pathologie: Postvirales Syndrom (post-acute Infection Syndrome PAIS) / Postvirale Fatigue inkl. Long-Covid

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Postvirales Syndrom (post-acute Infection Syndrome PAIS) / Postvirale Fatigue inkl. Long-Covid

Definition

Nach Abklingen der eigentlichen Erregertätigkeit einer viralen Infektion bestehende körperliche Störung mit breitem Symptomspektrum, zu dem schwere Erschöpfung, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen gehören, aber auch Störungen verschiedener Organe wie der Lunge, der Muskeln (Myalgien), der Gelenke (Arthralgien), weiter dermatologische, neurologische Symptome und psychologische Probleme. Von Erregern wie dem Ebstein-Barrr-Virus, dem Zytomegalievirus, Dengue-Virus, Herpes-simplex-Viren, Influenza-Viren oder Enteroviren ist das Syndrom schon länger bekannt, grundsätzlich kennt man das Syndrom seit Jahrhunderten und damit lange bevor man Viren entdeckt hatte, unter welchsenden Namen wie post-influenzale Depression, Enzephalitis lethargica, grippale Katalepsie, hysterisches Koma. Diese wurden aus Unkenntnis vor allem in schweren Fällen mit Bettlägerigkeit als pyschische Störungen klassifiziert. Noch drei Jahre nach der spanischen Grippe-Epidemie trat eine Hungernot auf, weil tansanische Bauern zu erschöpft waren um ihre Felder zu bestellen. In den Jahren nach 1889 wurde das PAIS der russischen Grippe (ebenfalls ein Coronavirus, in der Symptomatik SARS-Cov-19 ähnlich) häufig als „Neurasthenie“ diagnostiziert. Viele litten über 3 bis 5 Jahren daran, und auch die Zahl der nicht ausgeheilten Erkrankungen ist beträchtlich. In den Fokus geraten ist es als Folge von SARS-Cov-19-Erkrankungen, da es als „Post-Covid“- oder „Long-Covid“-Syndrom recht häufig auftritt, selbst nach milden oder asymptomatischen Verläufen. Einige Schätzungen gehen so weit, daß bis zu 80% der Covid-Infizierten eine postvirale Störung entwickeln, die sich oft über Wochen oder Monate hält.

Das postvirale Syndrom über mehr als 12 Wochen liegt bei geschätzten 15% aller Covid-Erkrankten vor, durch die Omikron-Variante ist diese Quote auf geschätzte 3% gefallen. Trotzdem ist der Krankenstand dadurch ein erheblicher Faktor, allein in den USA waren zwischendurch 1 Mio. Menschen wegen Long-Covid arbeitslos, was einen summierten finanziellen Schaden von 2,6 Bio Dollar (Stand 10/2021) entspricht.
In Deutschland liegt die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit bei 105 Tagen und damit weit über dem durchschnittlichen statistischen Krankenstand von 14,6 Tagen/Jahr.

Laut WHO, Stand Juni 2023, sind einer von dreizig Europern von Post-Covid betroffen. Bereits vor der Corona-Pandemie waren laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung in Deutschland 300.000 Menschen von ME/CFS betroffen. Die Störung dürfte unter anderem auf anhaltender Immunaktivierung oder Viruspersistenz beruhen. Terminologisch spricht man bei 3-12 Wochen nach der Infektion von postakuten Covid-Beschwerden. Jüngeres Lebensalter scheint zu der Störung zu disponieren, mit dem Alter läßt die Neigung dazu nach. Gesundheitliche Störungen vor der verursachenden Infektion scheinen ebenfalls zu disponieren. Der Verlauf der Symptome kann langsam ausschleichend, konstant oder auch undulierend sein.
Auch Neuauftreten von Symptomen während des PAIS ist möglich. Pathophysiologisch werden mehrere mögliche Mechanismen als verursachend diskutiert:

  • Dauerhafte Organschäden wie Myokardschäden, Nierenschäden, Lungenfibrosen
  • Schäden an Sinneszellen
  • Nachhaltigen Störungen des Immunsystems, ggf. mit Autoimmunreaktionen
  • Auftreten verschiedener Entzündungen
  • psychische Effekte
  • Stoffwechselstörungen
  • Neuroinflammation
  • Gefäßdysregulation

