bewegungsphysiologie: laufen (allgemein)

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Laufen (allgemein)

Zyklische Vorwärtsbewegung auf zwei Beinen zum Überbrücken von Distanzen, die i.w. daraus besteht ein Bein (versetzt) vor das andere zu setzen und in der Summe der Schritte die gewünschte Distanz zu überwinden. Der umgangssprachliche Begriff „Laufen“ fasst grob klassifiziert die folgenden Tätigkeiten zusammen:

  1. Gehen
  2. Jogging
  3. Running
  4. Sprinting

Bereits beim Jogging und nicht erst beim Running zeigen sich eine Reihe positiver körperlicher Auswirkungen: Steigerung der Ausdauer und des kariopulmonalen Leistungsvermögens, präventive Effekte gegen einige wichtige Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, (unblutiger) Schlaganfall, Arteriosklerose, vaskuläre Demenz, Diabetes mellitus, positiver Einfluß auf die Knochendichte und Unterstützung bei der Gewichtsreduktion, immerhin verbrennt Jogging zwischen 700 und 800 kcal / h und damit ein Drittel des Bedarf eines ruhig lebenden Menschen mit Bürotätigkeit. Running verbraucht (bei einem 80 kg schweren Probanden und 15 km/h) etwa 1200 kcal/h, davon werden zwischen 70% und 80% als Abwärme über den Schweiß abgegeben, etwa 1-2 l / h. Während auch beim Jogging die Schrittfrequenz häufig zwischen 140 und 170 / Minute liegt, ist die Schrittlänge im Vergleich zum Running doch eher klein, häufig geht sie nicht über die Schrittlänge beim Gehen hinaus und unterschreitet die Schrittlänge bei forciertem Gehen deutlich. Ein typischer Jogger setzt einen Fuß in nicht mehr als einer Fußlänge Abstand vom anderen auf, hat also eine Schrittlänge von nicht mehr als zwei Fußlängen. Dagegen erreichen auch wenig trainierte Läufer recht schnell Schrittlängen von deutlich über einem Meter, bei Fußlängen von durchschnittlich etwa 20 (Schuhgröße 32) – 30 (Schuhgröße 47) cm entspricht das einem meist weit mehr als dreifachen der Fußlänge. Die Weltspitze der Sprinter hat Schrittlängen von 2,50 m, das ist mehr als das achtfache der Fußlänge. Selbst Top-Marathonläufer haben noch Schrittlängen von 1,50 m, also mehr als dem fünffachen der Fußlänge. Trotz und gerade wegen der kurzen, häufigen Schritte hat Jogging aber auch seine Kehrseiten: Die Schwerpunktkurve besitzt beim Jogging eine stärkere Krümmung als beim Running , die vertikale Oszillation ist – je nach Laufmuster – im Verhältnis zur Schrittlänge meist etwas ausgeprägter, vor allem in Relation zur Schrittlänge wird dies sehr deutlich.

Während beim Running das Abstoßen des Fußes vom Boden aus Kraft des Trizeps surae den Körperschwerpunkt vor allem nach vorn bewegt – Ziel ist ja Geschwindigkeit – ist der Fokus beim Jogging wegen der kleinen Schrittlänge relativ gesehen mehr in Richtung der Absprungbewegung nach oben verschoben. Daraus resultiert eine deutlich geringere Kräftigung des ganzen Extensorenbereichs des Hüftgelenks, aber auch der Hüftflexoren: bei gleicher Schrittfrequenz müssen für eine größere Schrittlänge die Hüftgelenke proportional mehr und überproportional kraftvoller extendiert und flektiert werden. Letzteres beruht darauf, daß die Beine ständig beschleunigt und verzögert (also negativ beschleunigt) werden müssen, und bei der Beschleunigung der Faktor Zeit im Nenner steht, also einen hyperbolischen Einfluß hat. Wie die Schrittlänge ist der Hub (das Bogenmaß) im Fußgelenk beim Running signifikant größer, die Abrollbewegung also weit ausgeprägter. Im Verhältnis zu den kräftigenden Wirkungen zeigt das Jogging also weit mehr Stoßbelastungen durch das Aufsetzen des Fußes. Dies ist für alle beteiligten Gelenke weniger günstig. Gerade postpartum wird dies auch außerhalb des Bewegungsapparates zu einem gewichtigen Faktor, wenn die Beckenbodenmuskulatur noch gedehnt und schwach ist. Jogging sollte daher erst nach einiger Zeit regelmäßigen Beckenbodentrainings und völliger Beschwerdefreiheit begonnen bzw. wiederaufgenommen werden. Die geringe Schrittlänge hat auch eine weit geringere zu leistende Stabilisierungsarbeit der Rumpfmuskulatur zur Folge.

