yogabuch / pathologie / restless leg syndrom
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Definition
Das RLS ist eine sensomotorische Störung unklarer Ätiologie mit Betreff vor allem der unteren Extremität, die sich mit deutlichen bis quälenden Mißempfindungen in Ruhe äußert, die sich bei Bewegung bessern, so daß ein teils imperativer Bewegungsdrang entsteht. Die Beschwerden verstärken sich – bei normalem Lebensrhythmus – zum Abend und in der Nacht, so daß teils schwere Schlafstörungen mit sekundären mentalen und emotionalen Symptomen entstehen, darunter mnestische Störungen, Konzentrationsstörungen, chronische Erschöpfungszustände, Tagesschläfrigkeit, Antriebslosigkeit, Gereiztheit, Schwindel, Migräne und Depressionen. Auch körperliche Störungen an Herz und Gefäßsystem, Diabetes mellitus, Demenz und Adipositas können sekundär auftreten.
Die typischen Symptome können bilateral oder unilateral sein, dann können sie auch alternieren. Charakteristisch ist neben der Schärfe des Bewegungsdranges auch die sofortige und zuverlässige Linderung durch Bewegung. Die (sehr begrenzte) Dauer der Remission ist abhängig von der Schwere der Erkrankung. Ein Teil der Betroffenen ist sich der Störung nicht bewußt, da sie nur während des Schlafs auftritt und bestenfalls zu unbewußten Wachzuständen (Arousals) führt, ohne, daß der Betroffene bewußt wach wird und die Symptome bemerkt.
Seltener sind statt der Beine die Arme betroffen, was als Restless Arm Syndrom bezeichnet wird. Unwillkürliche Bewegungen wie Ticks oder Teremor sind nicht Bestandteil der Symptomatik, wohl aber Muskelzuckungen (sogenannte Periodic Limb Movements PLM), die im Schlaf oder im Wachzustand auftreten können. Die charakteristischen Mißempfindungen werden vielfältig beschrieben, etwa als Ziehen, Spannen, Kribbeln, Ameisenlaufen, Druckgefühl, Kältegefühl, Wärmegefühl, undefinierbarer Schmerz, als Krämpfe oder als Pulsieren, sämtlich meist recht profund, nur selten superfiziell. Von der betroffenen Extremität können die Symptome in Richtung des Rumpfs ausstrahlen, also etwa ins Gesäß oder beim Restless Arm Syndrom in die Schulter. Weitere Ausstrahlungen sind beschrieben. In manchen Fällen treten die Symptome erst nach dem Einschlafen auf, so daß sie nicht bemerkt werden, solange der Betroffenen nicht aufwacht.
Neben der Symptomfreiheit im Sinne des charakteristischen zircadianen Rhythmus mit Einsetzen oder Verschlechterung zu Abend können längere Remissionsphasen von Tagen bis Monaten auftreten. In leichten Fällen zeigt sich die Störugen nur hin und wieder. In besonders schweren Fällen ist der Schlaf derart erschwert, daß der zircadiane Rhythmus komplett verloren geht.
Neben unklarer Entstehung gehen einige Fälle (sekundäre) auf Eisenmangel zurück, weshalb auch bei normwertigem Ferritinspiegel Eisen substituiert wird. Es werden mehrere Pathomechanismen diskutiert, wie ein Eisenmangel diese Störung hervorrufen könnte. Auch andere Mangelzustände und Medikamente (siehe unten) können die Störung verursachen. Verschiedene Medikamente sind bei RLS kontraindiziert, auch Noxen wie Kaffee, Alkohol und Nikotin scheinen aggravierend. Betroffene berichten von der positiven Auswirkung moderater Bewegung während des Tages oder zum Abend, aber von nachteiliger Auswirkung intensiver oder exzessiver Bewegung.
Die Störung ist bereits 1685 von Willis als „Ruhelosigkeit mit Bewegungsdrang“ erstbeschrieben worden und findet sich bereits 1861 im Lehrbuch der Nervenkrankheiten (Wittmaack). Die längere Zeit übliche Unterscheidung in primäres und (häufiger unilateral auftretendes) sekundäres RLS, also als Folge von Medikamenten oder Mangelzuständen auftretendes wird heute auch angezweifelt. Die primäre Form beginnt früher als die sekundäre und meist einschleichend, auch ist ihre Progredienz langsamer.
