pathologie: höhenkrankheit

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Höhenkrankheit (D’Acosta-Krankheit, AMS, Acute Mountain Sickness)

Definition

Mit der Höhe nimmt der Sauerstoffgehalt der Luft und damit auch der Partialdruck ab. Das führt zu einer Vasokonstriktion der Lunge (Euler-Liljestrand), Folge ist die Minderoxygenierung des Blutes (Hypoxie). Die reflektorische Hyperventilation führt zu einer Hypokapnie und damit zu einer Alkalose des Blutes. Bei einer guten Akklimatisation kann die Niere das bis ca. 7000 Hm größtenteils kompensieren, die mit der Höhe zunehmende Dehydration erschwert das aber zunehmend. Im Gehirn bewirkt der geringe Partialdruck CO2 eine Vasokonstriktion, genauso wie der geringe Partialdruck O2 in der Lunge. Das kann zu einer Cheye-Stokes-Atmung führen. Die Sympathikusaktivierung erhöht den Blutdruck, was eine Ödemgefahr für Gehirn und Lunge ergibt. Im Folgenden einige grundsätzliche Aussagen über den Aufenthalt und die körperliche Betätigung in größerer Höhe. Die Höhen werden in Zonen unterteilt:

  1. ab 2500 Hm: kritische Zone, Schwellenhöhe. Bis hierhin reicht die Sofortanpassung
  2. ab 3000 Hm bis 5300 Hm: die Schlafhöhe sollte um nicht mehr als 300-400 Hm / d gesteigert werden, alle 3-4 d einen Tag Aufstiegpause, falls an einem Tag mehr Aufstieg nötig, einen weiteren Tag dort verweilen. Akklimatisation obligat.
  3. ab 5300 Hm: extreme Höhe: nur für kurze Aufenthalte
  4. ab 7000 Hm: „Todeszone“ 1: hier sinkt der Partialdruck O2 auf unter 30 bis 35 mm Hg, was eine hinreichende Oxygenierung und Regeneration auch nach langer Ruhe unmöglich macht.
  5. ab 8000 Hm: „Todeszone“ 2: Überleben von mehr als 48 h extrem unwahrscheinlich

Für einen Aufstieg bis auf 4500 sollte eine Woche Aufenthalt auf 2000 bis 3000 Hm mit Tagestouren in größeren Höhen eingeplant werden, für einen auf 6000 Hm eine weitere. Das reduziert das Risiko für eine Höhenkrankheit um 50%. Die Anpassung an größere Höhen ist größtenteils genetisch disponiert und weniger trainierbar, auch genetisch günstig ausgestattete Untrainierte können ihre Erythrozyten-Population verdoppeln, während eine vergleichbare Adaption bei vielen genetisch ungünstiger ausgestatteten, aber sportlich Austrainierten auch bei längerem Aufenthalt in Höhe weitaus geringer ausfallen mag. Der Einfluß eingenommener Medikamente auf die Höhe und deren mögliche Verschleierung von Höhensymptomen sollte zuvor mit einem Arzt abgeklärt werden. Bereits bei einer Höhe von 1000 Hm gegenüber dem Lebensmittelpunkt zeigen 3-5% der Menschen Symptome der AMS (Acute Mountain Sickness), bei 2500 bereits 10 – 25% : Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Benommenheit. Für Aufenthalte bis 8 Stunden ist keine Akklimatisation erforderlich, die Leistungsfähigkeit ist jedoch geringer als nach Akklimatisation. Es stellt sich eine vertiefte, beschleunigte Atmung ein. Der Schlaf in Höhe ist leichter und unruhiger, die Traumphasen verkürzt, Atemaussetzer treten vermehrt auf. Der Ruhepuls ist – höhenabhängig – erhöht, oft um 10-20 %. Eine Sofortadaption liegt in erhöhter Diurese, so daß der Hämatokrit ansteigt. Um den Risiken eines zu hohen Hämatokrit zu begegenen, muß genügend getrunken werden. Ab ca. 2-3 Wochen Aufenthalt in Höhe liefert das Knochenmark dann mehr Erythrozyten.

Bei bekannten Herz- und Lungenerkrankungen sollte zuvor ein Arzt konsultiert werden. Akklimatisation ist nicht trainierbar. Häufigere Höhenaufenthalte führen allerdings zu besserer Adaption der Atmung. Die Leistungsfähigkeit sinkt pro 1000 Hm ungefähr um 10%. Wer also im Flachland lebt, hat in 4000 Metern Höhe noch 2/3 und in 6000 Metern Höhe gerade noch gut die Hälfte seiner Leistungsfähigkeit. Gute Fitness ist beim Bergsteigen obligat, aber erst für über 55-jährige läßt sich eine bessere Höhenverträglichkeit durch einen guten Trainingsstand nachweisen. Beim Aufstieg und bei Tätigkeiten in Höhe sollten nie mehr als 50-60% der Maximalleistung abgerufen werden, das entspricht einem Puls von maximal etwa 140 bpm, bei Älteren 120 bpm, die Atmung durch die Nase ist soll noch gut möglich sein. Anaerobe Leistungen in Höhe sind KI. Die Nahrung sollte kohlenhydratreich sein, Fette sind langwieriger zu verstoffwechseln. Vitamine, Mineralstoffe inkl. Salz müssen hinreichen zugeführt werden. Da die Luft in der Höhe trockener ist, wird in der Höhe mehr Flüssigkeit benötigt, ca. 4-5 l / d. Die Ausscheidung an Urin sollte 1 l / d nicht unterschreiten, er darf nicht zu dunkel werden.

