bewegungsphysiologie: radfahren

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Radfahren ist eine zyklische Fortbewegungsform, bei der mittels eines technischen Hilfmittels, dem Fahrrad, und dessen Rädern eine gleichmäßige Fortbewegung ohne nennenswerte Schwerpunktoszillation in der Höhe und ohne nennenswerten Impact in der unteren Extremität möglich ist. Die erreichbaren Geschwindigkeiten liegen unter fast allen topographischen Bedingungen signifikant oberhalb der beim Running. Wird die Leistungserbringung für den Fortschritt eingestellt, gleitet das Rad noch mit der vorhandenen Massenträgheit gegen den geringen Reibwiderstand und den vor allem je nach Sitzposition schon deutlich höheren Luftwiderstand eien beachtliche Strecke weit, während beim Running nur noch wenige Schritte ohne dem Vortrieb dienende Leistungserbringung möglich sind bis die Bewegung stoppt. Typischerweise wird die Kraft zum Vortrieb von der unteren Extremität durch Druck auf zyklisch bewegliche Pedale ausgeübt. Dabei kann der Anteil zwischen der kniestreckenden Muskulatur (Quadrizeps), der hüftextendierenden Muskulatur (vor allem Gluteus maximus und Ischiocrurale Gruppe, daneben Adduktor magnus mit seinen hinteren vom Tuber ischiadicum aus entspringenden Fasern) und dem Trizeps surae in größerem Maß verschoben werden, was genutzt werden kann, um der vorzeitigen Ermüdung einer dieser Gruppen entgegenzuwirken. Dies zusammen mit dem „Selbstlauf“ des Rades im Gegensatz zu dem der Beine ermöglicht nicht nur höhere Geschwindigkeiten als beim Running sondern auch deutlich größere Distanzen am Stück zurückzulegen.

Wichtige Parameter beim Radfahren sind die Höhe des Sitzes über der Kurbelachse, die nicht so gewählt werden sollte, daß das Kniegelenk nicht gestreckt werden kann, sowie deren Verhältnis zur Höhe des Lenkers. Dieses Verhältnis bestimmt maßgeblich über die Aerodynamik der Sitzposition, aber auch über die Körperhaltung und die Arbeitsbereiche der am Vortrieb beteiligten
Hüftextensoren. Ein im Vergleich zum Sitz niedriger gewählter Lenker verbessert die Aerodynamik, erzwingt aber einen sehr runden Rücken im Bereich BWS und LWS. Wegen des mit den Armen abgestützten
Teilkörpergewichts stellt das in der Regel aber keine deutliche Disposition zu Bandscheibenleiden dar. Ein Krafttraining der autochthonen Muskulatur ist hiergegen sehr hilfreich und vermeidet auch den früher häufig gesehenen „Radfahrerbuckel“. Dafür treten zuweilen bei falscher Haltung der Handgelenke Schwierigkeiten in eben diesen auf, vor allem, wenn das Handgelenk in die Dorsalflexion abgeknickt wird und zusätzlich Impacts aus unebenem Untergrund auf das Radiokarpalgelenk wirken. Ist der Lenker tiefer als der Sitz, besitzt nicht nur der Rücken ein beachtliches Krümmungsmaß, auch die HWS muß deutlich hyperlordosieren, damit die zu befahrende Strecke noch im Blickfeld liegt. Das führt auch bei Erfahrenen nicht selten zu unangenehmem Hypertonus mit krampfartiger Note. Ernsthafte Störungen sind hier allerdings selten, nicht aber die Verschlechterung bereits zuvor bestehnder Beschwerden. Die zyklische Bewegung der unteren Extremität mit nennenswerten Kontraktionskräften des
Quadrizeps kann grundsätzlich die Kraft übertragende Kette aus dem Muskel Quadrizeps selbst, seiner Sehne, der Patella, dem Ligamentum patellae und der Tuberositas tibiae als Insertion des Ligamentum patellae betreffen, jedoch wird dies eherauftreten, wenn Störfaktoren wie eine nicht korrekt geformte Patella vorliegen oder die Gangwahl häufig zugunsten schwereren statt häufigeren Tretens getroffen wird, vor allem am Berg. Häufiger sind Störungen wie das Runners Knee. Für Überlastungserscheinungen (Overuse) gibt es einige typische Prädispositionen wie die Änderung biomechanischer Parameter (Sattelhöhe, Lenkerhöhe, Schuhwerk, Rahmensteifigkeit), Kälte und
Nässe. Meist sind weniger die Gelenke als die Sehnen betroffen, im Fußgelenk vor allem die Achillessehne oder die der Fibularisgruppe. Im Bereich des Kniegelenk kann es die Quadrizepssehne oder Sehnen der
Ischiocruralen Gruppe erwischen. Insertionstendopathien sind mit zunehmendem Alter hartnäckiger, Störfaktoren wie muskuläre Dysbalancen müssen abgeklärt und aufgearbeitet werden. Im Vergleich zu Laufsportlern sind Meniskusschäden recht selten, das femoropatellare Gleitlager schon ein wenig häufiger, wenn auch immer noch eher selten. Die langanhaltende stark hüftflektierte Haltung neigt dazu, Störungen der Femoralarterie zu verursachen, die sich verlängert und abknickt, was meist eine zuerst unilaterale Versorgungsstörung verursacht, die sich als Leistungsmangel oder Müdigkeit des einen Beins bemerkbar macht, der dem Trainingsstand widerspricht. Bei längerem Bestehen kann sich eine dauerhaft leistungsmindernde Stenose entwickeln, die zur weitern Ausübung des Sports operativer Versorgung bedarf. Gerade im Sommer sind Radsportler für Gastritiden und Elektrolytmangel anfällig.

Eine andere von Radfahrern zuweilen berichtete Störung betrifft den
Piriformis. Dieser neigt unter gewissen Umständen zu Überanstrengung und schmerzhaftem Hypertonus. Auch ein DGS (Piriformis-Syndrom) mit nervaler Schmerzausstrahlung kann dabei auftreten. Aufgrund seiner Lage kann dabei der kühlende Fahrtwind ein Cofaktor sein. Auch eine zurückliegende Trainingspause kann das Auftreten begünstigen. Diskutiert werden kann auch, ob Sportler aus dem Running oder Sportarten mit hohem oder häufiger schnelle Laufanteil hierfür disponiert sind, da sie geneigt sein könnten, den Vortrieb beim Radfahren zu einem größeren Teil als andere Menschen aus den bei ihnen im Vergleich zum Quadrizeps besser trainierten Hüftextensoren zu holen. Zudem ist klar, daß schweres statt häufigem Tretem due Auslösung begünstigt.