1883, bis Hüter sich nach der Erfindung des Stethoskops (Laennec, 1816) den Gelenk annahm und etwa behauptete, er könne per Auskultation des Gelenks mit dem Stethoskops freie Gelenkkörper lokalisieren. Als Erb 1933 ein Mikrofon mit einem Oszillographen verband um Geräusche objektiver zu untersuchen, bekam die Phonoarthrographie neue Impulse. Er regte dann aber auch die Vibrationsarthrographie an, die er für erfolgversprechender hielt.

Schäden, insbesondere des Kniegelenks, sind häufig mit spezifischen Geräuschen verbunden. Ein auf die Patella aufgebrachtes Mikrofon mit gleichzeitiger Winkelmessung im Kniegelenk zwischen Oberschenkel und Unterschenkel bei Kniebeugen stellt den Zusammenhang des Geräusches mit der Flexion dar. Damit wird eine erhöhte Präzision gegenüber dem klassischen Verfahren mit dem Stethoskop erreicht und gleichzeitig Geräusch mt Winkel korreliert. Liegt ein Gelenkerguss vor, sind keine oder kaum Geräusche vorhanden. Ist die Kapsel pannusartig verdickt, sind die Geräusche merklich dumpfer. Die Art des von einer Veränderung betroffenen Gewebes und die Art der Veränderung bestimmen das Geräusch. Die Unterscheidung zwischen Geräusch und Ton wie bei Herzen ist hier nicht übertragbar: physiologische Geräusche können sein: ein einmaliges oder auch ein in gleicher Situation reproduzierbares Knacken. Ein einmaliges Knacken beim Beugen des Kniegelenks gilt als ohne Krankheitswert, das gilt recht gesichert auch für ein wiederholtes, sich aber ausschleichendes Knacken. Im Falle einer Gonarthrose zieht sich das Geräusch meist über das gesamte Bewegungsspektrum. Liegt ein retropatellarer Knorpelschaden wie eine Chondropathia patellae oder eine Retropatellararthrose vor, so liegt das Geräusch meist im Bereich zwischen 20 und 60° Flexion.
Reiben und Knistern sind immer Verdachtsfälle, die untersucht werden müssen. Der Flexionswinkel im Kniegelenk kann dabei Anhaltspunkte geben. Auch freie Gelenkkörper wie Ossikel können Geräusche verursachen. In der aparative Phonoarthrographie besteht noch Forschungsbedarf.

Vibrationsarthrographie

Auch bei als kniegesund befundeten Probanden werden drei verschiedene Arten Signale registriert: erstens Krepetieren über der
Patella, welches in 99% der Fälle auftritt, zweitens ein Patella-Klick und drittens ein lateral band phenomenon im Bereich des äußeren Kollateralbands, welches sich in 22% der Fälle einer Untersuchungsreihe zeigte. Alle weiteren Vibrationsphänomene deuten auf Störungen hin wie Meniskusverletzungen, das Plica-Syndrom, degenerative Knorpelveränderungen. Ausgeprägte Ergebnisse gibt es in Retropatellaren Störungen wie der Chondropathia patella oder der Retropatellararthrose, auch schon bevor sich radiologisch Veränderungen nachweisen lassen. Wird bei einer Meniskusläsion arthroskopisch interveniert, so ist sinkt das pathologische Vibrationssignal danach auf rund ein Zehntel der ursprünglichen Stärke. Mit der Vibrationsarthrographie kann damit eine Messgröße für die Qualität der Intervention bereitgestellt werden. Die Vibrationsarthrographie gilt heute vielen als erfolgversprechender als die Phonoarthrographie, aber auch hier besteht noch Forschungsbedarf.

EMG

Die Elektromyographie ist eine elektrophysiologische Methode, die Potentiale in Muskeln mißt, entweder als Oberflächen-EMG oder als Tiefen-EMG vermittels entsprechend gesetzter und als Elektroden fungiernder Nadeln (ca. 0,45 mm Durchmesser bei 5 cm Länge), was die Muskelaktivität bis auf die Ebene der Faserbündel oder motorischer Einheiten hinab abbilden kann, während bei der Oberflächen-EMG Areale erfasst werden, in die andere Muskeln mit einstreuen können, in der Regel auf Grund ihrer ähnlichen Lage eher Synergisten. Mit der EMG lassen sich neurologische bedingte Ausfälle oder Einschränkungen von Erkrankungen des Muskels selbst unterscheiden. Dazu wird das Ruhepotential und die Potentiale unter verschieden starker willkürlicher Anspannung des Muskels abgeleitet. Auch in der Biomechanik und der sportlichen Anwendung wird das Oberflächen-EMG verwendet.