In einer australischen Studie unter zu 90% gegen Covid-19 geimpften Patienten hatten über 20% nach 12 Wochen noch gesundheitliche Störungen im Sinne des postviralen Syndroms, bei 4% war die Alltagstauglichkeit moderat bis stark eingeschränkt. Die Häufigkeit des postviralen Syndroms nach Covid-19 PCS liegt ähnlich wie nach der Influenza. Außerdem zeigt sich, daß eine Impfung die Wahrscheinlickeit für ein Postvirales Syndrom im Falle von Covid-19 um ca. 30% verringert. Das in der Symptomatik ähnliche Post-Vac-Syndrom (Post-Vakzinationssyndrom) PVS tritt deutlich seltener auf. Es scheint sich abzuzeichnen, daß die Omikron-Variante eine geringere Häufigkeit an PCS aufweist. Im Falle des Ebstein-Barr-Virus EBV zeigt sich das Postvirale Syndrom häufig ausgeprägter mit einer bereits seit langem bekannten langen Rekonvaleszenz, aber auch eine myalgische Enzephalitis/Chronisches Fatique-Syndrom (ME/CFS) treten nach EBV-Infektionen auf. Das Risiko für ME/CFS ist nach Studien nach einer Varizella-Zoster oder Schweinegrippe-Infektion erhöht. Zwei Drittel der Patienten mit mit der autoimmunologischen Nervenerkrankung Guillain-Barre-Syndrom hatten zuvor eine eine Infektion mit Coronavirus, Zotomegalievirus, Epstein-Barr-Virus, Influenza, Zika-Virus oder Varizella-Zoster. Bereits bei der spanischen Grippe von 1918 sind Enzepahlitiden mit langjährigen Beschwerden beschrieben worden. Eine ursächliche und erfolgreiche Therapie ist bislang nicht bekannt, so daß weitgehend symptomatisch therapiert wird. Dabei ist eine genaue Anamnese erforderlich. Beispielsweise muß der oft sehr ausgeprägte Belastbarbeitsmangel nach Art oder Ursächlichkeit unterschieden werden um daraus eine Intervention abzuleiten, etwa Dyspnoe, Muskelschwäche, allgemeine Erschöpfung, mangelnde Funktion der Mitochondrien und Konzentrationsmangel. Wohldosierte körperliche Belastung ist heilungsförderlich, Überforderung kann bei einem PEM zu sehr deutlichen Verschlechterung führen.

Terminologisch wurde eine Unterscheidung zwischen Long-Covid und Post-Covid vorgeschlagen, derart, daß man unter ersterem
die Symptome nach der mit vier Wochen veranschlagten Krankheitsphase versteht und unter Post-Covid die Symptome, die mindestens 12 Wochen bestehen oder neu dazugekommen.

Ursache

  1. Virusinfektion

Prädisponierend

  1. jüngere bis mittlere Lebensjahre

Diagnose

  1. MRT und PET-Scan können cerebrale Veränderungen nachweisen, teils auch des Gehirnstoffwechsels
  2. Lungenfunktionstest zur Aufklärung von Dyspnoe
  3. 10-Min-Stehtest, Kipptisch
  4. Blutgase
  5. EKG, Echokardiographie
  6. Röntgen, Sono, CT oder MRT Lunge

Symptome

  1. Arthralgien
  2. Myalgien
  3. cerebrale und sensorische Störungen wie Vergeßlichkeit, Konzentrationsstörungen, Sprachstörungen, Wortfindungsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Tinntus
  4. vorzeitiges Überforderungsempfinden durch Reize, Anforderungen
  5. Brain-Fog
  6. Herz-Rhythmusstörungen, Tachykardie, pectanginöse Beschwerden
  7. Durchblutungsstörungen
  8. Dyspnoe, Husten, Kurzatmigkeit
  9. Verlust von Geschmacks- oder Geruchssinn (Anosmie)
  10. Magen-Darm-Beschwerden
  11. Lymphknotenschwellungen
  12. Auftreten von nicht erregerbedingtem Fieber
  13. Schlaflosigkeit
  14. Nachtschweiß
  15. Haarausfall
  16. Dermatologische Symptome: Pruritus, Effloreszenzen, Schwellungen
  17. teils schwere verminderte Belastbarkeit, Müdigkeit, Fatigue, die sich auch durch Ruhe und Schlaf kaum bessert; Belastungsintoleranz (post-exertionelle Malaise PEM oder Crash nach Überlastung, die Wochen bis Monate anhalten kann)
  18. psychiologische Symptome wie etwa Angststörungen, Depressionen, Antriebsmangel, Lustlosigkeit, Mutlosigkeit
  19. Die Fatigue wird als körperlich, emotional und mental beschrieben
  20. Orthostasefehlregulationen, POTS
  21. Ein- und Durchschlafstörungen mit Folge Tagesmüdigkeit, verminderter Immunleistung und Belastbarkeit. Wird dann kompensatorisch tags geschlafen, stellt sich oft ein gestörter Wach-Schlaf-Rhythmus ein
  22. unproduktiver oder zäher Reizhusten bei respiratorischen Erregern
  23. Augensymptomatik, Sehverschlechterung, Helligkeitsempfindlichkeit, Bewegungsschmerz des Auges, Doppelbilder, Rötungen
  24. Alopezie

Komplikationen

  1. Chronifizierung
  2. ME/CFS
  3. PEM (post-exertionelle malaise)

Therapie