bewegungsphysiologie: faszien

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Faszien sind Bindegewebe: wenig dehnbare, aus gekreuzt verlaufenden kollagenen Fasern und elastischen Netzen aufgebaute Hülle einzelner Organe, Muskeln (ganzer Köpfe wie auch innerhalb dieser zwischen allen Untergliederungen wie Fasern und Faserbündel) oder Muskelgruppen; Faszien sind i.w. rein passiv, nicht kontraktil. Fibroblasten stellen das Kollagen her. An den Enden der Muskeln vereinigen sich die Faszien mit den Sehnen. Die Faszien der Muskeln grenzen diese gegenüber benachbarten Strukturen wie Organen, Fellen, Knochen, aber auch untereinander ab und ermöglichen das reibungsarme Gleiten der Strukturen aufeinander durch eine von den Fibroblasten und den Fibrozyten hergestellte Schmiere. Verhärtung und Verklebung führen zu Beschwerden. Faszien können viel Wasser binden und dienen als Wasserspeicher. Sie enthalten Fresszellen, die enzymatisch gegen Eindringendes vorgehen. Man unterscheidet:

  1. oberflächliche Faszien: lockeres Fasziengewebe im Unterhautgewebe; sie umgeben und verbinden Organe, Drüsen, neurovaskuläre Leitbahnen und Gewebe; Wasser- und Fettspeicher, Verschieblichkeit. Es wird vermutet, daß diese Faszien ein körperweites nicht-neurales Netzwerk bilden. Dehnbarkeit: gut
  2. tiefe Faszien: umgeben alle Muskeln, Knochen, Gelenke, Nervenbahnen, Blutgefäße; bilden Sehnen, Sehnenplatten, Bänder, Gelenkkapseln, Retinaculae, Periost, Perichondrium, Tunica externa der Blutgefäße und Perineurium der Nervenbahnen; besitzen Mechano-, Thermo- und Chemosensoren und Nervenendigungen des PNS. Das Endomysium umhüllt einzelne Muskelfasern, das Perimysium Muskelfaserbündel und das Epimysium den ganzen Muskel. Dehnbarkeit: weniger gut als die oberflächlichen Faszien
  3. viszerale Faszien: Aufhängung und Einbettung der inneren Organe und des Gehirns. Hirnhaut und Pleura, Peritoneum, Pericard gehören hierzu. Es gibt jeweils eine viszerale Schicht direkt auf dem Organ und eine parietale Schicht darum. Blut und Lymphgefäße durchziehen die Faszien.

Länger anhaltende Verspannungen und damit zu wenig Bewegung in den Faszien führt zu Aktivierung von Fibrinogen in der Lymphflüssigkeit, damit zu Fibrin und damit zu verfilzten, verklebten und vermindert beweglichen Faszien sowie Druck auf die Nervenendigungen. Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen zeigte eine Untersuchung eine im um Schnitt 20% verminderte Flexibilität der Faszien. Faszaile Verklebungen und Verhärtungen können einen deutlichen Anteil an der weich-elastischen Bewegungsgrenze ausmachen. In schweren Fällen können Faszien zu unflexiblen Blöcken verkleben, von der oberflächlichen Faszie bis in den Muskeln hinein. Auch durch Altern und Bewegungsmangel verändern sich die Faszien, verlieren Wasser und verkleben und verhärten zunehmend, was immer weitere Beweglichkeitseinschränkungen und Schmerzen bei Bewegung mit sich bringt. Die Einwirkung der Stresshormone führt ebenfalls zu Überspannung der Faszien, die kurzfristig gesehen reversibel ist, chronisch aber nur sehr schwer. Werden die Adrenalin-Rezeptoren der Myofibroblasten stimuliert, führt dies nach 24 h über den Botenstoff TGF-Beta zu einer Immunmodulation und dazu, daß die Faszien fibrotischer werden. Dies deutet auf einen möglichen Pathomechanismus der Fibromyalgie hin: wochenlanger ungewöhnlich hoher Streß scheint eine deutliche Disposition für ihren Ausbruch zu sein. Desweiteren ist die autonome Innervation der oberflächlichen Faszie bei Fibromyalgie deutlich verändert.