Pedobarographie

Messung der Druckverteilung des Fußes im Stand oder bei Gehen. Üblicherweise wird auf einer begehbaren Druckplatte gemessen, Einlagen mit Sensoren für Schuhe existieren aber auch. Die begehbaren Druckplatten besitzen im Allgemeinen eine wesentlich höhere Sensordichte. Die Pedobarographie eignet sich gut, um Fußfehlstellungen oder unphysiologische Haltungen und Belastungsmuster zu erkennen. Im Rahmen von korrigierenden OP kann im Vergleich der Druckverteilung vor und nach der OP eine Erfolgskontrolle vorgenommen werden. In der sportlichen Biomechanik und bei der Erforschung von Gang und Lauf sowie in der Diabetologie spielt die Pedobarographie ebenfalls eine Rolle. Die Ursprünge der Pedobarographie liegen im Jahr 1882 bei ersten Versuchen mit Gummi und Tinte.

Therapie

Steht die Diagnose einmal fest, geht es an die Therapie, eine Therapie ohne Diagnose ist per Definition nicht möglich. Nur in seltenen Fällen existiert gar keine Therapieoption. Dabei muss aber unterschieden werden zwischen der Restitutio ad integrum, also der Wiederherstellung zur Gänze, sprich der einschränkungslosen Wiederherstellung des physiologischen Zustandes einerseits, was nicht in allen Fällen möglich ist, und andererseits lindernder, verzögernder oder remissionsinduzierender Therapie. Dem Patienten werden dann eine oder mehrere Therapieoptionen vorgeschlagen. Die Wahl der vorgeschlagenen Optionen kann nach verschiedenen Parametern des Individuums verschieden ausfallen. So würde man etwa einem jungen Menschen, der noch weite Teile seines Arbeitslebens vor sich hat und sportlich gewisse Ambitionen hegt, oft andere Optionen empfehlen als einem Menschen, der sich mutmaßlich den letzten Lebensjahren nähert und ohnehin ein in vielfacher Hinsicht eingeschränktes, rein häusliches Leben führt. Darüber hinaus sind nicht alle Therapieoptionen kausal, gehen also die Ursache an, es gibt auch symptomatische Therapieoptionen. Selbstverständlich ist der Behandelnde in der Pflicht, den Behandelten über die Art der Therapie aufzuklären:

  1. Welche sinnvollen Therapieoptionen gibt es?
  2. Handelt es sich um eine kausale Therapie oder um eine symptomatische?
  3. Sind mit den Therapieoptionen Kosten verbunden, die der Behandelnde direkt (und nicht etwa seine Krankenkasse) zu tragen hat?
  4. Welche der Therapieoptionen ermöglicht eine Restitutio ad integrum und mit welcher Wahrscheinlichkeit?
  5. Welche Risiken sind mit den einzelnen Therapieoptionen verbunden?
  6. Welche Nebenwirkungen sind im Rahmen der oder kurzfristig nach der Behandlung möglich oder zu erwarten und wie ist die Langzeitprognose?

In allen Fällen, in denen der Patient nach medizinischen Gesichtspunkten bewusst frei entscheiden kann, ist es ausschließlich seine Wahl, welche Therapie durchgeführt wird. Der Behandler darf (bis auf schwere Fälle der Psychopathologie) keine Therapie gegen den Willen seines Patienten durchführen, solange diesen ihn noch artikulieren kann. Ein Verstoß dagegen kann den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen. In Fällen schwererer Entscheidungen, die nicht hochgradig zeitkritisch sind, kann es für den Patienten lohnenswert sein, eine fachliche Zweitmeinung einzuholen, um sich bzgl. der Entscheidung, zu der man neigt, sicherer zu sein oder auch neue Optionen aufgezeigt zu bekommen. Schließlich ist nicht jeder Behandelnde gleich sorgfältig und gleich gut informiert.

