pathologie: rektusdiastase

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(persistierende) Rektusdiastase

Definition

Auseinanderweichen der beiden Seiten des Rectus abdominis nach lateral durch Weitung der normalerweise 1-2 cm breiten Linea alba. Ab 2,7 cm spricht man von einer Rektusdiastase. Sie stellt keine Hernie dar, da die Faszie intakt bleibt, also weder Bruchring noch Defekt aufweist, dies tritt nur sehr selten als Komplikation auf. Physiologisch ist eine Rektusdiastase bei

  1. Neugeborenen
  2. Schwangeren durch die Wirkung des Hormons Relaxin im letzten Trimenon bis max. 8 Wochen nach der Geburt. Mit zunehmender Schwangerschaftswoche prägt sich die Diastase weiter aus, es kann eine Handbreite Abstand zwischen den Seiten des Rectus abdominis erreicht werden. In den Wochen nach der Schwangerschaft sollte sie sich aber erkennbar zurückzubilden beginnen. In einer Studie hatten 60% der gewordenen Mütter 6 Wochen postpartum noch eine Rektusdiastase.

Rektusdiastasen sind meist oberhalb des Nabels deutlicher ausgeprägt. Sie können in Grade eingeteilt werden:

  1. 1: bis 3 cm
  2. 2: bis 5 cm
  3. 3: ab 5 cm

Die Zuordnung der Symptome zu den Schweregraden ist bislang unter Medizinern noch uneinheitlich. Durch den schlechteren Hebelarm des Rectus abdominis und die fehlende Vorspannung der schrägen Bauchmuskeln kann deren Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein. Schwangeren wird bis zur 20. Schwangerschaftswoche Bauchmuskeltraining angeraten, besser statisch als dynamisch. Auch der Rectus abdominis sollte trainiert werden, außer es träte ein Druckgefühl im Bauchraum auf, der eine unzulässige Kompression der Fruchtblase vermuten lassen würde. Die beste Prävention gegen Rektusdiastase ist jedoch, sich vor der Schwangerschaft eine robuste Bauchmuskulatur zuzulegen.

Ursache

  1. Schwangerschaft, insbesondere a) ab dem 35. Lj. b) bei hohem Geburtsgewicht des Kindes c) bei Mehrfachschwangerschaften d) bei Mehrfachgebärenden
  2. wiederholte Druckerhöhungen im Bauchraum wie bei etwa Obstipation
  3. Adipositas
  4. angeboren, insbesondere bei Frühgeburten

Prädisponierend

  1. Mehrfachgebärende
  2. Mehrlingsschwangerschaft
  3. Alter über 35 bei Schwangerschaft
  4. hohes Gewicht des Ungeborenen
  5. Lage des Kindes, die den Bauch stark vorwölbt
  6. körperliche Überlastung nach der Schwangerschaft
  7. längere Dauer der Geburt
  8. zu große Frutchwassermenge (Polyhydramnion)
  9. Die Relaxinproduktion endet mit der Geburt, Stillen hält sie aber auf einem höheren Niveau.

Diagnose

  1. Palpatorisch in Bauchlage mit angespannter Bauchmuskulatur (Kopf anheben)
  2. Sono. Nach Abschluß von 12 Monaten intensivem Trainig ohne hinreichenden Erfolg kann bei ca. 5% der Betroffenen eine OP-Indikation gestellt werden. Die Breite des Spalts ist dabei nicht der wichtigste Parameter, sondern die Beschaffenheit und das Bruchrisiko

Symptome

  1. sichtbares und palpables Auseinanderklaffen der beiden Seiten des Rectus abdominis, die „Zweifingerbreit-Regel“.
  2. mögliche Vorwölbung der Bauchraumorgane bei Druckerhöhung im Bauchraum
  3. typischerweise beschwerdefrei
  4. möglicherweise hervorstehender Bauch
  5. während der Schwangerschaft möglicherweise: Rückenschmerzen (diese können aber auch aus der Hohlkreuzneigung resultieren), Hüftschmerzen, Beckenbodenprobleme
  6. erschwerte Geburt durch geringere Wirkung des Rectus abdominis

Komplikationen

  1. sehr unwahrscheinlich: Inkarzeration
  2. Absenkung der Bauchorgane mit Neigung zur Inkontinenz
  3. Inkarzeration von Darmgewebe