Da das Becken beim Running eine Oszillation um eine Transversalachse (eine quere Waagerechte) ausführt, genauso wie eine um die Longitudinalachse (eine Vertikale), nachrangig auch noch eine Pendelbewegung um eine sagittale Wasgerechte, muß ein nennenswerter Teil der Muskulatur vor allem des unteren Rumpfs gegensteuern, damit der Rumpf möglichst wenig den Bewegungen des Beckens folgen muß, was einen immensen Energie- bzw. Geschwindkeitsverlust und rasche Ermüdung zur Folge hätte. Während Gehen auf der einen Seite und Jogging und Running auf der anderen Seite dadurch klar abgrenzbar sind, daß beim Gehen immer mindestens ein Fuß Kontakt mit dem Boden hat, trifft dies für Jogging und Running nicht zu, hier gibt es eine Flugphase. Diese gibt es auch bei der schärfsten Form des Running , dem Sprinting. Eine scharfe Abgrenzung von Jogging und Running anhand objektiver Parameter ist schwer, am besten taugt noch die obige Betrachtung der Schrittlänge. Daneben kann beim Joggen bequem und zeitlich unbegrenzt Konversation betrieben werden, was beim Running nicht der Fall ist, da dadurch die Tilgugn der höheren Sauerstoffschuld und die Artikulation zu deutlich beeinträchtigt wird. Die Abgrenzung von Running und Sprinting ist hingegen leicht, da Running eine aerobe Disziplin ist, also kein Ausmaß an Sauerstoffschuld in den Geweben erzeugt wird, das nicht in Echtzeit zu tilgen wäre. Beim Sprinting hingegen handelt es sich klar um eine anaerobe Disziplin, die bestenfalls wenige hundert Meter durchzuhalten ist. Die Schwerpunktkurve ist recht glatt, die Höhenoszillation des Körperschwerpunkts also gering. Sprinting ist immer Vorfußlauf, längere Strecken finden fast immer mit Abrollbewegung mindestens als Mittelfußlauf, meist und fast immer auf hobbyistischem Niveau als Rückfußlauf statt.

Allen 4 Bewegungsformen (Gehen, Jogging, Running, Sprinting) ist gemeinsam, daß der Vortrieb fast ausschließlich aus den Hüftextensoren und dem Trizeps surae (und anderen weniger beitragenden Fußgelenkstreckern) kommt. Dabei wird der Anteil des Gluteus maximus als Kraftextensor des Hüftgelenks bei geringen Geschwindigkeiten noch sehr gering sein, beim Sprinting überwiegt er dann. Gerade beim Gehen kann stark zwischen dem Krafteinsatz des Trizeps surae und der Ischiocruralen Gruppe variiert werden, die normalerweise den größten Anteil zum Vortrieb beiträgt. Grundsätzlich ist ein kraftvoller Einsatz des Gluteus maximmus beim Gehen möglich, aber bei moderaten Geschwindkgkeiten wenig typisch. Unterschiede liegen etwa im Aufsetzpunkt des Fußes bzw. des Körperschwerpunkts: beim schnelleren Laufen und Sprinten muß der Fuß etwa unter dem Körperschwerpunkts aufgesetzt werden. Ein zu weit vor dem Schwerpunkt liegender Aufsetzpunkt ist unökonomisch und fördert den Verschleiß. Beim Sprinting steigt gegenüber dem Running nicht so sehr die Schrittlänge sondern vor allem die Schrittfrequenz an, was auch den dramatisch erhöhten Energiebedarf erklärt, da die Zeit, wie bereits geschildert, hyperbolisch in die Rechnung eingeht. Auch wenn einge Autoren eine Geschwindigkeit von 10 km/h als ungefähre Grenze zwischen Jogging und Running angeben, ist dies hoch individuell. Noch klarer wird dies beim Running vs. Sprinting. Hochklassige Marathonläufer laufen problemlos 18 km/h, was ein deutlich weniger trainierter Läufer oft nichtmals im Sprint erreicht. Genauso kann im Gehen leicht eine Geschwindigkeit von 7 – 8 km/h erreicht werden, wobei gemütliche Jogger möglicherweise kaum das Spaziergängertempo 5 km/h erreichen. In diesem Fall liegt der größte Unterschied in der Schrittlänge, die beim ambitionierten Gehen deutlich länger sein kann als beim trippelnden Jogging. Die Steigerung der Schrittlänge von Gehen über Jogging zu Running (und kaum noch zum Sprinting) zeigt sich auch in den erreichten ROM in den jeweiligen Gelenken. Objektive Zeitangeben oder Geschwindigkeiten taugen also kaum zur Abgrenzung.