Übersäuerung führt zu Verhärtung der Faszien und Einschränkung des Blut- und Lymphflusses. Sensoren dieser Faszien: Schmerz (Nozizeptoren), Bewegungsänderungen (Propriozeptoren), Änderungen von Druck und Schwingungen (Mechanorezeptoren), Änderungen des chemischen Milieus (Chemorezeptoren) sowie Temperaturschwankungen (Thermorezeptoren). Tiefe Faszien können auf chemische und mechanische Stimulation mit Entspannung oder Kontraktion sowie Umbau ihrer selbst reagieren, sie enthalten Glattmuskel-ähnliche Bindegewebszellen (Myofibroblasten) für langfristige Kontraktion. Je höher die Myofibroblasten-Kontraktion, desto steifer die tiefe Faszie (auch im pathologischen Geschehen, siehe Dupuytren, Frozen Shoulder) Dehnbarkeit: weniger gut als die oberflächlichen Faszien.

In Ober- und Unterschenkel sind jeweils mehrere Muskeln mit Faszien zu Logen (Kompartments) zusammengefasst. Bei einem deutlichen Druckanstieg in dieser Loge kommt es zu einem Kompartment-Syndrom, das ggf. operativ druckentlastet werden muß. Die Ursache z.B. kann funktionell (ungewohnte muskuläre Anstrengung mit massiver Volumenzunahme des Muskels) oder traumatisch sein. Auch andere Ursachen wie Brandverletzungen oder Ischämie können dazu führen.
Mit insgesamt ca. 250 Mio. Sinneszellen können die Faszien als das größte Sinnesorgan betrachtet werden, was die Fläche als auch die Anzahl der Rezeptoren betrifft, die Haut hingegen enthält nur ca. 100 Mio. Rezeptoren.
Bei Verletzungen sind Faszien meist mitbetroffen, an ihrem Übergang zu den Muskeln entsteht ein nennenswerter wenn nicht gar der Großteil der Schäden. Sportbedingte Zerrungen sind zu 80% kollagene Rupturen der Faszien und keine Muskelfaserrisse.
Im Tierversuch konnte bereits ein positiver Einfluß von Dehnen auf das Gerüst der Fibroblasten nachgewiesen werden: sie können dadurch um ein Vielfaches, größer, länger und flacher werden. Bei Entzündungsgeschehen, z.B. in der thorakolumbalen Faszie, werden durch Dehnen entzündungshemmende Stoffe freigesetzt und die Entzündung vermindert. Außerdem fördert Dehnen die Ausschüttung von Zytokinen (Wachstumsfaktoren, Immun- und Entzündungsmediatoren: Interferone, Interleukine, koloniestimulierende Faktoren, Tumornekrosefaktoren und Chemokine). Es wird vermutet, daß durch Dehnen ausgeschüttete Resolvine generell gegen Entzündungen wirken, daß die dehnende Wirkung von Massagen die gleiche Wirkung hat, wird allerdings bezweifelt. Grundsätzlich zeigen Sportler, die sich regelmäßig (!) dehnen, eine bessere Leistungsfähigkeit und eine niedrigere Verletzungsrate. Auch auf die Arteriensteifigkeit hat

Dehnen eine positive Auswirkung.
Bewegungsmangel, insbesondere iatrogene Ruhigstellung nach Traumata und Frakturen führt zu verfilzten, verdickten und chaotisch strukturierten Faszien, was bereits nach 3 Wochen Ruhigstellung mit Gips deutlich nachweisbar ist. Damit ist in der Regel ein gewisses Maß an Funktionsverlust verbunden, außerdem können die dieser Art pathologisch veränderten Faszien auf Muskeln und Nerven drücken. Allgemein muß angenommen werden, daß das heutige zivilisatorische Maß an Bewegung inkompatibel mit dem evolutionären Resultat des menschlichen Körpers ist. Laut Harvard-Paläoanthropologen Dan Lieberman sind mindestens 150 Minuten Sport im Sinne von am besten etwa 5 mal wöchentlich 30 Minuten mit mindestens 50% erhöhter Herzfrequenz empfehlenswert.