Therapie

  1. konservativ: Beckenboden- und Bauchmuskeltraining. Gut trainierte Frauen können grundsätzlich nach der Wundheilung wie gewohnt trainieren, auch die geraden Bauchmuskeln (Rectus abdominis), zuvor sollte jedoch die Beckenbodenmuskulatur gut trainiert werden, um die Gefahr einer Senkung zu minimieren. Unvollständige Kontinenz dabei stellt eine Kontraindikation für den Wiederbeginn des Trainings dar. Ausbleibendes Training führt eher zum Persistieren der Diastase, Training und körperliche Betätigung fördern das Verschwinden, wenn sie nicht gerade kontraindiziert sind. Grundsätzlich sollte frau auf die Signale des Körpers hören. Für die in der Schwangerschaft vor sich gehenden Veränderungen des Körpers gilt die „nine months in, nine months out“-Regel. Entgegen der häufig verbreiteten Meinung, Anspannung des Rectus abdominis, insbesondere Übungen wie Situps sollten gemieden werden, zeigt eine Studie mit einer Interventionsgruppe, die gerade und schräge Situps, Baucheinziehen in Bauchlage und Vierfüßlerstand, sowie half-Plank (Knie am Boden) und half-side-Plank ab der Diagnosestellung Rektusdiastase (6 Wochen postpartum) bis 12 Monate postpartum einmal wöchentlich unter Anleitung und täglich zuhause durchführen, nach 6 und 12 Monaten kein schlechteres Ergebnis als eine interventionslose Kontrollgruppe erzielt. Offen bleibt die Frage nach der optimalen Konfiguration, also ob ein Weniger an Training der schrägen Bauchmuskulatur das Ergebnis der Trainingsgruppe verbessert hätte. Weiter ist das häufig propagierte überwiegende Training der schrägen Bauchmuskeln kontraindiziert, da diese, an der Rektusscheide ansetzend, die beiden Seiten des Rectus abdominis auseinanderziehen. Wichtig ist stattdessen, daß bei allem Training der Bauchmuskulatur der Transversus abdominis aktiv eingesetzt wird, um den Bauchraum „kompakt“ zu und die Seiten des Rectus abdominis bestmöglich beieinander zu halten. Gemütliches Jogging ist wegen des ungünstigen Verhältnisses aus geringer Kräftigung der Bauchmuskulatur und häufiger Stoßbelastung des Beckenbodens mindestens solange kontraindiziert, wie Beckenboden und Bauchmuskulatur noch schwach sind. Beim Running ist das Verhältnis deutlich günstiger, da die Schwerpunktkurve weniger Krümmung bzw. weniger ausgeprägte Extrema besitzt und die dreidimensionale Bewegung des Beckens bzw. die notwendige Begrenzung der Auswirkung auf den Oberkörper durch die Bauchmuskulatur maßgeblich zur Stabilierung und zum Tonus der Bauchmuskulatur beiträgt.
  2. Rückbildungsgymnastik
  3. Beckenbodentraining sollte einem Bauchmuskulaturtraining vorausgehen: der Beckenboden wird in der Schwangerschaft ebenfalls nachgiebiger und leidet sonst unter dem Druck, den das Bauchmuskeltraining mittelbar über die Bauchraumorgane auf den Beckenboden ausübt, was zu Senkungen und Inkontinenz führen kann.
  4. Angepasstes Verhalten (je nach Status des Beckenbodens und der Bauchmuskulatur) zur Entlastung des Bauchraums vor dehnenden Einflüssen, dazu gehört z.B. das Aufstehen über die Seite, Vermeiden von vornübergebeugten Arbeiten ohne Spannung des Transversus abdominis, Vermeiden von WS-Rückbeugen und von Bauchpresse sowie von Heben schwerer Lasten ohne Einsatz des Transversus abdominis
  5. Ernährung, die nicht zur Obstipation führt bzw. Maßnahmen gegen vorhandene Obstipation
  6. Schwangerschaftsgurt/-gürtel, falls das Gewichts des Kindes hoch bzw. die Vorwölbung übermäßig ist. Dieser wird bis max. zur 8 Woche postpartum getragen
  7. Bei Spontangeburt kann unmittelbar, bei Kaiserschnitt nach mehreren Wochen mit Rückbildungsgymnastik begonnen werden.
  8. OP nur bei optischem Bedarf, die (OP-Indikation kann frühestens 12 Monate nach nicht hinreichend erfolgreicher Trainingstherapie gestellt werden) oder Komplikationen. Rezidivneigung!