funktionale übungen: druckmassage

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Haben Muskeln einen überhöhten Tonus, kann neben Dehnen eine Druckmassage hilfreich sein. In wenigen Fällen ist es schlichtweg schwer möglich, eine Dehnung eines Muskels herbeizuführen, die den Tonus hinreichend lindert, so z.B. bei Pars transversa und Pars descendens des Trapezius. Dann ist die Druckmassage ein einfaches Mittel, um die unangenehm hohe Spannung herabzusetzen – wenn jemand zugegen ist, der sie durchführen will und kann. Gerade im Falle des Trapezius ist es nämlich schwierig sich selbst eine Druckmassage mit der gegenüberliegenden Hand der zu bearbeitenden Seite zu geben ohne sich dort zu verspannen. Auch im Falle des Supraspinatus und mehr noch des Infraspinatus und ist dies schwierig.

Grundsätzliche Vorgehensweise

Zur Ermittlung der tolerablen Intensität muß sich dieser Supporter auf die verbale Rückmeldung des Behandelten und auf dessen Mimik verlassen. Ab einer gewissen Intensität von ca. NRS 9 würde unweigerlich ein Grimassenphänomen auftreten und die Atmung ihr Regelmaß einbüßen, auch wenn eine verbale Rückmeldung bewußt unterdrückt wird. Empfehlenswert für die Druckmassage ist, mit einem kleinen Sicherhaitsabstand zu NRS 9 zu arbeiten, also etwa nur maximal bis NRS 8, da die Gefahr besteht, daß sich der Behandelte bei zu hoher Intensität anderweitig verspannt.

Um den optimalen Punkt – oder falls mehrere sehr wirksame existieren – einen brauchbaren Ausgangspunkt für die Behandlung zu finden, muß der Supporter ggf. mehrere Stellen von ventral nach dorsal hin austesten, dort jeweils mit sanftem Druck starten und gegebenenfalls unter kleinsten Bewegungen den Druck langsam deutlich steigern. Wo keine Empfindung von mindestens NRS 5 auszulösen ist, darf erst einmal keine hinreichende Wirksamkeit angenommen werden. Nachdem ein Startpunkt gefunden ist und der Druck hinreichend intensiviert worden ist, sollte dieser Punkt für möglichst länger als eine Minute gehalten werden. Nicht selten ist über die Zeit ein langsames Nachlassen der Schmerzintensität bei identisch gehaltenem Druck zu beobachten.

Nicht selten kann der Supporter den Druck selbst nicht so lange halten, wie der Behandelte es vertragen würde, was ersteren dazu zwingt, einen anderen Finger einzusetzen. Grundsätzlich können bei wenig belastbaren Fingern auch die Dorsalseiten der DIP genutzt werden, auch wenn es dort weitgehend an Feinfühligkeit fehlt.

Trapezius

Der Trapezius ist ein dreiteiliger allochthoner Rückenmuskel, der von weiten Teilen der WS (Beginn der HWS bis hinab zu Th12) am äußeren Oberrand der Schulterblätter und der Clavicula ansetzt und die Schulterblätter bewegt: Alle Teile sind an der Außenrotation und der Retraktion des Schulterblatts beteiligt, Pars descendens hebt das Schulterblatt an (Elevation), Pars ascendens zieht es in Richtung Becken.
Allein schon die Lage auf dem Rücken macht es schwierig manuell eine Selbstmassage vorzunehmen. Eher kann man den Muskel auf einen Gegenstand drücken, der auf dem Boden liegt.

Gerade die oberen beiden Partes neigen sehr zu Verspannungen, vor allem Pars descendens, weil viele Menschen die Schulterblätter angehoben zu halten neigen. Ein anderer Grund für einen erhöhten Tonus sind Überkopftätigkeiten wie etwa das Schreiben auf einer Tafel überkopf.

Steht ein netter Mensch bereit, der einem als Supporter etwas Gutes zur Linderung tun möchte, kann dieser den Trapezius von oben mit dem Daumen etwa mittig zwischen der HWS und dem Ansatz des Trapezius am Schulterblatt herabdrücken wie in der grundsätzlichen Vorgehensweise beschrieben.

