pathologie: patellaspitzensyndrom / Jumper’s knee, Sinding-Larsen-Johansson

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Patellaspitzensyndrom (Osteopathia patellae, Springerknie, Jumper’s knee, Patellarsehnentendopathie, bei Jugendlichen: Sinding-Larsen-Johansson)

Definition

Das Patellaspitzensyndrom ist eine Insertionstendopathie oder Enthesiopathie des auch Patellasehne genannte Lig. patellae. Für dieses Schmerzphänomen hat sich auch der Begriff Jumpers knee eingebürgert. Im Gegensatz dazu wird die Sehne vom kontraktilen Quadrizepsgewebe zum kranialen Patellapol als Quadrizepssehne bezeichnet.
Das Patellaspitzensyndrom lokalisiert am Ansatz des Lig. patellae am kaudalen Patellapol. Vergleichbares kann auch an der Tuberositas tibiae oder dazwischenliegend (MID Portion) auftreten.

Das Patellaspitzensyndrom ist eine schmerzhafte chronisch-degenerative Überlastungserkrankung (Overuse-Syndrom). Blattina et al. beschreiben vier Phasen:

  1. Schmerzen ausschließlich nach Aktivität oder Sport,
  2. Schmerzen vor und nach Aktivität oder Sport, der aber noch zufriedenstellend ausgeführt werden kann
  3. Schmerzen vor und nach Aktivität, Sport ist aber schmerzbedingt nicht mehr möglich
  4. komplette Ruptur.

An einem Hebelarm von gerade mal 35 mm überträgt das Lig. patellae eine Kontraktionskraft des Quadrizeps von 200 Nm, was für das Lig. patellae eine Zugkraft von 6000 Nm bedeutet. Diese Störung muss unterschieden werden von einem Morbus Osgood Schlatter, bei dem im Rahmen einer Traktionsapophysitis Begleitetendinopathien an der Tuborositas tibia oder einem Morbus Sinding Larsen Johanson,
bei dem eine Insertionstendopathie am distalen Patellapol auftritt. Beide betreffen eher Jugendliche.

Ursächlich sind wiederholte exzessive Belastungsspitzen, die zu kumulierten Mikroläsionen führen, in der Regel im Rahmen von zyklischen Bewegungen. Direkte Traumata und punktuelle Überlastung können diesen Prozess forcieren.

Zu den Prädispositionen gehören Störungen wie Adipositas, Beinlängendifferenz, Hohlfuß, Plattfuß, Knickfuß, verminderte Flexibilität des Quadrizeps und verminderte Leistungsfähigkeit des Quadrizeps. Hallensportler sind ebenfalls für diese Störungen disponiert, genauso disponieren häufige Starts- und Stopps, ebenso Sprünge. Bei dieser Störung scheint es keine bevorzugte Altersgruppe zu geben, allerdings nehmen Tendinopathien grundsätzlich mit dem Alter zu. Ein Teil der Schmerzempfindung mag auf den sehr sensiblen benachbarten Hoffa’schen Fettkörper zurückgehen. Johnson findet radiologische Hinweise auf eine Art Impingement des kaudalen Patellapols gegen die nicht an diesem entspringenden Fasern.

Die Diagnose erfolgt meist rein klinisch. Das Geschehen ist in der Regel nicht entzündlich, sondern eher von degenerativer Natur. Dementsprechend werden Entzündungsparameter oder Entzündungsmediatoren nicht erhöht gemessen, sondern einsprossende Nerven und Gefäße, die auf eine Tendinose hinweisen. Das Sehnengewebe stellt sich grauer und aufgefasert dar als im physiologischen Befund.

Wie die meisten Insertionstendopathien wird auch diese in der Regel konservativ behandelt, wobei Schonung und Antiphlogistika bzw. Analgetika durch physikalische Therapie und Physiotherapie ergänzt werden können. Kortikoidinfiltrationen stellen wie häufig eine deutliche Gefahr einer Sehnenschädigung dar. Konservativ therapieresistente Fälle oder häufige Rezidive indizieren eine operative Intervention. Dabei stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl. Nach der OP kann voll belastet werden, forcierte Beugung sollte aber für sechs Wochen nicht über 90 Grad hinaus gehen, um die angeforderte Muskelleistung in exzentrischer Kontraktion unter Beachtung der vorliegenden Sarkomerlänge von dem Punkt entfernt zu halten, an dem die Sehne auf Elastizität beansprucht wird. In 30% tritt das Patellaspitzensyndrom beidseitig auf. Einteilung in Grade wird wie folgt vorgenommen:

  1. 1: Schmerz nach Beenden der Belastung
  2. 2: Schmerz bei Beginn der Belastung und nach Beenden, währenddessen schmerzfrei
  3. 3: Dauerschmerz, der Belastung ausschließt
  4. 4: Patellarsehnenruptur

Diese Störung wird bei 45% der Volleyballer angenommen, 32% der Basketballer, 9% der Rugby Spieler. Altersgipfel: 15-35. Lokalisation meist am distalen Patellapol, danach an der Tuberisotas tibiae. Vor dem 15. Lj. entspricht das Patellaspitzensyndrom einem Morbus Sinding-Larsen-Johansson M92.4.