Epidemiologie
Die Störung betrifft in Amerika und Europa 5-10% der Bevölkerung, davon brauchen 10-15% eine Medikation. M:W 1:2. In Asien ist die Störung deutlich weniger verbreitet. Die Störung kann schon in der Kindheit auftreten und muß dann von einem AHDS abgegrenzt werden. Während und nach der Schwangerschaft tritt in 25% ein RLS auf, in 97% klingt die Störung nach der Geburt wieder ab.
Komorbiditäten
Bei RLS können verschiedene Komorbiditäten auftreten, vor allem kardiovaskuläre, neurologische und rheumathologische wie etwa rheumatoide Arthritis, Diabetes Mellitus, Fibromyalgie, aber auch psychomentale wie Depression oder Angststörungen, weiter Polyneuropathie, somatoforme Störungen, Störungen des Respirationstrakts wie etwa COPD oder obstruktive Schlafapnoe, siehe auch Prädispositionen.
Ursache
- primäre Form: unbekannt
- sekundäre Form: Eisenmangel und andere Mangelanämien, Medikamenten-NW
Prädisponierend
für die sekundäre Form:
- Eisenmangelanämie, Folsäuremangel, Vitamin-B12-Mangel, Magnesiummangel, perniziöse Anämie, Urämie, dialysepflichtige Niereninsuffizienz, chronische Lebererkrankungen, RA, Diabetes mellitus, Hypothyreose, Fibromyalgie, Polyneuropathie, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Krampfadern, Schwangerschaft
- medikamentös induziert: verschiedene Antidepressiva, Antiemetika, Neuroleptika, Antihistaminika, Lithium
Diagnose
- Neurologische Tests und Bildgebungen sind in der Regel o. B.
- klinisch, dazu hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie DGN 2012 essentielle (obligatorische) und unterstützende (fakultative) Kriterien definiert:
Essentielle Kriterien
- Bewegungsdrang der Beine (ggf. der Arme), meist verursacht von Parästhesien oder Schmerzen
- Auftreten oder Verstärkung des Bewegungsdrangs in Ruhe und Entspannung, nicht bei Bewegung
- Linderung oder Stopp der Symptomatik bei Bewegung
- Zunahme der Beschwerden zum Abend und in der Nacht
Unterstützende Kriterien
- Periodische Beinbewegungen im Schlaf (PLMS) oder ruhenden Wachzustand (PLMW) über ein erwartbares Maß hinaus
- Besserung der Symptome unter testweise verabreichtem Levodopa (L-Dopa-Test)
- positive Familienanamnese des RLS (Verwandte 1. Grades)
Aus dem Jahr 2009 stammt der Restless-Legs-Diagnose-Index, der vor allem die Differentialdiagnose erleichtern soll. Die Diagnose ist nicht immer leicht zu stellen, da Betroffene die Symptomatik nicht unbedingt klar beschreiben können, außerdem finden Fehldiagnosen statt (vor allem: somatoforme Störungen, Depression, Hypochondrie). RLS, das nur während des Schlafes auftritt, wird recht regelmäßig nur im Schlaflabor entdeckt.
Symptome
- verschiedene Parästhesien und Schmerzphänomene, die zu Bewegung drängen, die dann bessert. Zunahme zum Abend, Verschlechterung bei Ruhe, siehe oben
- vielfältige sekundäre Symptome, etwa durch Schlafmangel
Therapie
- sekundäre Form: ursächlich
- primäre Form: Dopainagonisten oder L-Dopa (nicht als Dauermedikation wegen Augmentation), ggf. Kombinationstherapie oder Off-Label-Use von Opioiden, Antikonvulsiva, Benzodiazepinen
DD
- pAVK
- Polyneuropathie
- Radikulopathien
- Vitamin B12-Mangel und funikuläre Myelose
- Venenleiden
- nächtliche Wadenkrämpfe
- Pruritus
- Einschlafmyoklonien (Zuckungen)