pathologie: morbus blount (Blount-Syndrom, Erlacher-Blount-Syndrom)

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Definition

1922 von Erlacher in Graz erstbeschriebene progrediente Ausbildung einer Tibia vara vor Abschluß der Wachstumsphase durch eine Wachstumsstörung im Bereich der posteromedialen Anteile der proximalen Epi- und Metaphyse der Tibia, meist frühkindlich (infantile Form, Auftreten meist 1.-3. Lj.), seltener später (adoleszente, juvenile oder Spätform). Neuere Studien zeigen, daß es sich nicht um eine primäre Ossifikations- und Wachstumsstörung handelt, sondern um ein verzögertes Wachstum der medialen Tibiaepiphyse, das auf Fehlbelastung des medialen tibiofemoralen Kompartiments beruht. Die in 50% beidseitige infantile Form prägt sich meist in den ersten Lebensjahren aus, wird aber nicht immer zeitnah erkannt, so daß es bis zur Diagnosestellung bis in Grundschulzeit brauchen kann.
Beidseitiger Betreff bedeutet nicht, daß sich beide Seiten exakt gleich verformen. Die in der Regel einseitige Spätform tritt im Bereich 8. – 15. Lj. auf und neigt zu vorzeitigem Verschluss an der Wachstumsfuge und Schäden an der benachbarte Epiphyse. In der Spätform kann man noch die juvenile Form (4.-10. Lj.) von der adoleszenten (ab 10. Lj.) unterscheiden, die sich aber klinisch, röntgenologisch und histologisch nicht unterscheiden. Unter den Ursachen findet sich die Rachitis, aber auch Traumata. Die infantile Form ist in 50% beidseitig und betrifft Mädchen häufiger, die adoleszente Form ist nur in ca. gut 10% beidseitig, betrifft Jungs häufiger und darunter vor allem adipöse.
Die infantile Form der Erkrankung kommt vor allem in Afrika und der Karibik vor, im Rest der Welt ist sie selten. Die Adoleszente Form ist geographisch weniger zuordnenbar, sie beruht eher auf den Folgen von Übergewicht. Pathogenetisch relevant ist eine mechanische Fehlbelastung des medialen Kompartiments mit verzögertem Wachstums der medialen Tibiaepiphyse. Übergewicht und Vitamin-D-Mangel disponieren und beschleunigen die Erkrankung. Nicht selten kommt zu der Varusstellung eine Innenrotation der Tibia und zuweilen (30% der unbehandelten Fälle) auch zu einem Valgus des Femur und zu einem adaptiven Valgus des Sprunggelenkbereichs. Ein verändertes Gangbild und konsekutiven Störungen anderer Teile des Bwegungsapparates kommen nicht nur im einseitigen Fall vor, obwohl dann auch die Beinlängendifferenz und ihre Folgen erschwerend hinzukommt.
Die infantile Form der Erkrankung wird nach Langeskjöld in Stadien eingeteilt:

  1. Varusdeformität mit Unregelmäßigkeit der Wachstumsfuge und medialseitiger Hakenbildung
  2. Absenkung der Tibiametaphyse medial mit leichter Schrägstellung
  3. deutliche Varusausprägung der Tibia, ausgeprägter Haken medial, eventuell Fragmentierung der Metaphyse medial
  4. Verschmälerung der Wachstumsfuge, deutliche Schrägstellung
  5. zusätzliche Deformierung und Teilung der Epiphyse
  6. Brückenbildung zwischen Epi- und Metaphyse auch mit teilweiser Fusion der fragmentierten Epiphyse an die Metaphyse medial

Während die infantile Form selbstlimitierend ist und Spontankorrekturen auftreten können, ist beides bei der adoleszenten Form nicht der Fall, sie verläuft progredient. Mit dem Morbus Blount zusammen werden häufiger ein Diabetes mellitus (selten bei adoleszenter Form), vermindertes Zink und erhöhte AP im Serum beobachtet. Die Epiphysiolysis capitis femoris ist eine nicht selten beobachtete Komorbidität vor allem der infantilen Form.

In der betroffenen Epiphysenfuge zeigt sich fibröses Gewebe oder auch knöcherne Brückenbildungen zwischen der Epiphyse und der Metaphyse.

Ursachen

  1. unklar, vermutlich fehlbelastungsbedingte Wachstumsstörung durch inadäquate Druckverhältnisse

Prädisponierend

  1. bei der infantilen Form: früher Laufbeginn, große Statur, Übergewicht
  2. bei der adoleszenten Form: Übergewicht

Diagnose

  1. Bei 1-3-Jährigen zeigt der Cover-Up-Test, ob ein altersgemäßes physiologisches Genu varum vorliegt oder ein infantiler Morbus Blount

Symptome

  1. In der Regel keine Zeichen wie: lokale Druckschmerzhaftigkeit, Gelenkschwellungen oder -Ergüsse, keine Bewegungseinschränkungen

Komplikationen

  1. psychische Veränderungen
  2. abhängig von Schwere und Zeitpunkt der Diagnosestellung

Therapie

  1. Bei der infantilen Form konversativ mit Orthese. Eine nächtliche Orthese kann zu schlechterem Nachtschlaf mit Folge von Reizbarkeit führen. Muß operiert werden, ist ein Rezidiv wahrscheinlich.
  2. Bei der Spätform gibt es verschiedene OP-Techniken, Rezidive nach OPs sind hier selten.
  3. PT
  4. Bewegungspherapie