Der Yogalehrer und das staatliche Gesundheitssystem

Wie oben geschildert sind dem Yogalehrer ohne weitere Qualifikation Diagnose und Therapie untersagt.
Was sind nun seine Optionen, wenn sein Schüler ihm ein Symptom schildert, das für die Ausführung der Asanas relevant sein könnte? Und woher weiß er überhaupt, ob oder dass es relevant ist?
Die eine Option ist, bei jeglicher Symptomschilderung um ärztliche Abklärung zu bitten und um die Aussage, welche Einschränkungen dieses Symptom bzw. die gestellte Diagnose für die Ausführung der Asanas bedeutet. Man braucht nur kurze Zeit Unterrichtserfahrung, um festzustellen, dass dieser Weg nicht gangbar ist.
Es gibt viele Faktoren, die ihn ungangbar machen:

  1. Dem Schüler fehlt es an Zeit oder Motivation für die Abklärung.
  2. Der Schüler bekommt keinen zeitnahen Termin zur Abklärung.
  3. Die Diagnosestellung erfolgt schlichtweg nicht.
  4. Verhaltensweisen in dem Sinne, was zu tun und was zu lassen ist, werden dem Schüler nicht empfohlen.
  5. Der Behandelnde hat keine blasse Ahnung davon, was den Schüler im Bereich Asanas erwartet, und in der Regel auch kein Interesse, sich dahingehend zu informieren.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann angenommen werden, dass in einem konkreten Fall mindestens einer der diese Methode torpedierenden Faktoren gegeben sein würde, in der Praxis sind es meist gleich mehrere. Also wird der Schüler über kurz oder lang mit unzureichenden Informationen vor seinem Lehrer stehen und dieser erneut vor die Frage gestellt sein, was ausführbar ist und was vermieden werden sollte, nur dass er jetzt weiß, dass kaum eine Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass der Schüler ihm diese Informationen von extern beschaffen kann.

Wenn dieser Weg also nicht gangbar ist, wie sähe dann ein
alternativer, verantwortlicher und rechtskonformer Weg aus?
Klar ist, dass die Last der verantwortlichen Einschätzung damit beim Yogalehrenden liegen wird. Im Rahmen der Verbote kann er zwar nur Empfehlungen geben, aber dies kann er gewissenhaft und fachlich
adäquat tun, wenn er sich dem aufwändigen Prozess unterzieht,
sich fachlich entsprechend weiterzubilden. Dies stellt allerdings einen sehr extensiven Exkurs aus seiner ursprünglichen Domäne in die Anatomie, Physiologie und Pathologie dar, der sich nicht in kurzer Frist und mit geringem Aufwand erledigen lässt. Unter einem Umfang von 100 Stunden läßt sich das kaum bewerkstelligen. Außerdem wird er dafür in der Regel erst einmal eine Institution finden müssen, die ihn derart qualifizieren kann. Damit könnte er dann mit Augenmaß einschätzen, was, bis auf weitere Erkenntnisse, ausführbar sein wird und ggf. mit welchen Modifikationen, und wann mit einer gewissen Dringlichkeit ärztliche Abklärung gesucht werden sollte. Unternimmt er es dann noch zusätzlich, eine Heilerlaubnis zu erwerben, ist sein Handlungsspielraum weit größer. Aber der hierfür zu treibende Aufwand geht in die Jahre.

Yogatherapie

Per Definition ist Yogatherapie die Anwendung von Methoden des Yoga als Behandlung von diagnostizierten Leiden. Unabhängig davon, wer die Diagnose gestellt hat, ist damit klar, dass Yogatherapie nur von dem gesetzlich zugelassenen Personenkreis durchgeführt werden darf. Ein Blick in verschiedene Medien zeigt allerdings ein ganz anderes Bild. So wird „Yogatherapie“ selbst wie auch Fortbildungen zu diesem Thema von Menschen angeboten, denen die Erlaubnis dazu fehlt. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis entsprechende Rechtsprechung und Gesetzgebung in der Welt ist. Davon ab, leistet Yoga vieles.