yogabuch / pathologie / morbus forestier
Inhaltsverzeichnis
Definition
Morbus Forestier ist eine gutartige, systemische nicht-entzündliche Skeletterkrankung, bei der die Wirbelsäule versteift, indem das Enthesen (der Sehnen, Bänder und Kapseln) der Bindegewebe der Ventral- und Lateralflächen der Wirbelsäule ossifiziert. Die bekannteste frühe Beschreibung des französischen Internisten Forestier aus dem Jahre 1950 bezeichnet die Erkrankung als greisenhaft versteifende Hyperostose der Wirbelsäule. Der Radiologe Albert Oppenheimer hatte sie aber schon 1942 beschrieben. Auch bei dem Höhlenbären (Ursus splenaeus) der letzten Kaltzeit ist diese Erkrankung zu sehen. Im Gegensatz zu der historischen Einschätzung ist die Erkrankung nicht auf ältere Menschen beschränkt und auch nicht notwendigerweise auf die Wirbelsäule.
Als Ursache werden genetische Faktoren angesehen, die verschiedene Stoffwechselparameter verändern. Auch eine überschießende Reaktion auf Stimuli zur Knochenneubildung wird als Ursache diskutiert. Sekundär oder als Komorbidität wird die Erkrankung auch bei Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen sowie Gicht beobachtet. Nicht selten ist der Morbus Forestier asymptomatisch und wird als Zufallsbefunde entdeckt oder bleibt schwach symptomatisch. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, die Erkrankung tritt familiär gehäuft auf.
Die WS zeigt meist eine zunehmende und zunehmend versteifende BWS-Kyphose bei meist weitgehend erhaltener lumbaler Beweglichkeit.
Die Versteifung der BWS ist obligat und dominiert rechtsseitig, da die Pulsation der Aorta die Versteifung der linken Seite verzögert.
Die LWS ist in 90% mitbetroffen, die HWS in 75%, jedoch bleibt dort die Beweglichkeit meist gut erhalten. Zuweilen ist der nichtsynoviale Bereich der ISG mitbetroffen. in 50% ist auch das Ligamentum longitudinale posterius und Lig. flavum betroffen, was als OPLL bezeichnet wird.
Neben diese beiden häufig betroffenen Bändern sind ggf. auch betroffen: Ligamentum stylohyoideum (Eagle-Syndrom), Ligamentum iliolumbale, Lig. sacrospinale und Lig. sacrotuberale. Begleitende Enthesiopathien (Insertionstendopathien) kommen in 66% am Beckenkamm vor, in 53% am Tuber ischiadicum, in 40% an Trochanter major oder minor sowie den Enthesen der Patella, in weiteren Fällen an denen des Hüftgelenks, Kniegelenks oder Ellbogengelenks. Bandscheibenleiden, Facettengelenksarthrosen oder Facettengelenkankylosen sind nicht typisch für Morbus Forestier, genauso wenig Ankylosen des ISG.
Im Gegensatz zu Spondylophyten (Osteophyten der Wirbelkörper) treten hier keine Zacken etwa senkrecht zur Gelenklinie bzw. Grenzfläche (Deck- oder Bodenplatte) auf, sondern ausgedehnte Knochensporne ähnlich einer Plantarfasziitis. Vom Morbus Bechterew unterscheidet sie sich auch mehrfache Weise, etwa auch dadurch, daß das ISG in der Regel nicht betroffen ist, statt regelhaft Ort des Erkrankungsbeginns zu sein.
Eine kausale Therapie ist bisher unbekannt, therapiert wird symptomatisch gegen Schmerzen und etwaiges Entzündungsgeschehen sowie mit Bewegungstherapie (vor allem Mobilität und Prävention von Funktionseinschränkungen) und Wärmetherapie. Außer bei Wirbelkörperfrakturen ist die Lebenserwartung nicht vermindert.
Als Symptome dominieren vor allem Beweglichkeitseinschränkung und Schmerzen, welche nachts am ausgeprägtesten sind. Bewegung bessert.
Epidemiologie
Die Prävalenz liegt bei 40-jährigen Männer bei 3.8% und gleichaltrigen Frauen bei 2.6%. In den Lebensdekade 6 und 7 steigt sie auf 5-15%.
Ursache
- vermutlich genetisch disponiert
Prädisponierend
- Diabetes mellitus
- Fettstoffwechselstörungen
- Gicht
- Adipositas
Diagnose
- Röntgen zeigt heterotope Verknöcherung, auch des Ligamentum longitudinale anterius
- Das Blutlabor ist bis auf Entzündungszeichen unauffällig
- CT oder MRT zum Nachweis von Frakturen nach Traumen. MRT zur Abklärung des Rückenmarks
- Breischluck bei Dysphagie
Symptome
- vor allem dumpfe, drückende Bewegungsschmerzen in der Wirbelsäule oder in anderen betroffenen Gelenken, auch in der Gesäßregion
- Morgensteifigkeit
- Bewegung bessert
- mit der Progredienz abnehmende Beweglichkeit der WS
- ggf. Schluckstörungen (Dysphagie)
- ggf. Dyspnoe
Therapie
- Bewegungstherapie
- ggf. Antiphlogistika, Analgetika
- Wärmetherapie
Komplikationen
- bei Betreff des Kehlkopfes: Schluckstörung oder ein Stimmlippenstillstand
- neurologische Symptome durch Druck auf Spinalnerven
- Querfrakturen der Wirbelkörper bereits durch inadäquates Traumen (Chalk Stick Fracture oder Carrot Stick Fracture). Die Betroffenen zeigen in 40% neurologische Defizite, die Mortalität liegt bei 20% binnen 3 Monaten. Beim Morbus Forestier sind diese Frakturen wesentlich seltener als beim Morbus Bechterew.