Asthma stellt in der Höhe i.d.R. kein Problem dar, im Gegenteil tut Asthmatikern die schadstofärmere Luft gut. Hypohämoglobinämie kann eine KI für den Aufenthalt in größeren Höhen darstelllen. Als Faustregel gilt: jedes Auftreten von Symptomen jenseits von 2500 Hm muß bis zum Beweis des Gegenteils als Höhenkrankheit angesehen werden. Symptome kontraindizieren weiteren Aufstieg und indizieren je nach Ausmaß oder bei Verschlechterung Abstieg aus der Höhe. Personen mit Symptomen der Höhenkrankheit dürfen nicht allein gelassen werden. Fehlende Fitness ist kein Risikofaktor für Höhenkrankheit, disponiert aber zu übermäßiger Erschöpfung. Bei der Beurteilung des Ruhepulses muß dieser relativ zum bekannten Ruhepuls gesehen werden, nicht zu Normwerten. Für Anstiege und Aufenthalte über 2000 HM gibt es folgende bekannte KI:

  1. bis 3 Monate nach Herzinfarkt
  2. Thromboembolie
  3. zerebrovaskulärem Insult (Apoplexie)
  4. ICD-Implantation (Defibrilator-Implantation)
  5. instabile Angina pectoris (stabile KHK ist keine KI)
  6. geplante Koronarintervention
  7. Herzinsuffizienz
  8. zyanotischen und schweren nicht-zyanotischen Vitien
  9. pulmonale arterielle Hypertonie
  10. schwere COPD (keine KI bei weniger schwerer, die unter Medikation stabil ist)

ICD T70.2

Ursache

  1. hauptsächlich: Sauerstoffmangel in größerer Höhe

Prädisponierend

  1. Aufstiege um mehr als 625 Meter pro Tag ab 2000 Meter über NN
  2. fehlende vorherige Akklimatisation mit weniger als fünf Tagen über 3000 Meter in den vorausgegangenen zwei Monaten
  3. Weibliches Geschlecht
  4. Lebensalter unter 46 J.

Symptome

Allgemein umfasst das Spektrum möglicher Symptome:

  1. Leitsymptom: Kopfschmerzen: dumpf, klopfend, häufig nachts und beim Aufwachen, Belastungskopfschmerz
  2. Benommenheit bis zur Apathie
  3. Schwindel, Gangunsicherheit, Standunsicherkeit
  4. Tachypnoe, Belastungsdyspnoe, auch Ruhesdyspnoe
  5. Tachykardie (mehr als 20% über bekanntem Ruhepuls)
  6. Übelkeit
  7. Appetitverlust
  8. Erbrechen
  9. plötzlicher Leistungsabfall mit übermäßiger Müdigkeit
  10. ggf. unproduktiver Husten
  11. Schlafstörungen
  12. Verwirrtheit, Fehlwahrnehmungen
  13. Oligurie

Nach Früh-, Warn- und Alarmzeichen unterteilt:

  1. Frühzeichen: Kopfschmerz, Übelkeit, Schwindel, Ruhepuls über 20 des bekannten, periphere Ödeme, Appetitlosigkeit, Leistungsabfall, Euphorie oder vernunftwidriges Verhalten
  2. Warnzeichen: schwerer, anhaltender Kopfschmerz, schwere, anhaltende Übelkeit mit Erbrechen, Reizhusten, Tachykardie, Ruhedyspnoe, Schlaflosigkeit, rapider Leistungseinbruch, Schwindel, Benommenheit, Standunsicherheit, Gangunsicherheit, Oligurie, dunkler Urin
  3. Alarmzeichen: Verwirrtheit, schwere Ruhedynpnoe, anhaltender produktiver Husten mit braunem Sputum, Rasselgeräusche in der Atmung, Lippenzyanose, Anurie

Komplikationen

  1. Höhenhirnödem (HACE) , akut lebensbedrohend
  2. Höhenlungenöden (HAPE), akut lebensbedrohend: zunehmende Dyspnoe, Ausbildung eines alveolären Lungenödems, ggf. schaumiger oder blutiger Auswurf (Hämoptoe)

Therapie

  1. Prophylaxemedikation (Wirksamkeit belegt, aber nicht für Indikation Prophylaxe Höhenkrankheit zugelassen): Azetazolamid, ASS, Dexamethason, Salmeterol, Ibuprofen 600, Calciumcarbasalate
  2. Bei Auftreten von milden Symptomen Aufstiegpause, NSAR gegen Kopfschmerz, Antiemetikum, Acetazolamid (CAVE: Auftreten von NW vorher abklären) gegen Bildung eines Hirnödems
  3. Bei schweren Symptomen sofortiger Abstieg bzw. Abstransport in geringere Höhen, Sauerstoffbeatmung, Gamow-Sack (portabler Druckkammer). Wiederaufstieg nur wenn ohne Medikation keine Symptome auftreten.
  4. Mittel der Wahl: Nifedipin