Bei erhöhtem Tonus können auch die in der FAQ aufgezeigten Übungen ausgeführt werden. Ist der Tonus häufiger erhöht, muß zudem geprüft werden, im im Alltag die Schulterblätter ansatzweise hochgezogen (eleviert) gehalten werden. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, Anspannung, Angst und Kälteempfinden sind nur drei davon.

Supraspinatus

Der Supraspinatus ist kein Muskel, der größere Bewegungen ausführt und dabei gut trainiert wird. Er führt nur die initiale Lateralabduktion des Arms bis etwa 15° aus. Daher ist er weniger gut trainiert und ebenfalls weniger resilient. Letzteres kann leicht zu Verspannungen führen, die sich in der Grube oberhalb der Spina scapulae bemerkbar machen. Zur Orientierung kann einerseits das Acromion als lateralster Teil des Scapula lokalisiert werden und andererseits mit einem Griff von ventral nach dorsal flach über die Schulter die Spina scapulae, die sich dabei meist etwa unter den Fingerspitzen befindet. Etwas ventral der Spina scapulae und etwas medial des Acromions beginnt nun der Supporter den Punkt der besten Wirksamkeit zu suchen.

Der Supraspinatus ist ein Muskel, um den zu kümmern es sich lohnt. In aller Regel ist er der erste, der von einer altersbedingten degenerativen Rotatorenmanschettenläsion betroffen ist, dies bedingt auch durch die Tatsache, daß seine Ansatzsehne den absolut überwiegenden Teil der Lebenszeit dem Humeruskopf aufliegt und durch den – wenn auch moderaten – Druck eine schlechtere Versorgung erhält. Regelmäßiges Kräftigungstraining sollte sich hier auszahlen. Das Supraspinatus-Training kräftigt ihn ohne seinen Tonus unangenehm zu erhöhen. In Fällen eines überhöhten Tonus kann es ihn herabsetzen.

Infraspinatus

Der Infraspinatus ist der kräftigste Exorotator des Schultergelenks. Im Alltag dürfte er von den meisten Menschen wenig gebraucht werden, so daß auch er nicht selten mit zunehmenden Jahren bei einer Rotatorenmanschettenläsion betroffen ist. Grundsätzlich kann die geringe Benutzung und der dementsprechend geringe Trainingsstand auch dazu führen, daß der Muskel, wenn er dann benutzt wird, schnell überfordert ist, oder er sich zusammenzieht und einen unangenehm erhöhten Tonus annimmt, wenn der Arm längere Zeit in einer exorotierten Haltung abgelegt wird.

Um den Supraspinatus aufzufinden, ist es hilfreich den Margo medialis (inneren Schulterblattrand) aufzufinden. Dies geht leicht, wenn die Schulterblätter ein wenig nach vorn und hinten, also in Richtung Protraktion und Retraktion bewegt werden. Die nächste aufzufindende Landmarke ist die Spina scapulae, die sich als gut fühlbare knöcherne Erhebung im oberen Drittel der Scapula palpieren läßt. Der Infraspinatus entspringt nun großflächig unterhalb der Spina scapulae und lateral der Margo medialis bis hin zum Margo lateralis. Ist er verspannt, lassen sich meist mehrere Punkte finden, an denen eine Druckmassage gut wirkt und über die Zeit Linderung verschafft.

In einigen Fällen erhielten Menschen die meist sinnvolle Empfehlung, den Infraspinatus zu trainieren. Dies dient einerseits der Prävention von Rotatorenmanschettenläsion an dessen Ansatzsehne, andererseits ist dieser Muskel gegenüber den kräftigen Endorotatoren des Schultergelenks meist unterentwickelt, so daß eine muskuläre Dysbalance auftritt, die auch zu Störungen des Schultergelenks führen kann. Bei diesem Training muß jedoch darauf geachtet werden, daß der Arbeitsbereich nicht überwiegend in kurzer Sarkomerlänge liegt, da es sonst zu einer unangenehmen, oft beschwerdebehafteten Tonuserhöhung kommen kann.