Die Patellarsehnentendopathie tritt am häufigsten am kaudalen Patellapol in den unteren Sehnenschichten auf, dort wo bei Belastung der Zug am höchsten ist. Die Insertion an der Tuberositas tibiae ist ebenfalls häufig betroffen. Dazu gesellt sich häufig eine Bursitis infrapatellaris. Auch besteht eine Relation zwischen der Patellarsehnentendopathie und Veränderungen des Hoffaschen Fettkörpers.

Quadrizepssehnenrupturen treten eher traumatisch bedingt auf als chronisch degenerativ bedingt. Der Riss liegt meist nah am kranialen Patellapol häufig liegen systemische Störungen zugrunde wie Niereninsuffizienz, RA, Diabetes mellitus, Gicht, Hyperparathyroidismus, Adipositas oder systemischer Lupus erythematodes. Auch hier disponieren vorangegangene Kortison-Infiltrationen.
In 10% der Fälle sind die Rupturen beidseitig.

Bei der Patellasehnenruptur kann eine Patella alta zu sehen sein, bei der Quadrizepssehnenruptur eine Patella baja. Das Röntgen zeigt gegebenenfalls Traktionsosteophyten, das Ultraschall eine ödematös verdickte Sehne. Diese Phänomene liegen allerdings auch nicht selten in asymptomatischen Fällen vor, vor allem bei älteren Patienten. Bildgebung und Klinik können hier deutlich auseinanderfallen. Vor allem zum Ausschluss differentialdiagnostische Erkrankungen eignet sich die MRT sehr gut. Bei beiden Sehnenrefixationenrupturen sollte ein Röntgen eine Patellaruptur ausschließen.

ICD M76.5

Ursache

  1. wiederholte und ungewohnte Zugbelastungen und Zugbewegungen der Patellasehne wie in vielen Sportarten, vor allem springenden, aber auch Gymnastik und Kraftsport

Prädisponierend

– Verhalten

  1. Sportarten: Volleyball, Basketball, Handball, Weitsprung, Hochsprung
  2. Sportarten mit häufigem abrutem Abbremsen oder Landen: Springen, Stopps
  3. inadäquate Trainingsoberflächen, inadäquate Trainingsausrüstung, inadäquate Trainingsbelastung, hochintensives Training und wiederholte Lasten

Bewegungsapparat

  1. idiopathische Bandschwäche
  2. mangelnde Kraft oder Dehnung des Quadrizeps, Patellahochstand
  3. Fuß- und Knieanomalien und -Pathologien
  4. mangelnde Extensionsfähigkeit des Hüftgelenks
  5. mangelnde Flexibilität des Fußgelenkes
  6. mangelnde Rotationsstabilität der Beinachse bei schnellen Kombinationsbewegungen
  7. Beinlängendifferenzen

– sonstige Faktoren

  1. Übergewicht

Diagnose

  1. Sono: verdickte Sehne
  2. MRT: Ödem des Sehnenansatzes, evtl. Knochenmarködem an der Patellaspitze
  3. Röntgen meist o.B.

Symptome

  1. teils über Jahre anhaltende lokalisierter belastungsabhängiger Schmerz auch bei normalen Bewegungen. Je nach Grad: belastungsabhängiger, wechselnder oder Dauerschmerz
  2. Entzündungszeichen: Tumor, Rubor, Dolor
  3. Druckschmerzhaftigkeit am distalen Patellapol
  4. Schmerz und Steifheit nach Belastung, Anlaufschmerz
  5. Bewegungsdrang nach längerer gleicher Haltung

Therapie

  1. Schonung (6-12 Wochen), langsame (!) Trainungswiederaufnahme
  2. physikalisch: Kälte, Stoßwellen
  3. Massage
  4. KG
  5. lokale Glukokortikoide, aber nicht in die Sehne und nicht wiederholt, da Rupturrisiko!
  6. NSAR
  7. ggf. Orthese
  8. erst bei Versagen konservativer Maßnahmen OP
  9. Trainingsanpassung nach Grad:
  10. transversale Reibtechniken (Friktionsmassage)
  11. Quadrizeps kräftigen, dehnen
  12. Stärkung anderer tragender Muskeln, z. B. Wadenmuskeln