Wer häufiger Asanas übt, bei denen die Arme ausgedreht werden, sollte keinen essentiellen Mangel an Kraft in diesem Muskel haben, vor einem erhöhten Tonus ist er dadurch jedoch nicht gefeit. Dieser kann sich bereits durch Fehlhaltungen einstellen, bei denen der Arm längere Zeit weit exorotiert gehalten wird.

Neben der Druckmassage können auch Haltungen mit weit endorotierten Armen wie maricyasana 1 und maricyasana 3 dazu beitragen, den Tonus eines verspannten Infraspinatus herabzusetzen.

Levator scapulae

Der Levator scapulae ist aufgrund seines Verlaufs von der oberen HWS zur oberen Margo medialis der Scapula vor allem Elevator des Schulterblatts, hat aber auch eine retrahierende Wirkung. Nur zu häufig gerät er unter erhöhten Tonus dadurch, daß im Alltag die Schulterblätter ein wenig angehoben gehalten werden, siehe auch die Erklärung dazu beim Trapezius. Eine sehr gute Möglichkeit eine Druckmassage des Levator scapulae durchzuführen, ist dessen Ansatz bei eingenommener garudasana zu pressieren. Durch die Haltung steht er ohnehin unter hoher Spannung, so daß der manuelle Druck zusätzlich für eine gesteigerte Wirkung sorgt. Bei geeignetem Griff kann dabei zudem vom Supporter das Schulterblatt in vollständiger Depression gehalten werden.

Triggerpunkte ?

Diese Anleitung vermeidet die bekannten Begrife Triggerpunktmassage und Druckpunktmassage.

Das Konzept des Triggerpunkts sieht vor, daß kleinvolumige Muskelverhärtungen im Millimeterbereich Schmerzen auslösen, die ggf. bis in andere Körperteile ausstrahlen können. Als Ursache werden angegeben: Überbelastung, überbelastende Fehlbelastung, Zerrungen, Muskelverletzungen, veränderte Biomechanik. Auch arterielle Unterversorgung wird diskutiert, die durch den erhöhten Tonus und die damit verbundene Kompression kleiner Gefäße entsteht. Den Triggerpunkten werden lokale Druckschmerzhaftigkeit und Palpierbarkeit als Verhärtung nachgesagt, fakultativ auch Schmerzausstrahlung, die Fähigkeit Muskelschwäche oder Beeinträchtigung der Koordination zu erzeugen, sogar Parästhesien stehen zur Diskussion. Triggerpunkte im Nackenbereich sollen zu nuchalen Kopfschmerzen führen können, solche im Glutealbereich zu pseudoradikulären Beschwerden.

Die als Triggerpunkt bezeichneten Muskelverhärtungen sollen in kleinsten permanent kontrahierten Muskelbereichen bestehen, als therapeutische Intervention werden verschiedene Verfahren angeführt: Akupressur, injektion von Lokalanästhetikum, Dry Needling mit Akupunkturnadeln und Stoßwellen. Die Studienlage zu Triggerpunkten ist allerdings höchst dürftig. Weder konnten sie eindeutig bestimmt werden (verschiedene Quellen machen verschiedene Angaben zur Lage), noch existiert ein Wirksamkeitsnachweis zur Injektion von Lokalanästhetikum. Für die Existenz von projizierten Schmerzen gibt es ebenfalls keinen Nachweis. Die Existenz von lokal deutlich erhöhtem Muskeltonus ist jedoch über verschiedene bildgebende Verfahren gesichert. Damit läßt sich im Moment wohl nur aussagen, daß Triggerpunkt eher ein deskriptives Konzept sind denn eine Entität mit geklärter Ätiologie.

Druckpunktmassage ?

Der Begriff der Druckpunktmassage ist noch weniger klar. Darunter wird meist die Pressur oder Massage von Punkten nach verschiedenen Systemen gehandelt, etwa TCM oder Shiatsu, oder auch obige Triggerpunktmassage.

Die obenstehende Anleitung nimmt bewußt keinen Bezug auf diese Begriffe, sondern bietet lediglich einen Algorithmus an, der dazu dient, besonders schmerzhafte Stellen oder allgemein erhöhten Tonus in der Muskulatur aufzufinden und mittels Druckmassage zu lindern, ohne dabei irgendeine Ätiologie zu behaupten.